Der Einfluss von Musik auf Jugendbewegungen am Beispiel der Skinhead-Bewegung


Hausarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Die Wurzeln der Skinheadbewegung und der Spirit Of '
1.1. Die Vorläufer derSkinheads
1.1.1. Teddy Boys / Teds
1.1.2. Rude Boys / Rudies
1.1.2. Mods & Hard Mods
1.2. Skinheads der ersten Generation
1.2.1. The Spirit Of '69 - Die Lebenswelt der Skinheads
1.2.2. Musikalische Wegbereiter der Skinheadbewegung
1.2.2.1. Northern Soul & Ska
1.2.2.2. Rocksteady & Early Reggae

2. Der Wandel der Skinheadbewegung - Die Skinheads der zweiten Generation
2.1. Politisierung und Kommerzialisierung der Skinheadszene
2.2. Rechtsgerichtete Skins
2.2.1. White-Power-Skins / Hammerskins
2.2.2. Die "Blood & Honour" - Bewegung
2.3. Sonstige Skinhead - Gruppierungen

3. Die Eignung von Musik als Träger von Ideologie
3.1. Zielgruppe & Zensur
3.1.1. Jugend als Zielgruppe
3.1.2. Rechte Musik und die Problematik der Zensur
3.2. Die genreübergreifende Verbreitung rechter Propaganda

Fazit / Zusammenfassung

Quellennachweis

Vorwort

Betrachtet man das Bild, dass in unseren modernen Medien von der Skinheadbewegung ge­zeichnet wird, so entsteht meist der Eindruck, dass es sich bei den Anhängern dieser Szene überwiegend um nationalistische, rassistische und vor allem gewaltbereite Ewig-Gestrige handelt, die in Springerstiefeln und mit kahl geschorenem Kopf Jagd auf Ausländer, Linksal­ternative und sonstige als andersartig empfundene Menschen machen. Dieses Image ist je­doch das Produkt einer einseitigen Berichterstattung, das durch die Sensationsgier der Kon­sumenten dieser Medien - ganz gleich ob in Printmedien, Rundfunk und Fernsehen oder im Internet - regelrecht gefordert wird. Analysiert man unvoreingenommen die Anfänge der Skinheadbewegung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, offenbart sich dem Betrachter eine Szene, die keinesfalls rassistisch, gewalttätig oder politisch motiviert war - im Gegenteil: die Skinheadbewegung fußt auf jamaikanischen Wurzeln und entstand im Ursprungsland der Punk-Bewegung, in England.

Wie konnte es also zu einer Entwicklung dieser Bewegung kommen, die sich derart gegen ihre Wurzeln richtet? Die Antwort mag stark vereinfacht erscheinen, sie wird jedoch oft un­terschätzt. Es handelt sich schlicht um die Macht der Musik.

Musik dient bereits seit Anbeginn menschlich-kulturellen Schaffens dem Ausdruck von Le­bensgefühl, von Gedanken und Empfindungen. Sie ist ein Mittel der Identitätsfindung, Ideo­logieträger und somit vielfach die Basis zur Entstehung von Bewegungen, Subkulturen und Szenen. Die musikalisch prägendste Phase im Leben eines Menschen ist seine Jugend. Dort erworbene Kenntnisse und Erfahrungen prägen die Denk- und Handlungsweise des Hören­den grundlegend. Diese Prägung kann sogar bidirektional vonstatten gehen, d.h. sowohl die Musik kann das Bewusstsein des Jugendlichen verändern als auch umgekehrt. So ist dem Medium Musik also eine nicht unerhebliche Bedeutung bei der Entstehung und Entwicklung von Jugendbewegungen zuzugestehen. Das führt uns zu der Frage, um die es in der folgen­den Abhandlung gehen soll:

Welche Rolle spielt Musik bei Entstehungs- und Veränderungsprozessen von Ju­gendbewegungen, hier repräsentiert durch die Skinheadbewegung?

Werfen wir dazu zunächst einen Blick auf die Entstehung, genauer die Vorläufer, der Skin­heads.

1. Die Wurzeln der Skinheadbewegung und der Spirit Of '69

1.1. Die Vorläufer der Skinheads

1.1.1. Teddy Boys / Teds

In den 1950er Jahren entstand in England erstmals eine jugendliche Protestbewegung, die sich bewusst der Unterordnung unter die vorherrschende Gesellschaft, z.B. als so genannte Subkultur, verweigerte: die Teds, TeddyBoysoder auch CoshBoys.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sie zeichneten sich durch eine vornehme bis affektierte Verhaltensweise und einen bis dato außergewöhnlichen Dresscode aus, was darauf abzielte, den etablierten Mittelstand dieser Zeit als Proletariat zu betiteln. Knielange Anzugjacken („drapes") gaben der Bewegung ihren Namen, da „Ted" die Koseform für „Edward" war und auf den Kleidungsstil zu Zeiten König Edwards II abzielte. Sie wurden in Kombination mit verhältnismäßig engen Hosen („drainpipe trousers"), hochsohligen Schuhen („creepers'" und der in den 50er Jahren beliebten Schmalztolle (Elvis­Frisur) zum Markenzeichen der Teds.

Ihre Affektiertheit betrachteten sie als Spiel mit den Normen der Gesellschaft. Sie setzten auf gesell­schaftlichen Protest anstelle politischem und bestärk­ten diesen vor allem auch durch ihre Musik, den Rock'n'Roll. Da dieser sowohl von der Eltern- als auch der Großelterngeneration als ,Hottentotten-' und ,Negermusik' abgelehnt wurde, bildete er das ultimative Mittel zur Rebellion. Die Ablehnung durch die Gesellschaft wurde nicht zu­letzt auch durch die an Tanzveranstaltung und Filmvorführungen der Szene anschließenden Krawalle und Massenschlägereien bekräftigt. In den 1960er Jahren kam es zunehmend zu einer Ablösung der Teds durch andere Jugendbewegungen, vor allem durch die Mods und die Rude Boys.

1.1.2. Rude Boys / Rudies

Die Rude Boys oder Rudies bildeten sich zu Beginn der 1960er Jahre in den Ghettos von Kingston, der Hauptstadt Jamaikas. Die Bezeichnung für diese Subkultur kommt vom jamai­kanischen Slang wort für cool oder hip und basiert auf den, trotz des geringen sozialen Status der Ghettobewohner, auch im Alltag getragenen modischen Anzügen und Pork-Pie-Hüten der

Rudies. Musikalisch bedeutsam war die Gründung so genannter SoundSystems: Gruppierun­gen von DJs, Tontechnikern und MCs, die auf Tanzveranstaltungen vorwiegend Ska, Rocksteady und Reggae spielten. Außerhalb dieser, mit heutigen Dancehall-Diskos vergleich­baren, Veranstaltungen kämpften viele Rude Boy Gangs auf zum Teil sehr blutige Art und Weise in den Straßen Jamaikas um die Vorherrschaft der damals agierenden politischen Par­teien, der People's NationaiParty oder der Jamaica LabourParty.

Ende der 60er Jahre übernahmen viele Kinder schwarzer Einwanderer den elegant-lockeren Stil der Rude Boys, so auch weiße englische Arbeiterkinder, die Mods.

1.1.3. Mods & Hard Mods

Die Mods entstanden Mitte der 60er Jahre in der englischen Arbei­terjugend. Der Name der Bewegung stellt eine Kurzform des Wor­tes modernists dar. Das Bestreben der Mods war es, ihre eigene Herkunft aus der Arbeiterklasse zu cachieren, indem man sich dem Dresscode höherer Gesellschaftsschichten annäherte. Maßge­schneiderte Anzüge, Markenkleidung und der ursprünglich von der Army genutzte Parka wurden zur Mode der Mods. Motoroller der Abb. 1.1.3.a: Logoder Mods Marke ,Lambretta', so genannte scooter, wurden zum Prestige-Objekt der Mods und wurden dementsprechend gepflegt und getunt. Der Parka hatte ursprünglich die Funktion, die sünd­haft teure Kleidung auf den groß angelegten Rollerausfahrten (scooter runs) zu schützen. Später wurde er mit Bandaufnähern und Buttons verziert und avancierte zum Kultobjekt der Modszene. Musikalisch orientierten sich die Mods am Stil der jamaikanischen Rude Boys, deren Kleidungsstil und Musik sie faszinierte. Ska, Reggae, Modern Jazz, Rhythm'n'Blues und später auch der Einfluss amerikanischer Soul- und Jazz-Singles ließen die Jugendlichen am

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wochenende aus dem harten Alltag der Arbeitswelt entfliehen. In dieser Zeit entstand die ausgeprägte und bis heute in England existierende Northern-Soul-Szene (siehe 1.2.2.1). Außer an den Einflüssen der ,schwarzen Musik' orientierten sich die Mods vor allem an Rock- und Rock 'n' Roll - Bands wie The Who, The Small Faces oder The Yardbirds. Mittlerweile zu Weltruhm gelangte Größen wie Rod Stewart und David Bowie entstammen der Szene der Mods.

Tagsüber führten sie ein normales Arbeiterleben in der konservativen englischen Gesell­schaft, in ihrer Freizeit entflohen sie in eine Welt, die durch exzessiven Alkohol- und Drogen­konsum (Amphetamine und Speed, später auch Haschisch und Marihuana), rauschende Tanzveranstaltungen, Randale und Prügeleien geprägt war. Die Mods verstanden sich als Gegenströmung zu den Rockern (organisierte Motorradgangs), was zu häufigen Prügeleien und regelrechten Bandenkriegen zwischen den verfeindeten Gruppen führte.

Nach und nach zeichnete sich jedoch eine zunehmende Spaltung der Szene ab, da bei den „upper class" - orientierten Mods immer mehr Wert auf teure Markenware gelegt wurde, was einige Szenemitglieder aus Authentizitätsgründen ablehnten. Wer sich die zunehmenden „all- nighter (nächtelange Tanz- und Drogenparties, siehe auch 1.2.2.1), teure Maßanzüge und aufwendige Tunings der Scooter nicht mehr leisten konnte oder wollte, polierte sich seine Arbeitsschuhe - vorwiegend der Marke Doc Martens - auf, krempelte die Jeans ein wenig hoch und hielt sich an Hemden der Marken Ben Sherman oder FredPerry, die aufgrund ihrer Gründer als repräsentative Beispiele für gesellschaftlichen Erfolg trotz einer Herkunft aus der Arbeiterklasse galten. Es kam zur Teilung der Szene in Mods und die bodenständigeren, be­tont maskulinen und auf die Arbeiterschicht zurückbesinnenden HardMods. Diese können als direkte Vorläufer der Skinheads betrachtet werden! Gegen Ende der 60er Jahre etablierte sich nach und nach eine strukturierte Skinheadbewegung, was zur Assimilation der meisten Hard Mods führte. Die übrig gebliebenen Mods vermischten sich mehr und mehr mit der G/am-Rock-Szene

1.2. Skinheads der ersten Generation

1.2.1. The Spirit Of '69 - Die Lebenswelt der Skinheads

Der gesellschaftliche Zustand im England des Jahres 1969 war geprägt durch eine hohe Ar­beitslosigkeit, vielfach sehr einfache Wohnverhältnisse in den Arbeiterfamilien, eine zähe Langeweile unter den Jugendlichen (es gab keinerlei kulturelle Angebote zur Strukturierung von Freizeit) und vor allem keine Aussicht auf eine Besserung dieser Situation. Diese Aus­sichtslosigkeit ließ sie schließlich am Sinn von Politik und der Möglichkeit der Einflussnahme auf gesellschaftskonformen Wegen zweifeln, was letzten Endes in einer kompletten Ableh­nung jeglicher politischer Aktivität - gleich welcher Richtung - gipfelte. Als sich gegen Ende der 60er Jahre HardMods und RudeBoystrafen, fühlten sie sich aufgrund der gemeinsamen Liebe zur Musik und dem ähnlichen sozialen Background verbunden. Es kam zunächst zu einer wechselseitigen Beeinflussung beider Szenen und später zur Entstehung einer komplett neuen Bewegung, der Skinhead - Bewegung.

Die Skinheads des Jahres 1969 fühlten sich von der offiziellen Jugendkultur der 60er Jahre ausgeschlossen, was sich in einem Bedürfnis nach Gruppensolidarität niederschlug. Zu dieser Zeit verließen die Arbeiterkinder bereits früh die Schule, da sie zum Überleben ihrer Fa­milien beitragen mussten und somit zu einer frühen Aufnahme von Erwerbsarbeit gezwungen waren. Am Wochenende stiegen sie dann aus der sich bald einstellenden Monotonie des Erwerbslebens aus: Fußballspiele, Ska-Parties, Trinkgelage und Schlägereien wurden zu willkommenen Abwechs­lungen. Da England 1966 die Fußball-Weltmeisterschaft gewann, keimte in vielen Skins der Wunsch, sich nicht mehr für die eigene Herkunft verstecken zu müssen, sondern seine Iden­tität mit einem gewissen Stolz und mit Würde zu tragen. Sie unterstützten ihre favorisierten Fußball-Clubs, begleiteten sie sogar auf Auswärtsspielen. Die szeneintern „Dritte Halbzeit" genannte Phase der handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen den Fans der spielenden Vereine wurde eingeführt. Die zunehmende Aufmerksamkeit durch die Presse, welche 1969 erstmals skandalisierend die Bezeichnung Skinhead nutzten, bestärkte das Zusammengehö­rigkeitsgefühl der bislang als Hooligans bezeichneten fußballfanatischen Skins.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um möglichst smart zu wirken bildete sich in der Szene ein relativ fester Dresscode, der un­ter anderem schwere Arbeitsstiefel (v.a. DoctorMartens), enge Jeans (v.a. Levi's oder Lee), Button Down - Hemden (v.a. von Ben Sherman, FredPerry und Jay Tex), Hosenträger und den nahezu obligatorischen Kurzhaarschnitt (Schergerät auf Stufe No.1-4), der vermutlich bei Schlägereien sehr praktisch war, da man nicht an den Haaren gezogen werden konnte. Er könnte allerdings auch einfach der Provokation gedient haben. Trotz der teils sehr gewalt­samen Auseinandersetzungen in der 3. Halbzeit waren die Schlägereien bis zu diesem Zeit­punkt jedoch nie politisch motiviert gewesen. Selbst das 1969 aufkeimende paki-bashing, also verbale bis handgreifliche Angriffe gegen südasiatische Immigranten ging mehr auf ter­ritoriale Ansprüche der Skinheads in ihren eigenen Stadtvierteln zurück als auf einen über­steigerten Patriotismus oder Nationalismus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Crews trugen untereinander gewalttätige Kämpfe um Gebietsansprüche aus. Die als paki- bashing ' zu unrühmlicher Bekanntheit gelangenden Übergriffe [...] waren weniger Ausdruck einer rechtsextremen Gesinnung als die Fortführung von Gebietsansprüchen. Auch Rude Boys hassten die pakis', sie verstanden genauso wie die Skinheads nicht, wieso die Kinderderasia­tischen Einwanderer sich keiner der bestehenden Jugendbewegungen anschlossen. Inder und Pakistanis besetzten eigene Territorien, in denen sie eigene Läden, Cafes usw. einrichteten, und vermischten sich nicht mit der traditionellen Arbeiterklasse - sie wurden als Bedrohung empfunden.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss von Musik auf Jugendbewegungen am Beispiel der Skinhead-Bewegung
Hochschule
Hochschule Darmstadt  (Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit)
Veranstaltung
"Popkultur und Identität" und "Antirassistische Jugendarbeit"
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V149699
ISBN (eBook)
9783640606283
ISBN (Buch)
9783640606597
Dateigröße
1523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Skinhead, Skinheads, Ursprünge, Wurzeln, Spirit of 69, Teddy Boys, Teds, Rude Boys, Rudies, Mods, Hard Mods, Musik, Wegbereiter, Northern Soul, Ska, Early Reggae, Reggae, Rocksteady, Politisierung, Kommerzialisierung, Wandel der Skinheadbewegung, Rechte Skins, Neonazis, White Power, Hammer Skins, Blood and Honour, RASH, Anarchist Skinheads, Anarchisten, Kommunisten, Ideologie, Musik als Ideologieträger, Zielgruppe, Rechte Musik, Rechtsrock, Zensur, rechte Propaganda, Skrewdriver, Burzum, Death in June, Laurel Aitken, Oi!, Skarface, Combat 18, C18, SHARP, S.H.A.R.P., Sharp-Skins, Good Night White Pride, Annett, Schulhof-CD, NPD, Ian Stuart, Rassismus, Jugend, Medien, Jugendbewegungen
Arbeit zitieren
B.A. Patrick Hentschke (Autor:in), 2008, Der Einfluss von Musik auf Jugendbewegungen am Beispiel der Skinhead-Bewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149699

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Einfluss von Musik auf Jugendbewegungen am Beispiel der Skinhead-Bewegung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden