Arbeitsteilung Marx und Durkheim

Ein Vergleich über die Theorien der Arbeitsteilung von Karl Marx und Émile Durkheim


Essay, 2010

9 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gegenstand dieses Essays, ist die Arbeitsteilung bei Emile Durkheim und Karl Marx. Es geht dabei um die Frage: Welche gemeinsamen und unterschiedlichen Ansichten haben Emile Durkheim und Karl Marx bezuglich der Arbeitsteilung und zu welchem Urteil kommen sie? Dieses Essay unterteilt sich deshalb in zwei Abschnitte. Im ersten Abschnitt werden die jeweiligen Arbeitsteilungstheorien vorgestellt. Hierbei erfolgt, nach einer kurzen biographischen Einfuhrung, hauptsachlich eine Erlauterung der Ursachen, Voraussetzungen und Folgen der Arbeitsteilung. Im zweiten Abschnitt werden dann die gemeinsamen und unterschiedlichen Ansichten gegenuber gestellt und anschliefiend ein kurzes Fazit, mit Blick auf die Gegenwart, formuliert. Dieses Essay kann nur einen sehr knappen Uberblick uber die jeweiligen Theorien der Arbeitsteilung liefern und stellt deshalb auch keinen Anspruch auf Vollstandigkeit.

Der franzosische Soziologe und Ethnologe David Emile Durkheim (1858-1917) war ein Mitbegrunder der empirischen soziologischen Wissenschaft und setzte sich mit dem Thema Arbeitsteilung, hauptsachlich in seinem Werk ,,Uber soziale Arbeitsteilung“ (1893) auseinander (Wikipedia 28.12.2009: Emile Durkheim). Laut Durkheim, haben die Menschen das Bedurfnis sich zu vervollstandigen. Sie suchen sich deshalb Freunde oder Lebenspartner, die Fahigkeiten besitzen, welche sie selbst nicht haben. Auf diese Weise bilden sich dann z. B. Freundeskreise, deren Mitglieder u. a. unterschiedliche Fahigkeiten bzw. Funktionen aufweisen. Von diesen Funktionen kann wechselseitiger Gebrauch gemacht werden. Diese Funktionsaufteilung lasst sich auch als Arbeitsteilung bezeichnen. Wobei mit dieser Arbeitsteilung gleichzeitig ,,ein ganzes System von Rechten und Pflichten, das [die Individuen] untereinander dauerhaft bindet.“ (1988: 477) erzeugt wird. Fur Durkheim besteht deshalb die Funktion der sozialen Arbeitsteilung[1] darin, ,,zwischen zwei oder mehreren Personen ein Gefuhl der Solidaritat herzustellen.“ (1988: 102).[2] Das o. g. Beispiel deutet schon an, dass die Arbeitsteilung soziale Beziehungen erzeugt, dass sie abhangig macht und Gesellschaften ermoglicht, die ohne sie nicht existieren konnten (1988: 107). Das lasst sich auch an der Entwicklung der sexuellen Arbeitsteilung und der Ehe, mit ihren Regeln und Pflichten und der ehelichen Solidaritat, ablesen. Betrachtet man nun die beiden Beispiele des Freundeskreises und der Ehe, so lasst sich sagen, dass die Arbeitsteilung, neben okonomischer Nutzlichkeit, auch eine „Sozial -und Moralordnung sui generis“ (1988: 108) errichtet. Des Weiteren sieht Durkheim in der sozialen Arbeitsteilung, die hauptsachliche Quelle der sozialen (organischen) Solidaritat (1988: 471).[3]

Ursachlich ist die soziale Arbeitsteilung ein Ergebnis des Lebenskampfes, innerhalb schon bestehender Gesellschaften. Wobei das Mafi an Arbeitsteilung auf zwei weitere Ursachen zuruckzufuhren ist, welche in einfachen[4] und hoheren[5] Gesellschaften unterschiedlich ausgepragt sind. Dazu zahlen: die dynamische oder moralische Dichte[6] und das soziale Volumen.[7] Eine Zunahme dieser beiden Faktoren zieht nach sich, dass u. a. eine grofiere Berufsvielfalt innerhalb der Gesellschaft entsteht. Diese wird z. B. durch unterschiedliche Spezialisierungen, der hinzugekommenen Individuen, hervorgerufen. Aus diesem Vorgang entwickelt sich Konkurrenz zwischen den Individuen, weil die Berufe oder Funktionen sich zwangslaufig mehr und mehr ahneln. Und um die Auswirkungen des daraus resultierenden Konkurrenz -oder Lebenskampfes zu kompensieren, ist weitere Spezialisierung und arbeitsteilige Differenzierung von Noten. Der Fortschritt der Arbeitsteilung erhoht dabei nicht nur das Mafi an organischer Solidaritat, sondern er steigert auch die Produktivitat.[8] Dieser Vorgang wird von Durkheim auch als ,,Motor des Fortschritts“ (1988: 329) bezeichnet. Funktion, Ursache und Wirkung der Arbeitsteilung, lassen sich nun zusammenfassend auf folgende Gleichung bringen: ,,Erhohtes Volumen und zunehmende Dichte fuhren zu verscharftem

Uberlebenskampf, der zur eigenen Vermeidung oder Minderung Arbeitsteilung hervorruft; arbeitsteilige Differenzierung und die daraus folgende Interdependenz zwischen den Funktionen und beruflichen Spezialisierungen schaffen ihrerseits jene sozialen Bande, die, als organische Solidaritat verstanden, die Integration der Gesellschaftvollziehen.“ (Muller/Schmid 1988: 499).

Durkheim schlussfolgert, dass in hoheren Gesellschaften die Pflicht dazu besteht, die Tatigkeiten weiter zu spezialisieren und zu konzentrieren (1988: 471), weil sich Grofie Gesellschaften nur im Gleichgewicht halten, wenn die Spezialisierung der Funktionen voran schreitet. Denn aus der Ausdehnung des sozialen Lebens, folgt die Ausdehnung des individuellen Bewusstseins. Und ,,damit das Individuum mit gleicher Kraft wie fruher an die Gruppe gebunden bleibt“ (1988: 471), mussen die, aus der Arbeitsteilung hervorgehenden, sozialen Bande, zahlreicher und starker werden. Des Weiteren tragen Spezialisierung und Arbeitsteilung dazu bei, die Entwicklung der individuellen Personlichkeit zu fordern.[9] Und schliefilich, ist der Fortschritt der Arbeitsteilung auch Bedingung, fur die Erfullung des Ideals menschlicher Bruderlichkeit[10] (1988: 477).

Der Philosoph, Gesellschaftstheoretiker und politische Okonom Karl Marx (1818­1883), hat sich mit der Teilung der Arbeit vor allem in seinen Werken: ,,Deutsche Ideologie“ (1845-1846) und ,,das Kapital“ (1872) auseinander gesetzt (Wikipedia 28.12.2009: Karl Marx). Nach Marx entstand die Arbeitsteilung ursprunglich aus dem Geschlechtsakt. Sie entwickelte sich als naturwuchsige Arbeitsteilung aus Geschlechts -und Altersverschiedenheiten, innerhalb der Familie bzw. des Stammes (1872: 337). Wobei Marx anfuhrt, dass Arbeitsteilung erst dann wirkliche Teilung von Arbeit ist, wenn ,,eine Teilung der materiellen und geistigen Arbeit eintritt.“ (1845-1846: 31).[11] Der Grad der Arbeitsteilung lasst sich am Entwicklungsstand der Produktivkrafte[12] (z.B. einer Nation) ablesen, weil jede neue Produktivkraft eine neue Ausbildung der Teilung

[...]


[1] Soziale Arbeitsteilung meint hier, ,,eine soziale Institution, die ihre Wurzeln in der Intellegenz und im Willen des Menschen hat“ (1988: 85).

[2] Durkheim versteht unter dem Begriff Solidaritat ,,einen Relationierungsmodus, eine Form der Soziabilitat, die den Zusammenhang zwischen der Struktur und Funktionsweise einer Gesellschaft - ihrer sozialen Organisation - und ihrem Regel- und Wertsystem - d.h. Ihrer Moral - bezeichnet.“ (Muller/Schmid 1988: 498).

[3] Die organische Solidaritat basiert auf Unterschieden und ist in hoheren Gesellschaften anzutreffen. Hier werden die Individuen, ,,uber arbeitsteilig organisierte, spezialisierte Tatigkeitsbereiche, die untereinander ein Netz wechselseitiger Abhangigkeit bilden.“ (Muller/Schmid 1988: 492) in die Gesellschaft integriert. Die mechanische Solidaritat hingegen, ,,aus Ahnlichkeiten erwachsend, das Individuum direkt an die Gesellschaft binde[nd].“ (1988: 156), ist abhangig von der Starke des Kollektivbewusstseins und haufig in einfachen Gesellschaften vorhanden.

[4] Einfache Gesellschaften sind kleine und segmentar differenzierte Gesellschaften (z. B. Stammesgesellschaften), in denen die Individuen wenig Kontakt miteinander haben und wenig Arbeitsteilung vorhanden ist (Muller/Schmid 1988: 492).

[5] Hohere Gesellschaften sind komplexer und grofier. Die Individuen stehen hier im engeren Kontakt zu einander. Des Weiteren sind diese Gesellschaften ,,funktional differenziert, so dafi sie aus einem 'System von verschiedenen Organen, von denenjedes eine Sonderrolle ausubt, und die ihrerseits aus differenzierten Teilen bestehen '“(Muller/Schmid 1988: 492).

[6] Das ist die Anzahl der Individuen, die innerhalb einer Gesellschaft ,,in genugend nahem Kontakt zu einander stehen, um wechselseitig aufeinander wirken zu konnen.“ (1988: 315).

[7] Das soziale Volumen beinhaltet die Menge aller Individuen der Gesellschaft.

[8] Aus okonomischer Sicht, liegt in dem Effekt der Produktivitatssteigerung, die eigentliche Funktion der Arbeitsteilung. Durkheim betrachtet dieses Effektjedoch nur als ,,eine notwendige Folge, eine Fernwirkung des Phanomens.“ (1988: 335) und weniger als eine Funktion.

[9] Sobald sich Personen spezialisieren, entziehen sie sich einerseits ,,zum Teil der Kollektivwirkung und den Erbeinflussen“ (1988: 474) und andererseits beginnen sie damit, sich zu individualisieren.

[10] Dieses Ideal beschreibt ,,einen Zustand, dem zufolge der Krieg nicht mehr das Gesetz der internationalen Beziehungen ware, die Beziehungen der Gesellschaft untereinander friedlich geregelt sein wurden, so wie es die Beziehungen der Individuen untereinander bereits sind, und alle Menschen zusammen am gleichen Werk arbeiten und das gleiche Leben leben wurden.“ (1988: 475).

[11] Materielle und geistige Teilung der Arbeit, ermoglichen es dem Bewusstsein ,,sich von der Welt zu emanzipieren und zur Bildung der 'reinen' Theorie, Theologie, Philosophie, Moral etc. uberzugehen.“ (1845-1846: 31).

[12] Die Produktivkraft ist u. a. definiert durch ,,den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die gesellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses, den Umfang und die Wirkungsfahigkeit der Produktionsmittel unddurchNaturverhaltnisse.“ (1872: 54).

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Details

Titel
Arbeitsteilung Marx und Durkheim
Untertitel
Ein Vergleich über die Theorien der Arbeitsteilung von Karl Marx und Émile Durkheim
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Soziologische Theorie
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
9
Katalognummer
V149261
ISBN (eBook)
9783640608232
ISBN (Buch)
9783640608102
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl Marx, Durkheim, Arbeitsteilung, Ursachen, Wirkung, Entfremdung, mechanische Solidarität, organische Solidarität, Motor des Fortschritts, Ausbeutung, Differenzierung, Vergleich, soziales Volumen, Dichte, Spezialisierung, Persönlichkeitsentwicklung, Kapitalismus, soziale Arbeitsteilung
Arbeit zitieren
Andreas Filko (Autor:in), 2010, Arbeitsteilung Marx und Durkheim, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149261

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