Caligula. Wahnsinniger Tyrann oder Opfer tendenziöser Geschichtsschreibung?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Quellenlage

3 Die Zeichen des Wahnsinns bei Caligula
3.1 Allgemeine Zeichen von Wahnsinn
3.2 Wahnhaftes Verhalten Caligulas in den Antiken Quellen
3.2.1 Militärische Triumphe
3.2.2 Caligula der Gottkaiser
3.2.3 Ein Pferd wird Konsul

4 Alternative Deutungen der antiken Quellen
4.1 Militärische Triumphe
4.2 Göttliche Ehrungen für den Kaiser und Konsularische für ein Pferd

5 Schlussbetrachtung

6 Quellen und Literatur

1 Einleitung

Ende des 19. Jahrhunderts diagnostizierte Ludwig Quidde nach eingehendem Studium der literarischen Quellen Caligula Cäsarenwahnsinn:

„Das Bild des Cäsarenwahnsinns, das uns Caligula darbietet, ist geradezu typisch.“[1]

Folgt man unkritisch den Darstellungen der einschlägigen Quellen, bietet sich einem tatsächlich dieses Bild. Seneca, eine der wenigen zeitgenössischen Quellen, kommt schon zu diesem Urteil. Laut dessen Beschreibung hat sich die Verderbtheit des Herrschers schon in seinem Äußeren widergespiegelt:

„Derart abstoßend war seine Blässe, ein Indiz des Wahnsinns [insaniam testantis], derart finster die Augen, die sich unter seiner Altweiberstirn verbargen, derart häßlich sein kahler Schädel, mit ausgeborgtem Haar beklebt.“[2]

WINTERLING zufolge fällt Seneca allerdings kein psychologisches Urteil und erklärt Caligula damit für geisteskrank, sondern er möchte dessen unmoralisches und vor allem unkonventionelles Verhalten anprangern. Erst Sueton, so WINTERLING weiter, macht Caligula zu einem Wahnsinnigen im pathologischen Sinne und prägte damit entscheidend das Bild Caligulas.[3] Auch deutet sich in dieser Textstelle bereits an, dass in den Berichten Caligula betreffend oft eine tiefe Verachtung und Abscheu mitschwingt und hier wohl eher emotionale statt rationale Urteile gefällt und tradiert wurden.

Ich möchte in dieser Arbeit exemplarisch alternative Deutungsmuster zusammentragen, die ein anderes Licht auf das Verhalten des jungen Princeps werfen und dabei auch der Frage nachgehen, warum es zu einer derart negativen Darstellung Caligulas in den Quellen kam. Dabei erhebe ich jedoch keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit, da es den Rahmen einer Hausarbeit sprengen würde, alle vorhandenen Quellen und die gesamte Sekundärliteratur einzubeziehen.

2 Quellenlage

Wie in der Einleitung bereits angeklungen, überwiegt eine negative Überlieferung Caligula betreffend und zudem sind nur wenige der verfügbaren Quellen tatsächlich zeitgenössisch.[4] Diejenigen, die Zeitgenossen Caligulas waren, Philo von Alexandria und Seneca, hatten jeweils persönliche Gründe, Caligula in ein schlechtes Licht zu rücken.[5]

Philo, der als Kopf einer jüdischen Gesandtschaft aus Alexandria nach Rom gekommen war, um bezüglich des Statuenstreites zu verhandeln, stieß auf einen wenig verständigen Princeps. Er kommt zu dem Schluss, „daß mit Caligula eine sachgerechte Kommunikation nicht möglich war.“[6] Und wie BARRETT konstatiert, hatte Caligulas Haltung den Juden gegenüber den Konflikt derart zugespitzt, dass einer Eskalation kaum noch entgegen zu treten war.[7] Vor diesem Hintergrund lässt sich erkennen, dass Philo von Alexandria allen Grund hatte, Caligula zu hassen, und warum sollte sich dies nicht in seinen Texten niederschlagen?

Seneca war Senator unter Caligula und entging nur knapp einem Todesurteil[8], er hatte schon in seiner Eigenschaft als Senator genügend Grund, Caligula zu verachten. Die Darstellung Caligulas im Werk Senecas lässt sich gut mit den Worten LINDSAY`s umreißen:

„Seneca`s Caligula is the archetype of tyrant, and his picture of Caligula has been influenced by rhetorical models.”[9]

Alle anderen Quellen entstanden nach dem Tod Caligulas. Zu nennen sind hier vor allem Cassius Dio, Tacitus, Flavius Josephus und natürlich Sueton. In den Annalen von Tacitus fehlen die Bücher 7 und 8, die die Regierungszeit Caligulas behandeln, hier kann man nur mit den Erwähnungen Caligulas an anderen Stellen Arbeiten. Cassius Dio ( um 163 n.Chr – nach 223 n.Chr.) bezieht sich in seiner Darstellung auf dieselben Primärquellen wie Sueton und Tacitus, bietet aber den Vorteil einer chronologischen Darstellung die bei Sueton zu Gunsten biografischer Elemente nicht zu finden ist.[10]

Die wohl umfangreichste und prägendste Darstellung bietet Sueton (70 n.Chr. – nach 130 n. Chr.) in seiner Vita des Caligula. Sueton arbeitet aber nicht „wissenschaftlich“, sodass es beinahe unmöglich ist zu unterscheiden, wann er sich auf schriftliche Quellen und wann auf mündliche Überlieferung oder schieres Hörensagen stützt.[11] Zwar wurde Sueton lange Zeit für einen literarisch unambinionierten Sammler von Fakten gehalten[12], aber er unterlag in seiner Bewertung der Caesaren den „am Kaiserhof in vielfältigen Formen kursierenden Tugendkatalogen“.[13] PAUSCH kommt außerdem zu dem Schluss, dass die Kaiserviten eben keine Berichterstattung darstellen sondern ein „bewußt gestaltetes literarisches Werk“ sind.

Flavius Josephus (37/38 n. Chr. – nach 100 n.Chr). trifft dieselbe Kritik wie Philo von Alexandria, der als der maßgebliche jüdische Historiograph seiner Zeit berechtigterweise ein schlechtes Bild von Caligula hatte.

Anhand dieses kurzen Abrisses bezüglich der Quellenlage wird klar, dass man, will man sich Caligula nähern, mit den zur Verfügung stehenden Quellen im höchsten Maße kritisch umgehen muss, will man in seiner Bewertung nicht dem „frische(n) Haß, von dem Tacitus spricht und der uns aus den Quellen entgegentritt(…)“[14], verfallen.

3 Die Zeichen des Wahnsinns bei Caligula

Ausgehend von den allgemeinen Symptomen wahnsinnigen Verhaltens werde ich exemplarisch auf drei Episoden beziehungsweise Verhaltensweisen Caligulas eingehen, die QUIDDEs Urteil über den Geisteszustand des Kaisers zu untermauern scheinen.

3.1 Allgemeine Zeichen von Wahnsinn

Wahnsinn ist spätestens seit Focault niemals unabhängig vom gesellschaftlichen Kontext zu beurteilen. Wahnsinnige und Verrückte zeigen ein Verhalten, welches sie aus der Mitte der Gesellschaft und deren Konventionen heraus rückt.[15] Man sollte also eher davon sprechen, dass jemand für wahnsinnig erklärt wird, statt zu sagen, er ist wahnsinnig. Als zeitgenössische Darstellung der antiken Vorstellungen bezüglich psychischer Störungen bietet sich CELSUS` Werk „De medicina“ an, welches sich im dritten Buch den Geisteskrankheiten widmet. Dieses Werk ist Bestandteil der unter dem Principat des Tiberius verfassten Enzyklopädie „Artes“.[16] Zusammenfassend finden sich, laut Celsus, bei den Betroffenen folgende Symptome: Sie leiden unter heiteren oder traurigen Wahnvorstellungen, welche im weiteren Verlauf den Verstand ergreifen. Wenn das der Fall ist, kommt es zu unsinnigen Handlungen und zu Gewalttätigkeiten[17]

Interessant ist auch, welches Bild ARETÄUS im ersten Jahrhundert nach Christus von der Epilepsie zeichnete (unter der laut SUETON auch Caligula litt)[18]. So konstatierte er, die Krankheit führe insbesondere bei Jugendlichen zu Missbildungen und beraube sie ihrer Schönheit.[19] SUETON beschreibt uns Caligula folgendermaßen:

„Caligula war hochgewachsen, sein Teint sehr bleich, sein Leib außergewöhnlich dick, Hals und Schenkel dagegen sehr dünn, Auge und Schläfen eingefallen, die Stirn breit und finster; Haare hatte er wenig, auf dem Scheitel gar keine, die übrigen Körperteile waren stark behaart.(…) Sein Gesicht, das schon von Natur aus abschreckend und häßlich war, suchte er noch absichtlich zu entstellen (…).“[20]

[...]


[1] Quidde, Ludwig: Caligula-eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn, Leipzig 1894, S. 3

[2] Sen. De const.Sap. 18.1

[3] Winterling, Aloys.: Caligula-eine Biografie, München 2003, s. 167 ff

[4] Lindsay, Hugh: Suetonius Caligula, Bristol 1993, S. 9

[5] Ebenda

[6] Bernett, Monika: Der Kaiserkult in Judäa unter den Herodiern und Römern, (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Bd. 203) Tübingen 2007, S. 286

[7] Barrett

[8] Cass. Dio, 59, 19

[9] Lindsay, Hugh: Suetonius Caligula, Bristol 1993, S. 9

[10] Ebenda S. 11

[11] Lindsay, Hugh: Suetonius Caligula, Bristol 1993, S.11

[12] Pausch, Dennis: Biografie und Bildungskultur (Millennium-Studien Bd.4), Berlin2004, S. 233

[13] Ebenda S. 259

[14] Winterling, Aloys: Wahn oder Sinn? Der Kaiser Caligula. S.16 (Verschriflichung eines Vortrages)

[15] Winterling, Aloys: Wahn oder Sinn? Der Kaiser Caligula. S.16 (Verschriftlichung eines Vortrages), S.3

[16] Leibbrand, Werner; Wettley, Annemarie: Der Wahnsinn. Geschichte der abendländischen Psychopathologie, Freiburg im Breisgau 1961, S.108

[17] Ebenda S. 109

[18] Suet. Cal. 50

[19] Leibbrand, Werner; Wettley, Annemarie: Der Wahnsinn. Geschichte der abendländischen Psychopathologie, Freiburg im Breisgau 1961, S.115

[20] Suet. Cal. 50

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Caligula. Wahnsinniger Tyrann oder Opfer tendenziöser Geschichtsschreibung?
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V144363
ISBN (eBook)
9783640541874
ISBN (Buch)
9783640542000
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Caligula, Wahnsinniger, Tyrann, Opfer, Geschichtsschreibung
Arbeit zitieren
Katharina Markmann (Autor:in), 2009, Caligula. Wahnsinniger Tyrann oder Opfer tendenziöser Geschichtsschreibung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144363

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