Brasilien gehört zu den Staaten mit der größten Landmasse und der größten Bevölkerung der Erde. Seit Jahrzehnten versucht die brasilianische politische Elite, ihrem Land den gebührenden Platz auf der Bühne der Weltpolitik zu verschaffen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehören indes Kernwaffenbesitz und Großmachtstatus weitgehend untrennbar zusammen. Ein militärisches Atomprogramm mit dem Ziel des Erwerbs von Kernwaffen wurde nach dem Übergang von der Militärdiktatur zur Demokratie zwar aufgegeben. Die Arbeiten an Ultrazentrifugen zur Urananreicherung gingen jedoch weiter. 2003 eröffnete Brasilien schließlich das erste Modul einer Urananreicherungsanlage in Resende. Offiziell dient diese Anlage kommerziellen Zwecken, doch es bestehen erhebliche Zweifel an der Rentabilität. Brasilien gestattet den Inspektoren der IAEA nur begrenzten Zugang zur Zentrifugenhalle und verhüllt Teile der Zentrifugen. Zudem hat Brasilien das IAEA-Zusatzprotokoll bis heute nicht unterschrieben. Diese Heimlichtuerei führte zusammen mit einer zunehmend selbstbewussteren Rhetorik der brasilianischen Regierung unter Lula da Silva zu Befürchtungen, Brasilien könnte entgegen aller Beteuerungen und vertraglicher Zusagen erneut nach Kernwaffen streben.
Diese Arbeit stellt einen grundlegenden Überblick über das brasilianische Atomprogramm dar. Sie bietet zunächst einen historischen Abriss über die Geschichte des brasilianischen Atomprogramms: die Anfänge, die Rolle des brasilianisch-deutschen Kooperationsabkommens von 1975 sowie das militärische Parallelprogramm. Darüber hinaus wird die gegenwärtige brasilianische Energiepolitik beschrieben und Daten und Fakten zum zivilen Nuklearprogramm geliefert. Vor dem Hintergrund der wichtigsten internationalen Vereinbarungen, in welche das brasilianische Atomprogramm eingebettet ist (bzw. im Fall des IAEA-Zusatzprotokolls eben nicht) geht es schließlich um die entscheidende Frage: Welche Ziele verfolgt Brasilien mit der Urananreicherung? Abschließend folgt eine Einschätzung der Rolle Brasiliens als emerging power und des möglichen Einflusses auf die nukleare Weltordnung im 21. Jahrhundert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Überblick
- Erste Schritte in der zivilen Nutzung der Nukleartechnik
- Der deutsch-brasilianische Deal
- Das militärische „Parallelprogramm“
- Brasiliens Atomprogramm heute
- Brasiliens Energiepolitik im 21. Jahrhundert
- Das zivile Nuklearprogramm
- Der politische und rechtliche Rahmen
- Der Vertrag von Tlatelolco
- Die Verifikationsbehörde ABACC und ihr Verhältnis zur IAEA
- Brasilien und der NVV
- Brasiliens Haltung zum IAEA-Zusatzprotokoll
- Die Streitfrage: Was passiert in Resende - und warum?
- Mögliche Motive für die Urananreicherung
- Mögliche Motive für die Einschränkung der visuellen Inspektion und die Ablehnung des IAEA-Zusatzprotokolls
- Abwägung: Worum geht es wirklich?
- Ausblick: Brasiliens und die nukleare Ordnung des 21. Jahrhunderts
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem brasilianischen Atomprogramm und analysiert dessen Entwicklung, aktuelle Situation und mögliche Auswirkungen auf die internationale nukleare Ordnung. Sie beleuchtet die Geschichte des Programms, die Rolle des deutsch-brasilianischen Kooperationsabkommens sowie des militärischen Parallelprogramms. Zudem werden die gegenwärtige brasilianische Energiepolitik und die wichtigsten internationalen Vereinbarungen, in welche das Programm eingebettet ist, untersucht.
- Historische Entwicklung des brasilianischen Atomprogramms
- Brasiliens Energiepolitik und das zivile Nuklearprogramm
- Der politische und rechtliche Rahmen des Programms
- Die Urananreicherung in Resende und die damit verbundenen Fragen
- Brasiliens Rolle als emerging power und die nukleare Ordnung des 21. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 bietet einen historischen Überblick über das brasilianische Atomprogramm, beginnend mit den ersten Schritten in der zivilen Nutzung der Nukleartechnik in den 1930er Jahren. Es werden die Anfänge des Programms, die Rolle des brasilianisch-deutschen Kooperationsabkommens von 1975 sowie das militärische Parallelprogramm beschrieben.
Kapitel 3 beleuchtet die gegenwärtige brasilianische Energiepolitik und liefert Daten und Fakten zum zivilen Nuklearprogramm. Es geht auf die Bedeutung des Atomprogramms für die brasilianische Energieversorgung und die Ziele der Regierung in Bezug auf die nukleare Energie ein.
Kapitel 4 bietet eine Übersicht der wichtigsten internationalen Vereinbarungen, in welche das brasilianische Atomprogramm eingebettet ist. Es werden insbesondere der Vertrag von Tlatelolco, die Verifikationsbehörde ABACC und ihr Verhältnis zur IAEA sowie Brasiliens Haltung zum IAEA-Zusatzprotokoll betrachtet.
Kapitel 5 widmet sich der Frage nach den Zielen Brasiliens mit der Urananreicherung in Resende. Es werden verschiedene Motive für die Urananreicherung sowie die Einschränkungen der visuellen Inspektion und die Ablehnung des IAEA-Zusatzprotokolls diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Brasilianisches Atomprogramm, Nukleartechnik, Urananreicherung, Energiepolitik, Internationale Vereinbarungen, Vertrag von Tlatelolco, IAEA, IAEA-Zusatzprotokoll, Emerging Power, Nukleare Ordnung.
- Quote paper
- Dominik Hauber (Author), 2009, Was passiert in Resende?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144092