„Sehen und gesehen werden“ – diese Maxime gilt bis heute dort, wo Menschen sich aus
Anlass eines kulturellen Ereignisses oder Festes versammeln. Ob die private Dinnerparty, ein
Theaterbesuch oder eine Opernpremiere: die Gäste oder Zuschauer sind für einander nicht
weniger brisant als das gebotene Spektakel selbst. Denn derartige Veranstaltungen haben
neben ihrer kulturellen auch immer eine gesellschaftliche Funktion gehabt.
Während diese heute in erster Linie darin besteht, materiellen Status zum Ausdruck zu
bringen, wurden im antiken Rom bei gesellschaftlichen Anlässen viel stärker soziale
Strukturen kommuniziert. Denn kennzeichnend für die römische Gesellschaft war seit jeher
eine differenzierte Gliederung und Rangordnung, die in der Öffentlichkeit durch zahlreiche
Faktoren zum Ausdruck gebracht wurde. Schon auf dem Forum wurden soziale Unterschiede
auf den ersten Blick durch die Kleidung und andere Statussymbole deutlich.1 Darüber hinaus
zeigte sich eine Rangordnung bei der Sitzplatzverteilung beim Gastmahl2 oder bezüglich der
Rederechte im Senat.3
Anders als im Senat oder beim Gastmahl versammelten sich zu den
zu den römischen
Theaterspielen Menschen aus allen sozialen Milieus der Stadt. Die gesamte Bandbreite der
Gesellschaft war hier vertreten, so dass das Theaterpublikum sehr geeignet erscheint, um es
auf soziale Strukturen hin zu untersuchen und somit möglicherweise Erkenntnisse über die
römische Gesellschaftsordnung generell zu erzielen. Zeichneten sich ordnende Strukturen im
Publikum ab oder saß man in einer bunten Menge zusammen? Wurden hier soziale
Rangunterschiede sichtbar und wie äußerten sie sich? Gab es Veränderungen hinsichtlich der
Publikumsstruktur im Verlauf der Geschichte? Sind diese auf persönliche Bedürfnisse
einzelner Personen oder Personengruppen zurückzuführen oder durch politische Maßnahmen
hervorgerufen worden?
Ein Blick auf die räumliche Zusammensetzung der Zuschauerschaft, auf die
Sitzplatzverteilung bei den ludi scaenici, soll diese Fragen klären.
In einem weiteren Schritt soll der Frage auf den Grund gegangen werden, ob und
inwiefern das Theaterpublikum als repräsentativ für die gesellschaftliche Ordnung gelten
kann und soziale Funktionen übernommen hat. Kann man das Theaterpublikum als einen
gesellschaftlichen Mikrokosmos ansehen? [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffliche Problematisierung
- Das Theaterpublikum im antiken Rom: Strukturen im historischen Wandel
- Spuren im Kolosseum - Hinweise auf eine Publikumsstruktur
- Theater und Gesetzgebung - Die historische Entwicklung der Sitzordnung im Theater
- Die lex Iulia theatralis des Augustus (Suet.Div.Aug.44)
- Frühere und spätere Verordnungen
- Problematisierung der Publikumsstruktur
- Das Theaterpublikum - ein gesellschaftlicher Mikrokosmos?
- Die römische Gesellschaft unter Augustus
- Ein gesellschaftlicher Mikrokosmos: Ansätze und Grenzen
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die Strukturen des Theaterpublikums im antiken Rom zu untersuchen und deren Bedeutung für die gesellschaftliche Ordnung zu beleuchten. Dabei wird die Frage gestellt, ob das Theaterpublikum als ein Mikrokosmos der römischen Gesellschaft betrachtet werden kann.
- Die historische Entwicklung der Sitzordnung im Theater
- Die Bedeutung von Gesetzgebung für die Publikumsstruktur
- Die Rolle des Theaters als Ort der sozialen Kommunikation
- Die Beziehung zwischen Theaterpublikum und römischer Gesellschaftsordnung
- Die Relevanz des Theaterpublikums für die Forschung zur römischen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die grundlegende Fragestellung der Arbeit vor und beleuchtet die Relevanz des Themas. Kapitel II widmet sich der begrifflichen Klärung von Schlüsselbegriffen wie „Gesellschaftsordnung“ und „Stand“ und zeigt die Unterschiede zum modernen Verständnis auf. Kapitel III untersucht die Strukturen des Theaterpublikums im antiken Rom und betrachtet deren historische Entwicklung. Kapitel IV befasst sich mit der Frage, ob das Theaterpublikum als ein Mikrokosmos der römischen Gesellschaft betrachtet werden kann.
Schlüsselwörter
Theaterpublikum, römische Gesellschaft, Gesellschaftsordnung, soziale Strukturen, Sitzordnung, lex Iulia theatralis, Augustus, Mikrokosmos, Stand, ordo, concordia ordinum, politische Kommunikation, Massenunterhaltung
- Arbeit zitieren
- Katharina Tiemeyer (Autor:in), 2003, „Sehen und gesehen werden“: Das Theaterpublikum im antiken Rom – ein Mikrokosmos der römischen Gesellschaftsordnung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148234