Wenn etwas unwichtig ist, dann ist es der Logik nach auch meistens ohne Bedeutung. Was ist aber, wenn Unwichtiges, gerade, wenn eins zum anderen kommt, plötzlich an Bedeutung gewinnt und sogar so bedeutungsvoll wird, dass man darüber ein Buch schreibt oder einen Film dreht?
Die 60er und 70er Jahre waren die Zeit des Wirtschaftswunders, das zu anhaltend hohen Wachstumsraten, Vollbeschäftigung und Wohlstand führte. In den 60er Jahren kamen kritische Ideen vor allem durch die Studenten auf. Grund waren in erster Linie der Vietnam-Krieg und die radikale Abkehr von einer konservativen Lebensweise, die sich vor allem auf die Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands bezog.
In den 70er Jahren kam es durch die so genannte Tendenzwende zu einem geistigen Umschwung in Deutschland. Nicht mehr die objektive Analyse der Gesellschaft an sich war das Ziel von Wissenschaften und Kunst, sondern die Fokussierung auf das Individuum und seine Subjektivität.
In meiner Arbeit werden aus dieser Zeit zwei Werke aus Literatur und Film untersucht: Martin Walsers Novelle Ein fliehendes Pferd (1978) und Michael Fenglers und Rainer Werner Fassbinders Film Warum läuft Herr R. Amok? (1969) Sie beide lassen ihre Protagonisten den deutschen Alltag erleben, der zunächst von so lapidar unwichtigen Begebenheiten gekennzeichnet ist, dass sich beim Rezipienten die Frage stellt: Warum dieses Werk? Was von Wichtigkeit passiert hier, dass man darüber schreibt oder es filmisch verarbeitet?
Die beiden Medien stellen sich somit der Aufgabe, eine derart feinsinnige Sensibilität für ihre Erzählungen zu entwickeln, dass Belanglosigkeiten Bedeutung erlangen und zwar in letzter Konsequenz so große, dass die Figuren kaum noch damit umgehen können oder – wie es der Titel des Filmes schon verrät – daran zugrunde gehen.
Neben der Untersuchung des Alltags in diesen beiden Werken werden die beiden hier gewählten Medien – nämlich Literatur und Film – in den Blick genommen und zwar dahingehend, dass gefragt wird, ob die speziellen Unterschiede im Blick auf den Alltag medial determiniert sind und welche stilistischen Strategien Literatur und Film wählen um ihrem Gegenstand zu begegnen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Alltag und die Verortung des Gegenstandes
- Ein fliehendes Pferd
- Gattung und Entstehungszeit
- Täuschung und Flucht als maßgebliche Strategien des Protagonisten
- Leistungsdruck und Konkurrenz
- Freizeit, Gesundheit, Ernährung
- Arbeit
- Erinnerung
- Sex- und Sexkonsumgesellschaft
- Das fliehende Pferd, die unerhörte Begebenheit, der Schluss
- Der plötzliche Augenblick als Gegenbewegung zum Alltäglichen
- Warum läuft Herr R. Amok?
- Verortung des Films in seiner Zeit
- Problematisierung der Entstehung des Films: Ist Warum läuft Herr R. Amok? ein Fassbinder Film?
- Der Alltag in Warum läuft Herr R. Amok?
- Sprache und Sprachlosigkeit
- Stand und Stellung als Primat des Ausdrucks
- Unterdrückung von Kreativität und Freude
- Krankheit als Ort gesellschaftlicher Konflikte
- Erinnerung als Flucht aus dem Alltäglichen
- Der Amoklauf als letzte Konsequenz
- Literatur und Film
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung des Alltäglichen in der Literatur und im Film, anhand der Analyse von Martin Walsers Novelle „Ein fliehendes Pferd“ (1978) und Rainer Werner Fassbinders Film „Warum läuft Herr R. Amok?“ (1969). Die Arbeit untersucht, wie diese beiden Werke das Alltagsleben als eine ästhetische Kategorie begreifen und die scheinbar unwichtigen Momente des Lebens in den Vordergrund stellen.
- Der Alltag als ästhetische Kategorie: Die Arbeit untersucht, wie das Alltägliche in den beiden Werken als eine Quelle der Bedeutung und des künstlerischen Interesses dargestellt wird.
- Strategien des Protagonisten: Die Arbeit analysiert die Strategien, die die Protagonisten in den beiden Werken entwickeln, um mit dem Druck des Alltags umzugehen. Dazu gehören Täuschung, Flucht, und die Suche nach Momenten des Ausbruchs.
- Die Rolle des Mediums: Die Arbeit untersucht die Unterschiede in der Darstellung des Alltäglichen in Literatur und Film und analysiert die spezifischen ästhetischen Strategien, die jeweils angewendet werden.
- Der historische Kontext: Die Arbeit berücksichtigt den historischen und gesellschaftlichen Kontext der beiden Werke, insbesondere die Zeit des Wirtschaftswunders und die gesellschaftskritischen Bewegungen der 60er und 70er Jahre.
- Der Amoklauf als letzte Konsequenz: Die Arbeit untersucht die Frage, wie die Darstellung des Alltags in „Warum läuft Herr R. Amok?“ zur Katastrophe des Amoklaufs führt und was dies über die Grenzen der menschlichen Belastbarkeit aussagt.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und begründet die Wahl von Walsers „Ein fliehendes Pferd“ und Fassbinders „Warum läuft Herr R. Amok?“ als Analyseobjekte.
Der Alltag und die Verortung des Gegenstandes: Dieses Kapitel befasst sich mit der Relevanz des Alltags als Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung und beleuchtet die historischen und theoretischen Strömungen, die zur Hinwendung zur Alltagsdarstellung führten.
Ein fliehendes Pferd: Dieses Kapitel analysiert Walsers Novelle „Ein fliehendes Pferd“ und untersucht den Alltag des Protagonisten Helmut Halm, seine Strategien der Flucht und Täuschung, sowie den Einfluss von Leistungsdruck und Konkurrenz auf sein Leben.
Warum läuft Herr R. Amok?: Dieses Kapitel widmet sich Fassbinders Film „Warum läuft Herr R. Amok?“ und beleuchtet die Darstellung des Alltags, der Sprache, der Unterdrückung von Kreativität und Freude und den Konflikt mit Krankheit.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Alltag, Literatur, Film, „Ein fliehendes Pferd“ von Martin Walser, „Warum läuft Herr R. Amok?“ von Rainer Werner Fassbinder, Täuschung, Flucht, Leistungsdruck, Konkurrenz, Sprache, Krankheit, Amoklauf, 60er und 70er Jahre, Wirtschaftswunder, Studentenbewegung, Tendenzwende, Subjektivität.
- Arbeit zitieren
- Simon Wordtmann (Autor:in), 2009, Die Bedeutung des Unwichtigen., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142081