Handkes Kindergeschichte, erschienen im Jahr 1981 im Kontext der Tetralogie der
Langsamen Heimkehr, beschreibt die Kindheit seiner Tochter Amina und den
Beziehungsprozess der zehnjährigen gemeinsamen Lebensgeschichte zwischen Vater
und Tochter. Diese authentische Geschichte ist nicht nur die Geschichte der Tochter
Amina, sondern gleichzeitig die des Vaters. Er erinnert sich an seine eigene Kindheit,
reflektiert das Geschehen und sein Leben und letztendlich ist es die Geschichte der
abgeschlossenen, wortlosen Gemeinschaft der Beiden, des Erschaffens eines
gemeinsamen Erfahrungsraumes. Dieser ist geprägt von Selbstständigkeit und
Abhängigkeit, von Individualität und Gemeinschaft, von Bindung und Befreiung.
Handkes Bekenntnis zum Mythos und mythisierendem Schreiben wird in der
Kindergeschichte besonders deutlich. Nicht nur die Darstellung der authentischen
Beziehung zwischen Vater und Tochter, die zu einem „mythischen Muster“1 wird,
sondern auch die Darstellung von Raum und Zeit, der Wahrnehmung des Kindes und
der wortlosen Gemeinschaft sind geprägt durch mythische Elemente und
Erzählstrukturen.
Ziel dieser Arbeit soll zunächst die Annäherung an den Begriff „Mythos“ sein, sowie
im Folgenden das Aufzeigen dessen Bedeutung im Kontext Handkes. Formen des
mythischen Erzählens sollen anhand der Kindergeschichte gezeigt und verdeutlicht
werden. Im Anschluss werden die sich extrem voneinander unterscheidenden und
oftmals radikalen Beurteilungen dieser Literatur näher betrachtet:
Manche Sätze sind beladen mit Wortprunk, von Kunstanstrengung schwer gezeichnet, ihr
Pathos bleibt Imitation, Kunstgewerbe […].2
Sind die Vorwürfe der „linkshändigen Verabschiedung des kritischen Denkens“3, wie
es Raddatz in der Zeit ausdrückte, oder Mythos als Symbol für Gegenaufklärung,
Irrationalität, Irrealität, Innerlichkeit und als etwas phantastisch-märchenhaftes
gerechtfertigt?
Inhaltsverzeichnis
- I. Mythos
- I.1 Was bedeutet Mythos?
- I.2 Die Entzauberung der Welt
- I.3 Handkes Mythos-Konzept und die Wiederverzauberung der Welt
- II. Handkes Kindergeschichte: Mythisierendes Schreiben
- II.1 Die Metaphorik des Kindseins
- II.2 Formen mythisierenden Erzählens in der Kindergeschichte
- III. Die Diskussion um den Mythos
- III. 1 Der Vorwurf der Antiaufklärung
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem mythisierenden Schreiben in Peter Handkes Kindergeschichte. Ziel ist es, den Begriff „Mythos“ im Kontext von Handkes Werk zu analysieren und dessen Bedeutung für die Darstellung der Kindheit seiner Tochter Amina aufzuzeigen. Dabei werden die Formen des mythischen Erzählens in der Kindergeschichte untersucht und die kontroversen Rezensionen des Werks beleuchtet.
- Der Begriff „Mythos“ und seine verschiedenen Bedeutungen
- Die Entzauberung der Welt durch die Aufklärung und die Wiederverzauberung durch den Mythos
- Handkes Konzept des mythisierenden Schreibens und seine literarische Methode
- Die Darstellung der Vater-Tochter-Beziehung als „mythisches Muster“
- Die Kritik an Handkes Werk als Antiaufklärung und Irrationalität
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit dem Begriff „Mythos“ und seinen verschiedenen Bedeutungen. Es wird die Entwicklung des Mythos von der antiken Welt bis zur Moderne beleuchtet und die Entzauberung der Welt durch die Aufklärung sowie die Wiederverzauberung durch den Mythos thematisiert. Im zweiten Kapitel wird Handkes Konzept des mythisierenden Schreibens vorgestellt und anhand der Kindergeschichte erläutert. Die Metaphorik des Kindseins und die Formen des mythischen Erzählens in der Kindergeschichte werden analysiert. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Diskussion um den Mythos in Handkes Werk. Es werden die Vorwürfe der Antiaufklärung und Irrationalität, die Handke vorgeworfen werden, näher betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Mythos, die Kindergeschichte, Peter Handke, mythisierendes Schreiben, Wiederverzauberung der Welt, Antiaufklärung, Irrationalität, Vater-Tochter-Beziehung, Metaphorik des Kindseins, Formen des mythischen Erzählens.
- Quote paper
- Sarah Pfeffer (Author), 2006, Mythisierendes Schreiben in Handes "Kindergeschichte" - Literatur der Irrationalität?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148723