In dieser Arbeit soll gezeigt werden, inwieweit „Labyrinth der Welt und das Paradies des
Herzens“ von Comenius als Vorform des utopischen Romans gesehen werden kann. Bevor
ich auf diese Frage eingehe, möchte ich zunächst einmal erläutern, was im Rahmen dieser
Arbeit unter Utopie bzw. Antiutopie zu verstehen ist und kurz die Entwicklung dieser beiden
literarischen Gattungen darstellen.
Hierbei handelt es sich um eines jener sprachlichen Probleme, die immer dann entstehen,
wenn allgemeinsprachliche Wörter als Ausgangspunkt fachsprachlicher Begriffe verwendet
werden. In dieser Arbeit wird es um den literaturwissenschaftlichen Begriff der Utopie gehen,
genauer gesagt um die Bezeichnung einer literarischer Gattung. Man kann die literarische
Utopie so definieren: „Eine Utopie ist das literarische Idealbild einer imaginären
Staatsordnung“. 1
Die Bezeichnung kann man dem Griechischen „ “ entnehmen, was übersetzt
Nirgendland bedeutet. Schon in Platons „Politea“ findet man eine Darstellung des idealen
Staates, genau so wie es auch in den späteren utopischen Werken zu sehen ist.2 Zu den
klassischen utopischen Werken gehört „Utopia“ von Thomas Morus von 1516, die der
Utopie ihren Namen gegeben hat. In diesem Werk wird ein räumliches Nirgendwo dargestellt,
eine Insel, die sich irgendwo in der Welt befindet und ein ideale Staatsordnung aufweist.
Auch „Civitas solis“ von Tomasso Campanella und „Nova Atlantis“ von Francis Bacon
gehören zu den wichtigsten literarischen Utopien.
Die drei charakteristischen Merkmale einer Utopie sind Systematik, Totalität und Idealität:
die Totalität der Darstellung ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Bereiche des Lebens ohne
Ausnahmen vollständig dargestellt werden. Die fast enzyklopädische Darstellung zeugt von
Systematik, und Idealität liegt in der prästabilisierten Harmonie der utopischen Welt. 3
Die bedeutsamsten Wesenszüge der literarische Utopie sind außerdem: Symmetrie,
Uniformität, Kollektivismus, verkehrte Welt, Isolation, kollektives Glücksstreben und
harmonische Verhältnisse.4 [...]
1 s. Schulte-Hergbrüggen,H. Utopie und Antiutopie. Von der Strukturanalyse zur
Strukturtypologie.Bochum,1960.S.7.
2 vgl. Broich,U. „Die negative Utopie“ in: Gattungen des modernen englischen Romans.Wiesbaden,1975.S.95.
3 vgl. Erzgräber,W. Utopie und Anti-Utopie.München,1980,S.17
4 vgl. Biesterfeld, W. Die literarische Utopie.Sammlung Metzler,Bd. 127, Stuttgart 1982
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gattungsproblematik
- Reiseroman
- Allegorische geistige Reise als Grundgattung des Romans
- Staatsroman
- Entwicklungs- bzw. Bildungsroman
- Traktat
- Motiv des Welttheaters
- Merkmale einer Utopie bzw. einer Anti-Utopie
- Gemeinsame Elemente der Utopie und Anti-Utopie
- Totalität der Darstellung und Systematik
- Urbanität und das geometrische Prinzip der Symmetrie
- Darstellung der Reise
- Die Figuren
- Unterschiedliche Elemente der Utopie und Anti-Utopie
- Anti-Utopische Elemente im ersten Teil
- Utopische Elemente im zweiten Teil
- Gemeinsame Elemente der Utopie und Anti-Utopie
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, inwieweit „Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens“ von Comenius als Vorform des utopischen Romans betrachtet werden kann. Die Arbeit beleuchtet zunächst den literaturwissenschaftlichen Begriff der Utopie und Anti-Utopie sowie deren Entwicklung. Sie analysiert die Gattungszugehörigkeit von Comenius' Werk und präsentiert seine literarischen Vorbilder.
- Die Entwicklung des literaturwissenschaftlichen Begriffs der Utopie und Anti-Utopie
- Die Gattungszugehörigkeit von Comenius' „Labyrinth der Welt“
- Die Merkmale von Utopien und Anti-Utopien
- Die Anwendung dieser Merkmale auf Comenius' Werk
- Die literarischen Vorbilder von Comenius
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und definiert den literaturwissenschaftlichen Begriff der Utopie. Sie beleuchtet die Entwicklung dieser Gattung und stellt wichtige Werke der Utopie und Anti-Utopie vor.
- Das Kapitel zur Gattungsproblematik untersucht verschiedene Gattungen, die in Comenius' Werk präsent sind, wie den Reiseroman, die allegorische geistige Reise, den Staatsroman, den Entwicklungs- bzw. Bildungsroman, den Traktat und das Motiv des Welttheaters.
- Das Kapitel über die Merkmale einer Utopie bzw. einer Anti-Utopie analysiert die gemeinsamen und unterschiedlichen Elemente dieser Gattungen. Es behandelt Aspekte wie Totalität der Darstellung, Systematik, Urbanität, Symmetrie, die Darstellung der Reise und die Figuren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Gattungen Utopie und Anti-Utopie, insbesondere mit ihren Merkmalen, ihren literarischen Vorbildern und ihrer Darstellung in Comenius' Werk „Labyrinth der Welt“. Weitere wichtige Themen sind die Gattungszugehörigkeit des Werkes, die allegorische geistige Reise, die Systematik und Totalität der Darstellung sowie die literarische Entwicklung der Utopie und Anti-Utopie.
- Arbeit zitieren
- Margarita Engelbrecht (Autor:in), 2003, Vorformen des utopischen Romans: J.A. Comenius "Labyrinth der Welt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14390