Die Bundesrepublik Deutschland steht in den kommenden Jahren vor einer ihrer größten gesellschaftlichen Herausforderungen - dem demographischen Wandel.
Sinkende Geburtenraten, eine steigende Lebenserwartung sowie Migrationsentwicklungen tragen dazu bei, dass sich das gesellschaftliche Bild in den kommenden Jahrzehnten drastisch verändern wird. Diese Entwicklungen machen den demographischen
Wandel zu einem zentralen Thema der Zukunftsgestaltung in
Deutschland. Nicht zuletzt hat Bundespräsident Horst Köhler im Rahmen seiner Fernsehansprache zur Auflösung des 15. Deutschen Bundestages auf die Problematik hingewiesen: „Wir haben zu wenig Kinder und wir werden immer älter.“
Von den Auswirkungen des demographischen Wandels bleiben auch die in Deutschland tätigen Banken nicht verschont. Doch der deutsche Bankenmarkt ist sehr heterogen. Während international agierende Banken ihre Geschäftsfelder in Wachstumsregionen, in denen eine steigende Nachfrage zu erwarten ist, verlegen
können und somit von der Demographie weniger stark betroffen sein werden, sind die Institute des Sparkassen- und des genossenschaftlichen Verbundes weitaus stärker der Entwicklung ausgesetzt. „Auf Grund des praktizierten Regionalprinzips
können sie nicht auf die Boomregionen ausweichen oder beliebig ihr Geschäftsgebiet ausdehnen.“
In diesem Zusammenhang müssen sich Banken mittel- bis langfristig auf den demographischen Wandel einstellen und ihre Geschäftspolitik dementsprechend anpassen, um auch in Zukunft am Markt bestehen zu können.
Obwohl das Thema „Demographischer Wandel in Deutschland“ mittlerweile omnipräsent ist, hat es bisher kaum Eingang in aktuelle Strategieprozesse der Bankinstitute gefunden.[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Ausgangssituation
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2. Generelle Trends und wesentliche Determinanten des demographischen Wandels in Deutschland
2.1 Mortalität
2.2 Fertilität
2.3 Migration
3. Konsequenzen des demographischen Wandels für die Bankleistungsnachfrage einer regional tätigen Bank
3.1 Veränderung der Nachfragerstruktur
3.2 Auswirkungen auf die Gestaltung der Finanzberatung
3.3 Auswirkungen auf die Produktnachfrage
3.3.1 Lebensphasenmodell als Grundlage zur Erklärung der altersspezifischen Produktnachfrage
3.3.2 Auswirkungen auf das Aktivgeschäft
3.3.3 Auswirkungen auf das Passivgeschäft
3.3.4 Auswirkungen auf den Immobilienmarkt
3.4 Auswirkungen auf die Vertriebswegepolitik
3.5 Praxisbeispiel der Nassauischen Sparkasse
4. Relevante Entscheidungsparameter für die Marktbearbeitung im Retail Banking
4.1 Phasen des Bankmarketing
4.2 Ansätze zur Kundensegmentierung
4.3 Produktpolitik
4.3.1 Leistungsartenpolitik
4.3.2 Leistungsprogrammpolitik
4.4 Vertriebspolitik
4.4.1 Stationärer Vertrieb
4.4.2 Ambulanter Vertrieb
4.4.2.1 Bankeigener Außendienst
4.4.2.2 Bankunabhängiger Außendienst
4.4.3 Direktvertrieb
4.4.3.1 Telefonbanking
4.4.3.2 Onlinebanking
4.5 Kommunikationspolitik
4.6 Preispolitik
5. Gestaltungsempfehlungen für eine demographiegerechte Neuausrichtung der Marktbearbeitung im Retail Banking einer regional tätigen Bank
5.1 Demographische Ausgangsanalyse in Deutschland
5.2 Empfehlungen für die Kundensegmentierung und Zielgruppenansprache ..
5.3 Empfehlungen für die Vertriebswegepolitik
5.3.1 Gestaltung der Geschäftsräume
5.4 Empfehlungen für die Produktpolitik
5.4.1 Private Altersvorsorge
5.4.2 Vermögensanlage
5.4.3 Erbschaft und Vermögensübertragung
5.4.4 Altersgerechtes Wohnen
5.5 Empfehlungen für die Kommunikationspolitik
5.5.1 Werbung
5.6 Empfehlungen für die Preispolitik
5.7 Resümee: Anforderungen an eine demographiegerechte Marktbearbeitung im Retail Banking einer Regionalbank
6. Schlussbetrachtung
II. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 1910, 2005 und 2050
Abb. 2: Einkommen, Konsum und Ersparnis im Lebenszyklus
Abb. 3: Kompetenzfelder der 50plus-Beratung der Nassauischen Sparkasse.
Abb. 4: Systematisierung der Vertriebskanäle im Retail Banking
Abb. 5: Die nachgefragten Finanzdienstleistungen der Kundengruppe 55+
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Ausgangssituation
Die Bundesrepublik Deutschland steht in den kommenden Jahren vor einer ihrer größten gesellschaftlichen Herausforderungen - dem demographischen Wandel.
Sinkende Geburtenraten, eine steigende Lebenserwartung sowie Migrationsent- wicklungen tragen dazu bei, dass sich das gesellschaftliche Bild in den kommen- den Jahrzehnten drastisch verändern wird. Diese Entwicklungen machen den de- mographischen Wandel zu einem zentralen Thema der Zukunftsgestaltung in Deutschland.1 Nicht zuletzt hat Bundespräsident Horst Köhler im Rahmen seiner Fernsehansprache zur Auflösung des 15. Deutschen Bundestages auf die Prob- lematik hingewiesen: „Wir haben zu wenig Kinder und wir werden immer älter.“2
Von den Auswirkungen des demographischen Wandels bleiben auch die in Deutschland tätigen Banken nicht verschont. Doch der deutsche Bankenmarkt ist sehr heterogen. Während international agierende Banken ihre Geschäftsfelder in Wachstumsregionen, in denen eine steigende Nachfrage zu erwarten ist, verlegen können und somit von der Demographie weniger stark betroffen sein werden, sind die Institute des Sparkassen- und des genossenschaftlichen Verbundes weitaus stärker der Entwicklung ausgesetzt. „Auf Grund des praktizierten Regionalprinzips können sie nicht auf die Boomregionen ausweichen oder beliebig ihr Geschäfts- gebiet ausdehnen.“3
In diesem Zusammenhang müssen sich Banken mittel- bis langfristig auf den demographischen Wandel einstellen und ihre Geschäftspolitik dementsprechend anpassen, um auch in Zukunft am Markt bestehen zu können.
Obwohl das Thema „Demographischer Wandel in Deutschland“ mittlerweile omnipräsent ist, hat es bisher kaum Eingang in aktuelle Strategieprozesse der Bankinstitute gefunden.4
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Der demographische Wandel hat weitreichende Konsequenzen für die Gesellschaft in Deutschland. Dennoch soll in der vorliegenden Arbeit der Fokus auf die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Marktbearbeitung im Retail Banking regional agierender Banken gelegt werden.
Intention dieser Arbeit ist es, Regionalbanken für den demographischen Wandel in Deutschland zu sensibilisieren und Gestaltungsempfehlungen für Kernbereiche der Marktbearbeitung im Retail Banking zu geben.
Der Verfasser dieser Arbeit setzte sich als Ziel, durch eine strukturierte Darstellung zukünftige Problemfelder der Marktbearbeitung aufzuzeigen und praxisgerechte Lösungsvorschläge zu vermitteln.
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit besteht aus sechs verschiedenen Abschnitten.
Im ersten Abschnitt der Arbeit wird der Leser in das Themengebiet eingeführt. Hierbei werden neben der Motivation für diese Arbeit auch die Zielsetzungen und die Vorgehensweise erläutert.
Im zweiten Abschnitt wird zunächst eine Einführung in das Thema „Demographischer Wandel in Deutschland“ gegeben und die wesentlichen Determinanten mit damit verbunden Konsequenzen für die Gesellschaft aufgezeigt.
Das dritte Kapitel erläutert abgrenzend zum vorhergehenden Abschnitt die Konsequenzen des demographischen Wandels für den deutschen Bankensektor, insbesondere für regional tätige Banken. In diesem Zusammenhang wird darauf eingegangen, wie sich die Veränderung der Gesellschaft sowohl auf die Nachfragerstruktur als auch auf die Produktnachfrage auswirken wird. Zur Veranschaulichung dieser Thematik wird im letzten Teil dieses Kapitels ein Praxisbeispiel der Nassauischen Sparkasse aufgezeigt.
Im vierten Abschnitt werden die relevanten Entscheidungsparameter für die Marktbearbeitung im Retail Banking vor dem Hintergrund des demographischen Wandels dargestellt.
Aufbauend auf den Resultaten der ersten vier Kapitel werden im fünften Abschnitt Gestaltungsempfehlungen für wesentliche Handlungsfelder im Retail Banking hin- sichtlich eines konstruktiven Umgangs mit dem demographischen Wandel darge- stellt.
In den einzelnen Teilabschnitten des fünften Kapitels werden vor dem Hintergrund der demographischen Ausgangsanalyse zunächst Empfehlungen für die Kunden- segmentierung und Zielgruppenansprache sowie für die Vertriebswegepolitik auf- gezeigt. Darauf folgend werden Handlungsempfehlungen für die Bereiche Pro- duktpolitik und Kommunikationspolitik gegeben. Außerdem werden preispolitische Möglichkeiten dargestellt und abschließend in einer Zusammenfassung die Anfor- derungen an eine demographiegerechte Marktbearbeitung erläutert.
Im sechsten und zugleich letzten Kapitel der vorliegenden Arbeit werden abschließend die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst in einer Schlussbetrachtung dargestellt.
2. Generelle Trends und wesentliche Determinanten des demographi- schen Wandels in Deutschland
Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt Diskussionen über eine drohende Überbevölkerung der Erde geführt worden sind, greift seit einigen Jahren vor allem in den Industrieländern die Sorge über schrumpfende und alternde Bevölkerungen um sich.5
Während zu Beginn des 21. Jahrhunderts jeder zehnte Mensch auf der Welt 60 Jahre oder älter ist, so wird es nach einer Berechnung der Vereinten Nationen zufolge um 2050 jeder fünfte sein.6
Auch die Bundesrepublik Deutschland als hochentwickeltes Industrieland ist von dieser unausweichlichen Entwicklung betroffen.
So hat sich der Bevölkerungsaufbau in Deutschland, lange Zeit weitgehend unbe- achtet von der Öffentlichkeit, von der klassischen Pyramidenform zunehmend in die Form einer Urne verändert.7
Folgendes Schaubild stellt die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur in Deutschland im Zeitraum zwischen 1910 und 2050 graphisch dar:
Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 1910, 2005 und 2050
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2050 - 11. koordinierte Bevölke- rungsvorausberechnung, Wiesbaden 2006, S. 16.
Die Grafik zeigt deutlich den Übergang vom Stadium hoher Geburtenraten und gleichzeitig hoher Sterblichkeit (vgl. linkes Bild) zu niedrigen Geburtenraten und niedriger Sterberate (vgl. rechtes Bild) in Deutschland.
„Dieser so genannte Transitionsprozess von hohen zu niedrigen Geburtenraten bei Abnahme der Sterblichkeit ist beispielhaft für die Entwicklung in fast allen Ländern der Erde.“8
Der demographische Wandel vollzieht sich prinzipiell von zwei Seiten: Zum Einen stagniert seit Jahrzehnten die Geburtenrate auf einem sehr niedrigen Niveau, zum Anderen steigt die Lebenserwartung der Älteren kontinuierlich an.
Die Entwicklung der Bevölkerung bezüglich der Größe und Altersstruktur ist in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen von drei Faktoren beeinflusst worden, die sich statistisch eindeutig belegen lassen und zur heutigen bzw. zur zukünftigen Bevölkerungsstruktur einen entscheidenden Beitrag leisten:
- die Mortalität (Sterberate),
- die Fertilität (Geburtenrate) sowie
- die Migration (Bevölkerungswanderung).
Auf die einzelnen Parameter wird im Folgenden gesondert eingegangen:
2.1 Mortalität
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Lebenserwartung eines Neugeborenen stark angestiegen. Dies ist insbesondere auf den Fortschritt der Medizin, eine gesündere Arbeitswelt, zunehmende Unfallvermeidung sowie einen allgemein gestiegenen Wohlstand und eine gestiegene Gesundheitsvorsorge zurückzuführen.9 So sterben heutzutage von 1.000 Lebendgeborenen nur noch vier Kinder im ersten Lebensjahr. „Im Vergleich zum Jahr 1960 liegt die Lebenserwartung für Neugeborene um acht Jahre höher.“10
Auch für ältere Menschen ist die Lebenserwartung kontinuierlich angestiegen. Vo- raussetzung für ein hohes Lebensalter ist, die Kinderkrankheiten und die Risiken der Jugend zu überleben. Auch hierbei belegt ein Vergleich mit früheren Jahrzehn- ten den positiven Trend der steigenden Lebenderwartung: Demnach hat heutzuta- ge eine männliche 30-jährige Person eine Lebenserwartung von 76 Jahren (1960: Lebenserwartung 72 Jahre). Die Lebenserwartung einer gleichaltrigen Frau liegt in der heutigen Zeit bei etwa 81,5 Jahren. Im Vergleich zum Jahr 1960 bedeutet dies einen Anstieg von durchschnittlich sechs Jahren.
Obwohl diese Entwicklung grundsätzlich als positiv zu beurteilen ist, hat die durchschnittlich ansteigende Lebenserwartung der Menschen erhebliche Auswir- kungen auf die Altersstruktur der Bevölkerung und die damit verbundenen sozia- len Fragen.
Heutzutage ist die ältere Generation zahlenmäßig stärker vertreten als frühere ältere Generationen, was zur Konsequenz hat, dass es bei gleichbleibenden Be- dingungen potentiell mehr Rentenbezieher gibt und die Dauer des Ruhestands ansteigt.11
Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland bei der durchschnittlichen Lebenserwartung jedoch nur einen Mittelwert ein. Während hierzulande die Lebenserwartung bei Geburt (Stand: Jahr 2003) für Jungen bei 75,9 Jahren und für Mädchen bei 81,5 Jahren liegt, beträgt beispielsweise die Lebenserwartung für Jungen in Schweden 77,9 Jahre und für Mädchen in Spanien 83,6 Jahre.12 Im internationalen Vergleich ist Japan das Land mit der höchsten durchschnittlichen Lebenserwartung bei Geburt. Im Jahr 2003 betrug sie für Jungen 77,6 Jahre und für Mädchen 84,3 Jahre. Dies bedeutet einen Unterschied im Vergleich zu Deutschland von 1,7 Jahren (bei Jungen) und 2,8 Jahren (bei Mädchen).
2.2 Fertilität
„In der Demographie steht der Ausdruck Fertilität für die tatsächliche Realisierung von Nachkommen“13 und hat den vergleichsweise größten Einfluss auf die Entwicklung der Bevölkerungszahl eines Landes.
Das Fertilitätsniveau ist zugleich die treibende Kraft demographischer Dynamik, da die Zahl der Neugeborenen unmittelbar die Veränderung des Bevölkerungsbestands zwischen zwei aufeinanderfolgenden Perioden beeinflusst.
In den vergangenen 50 Jahren sind mit Ausnahme weniger afrikanischer Länder die Geburtenraten drastisch gesunken. Nach Einschätzung der Vereinten Natio- nen ist davon auszugehen, dass zwar auf Grund der hohen Geburtenraten in der Vergangenheit die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 8,9 Milliarden Men- schen anwachsen, der Prozess sich jedoch danach verlangsamen und ab dem Jahr 2100 sogar umkehren wird. Seit zwei Jahrzehnten fällt die Geburtenrate in den Entwicklungsländern vergleichsweise deutlich. In einigen asiatischen Staaten sowie in Lateinamerika ist die Geburtenrate auf weniger als zwei Geburten je Frau gesunken.
Ähnlich gering fällt die Geburtenrate seit Jahrzehnten in den Industriestaaten aus. Bereits Anfang der 60er Jahre hatten die Industriestaaten eher niedrige Geburtenraten. Sie liegt heute im Durchschnitt bei 160 Geburten je 100 Frauen.
Die Geburtenraten, vor allem in den europäischen Industrienationen, lassen sich auf die jeweilige gesellschaftliche Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zurückfüh- ren.14 „Bei hohem Zufriedenheitsniveau - wie in den nordischen Ländern - ist die Geburtenrate hoch und umgekehrt - wie in den meisten südlichen Ländern und in Deutschland.“15 In diesem Zusammenhang stellt Frankreich eine Ausnahme dar. Trotz einer unzufriedenen Gesellschaft hat Frankreich die zweithöchste Geburten- rate in der Europäischen Union. Zurückzuführen ist dieser scheinbare Wider- spruch auf die traditionelle Familienförderung in Frankreich. „Mit über 30 Maß- nahmen fördert der Staat die Familien. Das reicht vom Adoptionsurlaub über Ge- burtshilfen bis zu Umzugsprämien. Dazu kommt für viele Familien mit drei und mehr Kindern eine praktische Steuerbefreiung.“16
Die Entwicklung der Fertilität in Deutschland ist wie bei anderen Industrienationen geprägt durch eine konstant rückläufige Geburtenrate. Die 50er- und 60er-Jahre waren in Deutschland durch die sogenannte Babyboom-Phase geprägt. Seit den 1970er Jahren jedoch liegt das deutsche Fertilitätsniveau etwa ein Drittel unterhalb des zur Bestandserhaltung notwendigen Werts von etwa 2,1.17
Die Ursachen, die auf den Rückgang der Fertilität schließen lassen, sind äußerst vielfältig. Es lässt sich aber prinzipiell mit der geringen Kindersterblichkeit, der fortschreitenden Emanzipation der Frau sowie besserer Aufklärung über Emp- fängnisverhütung erklären. Darüber hinaus lässt sich der Fertilitätsrückgang mit dem sogenannten „demographisch-ökonomischen Paradoxon“18 begründen.
In diesem Zusammenhang wird bei Betrachtung des Geburtenrückgangs im ge- samtwirtschaftlichen Kontext deutlich, dass die Fertilität zu einer Zeit rückläufig ist, in der parallel die verfügbaren Einkommen durchschnittlich gestiegen sind. Die klassische Argumentation, dass höhere Einkommen die Erziehung von mehreren Kindern ermöglichen, stößt hierbei an ihre Grenzen. An diesem Punkt lässt sich die Entwicklung der Fertilität mit der ökonomischen Theorie erklären. Sie sieht die Ursachen vor allem in der Verschiebung der Präferenzen in Form veränderter so- zialer Rahmenbedingungen begründet. Demnach hat sich der Nutzen eigener Kinder als Absicherung für Not, Krankheit und Alter verringert. Außerdem haben sich die Erwerbs- und Einkommenschancen der Frauen verbessert, was zu einer außerfamiliären Selbstverwirklichung beiträgt und gleichzeitig die Geburt von Kin- dern erschweren kann. Zusammenfassend lässt sich die ökonomische Theorie wie folgt erklären: „Höheres Einkommen, wenn es denn konsumiert werden soll, ver- knappt und verteuert die einzige nicht vermehrbare variable Zeit und senkt somit den Opportunitätsnutzen der Beschäftigung mit Kindern.“19
2.3 Migration
Die demographische Dynamik wird neben den Parametern Mortalität und Fertilität, die synergetisch die natürliche Bevölkerungsentwicklung bestimmen, ferner durch Bevölkerungswanderungen (sog. Migration) ausgelöst.20
Grundsätzlich lässt sich die Migration in einer ersten Abgrenzung zwischen Binnen- und Außenwanderungen differenzieren, wobei als Unterscheidungsmerkmal die (nicht) stattfindende nationale Grenzüberschreitung dient.
Im Folgenden soll hauptsächlich auf die Außenwanderung eingegangen werden, „da einzig von grenzüberschreitenden Wanderungen populationsdynamische Wirkungen ausgehen und diese, auch bei Vernachlässigung von generationsübergreifenden Effekten, von besonderer wirtschaftspolitischer Bedeutung sind.“21
Die Messbarkeit des Parameters Migration ist vergleichsweise schwierig. Während die Faktoren Mortalität und Fertilität auf Grund statistischer Verfahren und Zu- kunftsprognosen recht genau bestimmbar sind, ist die Migration der am schwie- rigsten vorhersagbare Faktor. Zu begründen ist dies zum Einen damit, dass die Zahl der Migranten vor allem von den wirtschaftlichen und politischen Verhältnis- sen im Herkunftsland abhängig ist sowie von der Bereitschaft zur Aufnahme durch das Zielland bestimmt wird.22 Somit lässt sich auf den bisherigen Wanderungssal- den23 kaum ein Trend für zukünftige Jahre ableiten.24 Desweiteren liegen Migrati- onsdaten häufig nur lückenhaft vor, da viele Migranten sich im Falle eines Wohn- ortwechsels aus unterschiedlichen Gründen bei den zuständigen Behörden nicht an- bzw. abmelden.25
Wie in Abschnitt 2.2 zum Thema Fertilität bereits erläutert wurde, ist die Geburten- rate in Deutschland seit den 70er-Jahren stark rückläufig. Trotzdem belegen Sta- tistiken, dass die Einwohnerzahl bisher ständig zugenommen hat. Zurückzuführen ist diese Tatsache darauf, dass Deutschland seit langem ein Einwanderungsland ist. Im europäischen Vergleich (Stand 2002) weist Deutschland den dritthöchsten positiven Wanderungssaldo (+ 219.000 Menschen) auf.26 Somit wird deutlich, dass die Migration einen wesentlichen Einfluss auf die Schrumpfung und Alterung unserer Gesellschaft hat.27
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes war der Wanderungssaldo in den vergangenen Jahren durchweg positiv. Allerdings schwankte der Wert in den vergangenen Jahren jedoch stark zwischen etwa 190.000 im Jahr 2001 und ca. 55.000 im Jahr 2004. Im Jahr 2005 betrug die Wanderungsbilanz 96.000 Perso- nen.28
Auf Grund der hohen Schwankungen bei den Wanderungsgewinnen ist davon auszugehen, dass diese langfristig nicht ausreichen werden, um das stärker an- steigende Geburtendefizit in Deutschland auszugleichen.29 Die Migration kann jedoch einen wichtigen Beitrag zur Abmilderung des Bevölkerungsrückgangs in Deutschland leisten.
Parallel zur schwankenden Nettozuwanderung nach Deutschland wächst jedoch die Zahl der Wegzüge deutscher Staatsangehöriger ins Ausland. Dieser Trend ist besonders besorgniserregend, da sich unter den Auswanderern vor allem Gutausgebildete und Hochqualifizierte befinden, die im Ausland auf der Suche nach besseren beruflichen Perspektiven sind (sog. „Brain-Drain“30 ).
Doch während die Abwanderung Deutscher ins Ausland zunehmend diskutiert wird, stößt die schwankende bzw. abnehmende Zahl der Zuwanderer kaum auf Beachtung. Dabei kann die Zuwanderung einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Vergleich leisten. Aus diesem Grund ist eine angemessene Einwanderungspolitik nötig, die den qualifizierten Ausländern den Zuzug nach Deutschland erleichtert.
Wie viele Menschen zukünftig tatsächlich nach Deutschland zuwandern, hängt maßgeblich von folgenden Entwicklungen und Rahmenbedingungen ab:31
Zum Einen kommt es darauf an, ob qualifizierte ausländische Arbeitskräfte ange- worben werden können. Der deutsche Arbeitsmarkt ist jedoch erfahrungsgemäß für hoch qualifizierte ausländische Arbeitskräfte nur wenig attraktiv. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass Arbeitskräfte aus dem Osten der EU in Zukunft vermutlich schwieriger angeworben werden können, wenn das dortige Lohnniveau steigt und die östlichen Länder im Zuge des demographischen Wandels ebenfalls einen Arbeitskräftemangel haben werden.
Zum Anderen muss die künftige Entwicklung beobachtet werden, in welchem Umfang Arbeitsplätze in Niedriglohnländer verlagert werden. Dies führt in jedem Falle dazu, dass das benötigte Arbeitskräftepotential in Deutschland sinkt und somit die Notwendigkeit, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben.
Außerdem wird sich zeigen, wie hoch die Flüchtlings- und Asylbewerberwellen wegen politischer Krisen in den kommenden Jahren sein werden. Allerdings scheint die Bereitschaft Deutschlands zur Aufnahme von Asylsuchenden und Kriegsflüchtigen seit mehreren Jahren stark zu sinken.
Zusammenfassend lässt sich zum Thema demographischer Wandel festhalten, dass die Bevölkerung Deutschlands in den kommenden Jahrzehnten einen ein- schneidenden Wandlungsprozess durchläuft. Bereits seit den 70er-Jahren über- wiegt die Zahl der Gestorbenen die Zahl der Neugeborenen. Als Ursachen hierfür sind insbesondere die gesunkene Mortalität sowie die konstant niedrige Fertilität zu nennen. Die Konsequenz dessen wird sein, dass die Bevölkerung in Deutsch- land zwangsläufig zurückgehen und dabei deutlich altern wird. Laut der Bevölke- rungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes verringert sich die Bevöl- kerung in Deutschland von aktuell 82 Millionen bis zum Jahr 2050 um 7 Millionen Menschen. Parallel zu dieser Entwicklung wird sich die Relation aus Personen im Alter oberhalb von 65 Jahren zu Personen im erwerbsfähigen Alter verdoppeln.
Auf Grund der Bevölkerungsalterung und -schrumpfung in Deutschland werden sich elementare ökonomische Zusammenhänge in Zukunft grundlegend verän- dern.
3. Konsequenzen des demographischen Wandels für die Bankleistungs- nachfrage einer regional tätigen Bank
Aus den im Kapitel 2 beschriebenen Bevölkerungsentwicklungen im Zuge des demographischen Wandels leiten sich unmittelbar Konsequenzen für die regionalen Bankinstitute in Deutschland ab.
Im Gegensatz zu international agierenden Banken haben regional ansässige Ban- ken nicht die Möglichkeit, auf andere Märkte mit vermeintlich höheren Wachstumsraten auszuweichen. Die Konsequenz dessen ist, dass sie sich den zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen müssen und ihre Geschäftspolitik darauf auszurichten haben.
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der damit verbundenen Veränderung der Bevölkerungsstruktur ergeben sich für Regionalbanken unmittelbar Auswirkungen auf die Bankleistungsnachfrage.
Beispielhaft für die Veränderung der Bevölkerungsstruktur ist die zukünftige Ent- wicklung der Erwerbspersonenanzahl in Deutschland. „Bis etwa 2020 ist allenfalls mit einer leichten Abnahme des Erwerbspersonenpotenzials zu rechnen. Danach aber sinkt es so stark, dass selbst relativ hohe jährliche Zuwanderungen und eine steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen den demographischen Effekt nicht mehr kompensieren können.“32
Vor dem Hintergrund dieser Veränderung der Bevölkerungszahl sowie -struktur soll im Folgenden darauf eingegangen werden, dass regional agierende Banken die Gestaltung der Finanzberatung sowie das Produktportfolio überdenken müs- sen. Untersuchungen zufolge wird hinsichtlich der Produktnachfrage in erster Linie ein Rückgang in der Nachfrage nach Hypothekendarlehen, Verbraucherkrediten sowie Finanzdienstleistungen (z.B. Zahlungsverkehr, Sichteinlagen) zu erwarten sein.33
Folglich müssen sich regional agierende Banken auf diese Entwicklung einstellen und intelligente und bedarfsgerechte Produkte frühzeitig am Markt platzieren, um daraus Wettbewerbsvorteile zu generieren.
Neben der Verlagerung der Schwerpunkte im Produktportfolio müssen Banken ihre Vertriebskanäle den zukünftigen Bedingungen anpassen und mit einer lang- zeitlichen Beratung sowie „mit Marketingstrategien gezielt die Generation 50+ an- sprechen.“34
3.1 Veränderung der Nachfragerstruktur
Bevor darauf eingegangen wird, welche Auswirkungen der demographische Wandel auf die Finanzberatung und die Produktnachfrage hat, soll zunächst die Veränderung der Nachfragerstruktur dargestellt werden.
Anhand einer repräsentativen Umfrage soll verdeutlicht werden, welche Bedürfnisse die ältere Generation hat und auf welche Aspekte sie in Bezug auf die Beziehung zur Hausbank Wert legt.
Bereits in den 80er- und 90er Jahren wurden seitens der Unternehmen Marketingkonzepte ins Leben gerufen, um den Seniorenmarkt für sich zu gewinnen. Doch die damaligen Versuche schlugen fehl. Hauptgrund dafür ist, dass keine Zielgruppe so heterogen ist wie das Segment „50plus“.35
Bei der Zielgruppe der sogenannten „Best Ager“ spricht man von Personen im Alter zwischen 50 und 90 Jahren - also insgesamt 40 Jahrgängen, die sich in Bezug auf medizinische, ökonomische sowie sozialpsychologische Faktoren stark unterscheiden.36 So befindet sich innerhalb dieser Zielgruppe beispielsweise ein berufstätiger verheirateter Mittfünfziger, ein komfortabel lebender 70-Jähriger mit hohen laufenden Kapitaleinkünften, aber auch eine alleinstehende, permanent bettlägerige und an der Armutsgrenze lebende 80-jährige Frau.
Diese großen Unterschiede innerhalb der „Best Ager“ stellen Banken vor große zukünftige Herausforderungen.
Um festzustellen, welche Bedürfnisse jene Zielgruppe wirklich hat, wurden im Rahmen einer repräsentativen Grundlagenstudie des „Icon Added Value“ in Nürn- berg im Jahr 2005 10.000 Seniorenhaushalte im Alter zwischen 60 und 85 Jahren schriftlich befragt.
Die Grundlage der Befragung bildete die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2003.37 Besonders auffällig bei die- ser Untersuchung war, dass das durchschnittliche Bruttogeldvermögen (kurz: BGV) der 55- bis 65-Jährigen vergleichsweise hoch lag bei 58.600 Euro. Der Großteil dieses Guthabens wurde mit 38 Prozent in Kapitallebensversicherungen investiert. „Da es sich hier im Wesentlichen um Kapitalversicherungsverträge han- delt, wird der Markt für frei werdende Lebensversicherungsverträge zunehmend attraktiver.“38 Das BGV der 65- bis 70-Jährigen betrug durchschnittlich 52.000 Eu- ro und das der über 70-jährigen Personen betrug 41.300 Euro. Der Großteil dieses Vermögens war mit 41 Prozent bzw. 42 Prozent in Wertpapiere, insbesondere in Aktien, investiert.
Im Rahmen der von „Icon Added Value“ realisierten Seniorenmarktstudie wurde zunächst die Frage aufgeworfen, ob Ältere in Zukunft einen Finanzbedarf haben. Daraufhin haben 45 Prozent der über 60-jährigen Befragten angegeben, kurzfristigen bzw. mittelfristigen Finanzbedarf zu haben. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Altersgruppe kommt man hierbei auf ein Potenzial von etwa 13 Millionen Menschen. Von diesen 13 Millionen Personen gaben 63 Prozent an, dass ein kurzfristiger Finanzbedarf besteht.
Beim Thema Finanzbedarf steht vor allem der Wunsch nach Regelungen zur Si- cherung der kurzfristigen Liquidität im Vordergrund. Erst danach wünschen sich die Befragten eine kompetente Beratung zum Thema „Erben & Vererben“ sowie Informationen zu den Möglichkeiten einer Geldanlage zur Vermögensbildung. Dass der Wunsch nach Sicherung der kurzfristigen Liquidität derart stark bei den Alten ausgeprägt ist, belegt, dass ältere Kunden kaum am langfristigen Vermö- gensaufbau interessiert sind. Vielmehr liegt ihnen daran, im Alter finanziell flexibel und unabhängig zu sein.
Grund für die kurzfristige finanzielle Flexibilität im hohen Alter ist vor allem das Bedürfnis, auf eine mögliche Pflegebedürftigkeit finanziell vorbereitet zu sein und die finanzielle Grundlage für betreutes Wohnen frühzeitig geschaffen zu haben.
Im Gegensatz dazu spielt der Erwerb von Immobilien im Alter nur noch eine untergeordnete Rolle.
Im Rahmen der Befragung ist eine weitere wichtige Erkenntnis aufgetreten. Auf die Frage, mit welchen Problemen man sich bei der Regelung seines Finanzbedarfs auseinandersetzen muss, haben 49 Prozent der Befragten moniert, dass sie eine zu geringe Verzinsung auf ihre Ersparnisse erhalten. Während man den Rentnern früher unterstellte, dass sie sich mit einer moderaten Verzinsung auf dem Sparbuch zufrieden geben, sind die Senioren heutzutage zunehmend renditebewusster geworden. Diese gestiegene Preissensibilisierung deutet darauf hin, dass auch ältere Kunden im Falle schlechter Preiskonditionen einen Bankenwechsel selbst im hohen Alter durchaus in Erwägung ziehen.
Des Weiteren zeigten sich rund 20 Prozent der befragten Senioren unzufrieden mit den vertraglich abgeschlossenen Versicherungsleistungen. „Die Versicherungswirtschaft muss deshalb zunehmend davon ausgehen, dass Sachversicherungen gekündigt werden oder die Versicherungshöhe reduziert wird.“39
Wie oben bereits erwähnt, besteht bei der älteren Generation ein hoher Bedarf nach Finanzprodukten. Ob der Finanzbedarf auch tatsächlich in Form von Nachfrage realisiert wird, ist jedoch unsicher. Denn zunehmend muss die Geldanlage mit Konsumgütern, wie z.B. mit dem Kauf eines neuen PKWs, einer Weltreise aber auch mit Wellness- oder Anti-Aging-Programmen konkurrieren.
Außerdem werden Senioren zunehmend selbstbewusster, aufgeklärter und technikaufgeschlossener. Erstaunlich ist, dass bereits 14 Prozent der 60- bis 80- Jährigen heutzutage regelmäßig ihre Bankgeschäfte über Online-Banking abwickeln. Dies lässt darauf schließen, dass ältere Kunden agiler werden und bei Unzufriedenheit mit der eigenen Bankverbindung möglicherweise schneller einen Bankwechsel in Erwägung ziehen.
Die eigentliche Überraschung im Rahmen der Umfrage ist aber das Ergebnis, dass 44 Prozent der älteren Kunden bisher noch keinen festen Ansprechpartner zur Regelung ihrer Finanzen haben. Hochgerechnet entspricht dies etwa 6 Millio- nen Kunden. Der Großteil der Senioren hat der Befragung zufolge zwar eine feste Institutsbeziehung, diese ist vielen Fällen jedoch nicht so intensiv, dass man dem jeweiligen Geldinstitut seine komplette finanzielle Situation offen legen mag.
Falls seitens der Befragten ein primärer Ansprechpartner genannt wird, sind dies vor allem die bekannten Adressen im Privatkundengeschäft: die Sparkassen- Finanzgruppe (19 Prozent), die Genossenschaftsbanken (12 Prozent) sowie die Allianz-Gruppe (5 Prozent). Trotzdem sollten sich die genannten Institute ihrer Geschäftsbeziehungen mit älteren Kunden nicht zu sicher sein. Denn bedenklich ist, dass die Initiative zur Beratung älterer Kunden bezüglich Finanzanlagen häufig nicht von der jeweiligen Hausbank ausgeht, sondern von den Kunden selbst.
Insbesondere ab der Altersgrenze von 70 Jahren muss sich der Kunde selbst um eine Beratung bei seiner Bank bemühen. Lediglich in 32 Prozent der Fälle geht die Initiative von der Bank aus, bei Kunden ab 80 Jahren sind es sogar nur 24 Prozent. Offensichtlich ist bei den Banken bzw. den Finanzdienstleistern das Bewusstsein für das Potenzial der älteren Generation noch nicht genügend ausgeprägt. Die Geschäftsbeziehungen mit den älteren Kunden können nur gefestigt werden, indem die Beratung aktiv angeboten wird und regelmäßig Folgegespräche mit den Kunden vereinbart werden.
Die Ergebnisse der Umfrage lassen zusammenfassend folgendes Resümee zu: Auf Grund der stark ausgeprägten Heterogenität des Seniorenmarktes führt eine einheitliche Marktbearbeitung und Kundenansprache seitens der Bankinstitute nicht zum gewünschten Erfolg.
Innerhalb der Zielgruppe der Senioren sind die einzelnen Lebenssituationen und Bedürfnisse derart unterschiedlich, dass nur eine direkte und persönliche Ansprache zum gewünschten Erfolg führt.
Im Zeitalter der Technik und des Internets werden ältere Kunden zunehmend agiler und preissensibler. Ein Wechsel der Kontoverbindung zu einer anderen Bank scheint demnach im Falle schlechter Preiskonditionen oder einer nicht zufriedenstellenden Geschäftsbeziehung nicht mehr ausgeschlossen.
Großes Manko vieler Banken ist die direkte Kundenansprache. Es vollzieht sich durch alle Altersgruppen und findet ihren Höhepunkt in der Kundengruppe ab 70 Jahren. Dabei ist eine aufgebaute langjährige Kundenbeziehung ein Garant dafür, mit den älteren Kunden langfristig gute Geschäfte zu machen.
3.2 Auswirkungen auf die Gestaltung der Finanzberatung
Eines der wesentlichen Ergebnisse des „Icon Added Value“ ist, dass ältere Kun- den zunehmend kritscher und anspruchsvoller bei ihren Finanzgeschäften werden. Außerdem verfügen sie über einen deutlich höheren Wissensstand als noch vor wenigen Jahren.40
Das gestiegene Anspruchsniveau der Kunden bei einer gleichzeitig steigenden Dynamik an den Kapitalmärkten, die in Form fast unüberschaubarer Anlage- und Investitionsmöglichkeiten sowie einer weltweiten Verkettung von Informationen, Ereignissen und Märkten zum Ausdruck kommt, machen eine Anpassung des Produktportfolios und Serviceangebots der Bankinstitute unumgänglich.41 Dabei müssen sich die Banken der Notwendigkeit der Maßnahme für ihren zukünftigen Geschäftserfolg bewusst werden. Denn in den entwickelten Ländern sind es zu- nehmend ältere Kunden, die über größere Vermögen verfügen.42 Gemäß einer Studie des Steueramtes des Kantons Zürich halten Personen im Alter ab 65 Jah- ren etwa 52 % des zu versteuernden Vermögens, in Deutschland dürfte die Ver- mögensverteilung ähnlich ausfallen. Im Zuge des demographischen Wandels wird sich zudem diese Konzentration der Vermögen bei älteren Personen weiter ver- stärken.
Vor dem Hintergrund dieser Fakten reicht es heutzutage nicht mehr aus, das Ver- mögen älterer Kunden lediglich zu verwalten. Deutsche regionale Bankinstitute sind demnach dazu angehalten, die Finanzplanung als Lebensplanung zu verste- hen, bei der es dem Vermögensverwalter gelingen muss, den Kunden mit einem hochwertigen Angebot an Bankdienstleistungen ganzheitlich und individuell zu betreuen. Auf diesem Weg soll der Kunde Wertschätzung und Vertrauen erfahren, was wichtige Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit älteren Kunden sind.43
Im Rahmen der Finanzberatung muss die Bank außerdem zukünftig ein breites Leistungsspektrum vorhalten können, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der älteren Kunden gerecht zu werden.44
Grundsätzlich wird bei der Finanzberatung zwischen zwei Ansätzen unterschieden: dem themenzentrierten sowie dem umfassenden Ansatz.
Während im Rahmen des umfassenden Beratungsansatzes die gesamte finanzielle Situation und sämtliche individuelle Lebensumstände des Kunden mit einbezogen werden, ist der themenzentrierte Ansatz eine isolierte Betrachtungsweise, bei dem man lediglich auf bestimmte Vermögensausschnitte oder konkrete Fragestellungen mit isolierten Lösungsvorschlägen eingeht.45
Der Vorteil des umfassenden Ansatzes liegt darin, dass eine vergleichsweise tiefe- re Potenzialausschöpfung wahrscheinlich ist. Im Gegensatz dazu gewährleistet der themenzentrierte Ansatz durch ein maßgeschneidertes Angebot einen schnel- len Markteintritt.
Bei einer ersten Kontaktaufnahme seitens der Bank mit dem jeweiligen Kunden sollte die Finanzberatung in Form des umfassenden Ansatzes erfolgen. Der Fi- nanzberater sollte in der Lage sein, Zugang und Vertrauen zum Kunden zu finden und ihn vor allem bedarfsgerecht, individuell und ganzheitlich zu beraten. „Hier sind Soft Skills wie Fingerspitzengefühl, psychologische Fähigkeiten, Moderati- onskunst, Persönlichkeit, Zeit für aktives Zuhören, eine ausgeprägte Empathie und Sozialkompetenz gefragt.“46
Neben diesen Fähigkeiten sollte der Berater vor allem auch tiefgehende Produkt- kenntnisse aufweisen können, um dem breiten Spektrum an Wünschen und Be- dürfnissen der anspruchsvollen älteren Kunden gerecht zu werden. „Dazu müssen Banken ihre Mitarbeiterstruktur anpassen und ihre personellen Schwerpunkte von reinen Schalterbeamten auf Vermögens- und Finanzberater verlagern.“47 Anders ausgedrückt, bedeutet dies einen Wandel des Mitarbeiters vom reinen Verkäufer von Versicherungs- und Vermögensprodukten hin zum Lebensbegleiter sowie persönlichen Vermögensberater.48
3.3 Auswirkungen auf die Produktnachfrage
3.3.1 Lebensphasenmodell als Grundlage zur Erklärung der altersspezifi- schen Produktnachfrage
Um den Kunden im Rahmen einer individuellen Finanzplanung bedarfsgerecht beraten zu können, ist es notwendig, die in jeder Lebensphase wechselnden Bedürfnisse einer Person bzw. eines Privathaushaltes zu berücksichtigen.
Dieses bedarfsbezogene Nachfrageverhalten erklärt die volkswirtschaftliche Theorie über das Lebensphasenmodell, das in den 50er Jahren von Franco Modigliani49 entwickelt wurde.
Die These unterstellt, dass der Lebensweg eines Individuums in bestimmten auf- einanderfolgenden Phasen verläuft. Demnach zielt ein rational handelnder und vorausschauender Mensch darauf ab, sein Konsumverhalten über den Lebenszyk- lus zu optimieren und seinen Verbrauch unabhängig von temporären Einkom- mensschwankungen konstant zu halten.50 Die Ursache für dieses Verhalten sehen Wissenschaftler in dem sinkenden Grenznutzen. Demnach ist der Nutzen für den Verbraucher höher, wenn er in zwei Perioden gleich viel konsumiert als in einer Periode sein gesamtes Einkommen verbraucht und in der zweiten Periode nichts konsumiert.
Laut diesem Modell nehmen Menschen in jüngeren Jahren ihres Lebens Kredite auf, um ihren Konsum oder auch den Kauf einer Wohnung zu finanzieren. Ab dem Alter von 35 bis 40 Jahren bis zum Renteneintritt übersteigt in der Regel das Einkommen den Konsum. Dadurch ist es möglich, Kredite zu tilgen und Vermögen anzusparen. Nach dem Ende der aktiven Erwerbsphase wird das aufgebaute Vermögen langsam wieder verzehrt.
[...]
1 Vgl. Bohnet, Hopf (2005), S. 5.
2 Bannas (2005), S. 2.
3 Rosar (2006), S. 43.
4 Vgl. Rosar (2007), S. 147.
5 Vgl. Keil (2007), S. 115.
6 Vgl. Walla, Eggen, u.a. (2006), S. 25.
7 Vgl. Dickmann (2005), S. 12.
8 Dickmann (2005), S. 14.
9 Vgl. Rehfeld (2004), S. 591.
10 Dickmann (2005), S. 19.
11 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006), S. 39.
12 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006), S. 40.
13 Dinkel (1989), S. 7.
14 Vgl. Berger-Schmitt (2005), S. 667.
15 Walla, Eggen, u.a. (2006), S. 33.
16 Walla, Eggen, u.a. (2006), S. 34.
17 Vgl. Baade (2007), S. 11.
18 Vgl. Birg (2001), S. 42ff.
19 Baade (2007), S. 13.
20 Vgl. Baade (2007), S. 15.
21 Baade (2007), S. 15.
22 Vgl. Dickmann (2005), S. 20.
23 Wanderungssaldo = Differenz zwischen Zu- und Fortzügen.
24 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006), S. 44.
25 Vgl. Baade (2007), S. 16.
26 Vgl. Walla, Eggen, u.a. (2006), S. 54.
27 Vgl. Dickmann (2005), S. 20.
28 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006), S. 46.
29 Vgl. Walla, Eggen u.a. (2006), S. 56f.
30 Der Begriff „Brain-Drain“ bezeichnet die volkswirtschaftlichen Verluste aufgrund der Auswande- rung gut ausgebildeter Menschen aus einem Land. Dies betrifft vor allem Akademiker und aus- gebildete Facharbeiter.
31 Vgl. Walla, Eggen, u.a. (2006), S. 57.
32 Biersack, Kettner, u.a. (2008), S. 6.
33 Vgl. Schmitz (2007), S. 113.
34 Schmitz (2007, S. 113.
35 Vgl. Szallies (2007), S. 29.
36 Vgl. Szallies (2007), S. 29f.
37 Im Rahmen der EVS werden private Haushalte alle fünf Jahre zu ihren Einnahmen und Ausga- ben, zur Vermögensbildung, zur Ausstattung mit Gebrauchsgütern und zur Wohnsituation be- fragt.
38 Szallies (2007), S. 35.
39 Szallies (2007), S. 38.
40 Vgl. Reittinger, Stelzle (2007), S. 38.
41 Vgl. Reittinger, Stelzle (2007), S. 38.
42 Vgl. Stettler (2008), S. 38.
43 Vgl. Wernthaler (2007), S. 175.
44 Vgl. Reittinger, Stelzle (2007), S. 39.
45 Vgl. Reittinger, Stelzle (2007), S. 39.
46 Pompe (2007 b), S. 77.
47 Schmitz (2007), S. 115.
48 Vgl. Pompe (2007 a), S. 52.
49 Franco Modigliani war ein italienischer Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger.
50 Vgl. Schneider (2003), S. 11.
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