Männliche Homosexualität als Thema des Deutschunterrichts in der Gymnasialen Oberstufe

Am Beispiel Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig"


Examensarbeit, 2009

93 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Der Begriff „Homosexualität“
1.1 Die männliche Homosexualität als Sexualitätskonzept betrachtet von der Antike bis zur Gegenwart
1.1.1 Antike
1.1.2 Mittelalter
1.1.3 Neuzeit bis einschließlich 20.Jahrhundert
1.2 Praxen der Erzeugung der Geschlechterdifferenz in der Neuzeit
1.2.1 Jungenbilder – gender und sex
1.2.2 Probleme der Rollenbilder – doing gender und gender trouble
1.3 Männliche Homosexualität in der Gesellschaft

2. Männliche Homosexualität und Schule
2.1 Die Aufgabe der Schule als werte- und moralvermittelnde Instanz und die Einbindung der Homosexualität in diesen Kontext
2.2 Der Fachbereich Deutsch als Plattform für das Thema der männlichen Homosexualität
2.2.1 Der literarische Schulkanon und die Thematisierung der männlichen Homosexualität
2.2.2 Die Lehrwerke des Fachbereichs Deutsch von Klasse 7-13 und die Thematisierung der männlichen Homosexualität

3. Die Behandlung des Themas der männlichen Homosexualität im Literaturunterricht des Faches Deutsch am Beispiel „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann
3.1 Inhaltsanalyse der Novelle „Der Tod in Venedig“ mit dem Schwerpunkt auf männlicher Homosexualität Literaturauswahl
3.1.1 Aschenbach und der Gegensatz „apollinisch“ und „dionysisch“
3.1.2 Venedig
3.1.3 Der Phaidros-Dialog
3.2 Die Eignung des Werkes für die Thematisierung der männlichen Homosexualität im Deutschunterricht
3.3 Die Verarbeitung des Themas der männlichen Homosexualität in Unterrichts- modellen zu „Der Tod in Venedig“ Literaturauswahl
3.3.1 Vorstellen der Unterrichtsmodelle
3.3.1.1 Analyse und Kritik zu dem Unterrichtsmodell der Handreichung für Schwule und lesbische Lebensweisen
3.3.1.2 Analyse und Kritik zu dem Unterrichtsmodell von Frizen
3.3.2 Fazit zu den Unterrichtsmodellen

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

Anhang

0. Einleitung

In der Gesellschaft existiert eine starke Unsicherheit in Bezug auf Homosexualität. Dies zeigt neuerdings unter anderem die polemische Diskussion über die Adoptionsfrage homosexueller Paare seitens der Politik (BÖHRINGER/VERBEET 2005: 50). Diese Unsicherheit der Homosexualität gegenüber, wird in allen Bereichen der Gesellschaft manifest und somit auch in der Institution Schule. Die Schule als staatsunterstellte Institution hat jedoch bestimmte Aufgaben, die ihr durch Lehrpläne auferlegt werden, zu erfüllen. Diese Aufgaben beschränken sich nicht nur auf die Schulung und Ausbildung fachlicher Kompetenzen, sondern auch auf die Vermittlung von sozialen Fähigkeiten. Dazu gehört unter anderem das Aufzeigen und Ausräumen von Vorurteilen gegenüber sozialen Minderheiten. Diese Minderheiten bezeichnen nicht nur den Bereich der Homosexualität oder gar ausschließlich der männlichen Homosexualität. Die Anzahl an Minderheitengruppen in der Gesellschaft ist unzählbar und bezieht sich auf Aspekte der Religion, der Ethnie, der Sexualität, des Geschlechts, u.a. Gemein ist allen, dass sie von der Norm, also der Mehrheit in irgendeiner Form abweichen und von der Gesellschaft auch als abweichend verstanden werden. Dies führt zu einer Abwehrreaktion seitens der Mehrheit, da diese Minderheiten als Störfaktoren und potentielle Gefahrenquellen für das eigene gesellschaftliche Konstrukt angesehen werden. Vorurteile und Diskriminierung sollen diesem Verständnis Ausdruck verleihen und sind darauf ausgerichtet, den Status quo im gesellschaftlichen Gefüge aufrecht zu erhalten und die Interessen der Mehrheit zu verteidigen. In einem demokratischen Staat wie Deutschland, welcher auf Grundgesetzten basiert, die für alle Menschen, ungeachtet ihrer Sexualität, Religion, Geschlecht, usw., gleichermaßen gelten, kann die Diskriminierung von Devianzen nicht einfach wortlos hingenommen werden.

Die Arbeit kann sich nicht mit allen Normabweichungen beschäftigen, die es in einer Gesellschaft gibt. Deshalb soll sich in der Arbeit auf die Homosexualität beschränkt werden. Da auch dieser Bereich ein sehr vielschichtiges Konstrukt darstellt, ist es notwendig das Thema noch weiter einzugrenzen. Im Fokus der Arbeit steht somit die auszugsweise Betrachtung der männlichen Homosexualität. Einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, obliegt dieser Arbeit aufgrund der Größe des Bereichs nicht. In der Arbeit soll also lediglich ein Überblick skizziert werden, in dem verschiedene Teilbereiche der Thematik der männlichen Homosexualität untersucht werden.

Es stellt sich in dieser Arbeit also die Frage, wie dieser Thematik in der Gesellschaft und besonders im Bereich Schule, als persönlichkeitsausbildende, staatsimmanente Institution entgegengetreten wird.

Es fällt dabei auf, dass in den Rahmenlehrplänen der Oberstufe des Landes Berlin diese Problematik sehr vage und nie direkt genannt wird. Das Thema Homosexualität wird in den Bereich der Sexualerziehung eingeordnet, für welchen eine eigene Handreichung erstellt wurde. Es soll als fächerübergreifendes Thema verstanden und vermittelt werden. Eine altersabhängige Zuordnung bleibt dabei aus, was es prinzipiell in den Bereich aller Klassenstufen hinein verortet. Diese Liberalisierung, die symptomatisch ist für die Berliner Rahmenlehrpläne, führt zu der These, dass Homosexualität seitens der Lehrerschaft als marginales Thema verstanden wird, dementsprechend wenn überhaupt nur am Rande des Unterrichts Erwähnung findet. Es gilt diese These in der Arbeit genauer zu untersuchen.

Eine weitere These, die die Arbeit zu betrachten hat, entsteht, ausgehend von dem Wissen, dass eine Besprechung des Themas der männlichen Homosexualität keinem Fachbereich direkt zugeordnet und somit kein Verantwortungsgefühl diesem Thema gegenüber erschaffen wird. Warum der Fakt, dass Homosexualität schon immer eine Realität in der Gesellschaft darstellte und eine Gesellschaft, die an sich den Anspruch stellt, aufgeklärt, tolerant und multikulturell zu sein, diesem Thema einen hohen Wichtigkeitsgrad zusprechen muss, unbeachtet und unrealisiert bleibt, soll in der Arbeit erklärt werden.

Um ein wissenschaftliches Verständnis von dem Bereich der männlichen Homosexualität zu erlangen und somit eine Basis für die weiteren Fragestellungen der Arbeit zu erschaffen, ist es wichtig im ersten Kapitel einen Überblick über das Thema der männlichen Homosexualität vorzunehmen. Dies geschieht, indem zu Beginn vor allem eine Definition des Begriffs Homosexualität auf der Basis verschiedener Lexikaeinträge vorgenommen werden soll. Im Unterkapitel 1.1 wird eine diachrone Betrachtung der männlichen Homosexualität vorgenommen, indem die verschiedenen Sichtweisen auf sie aus Antike, Mittelalter und Neuzeit vorgestellt werden. Ein diachrones Bild von der männlichen Homosexualität zu zeichnen, ist im Rahmen dieser Arbeit wichtig, um den Verlauf der Akzeptanz und der Sichtweisen auf die männliche Homosexualität zu zeigen. Es zeigt auch, dass es sich um ein lineares Phänomen handelt, dass schon seit Jahrtausenden von den Menschen zum Redegegenstand erhoben wurde. Es kann anhand dieser Vorgehensweise gezeigt werden, welche Sicht- und Denkweisen Vorurteile und Diskriminierungen gegenüber der Homosexualität fördern.

Im Unterkapitel 1.2 werden die Praxen der Erzeugung der Geschlechterdifferenz in der Neuzeit erörtert. Die Begriffe gender und sex werden hierfür als Basis genommen, um an ihnen das Entstehen und die Konsequenzen von Rollenbildern in der Gesellschaft aufzuzeigen. Der Betrachtungsfokus soll dabei vor allem auf die Konsequenzen gelegt werden, die Rollenbilder in Hinsicht auf den Umgang mit männlicher Sexualität bei Schülern der Oberstufe erzeugen. Es folgt das Unterkapitel 1.3, in welchem eine Auswahl an existierenden Sichtweisen und Vorurteilen in Hinsicht auf männliche Homosexualität besprochen werden sollen. Dies ist notwendig, um das Thema der Homosexualität aus dem historischen Betrachtungsfeld herauszuheben und einen direkten Bezug zur heutigen Zeit herzustellen. Das Kapitel 2 der Arbeit soll dazu dienen, das zuvor eruierte Wissen aus Kapitel 1 auf den Wirkungsbereich der Institution Schule anzuwenden. Es soll somit ein Zusammenhang zwischen männlicher Homosexualität und Schule hergestellt werden. Dafür werden in Unterkapitel 2.1 die Aufgabenfelder der Schule respektive die der Oberstufe definiert und die Frage nach dem Integrationsgrad von Homosexualität in diesen Kontext beantwortet. In Unterkapitel 2.2 wird die Thematik männlicher Homosexualität direkt dem Fachbereich Deutsch zugeordnet und evaluiert inwieweit das Fach geeignet ist, das Thema der männlichen Homosexualität zum Redegegenstand zu erheben. Dafür wird in Kapitel 2.2.1 der Begriff des Literaturkanons näher betrachtet und die These verifiziert, dass das Vorherrschen eines heterosexuell geprägten Kanons zu einer heterosexuellen Sozialisation führt. In Kapitel 2.2.2 werden unterstützend ausgewählte Lehrwerke des Faches Deutsch der Klassen 7 bis 13 einer Analyse mit Schwerpunkt auf Thematisierung männlicher Homosexualität unterzogen. Dies ist nötig, um einen Gesamtüberblick über die aktuelle Situation zu erzeugen und somit die Allgegenwärtigkeit der heterosexuellen Norm und somit die indirekte Diskriminierung der Homosexuellen im Deutschunterricht aufzuzeigen.

In Kapitel 3 steht die Behandlung des Themas der männlichen Homosexualität im Literaturunterricht der Oberstufe des Faches Deutsch am Beispiel „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann im Fokus. Dies ist nötig, weil die Rahmenlehrpläne der Länder eine Verschränkung von fachlichen und metafachlichen Kompetenzen fordern. Durch die Verknüpfung von dem literarischen Werk „Der Tod in Venedig“ und dem sexualerzieherischen Thema der Homosexualität, soll dieser Forderung entgegengekommen werden. In der Arbeit soll an diesem Beispiel gezeigt werden, inwieweit diese Forderung umsetzbar ist.

Das Wissen aus Kapitel 1 und 2 geht dabei in die Betrachtungen des dritten Kapitels mit ein. In Unterkapitel 3.1 wird eine Werkanalyse mit dem Schwerpunkt der männlichen Homosexualität vorgenommen. Dies ist nötig, um zu zeigen, inwieweit das Werk für die Thematisierung der männlichen Homosexualität im Deutschunterricht überhaupt geeignet ist. Die Beantwortung dieser Frage findet in Unterkapitel 3.2 statt. In Kapitel 3.3 werden dann Unterrichtsmodelle, die besagtes Thema mit der Novelle „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann in Verbindung bringen, analysiert und einer Kritik unterzogen. Das Kapitel 3 endet mit einem Fazit bezüglich der Unterrichtsmodelle, das eventuelle Verbesserungsvorschläge mit einbezieht. Am Ende der Arbeit werden die eruierten Ergebnisse einem Fazit zugeführt.

1. Der Begriff „Homosexualität“

Der Begriff Homosexualität hat eine lange vor allem negativ belegte Konnotationsgeschichte zurückgelegt, in der Homosexualität unter anderem als Krankheit, Degeneration, Versündigung und Blasphemie verstanden wurde. Heutzutage definiert der Duden Homosexualität als ein „sich auf das eigene Geschlecht richtendes Geschlechtsempfinden, gleichgeschlechtliche Liebe […]“ (DUDEN 2007: 569). In der „Handreichung für die weiterführenden Schulen für lesbische und schwule Lebensweisen“ herausgegeben von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin bedeutet „Homosexualität […], dass sich jemand von einer Person des gleichen Geschlechts angezogen fühlt. […] Bei Männern [hat sich] der Begriff ´schwul´ durchgesetzt. […] [Der] Begriff wurde früher [und auch heute immer noch] abwertend und als Schimpfwort gebraucht“ (FUGE 2006: 19). Die umstrittene internetbasierte Wissensplattform Wikipedia definiert Homosexualität als „eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und sexuelles Begehren ausschließlich oder vorwiegend für Personen des eigenen Geschlechts empfunden wird. […] Homosexuelle Männer [werden] auch Schwule genannt.“ (WIKIPEDIA 2009). Die Definition Wikipedias soll hier deswegen Erwähnung finden, da sie von einem nicht zu geringen Teil der deutschsprachigen Bevölkerung – also auch von Schülern, die in dieser Arbeit einen wichtigen Platz einnehmen – genutzt wird, um sich über ein bestimmtes Thema einen ersten und manchmal auch einzigen Eindruck zu verschaffen.

Homosexualität als Form der sexuellen Ausrichtung grenzt sich in dieser Hinsicht von Begriffen wie Heterosexualität, Bisexualität, Transsexualität ab. Die Begriffe Transvestitismus sowie Transgender stellen weitere Kohyponyme dar. In der Pädagogik respektive Didaktik wird Homosexualität seit einigen Jahren vornehmlich nach diesen weitgehend identischen Definitionen verstanden und genutzt. Homosexualität wird dementsprechend als gleichberechtigte sexuelle Lebensweise verstanden, die eine Realität in der Gesellschaft beschreibt. Die stärkere Integration eines positiven Bildes von Homosexualität in die Bildungsinstitutionen wird seit einigen Jahren sukzessive realisiert; Ein Resultat der Erkenntnis, dass Homosexualität einen Teil der Schülerschaft direkt betrifft und sich eine diesbezüglich erfahrene Diskriminierung höchst negativ auf das Selbstbild und die Persönlichkeitsentwicklung homosexueller Schüler und damit auf das Schulklima per se auswirken kann.

1.1 Die männliche Homosexualität als Sexualitätskonzept betrachtet von der Antike bis zur Gegenwart

Das Verständnis von und der Umgang mit Sexualität haben sich in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden immer wieder verändert. So gibt es Epochen, in denen ein eher positives, auf Lust ausgerichtetes Verständnis von Sexualität propagiert wurde wie zum Beispiel in der Antike. Auf der anderen Seite gibt es Zeitabschnitte, in denen Sexualität als sündhaft betrachtet wurde, wie dies im Mittelalter geschah. Das Konzept von Sexualität ist dabei stets sehr mannigfaltig. Eine der Facetten beschreibt die Homosexualität.

Dieses Thema war in den Jahrtausenden immer wieder Ziel polemisch geführter Diskurse und wurde nicht selten als ein Verstoß gegen die Staatsinteressen verstanden, was vor allem die männliche Homosexualität starken Sanktionsmaßnahmen aussetzte. Dass der Schwerpunkt der strafrechtlichen Verfolgung dabei gerade auf der männlichen Homosexualität lag, liegt in der gesellschaftlichen Vorstellung von Mann und Frau begründet. Die Idee einer Frau einen Geschlechtstrieb zuzugestehen, wurde erst ab der Mitte des 20.Jahrhundert üblich. Dieses Fehlen einer sexuellen Lust, prädestinierte die Frau nicht dafür, homosexuelle Lebensweisen zu entwickeln und auszuleben (GOWING 2007: 131). Sexuelle Lust zu empfinden blieb also die Domäne der Männer. Für die Frau diente Sexualität vornehmlich zur Fortpflanzung. Sie wurde somit als Gebärerin und Bewahrerin neuen Lebens verstanden. Ihre Wirkungsbereiche waren beschränkt auf Heim und Haushalt. Der Mann hingegen galt in diesem patriarchalen Staatsgefüge als Stützpfeiler der Gesellschaft. Er bekleidete alle wichtigen Ämter und traf Entscheidungen, die sich direkt auf Staat, Gesellschaft oder Familie auswirkten. Ein homosexueller Mann aber kann den Anforderungen, die an ihn seitens dieser Institutionen gestellt werden, nicht nachkommen, womit er deren Existenz explizit gefährdet. Dies erklärt, warum männliche Homosexualität im Vergleich zu weiblicher Homosexualität in einigen Epochen als sündhaft und negativ verstanden und stark sanktioniert wurde und begründet damit die Fokussierung auf diesen Bereich in dieser Arbeit.

1.1.1 Antike

Die Gesellschaft der Antike zeichnet sich vom sexualwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet vor allem dadurch aus, dass sie noch keine bipolare Einteilung in Homo- und Heterosexualität vornimmt. Das patriarchale Denken, das in der Antike vorherrschend war, beschreibt die Sexualität vor allem vom Standpunkt der männlichen Gesellschaftsmitglieder aus. Das Verständnis von Sexualität betrachtet diese als eine freudbringende, nicht ausschließlich auf Fortpflanzung ausgelegte Vereinigung zweier Menschen. Für einen griechischen Mann war die Sphäre der Sexualität somit nicht beschränkt auf den Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau. Es war für ihn nicht unüblich, sexuelle Affären mit anderen Männern zu haben. Ein Modell, das unter der Bezeichnung paiderastia bekannt ist. Dieses Modell definiert sich durch das Wohlwollen sexuellen Beziehungen gegenüber, die zwischen einem Mann und einem Knaben, die beide dem Bürgerstand angehörten, vollzogen wurden (BUSCH 1997: 15). In diesen Beziehungen war stets einem Mann die Rolle des eromenos respektive des Geliebten und dem anderen die Rolle des erastes respektive des Liebhabers zugewiesen. Beim eromenos handelte es sich in der Regel um einen Knaben, der sowohl in der Phase der Werbung wie auch in der daraus resultierenden Beziehung die passive Rolle übernahm. Ein Verhältnis zwischen einem erastes und einem eromenos konnte bei erfolgreicher Werbung neben körperlichen Freuden auch gesellschaftliches Ansehen mit sich bringen. Der Beziehung zwischen diesen beiden Männern war zudem ein pädagogischer Aspekt immanent, da der erastes für den eromenos eine Vorbildfunktion inne hatte und dessen Charakter dahingehend prägte, dass sein Schützling ein guter und rechtschaffener Bürger der Gesellschaft zu werden imstande war. In der Antike unterschied man zudem zwischen zwei Arten von Liebe: Eros und agape. Der Begriff des eros, als einer Liebe, die einem Drang nach etwas nachkommt und objektgesteuert ist, steht hierbei dem Begriff der agape gegenüber, einer subjektorientierten Liebe, die zudem bedingungslos ist. Gindorf versteht agape als philosophische Liebe und eros als irdische Liebe (GINDORF 1989: 4). Platon beschreibt in „Das Gastmahl“ ebenso die Modelle eros und agape (ebd.). Er verwendet hierbei jedoch nicht die Bezeichnung agape, sondern definiert eros als ambivalente Erscheinung, die in himmlischer und gewöhnlicher Form vorkommt. Während der gewöhnliche eros, auf körperliche Befriedigung ausgerichtet ist, strebt der himmlische eros auf die bleibende Vereinigung mit der Wesensart des Freundes. Dieser eros beschränkt sich zudem ausschließlich auf die Sphäre des Männlichen und erhebt sich somit über das rein Körperliche hinaus. Der Begriff Homosexualität wird hier als Homophilie verstanden, als eine gleichgeschlechtliche Liebe, die ihre Erfüllung nicht nur bedingt sieht in der Realisierung sexueller Aktionen (HUPPERTS 2007: 44). Platon vertritt weiterhin die These, dass die Liebe zwischen Mann und Frau, bedingt durch den Wunsch nach Unsterblichkeit, ein Kind hervor bringt, während die Liebe zwischen Mann und Mann, die keine Unsterblichkeit anstrebt, Tugend, Denken oder Wissen erzeugt (ebd.: 45). Platon sieht die Werte, die aus der Liebe zwischen zwei Männern entstehen, als langlebiger an, als es Kinder sein können (ebd.). Die Liebe zwischen zwei Männern wird also als die reinere und folgenreichere Verbindung angesehen. Diese platonische Sichtweise auf die Liebe verarbeitet Thomas Mann unter Zuhilfenahme des „Phaidros-Dialogs“ in der Novelle „Der Tod in Venedig“.

Der Begriff der agape kann konkludierend als Vorbild für das später aufkommende Modell der Männerfreundschaft angesehen werden, deren Sinn darin bestand, ein Objekt auf einer platonischen Ebene zu lieben und zu begehren, aber die physische Ebene zu vernachlässigen und das Objekt dennoch aufzuwerten, indem man es bedingungslos fördert. Viele Autoren späterer Epochen wie zum Beispiel Stefan George haben dieses Modell aufgegriffen und nach dessen Prämissen ihre Homosexualität versucht gesellschaftsfähig zu machen. Auch die sogenannte Knabenliebe, die unter dem Namen der paiderastia Einzug in die deutsche Literatur und Philosophie gefunden hat, wurde in literarischen Werken der Antike und auch späterer Epochen zum Thema gemacht. Als Beispiele lassen sich unter anderem das „Gilgamesch-Epos“, die „Illias“, oder auch „Der Tod in Venedig“ anführen. (ALDRICH 2007: 7). Die Arbeit wird zeigen, dass Thomas Mann nicht nur das Modell der paiderastia aus der antiken Weltanschauung übernommen hat, sondern dass sich in seiner Novelle eine hohe Quantität antiken Mythenstoffs auffinden lässt.

Der harmonische Umgang mit Sexualität in der Antike hat zum Einen soziologische und politische Hintergründe und zum Anderen kulturphilosophische. Die gleichgeschlechtliche Liebe, insbesondere die darunter verstandene Knabenliebe, wurde nach dem Verständnis von Sexualität als lustförderndes Prinzip nicht als widernatürliche Sünde oder Vergehen gegen den Staat verstanden und geahndet (es gab keine Gesetze, die gleichgeschlechtliche Liebe verboten) sondern als eine von vielen Formen sexuellen Verlangens, als eros (HUPPERTS 2007: 33). Von diesem Verständnis ausgehend, konnte sich der Interessenfokus verlagern, weg vom animalisch-triebhaften Verständnis der Sexualität hin zu einem menschlich-philosophischen Betrachten eben dieser. Der Begriff der Schönheit, den auch Thomas Mann in seiner Novelle betrachtet, sowie die Liebe zu dieser, spielte in diesem Verständnis eine große Rolle und beeinflusste die griechische Philosophie ausschlaggebend (ALDRICH 2007: 7).

1.1.2 Mittelalter

Die Toleranz und Akzeptanz, die in der Antike gegenüber der mannbezogenen, gleichgeschlechtlichen Liebe aufgebracht wurde, fand ein Ende mit dem Aufkommen des Christentums; Wertvorstellungen und damit einhergehend auch das Verständnis von Sexualität veränderten sich grundlegend. Während Sexualität und Fortpflanzung in der Antike nicht deckungsgleiche Begriffe waren, näherten sich die beiden Konzepte im Christentum so weit aneinander an, dass die „Zuneigung der Geschlechter ausschließlich als Zweck der Erschaffung neuer Menschen […] [angesehen wurde] und der Sexualität […] [kein] Eigenwert [zuerkannt wurde]“ (GINDORF 1989: 4). Sexualität wurde als „eine die Lust befördernde, dem Gottesverständnis abträgliche, keineswegs positiv beurteilte Verhaltensweise verstande[n]“ (ebd.: 4). Körperlichkeit und Sexualität waren von nun an in der Sphäre der Ehe verortet und mit Scham, Enthaltsamkeit, Sünde, Sitte und Strafe verknüpft (HUPPERTS 2007: 33). Platons Unterscheidung zwischen eros und agape wurde im Mittelalter aufgegriffen und soweit verschärft, dass der eros, in Form der irdischen Liebe, als etwas Schlechtes angesehen wurde, dem unbedingt entgegenzuwirken war, während die agape, in Form der himmlischen Liebe, als die wahre Liebe oder auch reine „Gottesliebe“ proklamiert wurde (GINDORF 1989: 4). Die gleichgeschlechtliche Liebe - vor allem die zwischen Männern, stellte nach diesem Weltbild, welches Sexualität als Ausdruck einer irdischen Objektliebe verachtete, eine Todsünde dar, da sie nur der Lustbefriedigung diente, nicht aber der Fortpflanzung. Sie widersprach damit den Naturgesetzen und wurde als etwas begriffen, gegen das vorzugehen galt, da es den Fortbestand der Gesellschaft als wichtigsten Grundstein der Zivilisation bedrohte.

Während in der Antike die Begriffe eros, agape und paiderastia gebräuchlich waren, um den Gegenstand der gleichgeschlechtlichen Liebe zwischen Männern zu benennen, prägte man im Mittelalter den Begriff der Sodomie. Dieser Begriff fand in der biblischen Erzählung im 1.Buch Mose, Kapitel 18 und 19 von Sodom und Gomorrha seinen Ursprung. Dabei handelt es sich laut Bibelexegese um Städte, die wegen ihrer Sündhaftigkeit von Gott zerstört wurden (ALDRICH 2007: 10). Diese Sündhaftigkeit stand von nun an symbolisch für den Untergang der Zivilisation und wurde direkt auf den homosexuellen Menschen angewandt, der somit eine Gefahr für die Gesellschaft darstellte. Puff sieht hier erstmals das Sexualverhalten eines Einzelnen mit dem Schicksal einer ganzen Gruppe verknüpft (PUFF 2007: 80).

Der Begriff der Sodomie stand fortan für jeden widernatürlichen Sexualkontakt, der nicht der Fortpflanzung diente. Die Idee der Widernatürlichkeit steht in direktem Zusammenhang mit dem Verständnis von Religion, welche einen Gott ins Zentrum stellt, der die Natur zu seiner Stellvertreterin auf Erden macht. Durch diese von Gott inspirierte Natur wird der Mensch „in seiner dualistischen Grammatik erschaffen“ und hat sich in dieses Weltbild einzufügen, will er „kosmisches Heil“ erlangen (HERGEMÖLLER 2007: 61). Sodomie steht zu dieser „Grammatik von Schöpfung und Wirklichkeit“ dementsprechend in direktem Gegensatz (ebd.). Ab dem 13.Jahrundert wendete man sich von den „neuplatonischen Vorstellungen der Naturphilosophen“ (ebd.) ab und errichtete „ein System der Gesamtgeschichte von der Schöpfung bis zur Wiederkunft Christi“ (ebd.). Diese stellte erste Versuche dar, der Unzucht wissenschaftlich entgegenzutreten (ebd.). Jene Unzucht wurde, da sie als sündhaft angesehen wurde, von nun an strafrechtlich verfolgt und stand den Charakteristika des Christentums „Tugend“ und „Frömmigkeit“ gegenüber (ebd.: 73). Das Ausmaß der Strafen gegen die Sodomiten erfuhr ab dem 13. Jahrhundert eine systematische Erhöhung und Intensivierung (ebd.).

Auffällig ist, dass auch im Mittelalter noch keine Einteilung in Homosexualität und Heterosexualität existierte, sondern dass vielmehr ein Verständnis von naturgemäßem und naturwidrigem Sexualverhalten vorherrschte (HERGEMÖLLER 2007: 62). Man befand die Sodomie zudem nicht als eine lebenslange Orientierung; eine Anschauung, die erst in den späteren Jahrhunderten aufkommen sollte (PUFF 2007: 86).

1.1.3 Neuzeit bis einschließlich 20.Jahrhundert

In der Renaissance kam es zu einer Widerbelebung und Rückbesinnung auf die Werte, Mythen und philosophischen Ansichten der Antike. Besonders deutlich manifestiert sich dies im Körper- und Schönheitskult. Neugeschaffene Werke, die den Körper in den Mittelpunkt stellten, wurden aber nach einem kurzen Aufblühen der Toleranz zensiert (ebd.: 89). Die Todesstrafe für sodomitische Vergehen blieb vor allem in Deutschland bis ins 18.Jahrhundert hinein bestehen, wenngleich die Zahl der Hingerichteten mit der Zeit stark absank. Auffällig ist, dass Sodomie noch immer als Verbrechen wider die Natur und somit als ein blasphemischer Akt angesehen wurde (SIBALIS 2007: 107). Ehe und Fortpflanzung wurden noch immer als staatsfördernd verstanden und alle Handlungen, die sich nicht konform dazu verhielten als staatsschädigend. Zwar interpretierte man die Schädigung der Gemeinde und damit die des „Staates“ nicht länger als das Auf-sich-ziehen des göttlichen Zornes, sondern verstand homosexuelles Verhalten vielmehr als die Verweigerung dem Staat einen notwendigen Dienst zu erbringen, um sein Fortbestehen zu sichern. Sodomiten wurden folglich als Staatsfeinde gehandelt und geahndet (ebd.: 109).

Im Verlauf des 18.Jahrhundert und speziell angeregt durch die französische Revolution änderte sich das Verhalten gegenüber der Sodomie partiell, so dass sie in vielen europäischen Ländern zwar immer noch als ein Verstoß gegen die Sittsamkeit und somit als Sünde angesehen, die Todesstrafe für Sodomie jedoch als zu rigoros empfunden wurde (ebd.: 109 u. 119). 1814/15 adaptierte das französisch besetzte Rheinland die französischen Gesetze und damit auch die aufgebrachte Toleranz der Sodomie gegenüber. Auch in Bayern war der Begriff der Sodomie bis 1813 aus den Strafgesetzbüchern verschwunden (ebd.: 119). Baden- Württemberg, Braunschweig und Hannover folgten diesem Beispiel 1839/40 (ebd.), während Preußen lediglich das Strafmaß reduzierte, die Gesetze jedoch beibehielt. Dieser Änderung zum Trotz hatten Homosexuelle dennoch weniger unter gerichtlichen Verfolgungen zu leiden als vielmehr unter der Angst vor sozialer und mentaler Isolierung und dem starken Druck der Geheimhaltung ihrer sexuellen Präferenzen. Die Kluft für Homosexuelle zwischen öffentlichem und privatem Leben war somit zum Teil unüberwindbar groß (ebd.: 120).

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte die Medizin erstmal ein Interesse an der Thematik der Sodomie. Die Medizin begann nun von einem physiologischen und psychischen Standpunkt aus an die Sodomie heranzutreten und nach Merkmalen und Ursachen zu suchen, da diese nun als permanenter Wesenszug des Sodomiten verstanden wurde (ebd.). 1869 wurde der Begriff der Sodomie durch den Autor Karoly Maria Kertbeny zum ersten Mal durch den Terminus der Homosexualität ersetzt. Diese Terminusänderung brachte auch ein Umdenken bezüglich der Homosexualität mit sich. Der Homosexuelle galt nicht länger als Blasphemist, der den Tod verdiente, sondern als Kranker, welcher für die sittliche und moralische Gesinnung der Gesellschaft schädlich war und therapiert werden musste (TAMAGNE 2007: 167). Ziel aller medizinisch-wissenschaftlichen Untersuchungen und Abhandlungen war es von nun an, die gleichgeschlechtliche Liebe vor dem Hintergrund der Pathologie vor dem Strafgesetz zu schützen und den Paragraphen 175[1], der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte und homosexuelle Männer mit Freiheitsentzug bedrohte, abzuschaffen. Trotz dieser Bemühungen wurde Homosexualität nach wie vor als minderwertig angesehen und im Bewusstsein der Allgemeinheit eng mit kriminellen Machenschaften verknüpft, was zur Folge hatte, dass diese erneut als Gefahr für die nationale Sicherheit verstanden wurde, da man ihr in einer immer noch patriarchalisch orientierten Zeit unter anderem nicht nur Dekadenz, sondern auch die Laster des „schwachen Geschlechts“ unterstellte, wie Feigheit und Indiskretion (ebd.: 174).

Bis zu den 1920er Jahren hatten sich homosexuelle Bewegungen herausgebildet, die weniger an der Emanzipation selbst arbeiteten, sondern eher die Geselligkeit in Subkulturen förderten (ebd.: 176). Lediglich in dem Feld der Literatur und der Massenmedien war eine aktivistische Tendenz zu entdecken. In der Zeit zwischen den Kriegen entstand homosexuelle Literatur, in der Aspekte thematisiert wurden wie die Zurückweisung puritanischer Erziehung, der Wunsch sich den gesellschaftlichen und sexuellen Konventionen des Bürgertums zu widersetzen sowie Männerfreundschaften und Knabenliebe (ebd.: 182). Zudem war das Aufkommen eines homosexuellen Literaturkanons zu erkennen, in dem sowohl Platons „Das Gastmahl“, wie auch Thomas Manns „Der Tod in Venedig“ vertreten waren (ebd.: 189). Es hatte sich nun zwar die Vorstellung über Homosexualität weiterentwickelt, die gesellschaftliche Haltung jedoch nicht. Klischees, gesellschaftlicher Druck, juristische Strafverfolgung, Rufschädigung durch Erpressung oder Verleumdung blieben eine stete Präsenz im Leben und Selbstverständnis der Homosexuellen jener Zeit (ebd.).

Nach Hitlers Machtergreifung spitzte sich die Situation der Homosexuellen dramatisch zu. Es folgten nicht nur die Vernichtung der homosexuellen Subkulturen, sondern die Ausdehnung des §175 auf jeden homosexuellen auch non-taktilen Kontakt und als Endresultat die Vernichtung der Homosexuellen selbst in den Konzentrationslagern. Hintergrund dieser immensen Verachtung und Intoleranz war die Wertlosigkeit, die Homosexuellen zugeschrieben wurde. Jene kamen zum Einen der Forderung der deutschen Nation zu heiraten und im Rahmen einer Ehe Kinder zu bekommen nicht nach und zum Anderen wurde nun auch die Denkweise von Hirschfeld und Co., nach welcher Homosexuelle Kranke und Degenerierte waren, erneuert und extrem ausgelegt. Homosexuelle waren wie körperlich und geistig Behinderte nicht dazu geeignet die „arische Rasse“ voranzubringen und mussten deswegen beseitigt werden.

Der vom US-amerikanischen Zoologen und Sexualforscher Alfred C. Kinsey 1948 herausgebrachte Kinsey-Report über das sexuelle Verhalten des Mannes in den USA, stellte einen ersten Versuch dar, den pathologischen Charakter homosexueller Handlungen zu verneinen (RIZZO 2007: 201) und sich gegen die Dichotomie Hetero-/ Homosexualität auszusprechen (GINDORF 1989: 25). Zu den Schlussfolgerungen, zu den Kinsey im Bericht kam, gehörte „die Beobachtung, dass sowohl psychische Reaktionen als auch reale Verhaltensweisen der Befragten erheblich von der zu dieser Zeit gängigen gesellschaftlichen Norm abwichen“ (MÜNDER 2004: 21). „Exklusiv homosexuelles Verhalten […] [sei] genauso natürlich wie exklusiv heterosexuelles Verhalten“ (ebd.: 22). Trotzdem wurde in den 1950er und 1960er Jahren Homosexualität in der westlichen Welt noch immer auf der Basis des §175 mit Freiheitsstrafe geahndet (RIZZO 2007: 201). Die Kluft zwischen privatem und öffentlichem Auftreten blieb bestehen und Homophobie nahm wieder zu, da die Idealisierung der Kernfamilie als gesellschaftliches Modell vorherrschte (ebd.: 203). In den 1960/70er Jahren kam es zur Gründung der ersten Schwulenbewegung in Deutschland. Der Homosexuelle sollte nun nicht nur sich selbst seine Homosexualität eingestehen, sondern damit auch in die Öffentlichkeit treten. Das Entstehen des Begriffs coming out fällt in diese Zeit und hat die Aufhebung der Grenze zwischen öffentlicher und privater Rolle zum Ziel (ebd.: 214). Nicht die eigene Homosexualität war mehr das Problem, sondern vielmehr die Reaktion der Gesellschaft in Hinblick auf diese. Als Erfolge der Schwulenbewegung kann die Streichung der Homosexualität von der Liste der Geisteskrankheiten im Jahre 1973, ein Nachlassen der Verfolgung durch die Polizei, sowie eine stärkere Integration Homosexueller in die Gesellschaft gesehen werden (ebd.: 217). Dennoch führte bis 1992 der ICD-Katalog der WHO Homosexualität als eigene Krankheit auf und erst im Jahre 1994 wurde der Paragraph 175 in Deutschland aufgehoben. 2001 wurde in der deutschen Bundesrepublik das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft verabschiedet, das seitdem in Kraft tritt (HEKMA 2007: 346).

1.2 P raxen der Erzeugung der Geschlechterdifferenz in der Neuzeit

Die früheren Gesellschaften gingen davon aus, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen biologischem Geschlecht und „allen Lebensäußerungen eines Individuums geben“ müsse (BRANDES 2002: 50). Dies bedeutet, dass Männlichkeit und Weiblichkeit personenimmanent waren (ebd.). Die Sexualforschung brach diese Denkweise in den 1950er Jahren auf und proklamierte von da an die Existenz eines sozialen Geschlechts, auch bekannt unter dem Terminus technicus gender und eines biologischen Geschlecht auch bekannt unter dem Terminus technicus sex. Es wird nun die Frage aufgeworfen, ob „´weiblich [oder männlich] sein´ eine ´natürliche Tatsache´ oder eine kulturelle Performanz [sei]“ (BUTLER 1990: 9). Das Konstrukt Geschlecht würde damit nicht maßgeblich von der Natur bestimmt, sondern vielmehr von der Kultur, in der eine bestimmte Vorstellung von den Kategorien männlich und weiblich sowie deren Charakteristika existierten und die durch die Gesellschaft in Form von Erziehung und Sozialisation immer wieder aufs Neue bestätigt würden (PETERSEN 2006: 6). Es können daher in verschiedenen Kulturkreisen, verschiedene Vorstellungen von den Kategorien männlich und weiblich existieren (ebd.).

Ziel der Gender-Forschung ist es, sich gegen die binäre Einteilung in männlich und weiblich zu stellen und das Geschlecht des Menschen viel mehr als konstruiert zu begreifen, was bedeutet, dass jeder Mensch sowohl weibliche als auch männliche Eigenschaften in sich trägt (MICHALEK 2006: 21 und BUTLER 1990: 22). Von diesen wird abhängig nach Geschlecht ein Eigenschaftsmodell durch kulturelle Sozialisation mit der Zeit immer mehr verdrängt, um das bipolare Geschlechterbild zu erhalten. Die Kategorie „Geschlecht“ wird laut der Sexualforschung durch die Faktoren sex, gender und sex category konstruiert und ist veränderlich. Geschlecht wird diesbezüglich nicht als ein Konglomerat starrer Eigenschaften angesehen und nach diesem Verständnis als doing gender definiert (MICHALEK 2006: 25). Der Faktor sex beschreibt und bestimmt das anatomische Geschlecht, also die Einteilung in eine der beiden von der Gesellschaft akzeptierten Kategorien männlich oder weiblich (BUTLER 1990: 22). Die „sex category beschreibt [bereits] die soziale Zuordnung“ (MICHALEK 2006: 25) eines Geschlechts, die sich „an der sozial akzeptablen Darstellung der Geschlechtszugehörigkeit orientiert“ (ebd.). Der Faktor gender, also das soziale Geschlecht, stellt die Validierung der sex category durch situationsbedingte, ständig erneuerbare Interaktionsprozesse dar (ebd.). „Die Geschlechtsidentität ist also weder das kausale Resultat des Geschlechts, noch so starr wie scheinbar dieses“ (BUTLER 1990: 22).

“Doing gender means creating differences between girls and boys and women and men, differences that are not natural, essential, or biological. Once the differences have been constructed, they are used to reinforce the ´essentialness´ of gender” (WEST/ZIMMERMANN 1987: 137).

Die Konsequenz dieser gesellschaftlichen Einordnung in die Dichotomie männlich/weiblich, sowie die Zuordnung bestimmter Attribute in Form von Rollenbildern und die Schaffung einer entsprechenden Norm, ist das Entstehen zweier normbestimmter Idealgeschlechter und die Ablehnung von diesbezüglichen Devianzen. „Es gilt, den eigenen Platz immer wieder in der Geschlechtsdarstellung zu inszenieren und so die Geschlechtszugehörigkeit eindeutig zu bestätigen“ (MICHALEK 2006: 27). Diese Idealgeschlechter werden von der Norm, also der Heterosexualität vorgegeben und bedingt (BUTLER 1990: 8) und zwar aufgrund des menschlichen Bedürfnisses nach der Kategorisierung der Umwelt und somit auch der Sexualität.

1.2.1 Jungenbilder – gender und sex

Jungen wie Mädchen sind bestimmten Erwartungshaltungen ausgesetzt. Dass diese Aspirationen durch die Gesellschaft künstlich konstruiert werden, wird deutlich, wenn man eine Studie von Milhoffer von 2000 betrachtet, in der sie Jungen und Mädchen aus der Grundschule nach ihrem Selbstbild und nach ihrem Wunschbild befragt. Während hier Attribute wie sportlich, klug, witzig und mutig von mehr als zwei Drittel der Befragten als erstrebenswerte Charaktereigenschaften angegeben werden, befinden sich Attribute wie hilfsbereit, stark, gutaussehend mit knapp der Hälfte der Probanden, die solche als erstrebenswert ansehen im Mittelfeld und Attribute wie technisch fit, durchsetzungsfähig und zärtlich im klaren marginalen Bereich mit nur noch einem Fünftel der Probanden, die diese Eigenschaften als erstrebenswert erachten. Das Wunschbild wird von Milhoffer dem Selbstbild gegenüber gestellt. Auf die Frage „Was glaubst du, wie du wirklich bist?“ antworten wieder mehr als zwei Drittel mit „sportlich“. Die Hälfte sieht sich als klug, witzig, mutig, hilfsbereit und stark. Gutaussehend, technisch fit, durchsetzungsfähig, unruhig und stur rangieren wieder im Mittelfeld mit einem Drittel, während sich nur noch die Minderheit zu Attributen wie zärtlich, verträumt, ängstlich, langsam und trotzig bekennt (MILHOFFER 2000: 42f.).

Es wird zweierlei deutlich: Durch Sozialisation und Erziehung haben die Jungen die typischen Attribute ihrer gender role übernommen. So stehen Attribute wie Sportlichkeit, Humor, Intelligenz und Mut bei den Jungen hoch im Kurs. Zärtlichkeit, Verträumtheit, Langsamkeit und Trotz, die von der Gesellschaft als typisch weiblich assoziierte Attribute verstanden werden, werden hingegen nur von einem marginalen Anteil der Probanden als wünschenswert und ihrem Charakter immanent angegeben. Zum Anderen wird deutlich, dass eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Wunschbild existiert, was zeigt, dass die Jungen auf das Erreichen der von der Gesellschaft erwünschten und als Norm angesehenen Merkmale ihrer sex category bestrebt sind (PETERSEN 2006: 6).

Wie diese Sozialisation im Einzelnen von statten geht, dürfte aufgrund der Komplexität der Gesellschaftsstrukturen schwer zu überblicken sein, aber im Allgemeinen betrachtet, kann gesagt werden, dass an Kinder von der Gesellschaft bestimmte Verhaltensaspirationen gestellt werden, die diese ihnen durch Vorbilder direkt vorgibt und welche die Kinder durch Beobachtung indirekt übernehmen (ebd.). Dass sich ein Junge von einem Mädchen unterscheidet, lernt dieser schon früh; Wirft man einen Blick in die Kinderzimmer von Jungen und Mädchen findet man in Jungenzimmer „Fahrzeuge aller Art, Bau und Konstruktionsspiele, Sportausrüstungsgegenstände, Maschinen und technisches Spielzeug, Lern- und Gestaltungsspiele sowie Werkzeug aller Art“ und in Mädchenzimmern eine „Kuschelecke, Puppenküche und viele Schmusetiere“ (KASTEN 1996: 74f.). „Cool, kontrolliert, möglichst witzig, kameradschaftlich, aktionsorientiert“ zu sein (SIELERT 1999: 66), sowie „strukturierte“ und „kompetitive Spiele“ zu mögen, „Raufbolde“ und „unkonzentriert“ zu sein (CHASIOTIS/VOLAND 1998: 590), „dominant“ und „konkurrenzorientiert“ zu sein (PETERSEN 2006: 9), sind von der Gesellschaft geschaffene und vorgegebene Stereotypen, die Jungen mit ihrer gender role assoziieren und vor allem auch assoziieren sollen.

1.2.2 Probleme der Rollenbilder – doing gender und gender trouble

Dass die Gesellschaft eine bipolare geschlechterspezifische Einteilung in männlich und weiblich vornimmt, und somit Stereotype schafft, ist ein Charakteristikum der Menschheit. Stereotype sind „vereinfachte Vorstellungen über die Mitglieder bestimmter Gruppen, die unabhängig vom Individuum bestehen. Sie beinhalten zunächst keine negative Wertung und führen nicht zwangsläufig zu diskriminierenden Verhalten“ (WEIDERER 1993: 12). Diese Stereotypenbildung ist ein notwendiges Resultat von „permanent ablaufende[n] Kategorisierungsprozesse[n]“, die „eine Reduzierung der ungeheuren Informationsmenge [ermöglichen], die entstehen würde, wenn jede Person der sozialen Welt als einzelnes Individuum wahrgenommen würde“ (GOTTBURGSEN 2000: 60). Konsequenz aus diesen Stereotypen ist eine allgemeine Skepsis jeglichen Normaabweichungen gegenüber. Es entstehen in Folge Geschlechterrollen, deren Sozialisation und Erziehung bereits kurz nach der Geburt einsetzt und auch noch bei den Jugendlichen der Oberstufe existent sind. Jungen und Mädchen lernen somit früh und vor allem nachhaltig, sich vom anderen Geschlecht abzugrenzen, indem sie die Kategorien sex, gender, und sex category erfüllen.

Devianzen in Hinsicht auf das gesellschaftliche Ideal werden grundsätzlich negativ angesehen (KASTEN 1996: 44). Das Idealbild eines Jungen ist das eines durchsetzungsfähigen, sportlichen, aktiven Menschen, der sich vom typisch weiblichen Verhalten abzugrenzen weiß, also seine Gefühle für sich behält und im Griff hat und Probleme mit sich allein ausmacht. Die Förderung der sogenannten soft skills wird bei Jungen vernachlässigt. Ein weiteres Problem in der Sozialisation der Jungen sieht Petersen in der schwachen Präsenz von männlichen Vorbildern. In den ersten Lebensjahren – Krippe, Kindergarten, Grundschule – ist der Junge von einer Überzahl von Frauen umgeben, da die Männer Berufe wie Kindergärtner und Grundschullehrer weniger häufig ergreifen. Der Junge, der früh die Existenz einer heterosexuellen gender role erkennt und dieser nun nacheifert, versucht sich von allem Weiblichen abzugrenzen, um so seine männliche Identität zu konstruieren (PETERSEN 2006: 8). Der Junge erlebt dabei Männer zumeist nur als das starke, emotional eingeschränkte, strafende, kritisierende, aktive, unabhängige Geschlecht (ROHRMANN 1994: 98). Wenn ein Junge dieser stereotypen gender role nicht nachkommt, folgt nicht selten eine vehemente Kritik von außen. „Typisches Jungen-Verhalten wird ihm vor allem dadurch aufgezeigt, was [Jungen] nicht tun dürfen, wenn sie männlich sein wollen“ (BADINTER 1993: 48) „und erst in zweiter Linie durch positive Eigenschaften“ (PETERSEN 2006: 8). Das Fehlen von realen männlichen Vorbildern veranlasst Jungen sich an ihrer peer group zu orientieren, in denen „Statussymbole [vorherrschen], welche traditionell männliche Muster transportieren: Messer, Motorrad, Alkohol, […]“ (BÖHNISCH/WINTER 1997: 81). Auch das Kommunizieren von Gefühlen und Erfahrungen wird als unmännlich verstanden (PETERSEN 2006: 10). Es existiert eine Diskrepanz zwischen Beziehungssprache und Berichtssprache und somit auch eine Diskrepanz zwischen privatem und öffentlichem Sprechen (TANNEN 1991: 79). „Eigene Empfindungen, Wünsche und auch Kompetenzen werden bekämpft, verleugnet und unterdrückt, sofern sie mit dem Stigma behaftet zu sein scheinen, typisch weiblich zu sein“ (BÖHNISCH 2000: 116). Da das konventionelle Geschlechterbild von Männlichkeit in der Gesellschaft zumeist durchweg positiv dargestellt wird, ergeben sich für Jungen fortwährend Probleme in der Gesellschaft, die gerade durch Interaktion konstruiert wird.

In Hinblick auf das Thema der männlichen Homosexualität stellt sich die Frage, ob homosexuelle Jungen aufgrund der heterosexuell ausgerichteten Umgebung sowie der heterosexuell bestimmten gender role nicht dazu prädestiniert sind, mit den gesellschaftlichen Konventionen früher oder später aneinanderzugeraten, da sie die Diskrepanz zwischen sex category und gender nicht überwinden können. Männliche Homosexuelle werden von der Gesellschaft als effeminiert angesehen: Eine klare Konsequenz des binären Geschlechtercodes der Gesellschaft, der auch in der Schule propagiert wird. Dass Homosexualität als Abweichung von der Norm verstanden und behandelt wird, schlägt sich auf die Entwicklung der Persönlichkeit junger Homosexueller unmittelbar nieder.

Doch nicht nur homosexuelle Jungen haben Probleme, wenn sie der vorgegebenen gender role nicht entsprechen. Auch heterosexuelle Jungen sehen sich Diskriminierungen ausgesetzt, wenn sie weibliche Attribute zu sehr zulassen. „Ausgeprägte Homophobie ist […] sehr häufig gekoppelt mit einer Verunsicherung gegenüber der männlichen Rolle, so dass auch nicht schwule männliche Jugendliche und Mädchen betroffen sein können und sich mit Geschlechterrollen und eventuellen Geschlechtsrollenstereotypen auseinander setzen sollten“ (BUCHHOLTZ 2004: 19). Es kann somit zur Erzeugung eines homophoben Umfelds kommen, wenn Kindern nicht frühzeitig aufgezeigt wird, dass das Geschlecht ein Konstrukt darstellt, das variieren kann. Diese Homophobie ist bedingt durch die Angst vor dem Verlust der eigenen Männlichkeit, die die gender role vorgibt (ebd.: 17). „Die Abwertung von Homosexuellen hat etwas mit dieser tiefsitzenden Angst zu tun, als Mann (auch) passiv, aufnehmend, gefühlvoll, zärtlich zu sein“ (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2001: 14).

1.3 Männliche Homosexualität in der Gesellschaft

Mit der Abschaffung des Paragraphen 175 wurde männliche Homosexualität im Jahr 1994 in Deutschland entkriminalisiert. Seit 2001 dürfen Schwule nun sogar ihren Lebenspartner „heiraten“ und offiziell Kinder adoptieren. In den Medien erreichen Schwule zudem eine immer stärkere Präsenz. Nach außen hin scheint der Prozess der homosexuellen Emanzipation somit weit fortgeschritten zu sein, sodass sich die Frage stellt, ob die Gleichstellung von Heterosexualität und Homosexualität nicht schon längst erreicht wurde. Diese Einstellung herrscht bei vielen heterosexuellen, aber auch homosexuellen Menschen durchaus vor. Das Vorhandensein einer schwulen Kultur, die Zunahme an rechtlicher Gleichstellung lassen viele vergessen, dass Homosexualität in der Gesellschaft immer noch als Devianz verstanden und deshalb diskriminiert und mit Vorurteilen belegt wird.

Vorurteile zu haben, scheint ein gesellschaftsimmanenter Wesenszug zu sein, der unabhängig von sozialem Status, Ethnie, sexueller Orientierung, Alter, usw. existiert und auf jedes einzelne Individuum angewendet werden kann. Jemandem mit Vorurteilen gegenüberzutreten, bedeutet eine Distanz zu dieser Person aufzubauen, um seine eigene Konformität in Hinblick auf die Norm zu bestätigen. Vor allem soziale Minderheiten haben seit jeher mit Vorurteilen zu kämpfen, seien es Juden, Frauen, Ausländer oder Homosexuelle. Vorurteile und Realitäten nicht als identisch zu verstehen, erfordert einen enormen Aufwand an Denk- und Entwicklungsprozessen von den Menschen einer Gesellschaft, die sich durch Vorurteile diskriminiert sehen, sowie von Menschen, die diese Vorurteile aussprechen und in sich tragen. In Hinblick auf das Thema der männlichen Homosexualität lässt sich eine Vielzahl an Vorurteilen finden, die in früheren Jahrhunderten entstanden und beeinflusst worden sind und sich hartnäckig in der Gesellschaft halten. Es ist empirisch unmöglich, alle Vorurteile, die über Homosexualität existieren, aufzulisten und überhaupt erst als Vorurteile zu identifizieren und dann den jeweiligen, existierenden Realitäten gegenüberzustellen. Dennoch stellt die „Handreichung für lesbische und schwule Lebensweisen“ im Rahmen eines Unterrichtsprojektes einige gängige Vorurteile Realitäten gegenüber und damit zur Diskussion. So stehen die Vorurteile, dass Homosexuelle effeminiert seien, es nur wenig Homosexuelle gäbe, Homosexualität durch Vererbung, Erziehung, Verführung oder aufgrund einer zu engen Bindung an die Mutter entstünde, bei Paaren einer die Rolle der Frau und einer die Rolle des Mannes inne habe, Homosexuelle nicht zu langen Beziehungen fähig seien und Homosexualität eine Phase sei, den Realitäten gegenüber, die die Aussagen der Vorurteile negieren und umkehren (FUGE 2006: 27 u. 31). Vorurteile gegen Homosexuelle führen immer zu Konsequenzen, die sich in allen möglichen Lebensbereichen und auf physischer oder psychischer Ebene äußern können. So reichen sie von Mobbing in der Schule oder in der Arbeit, bis hin zu Diskriminierung in der Familie oder im Freundeskreis, Unbehagen im Alltagsleben, gewalttätigen Übergriffen, und einer politischen Diskriminierung. „Es gibt zwar keine verlässlichen Daten über Fälle von Diskriminierung und Gewalt, aber die verfügbaren Informationen deuten darauf, dass Schwule zahlreichen verbalen und körperlichen Übergriffen ausgesetzt sind. Die Lage wird nicht besser dadurch, dass Schwule wie Heterosexuelle dazu neigen, das diskriminierende Klima zu verharmlosen, manchmal mit Fatalismus: So ist halt das Leben“ (HEKMA 2007: 346). Es ist aus diesen Gründen wichtig, die Vorurteile gegenüber homosexuellen Männern so früh wie möglich als eben solche zu entlarven und zu diskutieren, weil sonst die Entwicklung homosexueller Jugendlicher und das Leben homosexueller Männer ausschlaggebend negativ beeinflusst und erschwert werden kann. Das auch die Schule dazu beitragen kann und als eine ihrer Erziehungsaufgaben ansehen muss, soll später noch genauer aufgezeigt werden.

Bochow fand in seiner Untersuchung von 1991 heraus, dass „mindestens ein Drittel der Bevölkerung […] als stark schwulenfeindlich eingestuft werden [kann], ein weiteres Drittel ist ambivalent, d.h. [ist] nicht durchgängig antihomosexuell, aber keineswegs frei von ablehnenden oder klischeehaften Einstellungen“ (BOCHOW 1993: 122). Auch sechs Jahre später empfanden 21% der Westdeutschen und 13% der Ostdeutschen das, „was die Homosexuellen treiben“ als „eine Schweinerei“ und denken, dass Homosexuelle „kastriert werden“ sollten (BOCHOW 1997: 44). Es darf natürlich nicht aus den Augen verloren werden, dass diese Studien zum Teil mehr als eine Dekade zurückliegen und somit für das Jahr 2009 nur bedingt repräsentativ sind. Aufgrund der Annahme, dass Normabweichungen jedoch immer irritierend auf die Gesellschaft wirken, weil sie zum Einen die Kategorisierungsökonomie durcheinanderbringen und zum Anderen drohen, ein bisher scheinbar funktionierendes Modell von Geschlechterbildern in Frage zu stellen, kann man aber auch in der heutigen Zeit davon ausgehen, dass sich die prozentualen Anteile zwar verschoben haben könnten, aber das Denken in Hinblick auf die Devianz Homosexualität noch immer nicht frei ist von Stereotypen. Denn, „auch wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse sich allmählich ändern, gilt auch heute noch für unseren Kulturkreis, dass homosexuelle Männer im Vergleich zu heterosexuellen eher abgewertet werden und ihnen mit Vorurteilen begegnet wird, sie also dem gesellschaftlich vorherrschenden Konstrukt von Männlichkeit nicht oder nur in unzureichendem Maße entsprechen. Einer der Gründe mag darin liegen, dass beim heute noch gesellschaftlich dominierenden Männerbild Durchsetzungsvermögen, Stärke und Aktivität als ganz wesentliche Komponenten betrachtet werden, dagegen weiche, gefühlvolle, empathische, passive Anteile eher als charakteristisch für Frauen gelten – und für schwule Männer […]“ (BUCHHOLTZ 2004: 17).

Die Hälfte der Probanden hat laut der Studie Bochows Stereotypen in Bezug auf die Homosexualität ausgebildet. So denken 62% der westdeutschen Probanden und 56% der ostdeutschen Probanden, homosexuelle Männer an äußeren Merkmalen wie Kleidung, Sprachstil, Gang erkennen zu können. 46% der Testpersonen aus Westdeutschland und 37% der Probanden aus Ostdeutschland sehen männliche Homosexuelle als gefährlich respektive kriminell an, da jene „oft versuchen, Jugendliche zu verführen“ oder „Verbindungen mit dem kriminellen Milieu“ haben. 42% der westdeutschen Probanden sowie 36% der ostdeutschen Probanden fühlen sich in der Gegenwart männlicher Homosexueller „körperlich unwohl.“ 30% der westdeutschen Probanden und 21% der ostdeutschen Probanden finden, dass homosexuelles Verhalten nicht zu dulden ist und keiner Toleranz bedarf. Im Gegenzug dazu finden 66% der westdeutschen Testpersonen sowie 74% der ostdeutschen Testpersonen, dass Homosexuelle Menschen wie jeder andere auch seien (BOCHOW 1993: 41). Die Akzeptanz männlicher Homosexualität ist zudem abhängig von sozio-biologischen Faktoren wie Bildungsgrad, Alter, Geschlecht, Ethnie, Berufszugehörigkeit und Verdienst (BOCHOW 1993: 39 u. TIMMERMANNS 2003: 15). Ältere Personen, Männer, Menschen mit niedrigem Bildungsstand oder Verdienst sowie Menschen mit einem patriarchalisch orientierten Kulturhintergrund sehen männliche Homosexualität weitaus häufiger als etwas Negatives an, als zum Beispiel jüngere Personen oder Frauen. Es kann „festgehalten werden, dass Homosexualität eher toleriert als wirklich akzeptiert wird. Das soziale Klima trägt nach wie vor zu Unsichtbarkeit von Lesben und Schwulen bei. Im Gegensatz dazu ist Heterosexualität […] allgegenwärtig“ (TIMMERMANNS 2003: 19). Zwar existiert in Deutschland eine Menge an Aufklärungsmaterial zum Thema Homosexualität, genutzt und publik gemacht wird es jedoch weniger, da erst seit kurzem die soziale Relevanz dieser Problematik erkannt wurde (OBERWITTLER 06.01.2009).

2. Männliche Homosexualität und Schule

Das Thema der Homosexualität hat in der Institution Schule noch immer keinen festen Platz gefunden. Trotz zunehmender Präsenz der Homosexualität in der Öffentlichkeit und dem Wissen, dass es in der jeder Generation einer Gesellschaft circa 5-10% homosexuelle Jugendliche gibt (FUGE 2006: 9), wird im schulischen Rahmen noch oft eine Gleichgültigkeit diesem Thema gegenüber signalisiert bzw. praktiziert. Nur selten kommt es deshalb zur Behandlung dieser Thematik in Projekten und Arbeitsgemeinschaften, allenfalls etwas ausführlicher im Biologieunterricht. Die Lehrwerke des Fachbereichs Deutsch thematisieren zwar mal mehr, mal weniger die Problematik der gesellschaftlichen Stereotypisierung der Geschlechterrollen und setzen damit einen Diskurs über „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ in Gang, aber selten wird das Thema der männlichen Homosexualität selbst direkt angesprochen. Ein Problem, das später in der Arbeit noch ausführlicher betrachtet werden soll.

Eine Trennung von Mädchen und Jungen findet nicht nur im Sportunterricht statt, sondern beginnt schon mit der bewussten oder auch unbewussten unterschiedlichen Behandlung von Jungen und Mädchen durch die Lehrperson, die aus einer verinnerlichten, intrinsisch monopolaren Rezeption der gender role und sex category heraus resultieren. Einige allgemeine Folgen, die aus diesem Verständnis entstehen, wurden bereits dargestellt. Direkt auf die Homosexualität bezogen, kann die Folge aus diesem Verhalten die besagte Gleichgültigkeit bis hin zur Intoleranz der Homosexualität gegenüber sein. Aufgrund der Quantität an Schulen, Schultypen, Schülern und Lehrern kann nur eine Vermutung diesbezüglich konstruiert werden, die sich auf das wenig existierende Forschungsmaterial zum Thema Homosexualität und Schule stützt. So scheint es (von Ausnahmen abgesehen), dass in keiner Schulphase über Homosexualität informiert wird (FUGE 2006: 9). Dies hat zur Folge, dass bei Schülern falsche oder keine Vorstellungen über diese Thematik existieren (WUTTKE 2003: 2), was wiederum zu Stereotypenbildung und Diskriminierung führen kann. Ein Beispiel stellen die Studien von Peter Wuttke dar, in welchen 850 Schüler und Lehrer zweier Berliner Schulen 1993/94 und 2002/03 zum Gegenstand „Homosexualität“ befragt wurden. In dieser Studie wird deutlich, dass Homosexualität von 76,4% der Schüler als normale (andere) Form von Sexualität beschrieben wird, aber auch von 27,5% als Modeerscheinung, von immerhin 23,5% der Probanden als abartige Form der Sexualität, von 10,8% als Krankheit und von 10,9% als triebhafte Verführung von Jugendlichen (ebd.: 9). Vergleicht man die Werte mit der Studie von Bochow, zeigt sich die Annahme bestätigt, dass Normabweichungen immer zuerst einmal irritierend wirken, ganz gleich wie sehr sich die Gesellschaft gegenüber Modellen wie Toleranz und Respekt gegenüber verpflichtet sieht. Weiterhin zeigt auch diese Studie einen Hang zur Stereotypisierung, wenn als Antworten auf die Frage, woran man Homosexualität erkenne, ein hoher Anteil der Probanden „am Gang“, „an der Sprache“, „an ihrer Kleidung“ und „am abgespreizten Finger beim Teetrinken“ angab (ebd.: 23). Wuttke konstatiert:

„Im Vergleich zu der am Andreasgymnasium vor zehn Jahren durchgeführten Erhebung lässt sich bezüglich der Kenntnisse, Einstellungen und Sichtweisen der Schüler zur Thematik Homosexualität keine positive Entwicklung nachweisen. Im Gegenteil – gar keine bzw. klischeehafte Vorstellungen prägen immer noch allzu sehr das Bild der Schüler und Schülerinnen von Homosexualität“ (ebd.: 29).

Diese Einstellung gegenüber der Homosexualität erschwert den homosexuellen Jugendlichen oftmals die störungsfreie Entwicklung ihrer Persönlichkeit, die sich im Vergleich zu heterosexuellen Jugendlichen weitaus häufiger als Kampf manifestiert. Männliche Homosexuelle können Schule also als problematischen Ort erfahren, in der sie ihre sexuelle Ausrichtung verbergen müssen, um keine negativen Konsequenzen innerhalb ihrer peer group fürchten zu müssen. Wuttke findet heraus „dass die Aufgeklärtheit der […] befragten Jugendlichen mit Zunahme des Alters […] zunimmt (ebd.: 10). Der prozentuelle Anteil an Jugendlichen, die Homosexualität als unnormale Form der Sexualität ansehen, sinkt von 27,2% bei den 13- und 14jährigen Schülern auf 5,4% bei den 17- und 18jährigen Schülern (ebd.). Dem stet das Ergebnis gegenüber, dass mit zunehmenden Alter immer noch sehr viele Schüler auf die Frage „Wie viel Prozent aller Menschen zwischen 16 und 65 Jahren sind deiner Meinung nach wirklich homosexuell?“ falsche Schätzungen machen. Es ist sogar zu beobachten, dass sich diese Schätzungen mit zunehmenden Alter immer mehr vom realen Zustand entfernen (ebd.: 12). Auch bei der Betrachtung der Ergebnisse auf die Frage „Wie/ wodurch entsteht Eurer Meinung nach Homosexualität?“ ist ein ähnliches Ergebnis zu konstatieren. Die Mehrheit hat negative Konnotationen verinnerlicht, ein Trend der sich fortsetzt, „schlüsselt man die Ergebnisse nach Altersgruppen […] auf“ (ebd.: 16). Wuttke konkludiert, dass „umso älter die befragte Schülerklientel [war], desto aufgeklärter scheint [sie] bezüglich der Thematik [zu sein] und desto mehr Toleranz/ Akzeptanz entwickelt [sie] auch“ (ebd.: 29). Die Schüler der Oberstufe scheinen also dem Thema der männlichen Homosexualität offener gegenüber zu stehen als die Schüler einer Sekundarstufe I. Es stellt sich nun die Frage, ob dieses Ergebnis nicht die Notwendigkeit aufzeigt, dieses Thema bereits in der Sekundarstufe I oder noch früher, nämlich in der Grundschule zu thematisieren (dem Altersabschnitt, in dem Vorurteile entstehen). Das Ergebnis einer niederländischen Studie zeigt dies bestätigt, wenn kapp ein Drittel der Jugendlichen „sich unwohl fühlen [würde], wenn eine Mitschülerin oder ein Mitschüler sich als homosexuell zu erkennen gäbe“ (KERSTEN/SANDFORT 1996 in TIMMERMANNS 2003: 19). „50 – 70% der Jugendlichen [geben den Ratschlag] an ihre Mitschüler und Mitschülerinnen, sich besser nie in der Klasse zu outen“ (ebd.). Homosexuelle Jugendliche, die in der Entwicklung ihrer Sexualität auf ein problematisches Umfeld treffen, würden versuchen ihre Homosexualität zu unterdrücken und zu verdrängen, was zu Problemen mit der Selbstakzeptanz führen kann (STRAVER 1989: 169). Straver teilt die homosexuelle Entwicklung in vier Phasen ein. In Phase I erkennt der homosexuelle Jugendliche seine Affinität zum gleichen Geschlecht und damit einhergehend das Wissen, dass diese Affinität von der Gesellschaft als Homosexualität verstanden wird und mit diversen negativen Konnotationen belegt ist. Homosexuelle Jugendliche erkennen in dieser Phase eine Diskrepanz zu den Erwartungen der Gesellschaft in Hinsicht auf sex, sex category und gender. In Phase II treten nun Zweifel und innere Konflikte sowie erste Versuche, homosexuelle Kontakte zu erschließen, auf. In Phase III gelangt der homosexuelle Jugendliche zur Akzeptanz seiner homosexuellen Identität und tritt vollends in die homosexuelle Kultur ein. In Phase IV wird der Konflikt zwischen öffentlicher und privater Lebenswelt überwunden (ebd.: 175). Bis zum Erreichen von Phase IV und der Antwortfindung auf die Frage „Wer und Was bin ich?“ ist das Leben des homosexuellen Jugendlichen von Zuständen innerer Unruhe und Unklarheit durchdrungen (ebd.: 176). Gerade Phase I und II stellen schwierige Hürden für die meisten homosexuellen Jugendlichen dar, in denen Zuspruch und Verständnis wichtig sind. Schnell kann es zu einem Gefühl der Einsamkeit, Isolation und zur Entfremdung Altersgenossen und Erwachsenen gegenüber kommen. Der homosexuelle Jugendliche wird nun direkt mit den Stereotypen in Hinsicht auf Homosexuelle konfrontiert und muss diese – da Hilfe und Unterstützung von außen gewöhnlich ausbleibt – mit sich selbst ausmachen. Dies steht im klaren Gegensatz zu der heterosexuellen Entwicklung, da in jener die Sexualität in der peer group ausgemacht werden kann. Münder meint: „Eine heterosexuelle Identität erfordert keine bewusste Konstruktionsleistung und hat somit geringen identitätsstiftenden Wert. Die sexuelle Identität nimmt also vor allem bei nicht heterosexuellen Individuen einen zentralen Stellenwert im Selbstkonzept ein“ (MÜNDER 2004: 35). Laut einer Studie von Lähnemann aus dem Jahr 1999 liegt das Durchschnittsalter des „Sich-anders-fühlens“ bei Jungen bei 13,7 Jahren (LÄHNEMANN 1999: 20), die ersten sexuellen Erfahrungen mit einem Menschen des gleichen Geschlechts machen Jungen im Durchschnitt mit 17,1 Jahren (ebd.; S.18). Dies bedeutet, dass eine Integration der Thematik der männlichen Homosexualität nicht erst in der Oberstufe erfolgen sollte. Die Schule muss sich verantwortlich fühlen, auf die Problematik des „Sich-anders-fühlens“ ausführlich einzugehen und homosexuelle sowie heterosexuelle Jugendliche für die Thematik der Homosexualität schon früh zu sensibilisieren. Dazu bedarf es eines aufgeschlossenen Umfeldes und der Bereitschaft etwas zu verändern, sowie die Bereitschaft das Thema der Homosexualität nicht als Bagatellangelegenheit abzutun. Dass das Thema der Homosexualität an Berliner Schulen äußerst brisant ist, wird deutlich, sichtet man die Erfahrungsberichte der vielen Mitarbeiter, die im Rahmen von Aufklärungsprogrammen zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen in die Berliner Schulen gehen. Diese Mitarbeiter stehen zum Teil starken Vorurteilen die Homosexualität betreffend gegenüber, die nicht selten in Diskriminierungen und Unverständnis manifest werden (OBERWITTLER 2009). Dieser Sachverhalt trägt dem Verhalten der Behörden Rechnung, welche dem Thema der Homosexualität bis vor kurzem keine oder kaum Relevanz zugestand (ebd.). Auch wenn diese Einstellung nicht von allen Lehrern und Schulen geteilt wird und durchaus eine grundsätzliche Bereitschaft existiert, über diese Thematik zu sprechen, sehen sich doch letztlich viele Lehrer mit der Behandlung des Themas überfordert und übergehen es dann lieber, anstatt es zu diskutieren (ebd.). Durch diese Strategie werden homosexuelle Jugendliche ignoriert. „Sie sind […] in den […] Klassenzimmern weitgehend unsichtbar“ (FUGE 2006: 9). Nur selten wird diesem Zustand entgegengewirkt, indem Hilfe von außen gesucht wird (Im Falle Berlins nur von 30 der insgesamt 400 weiterführenden Schulen) (OBERWITTLER 2009). Man könnte also erwarten, dass das Problem in der Nichtbenennung oder mangelhaften Thematisierung des Sujets „Homosexualität“ begründet liegt und dass nur mit Persistenz eine nachhaltige Toleranzschaffung zu erreichen ist. Doch auch an Schulen, in denen Homosexualität offen und regelmäßig zum Thema gemacht wird, scheint sich in Hinsicht auf Toleranzausbildung eine ganz ungeahnte Tendenz aufzuzeigen. So sprechen Schmidt/Schetsche von einer Scheintoleranz in puncto Homosexualität, die trotz regemäßiger Thematisierung durch die Lehrkräfte entstanden ist.

„Die […] Schüler [haben] im Unterricht gelernt, wie man […] ´politisch korrekt´ über Homosexuelle spricht. Die Berichte anderer Schüler und Schülerinnen über das tägliche schwulenfeindliche Reden und Handeln in Schule und Freizeit haben bei uns allerdings Zweifel an der aufklärerischen Wirkung des Unterrichtsgesprächs in Sachen Homosexualität entstehen lassen. […] Auch die von uns befragten Lehrkräfte […] sind eher der Ansicht, dass die Toleranz der Jugendlichen nur oberflächlich ist“ (SCHMIDT/SCHETSCHE 1998: 86).

[...]


[1] Der Paragraph 175 existierte von 1871 bis 1994. Der Wortlaut veränderte sich abhängig von der jeweiligen politischen Situation Deutschlands. So richtete er sich in dem Strafgesetzbuch von 1871 gegen „die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird […]“ und wurde mit dem Gefängnis oder „dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte“ bestraft. Ab 1935 wurden homosexuelle Aktionen und sexuellen Aktionen mit Tieren nicht mehr unter ein und demselben Paragraphen geführt. Der Paragraph 175 bezieht sich jetzt nur noch auf homosexuelle Aktionen und bestraft Männer, die sich diesen Tatbestand erfüllen noch immer mit dem Zuchthaus oder dem Gefängnis (bis zu zehn Jahren). Der Paragraph bringt männliche Homosexualität direkt mit Unzucht, Verführung und Prostitution in Verbindung. In der Fassung des Strafgesetzbuches von 1969 stellt der Paragraph 175 homosexuelle Handlungen unter Strafe, die unter den Verdacht der Prostitution, der Verführung Minderjähriger (unter 21 Jahre) und der Vergewaltigung stehen. Als Strafmaß wird eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren festgesetzt. In der Fassung von 1973 bezieht sich der §175 auf homosexuelle Handlungen zwischen einem Mann über 18 Jahren und einem Minderjährigen (unter 18 Jahre) In der Fassung von 1994 gilt der §175 als aufgehoben (HOOGVLIET o.J.). Diese Angaben beziehen sich auf den Wirkungsrahmen der BRD und nicht auf die damalige DDR, in der es viel früher zu einer sukzessiven Abschwächung und Aufhebung des Paragraphen 175 kam (SETZ 2006).

Ende der Leseprobe aus 93 Seiten

Details

Titel
Männliche Homosexualität als Thema des Deutschunterrichts in der Gymnasialen Oberstufe
Untertitel
Am Beispiel Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig"
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Didaktik )
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
93
Katalognummer
V147597
ISBN (eBook)
9783640584802
ISBN (Buch)
9783640584611
Dateigröße
977 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Männliche, Homosexualität, Thema, Deutschunterrichts, Gymnasialen, Oberstufe, Beispiel, Thomas, Manns, Novelle, Venedig
Arbeit zitieren
Martin Fröhlich (Autor:in), 2009, Männliche Homosexualität als Thema des Deutschunterrichts in der Gymnasialen Oberstufe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147597

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