„Sind wir auf dem Weg von der korporatistischen Selbstverwaltung zur Staatsmedizin?“
Seit Mitte der 1970er Jahre unterliegt das deutsche Gesundheitswesen zahlreichen Reformversuchen, die vor allem eine wettbewerbsorientierte Gesundheitsversorgung in Zukunft gewährleisten sollen. Im Mittelpunkt politischer Diskurse und Reformbemühungen steht dabei neben der stationären Gesundheitsversorgung sehr oft auch die ambulante Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Auf dem Weg zur zielorien-tierten Gesundheitsversorgung haben die traditionellen korporatistischen Strukturen auf der Mesoebene des deutschen Gesundheitswesens die zahlreichen Reformen erheblich erschwert oder sogar verhindert.
Mit der jüngsten Gesundheitsreform, in Form des 2007 verabschiedeten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes, hat die Gesundheitspolitik nachhaltig begonnen in das komplexe Ordnungs- und Steuerungssystem des ambulanten Sektor des Gesundheitswesens einzugreifen, was zu nachhaltigen Veränderungen in der Steuerung und Finanzierung des Sektors geführt hat beziehungsweise führen wird.
In Folge dessen befürchten die zahlreichen Interessensverbände, im komplexen Ordnungs- und Steuerungssystem der ambulanten Krankenversorgung, welches von den Krankenkassen und den kassenärztlichen Vereinigungen dominiert wird, einen deutlichen Verlust der traditionellen Einflussnahme auf gesundheitspolitische Entscheidungen erleiden zu müssen. Dies wird vor allem mit der Verschiebung von korporatistischen Steuerungskompetenzen hin zu wettbewerblichen Steuerungsinstrumentarien begründet. In diesem Zusammenhang sprechen ausgewiesene Kenner der deutschen Gesundheitspolitik daher oft von einer Erosion des korporativen Ordnungs- und Steuerungsmodells in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Andere befürchten sogar die Etablierung einer Staatsmedizin in Deutschland.
Bei der Klärung der Frage, ob es eine Dekorporatisierung der Akteursbeziehungen im ambulanten Sektors des Gesundheitswesens gibt, werden nachfolgend zunächst der Begriff des Korporatismus erläutert und die beiden wichtigsten beteiligten Akteure vorgestellt. Anschließend wird an ausgewählten Beispielen aufgezeigt, inwieweit das 2007 verabschiedete GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz tatsächlich zur Erosion der korporatistische Steuerung im ambulanten Sektor geführt hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Korporatismus im Gesundheitswesen
- Begriff des Korporatismus
- Korporatistische Steuerung des Gesundheitswesens in Deutschland
- Interessenverbände in der ambulanten Versorgung
- GKV-Spitzenverband
- Kassenärztliche Bundesvereinigung
- Korporatismus und Gesundheitsreform
- Liberalisierung des Vertragsrechts
- Finanzierung der gesetzlichen Krankenkasse
- Konsequenzen für die Patienten
- Patienten-Interessensvertretung
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss des Korporatismus auf das deutsche Gesundheitswesen und analysiert die Auswirkungen der Gesundheitsreformen auf die korporativen Strukturen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die aktuellen Entwicklungen zu einer Erosion des korporativen Modells und möglicherweise zur Staatsmedizin führen.
- Der Begriff des Korporatismus im deutschen Gesundheitswesen
- Die Rolle von Interessenverbänden (z.B. GKV-Spitzenverband, KBV)
- Auswirkungen der Gesundheitsreformen auf die korporative Steuerung
- Die Liberalisierung des Vertragsrechts und ihre Folgen
- Die Perspektive der Patienten und deren Interessenvertretung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach einer möglichen Erosion des korporativen Ordnungsmodells im deutschen Gesundheitswesen und dem Übergang zu einer Staatsmedizin. Sie verortet das deutsche Gesundheitssystem im Kontext der Bismarck'schen Sozialgesetzgebung und der Einflussnahme von Interessenverbänden. Die Einleitung hebt die Bedeutung der Gesundheitsreformen und deren Auswirkungen auf die ambulante Versorgung hervor, insbesondere im Hinblick auf die traditionellen korporativen Strukturen und den damit einhergehenden Herausforderungen.
Korporatismus im Gesundheitswesen: Dieses Kapitel definiert den Begriff des Korporatismus und beschreibt dessen Ausprägung im deutschen Gesundheitswesen. Es analysiert die korporatistische Steuerung des Systems, die durch die Interaktion verschiedener Interessenverbände geprägt ist. Der Fokus liegt auf der komplexen Interaktion zwischen staatlichen Institutionen und den Akteuren des Gesundheitswesens, und wie diese Interaktion die Gesundheitspolitik gestaltet.
Interessenverbände in der ambulanten Versorgung: Hier werden die wichtigsten Interessenverbände im ambulanten Sektor, wie der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), im Detail untersucht. Ihre Rollen, Aufgaben und Einflussnahme auf die Gestaltung der Gesundheitsversorgung werden beleuchtet. Die Analyse konzentriert sich auf die Machtstrukturen und die strategischen Interaktionen zwischen diesen Akteuren und wie sie die ambulante Versorgung beeinflussen.
Korporatismus und Gesundheitsreform: Dieser Abschnitt untersucht die Auswirkungen der Gesundheitsreformen, insbesondere der Liberalisierung des Vertragsrechts und der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen, auf den Korporatismus. Es wird analysiert, wie diese Reformen die traditionellen Machtstrukturen verändern und welche Konsequenzen dies für die Patienten und deren Interessenvertretung hat. Der Fokus liegt auf dem Spannungsfeld zwischen korporatischer Selbstverwaltung und wettbewerblichen Steuerungsinstrumenten.
Schlüsselwörter
Korporatismus, Gesundheitswesen, Gesundheitsreform, Interessenverbände, GKV, KBV, ambulante Versorgung, Staatsmedizin, Wettbewerbsstärkungsgesetz, Gesetzliche Krankenversicherung, Patientenbeteiligung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Thema "Korporatismus im deutschen Gesundheitswesen"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert den Einfluss des Korporatismus auf das deutsche Gesundheitswesen und untersucht die Auswirkungen der Gesundheitsreformen auf die korporativen Strukturen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die aktuellen Entwicklungen zu einer Erosion des korporativen Modells und möglicherweise zur Staatsmedizin führen.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den Begriff des Korporatismus im deutschen Gesundheitswesen, die Rolle von Interessenverbänden wie dem GKV-Spitzenverband und der KBV, die Auswirkungen der Gesundheitsreformen auf die korporative Steuerung, die Liberalisierung des Vertragsrechts und ihre Folgen sowie die Perspektive der Patienten und deren Interessenvertretung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über Korporatismus im Gesundheitswesen, ein Kapitel über Interessenverbände in der ambulanten Versorgung, ein Kapitel über Korporatismus und Gesundheitsreform und eine Zusammenfassung. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Kontext dar. Die weiteren Kapitel analysieren den Korporatismus, die Rolle der Verbände (GKV-Spitzenverband und KBV), die Auswirkungen der Reformen und die Patientenperspektive.
Was wird unter Korporatismus im Gesundheitswesen verstanden?
Die Arbeit definiert den Begriff des Korporatismus und beschreibt seine Ausprägung im deutschen Gesundheitswesen. Es analysiert die korporatistische Steuerung des Systems durch die Interaktion verschiedener Interessenverbände und die komplexe Interaktion zwischen staatlichen Institutionen und Akteuren des Gesundheitswesens.
Welche Rolle spielen Interessenverbände?
Die Arbeit untersucht detailliert die wichtigsten Interessenverbände im ambulanten Sektor, den GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Ihre Rollen, Aufgaben und ihr Einfluss auf die Gestaltung der Gesundheitsversorgung werden beleuchtet, mit Fokus auf Machtstrukturen und strategische Interaktionen.
Wie wirken sich Gesundheitsreformen auf den Korporatismus aus?
Dieser Abschnitt analysiert die Auswirkungen von Gesundheitsreformen, insbesondere der Liberalisierung des Vertragsrechts und der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen, auf den Korporatismus. Es wird untersucht, wie diese Reformen die traditionellen Machtstrukturen verändern und welche Konsequenzen dies für Patienten und deren Interessenvertretung hat. Der Fokus liegt auf dem Spannungsfeld zwischen korporatischer Selbstverwaltung und wettbewerblichen Steuerungsinstrumenten.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Schlüsselwörter sind: Korporatismus, Gesundheitswesen, Gesundheitsreform, Interessenverbände, GKV, KBV, ambulante Versorgung, Staatsmedizin, Wettbewerbsstärkungsgesetz, Gesetzliche Krankenversicherung, Patientenbeteiligung.
Welche zentrale Forschungsfrage wird gestellt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet, ob die aktuellen Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen zu einer Erosion des korporativen Ordnungsmodells und einem Übergang zu einer Staatsmedizin führen.
- Arbeit zitieren
- Peter Janakiew (Autor:in), 2009, Korporatismus im deutschen Gesundheitswesen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143943