Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG UND GRUNDLAGEN
1.1 Ausgangssituation und Problemaufriss
1.2 Zum Begriff der Nonprofit-Organisation
1.3 Zum Begriff der Mittel
1.4 Zum Begriff der Transparenz
2 ZUR RELEVANZ VON FREIWILLIGER TRANSPARENZ
2.1 Das Fehlen von verpflichtender Transparenz
2.1.1 Das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht
2.1.2 Der Beitrag staatlicher Aufsicht zur Transparenz
2.1.3 Effektivität staatlicher Aufsicht bezüglich Transparenz
2.2 Freiwillige Transparenz als Erfolgsfaktor
2.2.1 Transparenz und Vertrauensbildung
2.2.2 Gründe für mangelndes Vertrauen
2.3 Der deutsche Spendenmarkt in Zahlen
2.3.1 Nachfrager und Anbieter auf dem Spendenmarkt
2.3.2 Größe und Entwicklung des Spendenmarktes
3 ZUR ERZEUGUNG VON FREIWILLIGER TRANSPARENZ
3.1 Der Jahresbericht als Beispiel für direkte Transparenz
3.1.1 Der Jahresbericht als Kommunikationsinstrument
3.1.2 Kriterien eines guten Jahresberichtes am Beispiel UNICEF
3.1.3 Effektivität bezüglich Transparenz
3.2 Das DZI Spenden-Siegel als Beispiel für geprüfte Transparenz
3.2.1 Kurzportrait des DZI und des Siegels
3.2.2 Antragsvoraussetzungen und Kriterien
3.2.3 Bisherige Erfahrungen des DZI
3.2.4 Effektivität bezüglich Transparenz
3.3 Der Deutsche Spendenrat e.V.: Transparenz durch Selbstverpflichtung
3.3.1 Kurzportrait des Deutschen Spendenrates e.V
3.3.2 Aufnahmeverfahren und Selbstverpflichtungserklärung
3.3.3 Effektivität bezüglich Transparenz
4 ZUSAMMENFASSENDES ERGEBNIS
QUELLENVERZEICHNIS
ANHANG: Gewinn- und Verlustrechnung UNICEF Jahresbericht 2008
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kausalkette für Transparenz als Erfolgsfaktor
Abbildung 2: Logo des DZI Spenden-Siegels
Abbildung 3: Logo des DSR
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 EINLEITUNG UND GRUNDLAGEN
Im nachfolgenden ersten Kapitel werden zunächst ein Überblick zur Ausgangssituation und eine Einführung in die Themenstellung gegeben. Des Weiteren wird der Gang der Untersuchung erläutert. Um eine Grundlage zu schaffen, werden anschließend die zentralen Begriffe der Bachelorarbeit geklärt.
1.1 Ausgangssituation und Problemaufriss
Die Forderungen nach Transparenz sind keineswegs neu, haben sich aber offenbar in den letzten Jahren verstärkt.[1] Nike und Adidas werden von Nonprofit-Organisationen (NPOs) wegen Kinderarbeit an den Pranger gestellt, die WestLB wurde von Greenpeace angegriffen, weil sie eine Pipeline im südamerikanischen Regenwald finanziert[2]. Klenk beschreibt dieses Phänomen als „Glashaus-Axiom“[3] : „Jedes unternehmerische Handeln ist öffentlich.“[4] Die Rolle von NPOs als Transparenz-Treiber ist dabei unumstritten. Jahrelang übten sie Druck auf Wirtschaftsunternehmen aus und forderten mehr Transparenz.[5] Mittlerweile müssen die NPOs jedoch feststellen, dass sich die Forderungen gegen sie selbst kehren.[6] Sie sind ebenfalls im Zeitalter der Transparenz angekommen und müssen sich den Herausforderungen stellen. Sie alle operieren immer mehr unter den kritischen Augen der Öffentlichkeit und müssen sich stetig neu erklären, ihr Handeln darstellen und vor allem Rechenschaft über die Verwendung der anvertrauten Spendengelder ablegen.[7] Die Spender[8] vertrauen einer Organisation nicht mehr blind, sondern verlangen Verantwortungsbewusstsein und Kompetenz, insbesondere bezüglich der Mittelverwendung. Vor 20 bis 30 Jahren sah sich noch ein Großteil der Bevölkerung geradezu moralisch verpflichtet zu spenden, u.a. wegen der viel stärker ausgeprägten Religiosität. Mittlerweile hat sich diese Bringschuld umgekehrt und die NPOs müssen sich als transparent erweisen, damit sie die Unterstützung der Spender verdienen.[9] Hinzukommend werden staatliche Zuschüsse gekürzt, sodass NPOs in ihrer Finanzierung immer mehr auf Spenden aus privater Hand angewiesen sind.
Das Vertrauen der Spender wird damit immer wichtiger.[10] Umso alarmierender sind folgende Zahlen: 75 Prozent der Spender sind sich 2008 nicht sicher, ob ihr Geld überhaupt ankommt, 74 Prozent wünschen sich einen Rechenschaftsbericht über Einnahmen und Ausgaben, um der Organisation Vertrauen zu können[11] und 75,5 Prozent sind der Meinung, dass zu viele Gelder in der Verwaltung verloren gehen.[12] Dies wird in der Literatur auch als asymmetrische Informationsverteilung zwischen Spender und NPO bezeichnet. Um das Vertrauen in NPOs zu fördern ist es jedoch notwendig, den Informationsvorsprung der Organisation gegenüber dem Spender hinsichtlich ihrer Arbeitsweise abzubauen.[13] Transparenz gilt in diesem Zusammenhang als Zauberwort zur Rückgewinnung von Vertrauen und ist in Gefahr, zum Allgemeinplatzhalter zu werden. Jede zum Spendenwesen zugehörige Organisation bemüht sich um Transparenz oder gibt dies zumindest vor, denn nicht jedes Mittel zur Herstellung von Transparenz ist in sich effektiv.[14] Diese Arbeit fokussiert ausschließlich die Transparenz hinsichtlich der Mittelverwendung und wie diese kommuniziert wird.
Darauf aufbauend sollen folgende Fragen geklärt werden: Welche Relevanz hat Transparenz im Einzelnen? Wie kann Transparenz in Bezug auf die Kommunikation über die Mittelverwendung erzeugt werden? Und vor allem, wie effektiv sind die vorhandenen Instrumente zur Herstellung von Transparenz wirklich?
Die Basis der Untersuchung ist eine umfangreiche Quellen- und Literaturrecherche und führt dementsprechend zu einer reinen Theoriearbeit. Der Gang der Analyse verhält sich wie folgt: Das erste Kapitel klärt die zentralen Begrifflichkeiten Nonprofit-Organisation (NPO), Mittel und Transparenz und schafft somit eine einheitliche Basis zur Bearbeitung.
Das zweite Kapitel untersucht die Relevanz von freiwilliger Transparenz und thematisiert damit die erste gestellte Frage. Dabei wird zunächst ein Blick auf das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht geworfen und in diesem Zusammenhang auf ein Fehlen von verpflichtender Transparenz von Seiten des Staates aufmerksam gemacht. In der Folge wird der Einfluss von Transparenz auf die Vertrauensbildung analysiert und als wesentlicher Erfolgsfaktor in NPOs herausgestellt. Die Darstellung des deutschen Spendenmarktes fokussiert den wachsenden Konkurrenzdruck und bildet den Abschluss des zweiten Kapitels.
Die Umsetzung einer transparenten Kommunikation bezüglich der Mittelverwendung wird im dritten Kapitel thematisiert. Hierbei wird für direkte, geprüfte und für Transparenz durch Selbstregulierung jeweils ein Beispiel vorgestellt und in Hinblick auf seine Effektivität zur Transparenzerzeugung analysiert. Damit wird auf die letzten beiden Forschungsfragen eingegangen.
Das letzte Kapitel bildet eine Zusammenfassung der erlangten Ergebnisse und gibt Antworten auf die eingangs genannten Fragestellungen.
1.2 Zum Begriff der Nonprofit-Organisation
NPOs leisten vielfältige Dienste in den Bereichen des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesens sowie im Sport oder im kulturellen und ökologischen Bereich. Sie bestehen in ihrer Rechtsform u.a. als Vereine, Stiftungen, gemeinnützige Genossenschaften und gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung (gGmbH).[15] Die Heterogenität der Organisationen spiegelt sich auch in den vielfältigen Erklärungsversuchen wider.[16] Die zwei in der Literatur gängigsten Definitionsversuche werden im Folgenden dargestellt:
Insbesondere Ökonomen definieren die NPO als eine Organisation, die nicht erwerbswirtschaftlich orientiert handelt und zur Verwirklichung einer bestimmten Mission oder eines bestimmten Zweckes existiert.[17] Markantes und namensgebendes Merkmal ist die NichtGewinnorientierung.[18] Zwar dürfen NPOs Überschüsse erwirtschaften, nur müssen diese wieder für gemeinwohlorientierte Zwecke eingesetzt werden und dürfen unter keinen Umständen an Mitglieder oder Anteilseigner ausgeschüttet werden.[19] Streng genommen sind die vom Staat unterhaltenen Organisationen somit auch NPOs, da sie weder gewinnorien- tiert arbeiten, noch Überschüsse an private Anteilseigener ausschütten können.[20]
Andere Autoren schließen sich dem Verständnis der Nicht-Gewinnorientierung zwar an, gehen aber noch weiter. Sie verwenden eine Definition, welche die NPO in Abgrenzung zum privatwirtschaftlichen und staatlichen Sektor betrachtet. Hier ist vom sogenannten Dritten Sektor die Rede, welcher synonym zur NPO gebraucht wird. Diese Umschreibung geht auf den US-amerikanischen Soziologen Etzioni zurück, der bereits 1973 darauf hinwies, dass es bislang einen weitgehend unerforschten Dritten Sektor gebe, der sich von Markt und Staat unterscheide.[21]
Für die folgende Arbeit wird auf eines der bekanntesten Klassifizierunsgmodelle in der noch jungen Nonprofit-Forschung zurückgegriffen: Das Modell des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project der Johns Hopkins University. Die Forschergruppe um Salamon und Anheier führte in den Jahren 1990 und 1995 eine international vergleichende Studie zum Dritten Sektor durch und benötigte aufgrund der Heterogenität der NPOs in den verschiedenen Ländern sowie innerhalb der Länder eine einheitliche Definition. Diese ist ebenfalls der Drei-Sektoren-Definition zuzuordnen. Demnach sind NPOs organisiert, d.h. es existieren z.B. Verfahrensregeln, es finden regelmäßige Treffen statt, es gibt eine interne organisatorische Struktur und es ist eine Abgrenzung zu informellen Gruppen möglich (z.B. familiäre Gruppen). Des Weiteren sind sie privat und somit strukturell von den Organen des Staates getrennt, was jedoch nicht die Ablehnung von staatlichen Geldern voraussetzt. Darüber hinaus sind sie autonom. Dies impliziert, dass die Organisationen die Verfolgung ihrer Ziele selbst kontrollieren können. Ebenso sind NPOs nicht gewinnorientiert. Alle Überschüsse müssen in die Zweckerfüllung der Organisation fließen. Abschließend besteht das Kriterium der Freiwilligkeit. Es besteht daher keine Zwangsmitgliedschaft und es existiert ein Mindestmaß an ehrenamtlichem Engagement.[22]
Zu den Spezifika der NPO gehört außerdem die Finanzierung aus unterschiedlichen Quellen. Allgemein können die Finanzquellen zu drei Gruppen zusammengefasst werden: Gebühren (z.B. Mitgliedsbeiträge und andere eigenerwirtschaftete Mittel), Mittel der öffentlichen Hand und private Spenden (z.B. ehrenamtliche Tätigkeiten in Geldwert umgerechnet, private Geldspenden von Einzelpersonen, Unternehmen und Stiftungen). Demnach ermittelte das Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project in Deutschland für 1995 einen Spendenanteil von 36,2 Prozent an den Gesamteinnahmen, damit liegt dieser noch hinter den Einnahmen aus der öffentlichen Hand (42,5 Prozent) aber vor den Gebühren (21,3 Prozent).[23] Für die vorliegende Arbeit sind besonders solche Organisationen relevant, bei denen bereits ein Großteil der Einnahmen aus Spenden besteht. Daher wird des Öfteren auch der Begriff der spendensammelnden NPO benutzt.
1.3 Zum Begriff der Mittel
Der Begriff der Mittel ist rechtlich gesehen nicht eindeutig und sehr umstritten.[24] Es geht zunächst um den Mittelbegriff, wie er in der Abgabenordnung (AO) § 55 Absatz 1 Nr. 1 zu finden ist:
§ 55 - Selbstlosigkeit
(1) Eine Förderung oder Unterstützung geschieht selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke - zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke - verfolgt werden und wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:
1. Mittel der Körperschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder oder Gesellschafter (Mitglieder im Sinne dieser Vorschriften) dürfen keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten. Die Körperschaft darf ihre Mittel weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien ver- wenden.[25]
Der Begriff der Mittel ist demnach in der AO nicht direkt bestimmt. Ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) von 1991 definiert die Mittel von NPOs als deren sämtliche Vermögenswerte. Das sind nicht nur Spenden und Mitgliedsbeiträge, sondern auch Gewinne, „Erträge ihres Vermögens und ihre[n] wirtschaftlichen Zweckbetriebe[n] zur Verfügung stehende Geldbeträge.“[26] In der nachfolgenden Rechtsprechung des BFH kam es zu einer weiteren Ausdehnung des Mittelbegriffs. Danach sind die Mittel das gesamte Vermögen und die Erträgnisse hieraus.[27] Diese Auslegung ist konsequent, da die NPO dazu verpflichtet ist, sämtliche Mittel für ihre satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden. Dies schließt Geldvermögen ein, sowie Forderungen und Anlagevermögen.[28] Für die vorliegende Untersuchung sind besonders solche Mittel interessant, welche aus Spenden hervorgehen, da die Spender einer Organisation ihre Mittel zur Verfügung stellen und bestimmte Erwartungen an die Verwendung derer haben.[29] Dies schließt sowohl die Mittel in Form von Geld, als auch Zeitspenden ein, welche in einen Geldwert umgerechnet werden.[30] Nichtsdestotrotz ist auch die Verwendung des gesamten Vermögens gerade für die Allgemeinheit von Bedeutung, da der Steuerzahler aufgrund staatlicher Zuschüsse und Steuererlässe an der Finanzierung der NPO beteiligt ist.[31] Dazu jedoch mehr in Kap. 2.1.
1.4 Zum Begriff der Transparenz
Transparenz ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht auf das lateinische Wort „transparere“ zurückzuführen und bedeutet „durchscheinen“.[32] Seine Ursprünge findet der Begriff in der Physik zur Beschreibung von durchsichtigen Körpern. Erst seit kurzer Zeit entwickelt sich Transparenz als eigenständiger Begriff, welcher in den unterschiedlichen Disziplinen verschiedene Definitionen erfährt.[33] Für die folgende Analyse sind besonders die Begriffsbestimmungen aus der Wirtschaftswissenschaft und aus der Kommunikationswissenschaft relevant. In den Wirtschaftswissenschaften wird Transparenz vornehmlich als Corporate Transparency bezeichnet und meint damit die freiwillige unternehmerische Transparenz, die über gesetzliche Transparenz- und Publizitätspflichten hinausgeht. In diesem Sinne stellen Unternehmen ihren Stakeholdern durch pro-aktive Kommunikation möglichst frühzeitig wahre und verständliche Informationen zur Verfügung. Diese betreffen die strategischen Ziele und Kennzahlen, die laufenden Vorgänge sowie die Entscheidungsprozesse.[34] Diese Annahme geht dicht mit dem kommunikationswissenschaftlichen Verständnis von Transparenz einher. Nach Bentele und Seiffert existiert eine so genannte organisatorische Transparenz. Diese bezieht sich auf die Organisationen und soll es den Beobachtern ermöglichen, organisationsinterne Strukturen und Prozesse nachzuvollziehen. Hierbei stehen die öffentliche Einsichtnahme und Nachprüfbarkeit im Mittelpunkt.[35] Demzufolge ist organisatorische Transparenz eine Form von „informatorischer und kommunikativer Offenheit von Organisationen und deren Prozessen“.[36] Der Gedanke der Offenheit, welcher bei den Stakeholders[37] Verständnis für Intentionen, Entscheidungen und Handlungen der Organisation schaffen soll, geht bis in die Anfänge der PR-Forschung zurück. Gruning und Hunt merkten bereits im Standardwerk der PR-Forschung „Managing Public Relations“ an:
„In addition to the open sharing of information, transparency requires organizations to understand and be responsive to the publics they serve. [...] Organizations with the most effective communication practices seek to truly unterstand and involve their publics in the decision making process and to help their publics to understand the organization.“[38]
Demnach ist Transparenz nicht nur eine Forderung, sondern ein Prozess des gegenseitigen Verständnisses zwischen Bezugsgruppen und Organisationen.[39] Dabei geht es nicht um radikale Transparenz, sondern darum, einen Mittelweg zwischen Transparenzverweigerung und totaler Transparenz zu finden.[40] Die vorliegende Arbeit fokussiert sich auf die Transparenz hinsichtlich der Kommunikation über die Mittelverwendung von NPOs.
2 ZUR RELEVANZ VON FREIWILLIGER TRANSPARENZ
In diesem Kapitel wird erläutert, weshalb freiwillige Transparenz für NPOs relevant ist. Dabei wird als Begründung das Fehlen von verpflichtender Transparenz als erstes Argument vorgebracht. Im weiteren Verlauf wird der Zusammenhang zwischen Transparenz und Vertrauen und dem damit einhergehenden Erfolg näher erläutert. Im letzten Punkt dieses Kapitels wird schließlich die wettbewerbsintensive Situation auf dem deutschen Spendenmarkt als Argument für mehr Transparenz aufgezeigt.
2.1 Das Fehlen von verpflichtender Transparenz
Während die Transparenz in Wirtschaftsunternehmen in Deutschland weitgehend durch gesetzliche Vorgaben geregelt ist, unterliegt die Berichterstattung von NPOs keinerlei Normen. Der Beitrag von Seiten der staatlichen Aufsicht zu mehr Transparenz ist demzufolge sehr überschaubar und wird im Folgenden thematisiert und analysiert.
2.1.1 Das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht
Den meisten NPOs in Deutschland werden im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechtes steuerliche Begünstigungen zugestanden. Dadurch hat der Staat Mindereinnahmen, gleichzeitig werden aber dadurch Aufgaben erledigt, für welche er sonst selbst die vollen Kosten und die Verantwortung übernehmen müsste.[42] Durch den Steuerverzicht finanziert die Allgemeinheit mittelbar die Aktivitäten der gemeinnützigen Organisationen mit.[43] Die Gemeinnützigkeit von Organisationen wird im Steuerrecht geregelt und den Organisationen vom örtlichen Finanzamt zugesprochen. Die steuerlichen Begünstigungen hängen vom Organisationszweck ab und umfassen u.a. Begünstigungen im Rahmen der Gewerbesteuer, der Einkommenssteuer, der Grundsteuer, der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie der Umsatzsteuer.[44] Darüber hinaus können Spenden an steuerbegünstigte Organisationen von den Zuwendungsgebern steuerlich geltend gemacht werden. Aus diesem Grund wird von spendensammelnden NPOs die Beantragung der Gemeinnützigkeit vorausgesetzt. Die Bedingungen für die Gemeinnützigkeit sind in der AO geregelt (§§ 51 ff. AO). Es gibt drei verschiedene Arten von steuerbegünstigten Zwecken: gemeinnützige Zwecke (§ 52 AO), mildtätige Zwecke (§ 53 AO) und kirchliche Zwecke (§ 54 AO).[45] Eine Organisation erfüllt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf abzielt, die „Allgemeinheit auf materiellem, geistigem Gebiet selbstlos zu fördern“.[46] Bisher erhielt die AO eine beispielhafte Aufzählung von 25 gemeinnützigen Zwecken. Diese war als Hilfestellung gedacht, um einen gemeinnützigen Zweck nach oben genannter Erklärung bestimmen zu können. Dies erwies sich jedoch oft als schwierig, da die gemeinnützigen Zwecke, wie die NPOs selbst, immer heterogener wurden. Daraufhin wurde 2007 durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements eine Öffnungsklausel hinzugefügt. Diese gibt den Finanzämtern die Möglichkeit, auch Zwecke als gemeinnützig anzuerkennen, die nicht in der Aufzählung vorkommen.[47] Eine NPO verfolgt dahingegen mildtätige Zwecke, wenn ihre Handlungen darauf gerichtet sind, Personen zu unterstützen, die aufgrund ihres geistigen, körperlichen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Kirchliche Zwecke sind erfüllt, wenn eine Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts gefördert wird. Umgangssprachlich werden jedoch alle drei Arten von steuerbegünstigten Zwecken als gemeinnützige Zwecke bezeichnet.[48]
2.1.2 Der Beitrag staatlicher Aufsicht zur Transparenz
Spendensammelnde NPOs in Deutschland treten hauptsächlich in der Rechtsform des Vereins oder der Stiftung auf. Daher wird im Folgenden der Fokus auf diese beiden Formen gelegt.[49] Der Umfang der jeweiligen staatlichen Aufsicht wird im Folgenden dargestellt, ohne dabei auf Besonderheiten der einzelnen Rechtsformen im Detail einzugehen.
Wie bereits erwähnt, obliegt es den staatlichen Finanzbehörden eine Organisation als gemeinnützig zu erklären. Demnach werden alle gemeinnützigen Organisationen rechtsform- übergreifend von den Finanzbehörden beaufsichtigt.[50] Für die Prüfung der Gemeinnützigkeit verlangt die Finanzbehörde eine Mittelverwendungsrechnung. Ferner wird vorausgesetzt, dass die Mittelverwendung zeitnah erfolgt. Dies setzt eine umgehende Zuführung der Mittel zum gemeinnützigen Zweck, spätestens im Folgejahr, voraus. Jedoch kommen bei diesem Grundsatz zahlreiche Ausnahmen in Betracht. Diese ermöglichen es, die Mittel länger in der Organisation zu behalten, z.B. in Form von gebundenen Rücklagen (zur Verwendung für bestimmte Maßnahmen). Der Finanzbehörde liegen somit umfangreiche Aufzeichnungen der NPO zu deren Mittelverwendung vor.[51]
Um eine Überprüfung von Vereinen zu gewährleisten wurde das vom Amtsgericht geführte Vereinsregister geschaffen.[52] Die Rechtsform des Vereins beruht auf Mitgliedschaft, d.h. die Entscheidungsfindung ist beim Verein auf mindestens zwei Organe verteilt: auf die Mitgliederversammlung und auf den Vorstand. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) besteht vom Vorstand gegenüber den Vereinsmitgliedern eine Rechenschaftspflicht bezüglich der Finanz- und Ertragslage.[53] Diese Rechenschaftspflicht ist jedoch nicht zwingend in schriftlicher Form abzuleisten. Formal ausreichend ist eine mündliche Berichterstattung in einer jährlichen Mitgliederversammlung.[54] Bei der Gründung des Vereins ist eine Eintragung in das Vereinsregister zwingend, wenn die einzelnen Mitglieder nicht mit ihrem Privatvermögen haften sollen. Das jeweilige Amtsgericht prüft dabei, ob Anmeldung und Zweck des Vereins den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Die Vereinsregister sind öffentlich und können von der Öffentlichkeit gegen Gebühr eingesehen werden. Sie erhalten jedoch lediglich Informationen über Name, Sitz und Satzung des Vereins sowie die Namen der Mitglieder des Vorstandes.[55]
Zur Beaufsichtigung von Stiftungen wurden die sogenannten Stiftungsaufsichten geschaffen. Stiftungen sind Vermögensmassen, die der Stifter zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks eingerichtet hat.[56] Eine rechtsfähige Stiftung besteht aus einem Vorstand, hat jedoch keine Mitglieder, die ihn kontrollieren. Um die Einhaltung des Stifterwillens zu gewährleisten, wurde die staatliche Stiftungsaufsicht als Kontrollorgan eingerichtet. [57] Die ntsprechenden Pflichten des Vorstandes gegenüber der Stiftungsaufsicht sind jedoch nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern gehen aus den individuellen Stiftungsgesetzen der einzelnen Bundesländer hervor. Im Wesentlichen sind den Landesstiftungsgesetzen die Forderung nach einer Jahresabrechnung, die eine Vermögensübersicht und eine Einnahmen- Ausgaben-Rechnung enthält und ein Bericht über die Erfüllung des Stifterwillens gemein.[58] Hinzukommend gibt es in allen Bundesländern die sogenannten Stiftungsverzeichnisse, die meistens von der Öffentlichkeit eingesehen werden können.[59] Die darin enthaltenen Informationen beschränken sich i.d.R. nur auf Name und Sitz der Stiftung, selten ist noch die Satzung und der Zweck enthalten.[60]
[...]
[1] Vgl. Bentele/Seiffert 2009, S. 47.
[2] Vgl. Klenk 2009, S. 26.
[3] Klenk 2004: Das Glashaus-Axiom. URL: http://www.transparenz.net/de/axiom/ ?PHPSESSID=31407134004cc7a65f94e914147720b5.
ebd.
[5] Vgl. Klenk 2009, S.26 f.
[6] Vgl. Gnärig 2009, S.1.
[7] Vgl. Bentele/Seiffert 2009, S. 43 f.
[8] Anmerkung: In der vorliegenden Arbeit wird aufgrund einer besseren Lesbarkeit für Personenbezeichnungen jeweils die maskuline Form verwendet. Selbstverständlich sind dabei auch alle weiblichen Personen gemeint.
[9] Vgl. WILKE 2007, S. 6.
[10] Vgl. Urselmann 2002, S. 9 f.
[11] Vgl. PWC (Hrsg.) 2008, S. 17 f.
[12] Vgl. Deutscher Spendenrat e.V./Gfk AG Panel Services Deutschland (Hrsg.) 2008, S. 13.
[13] Vgl. Ortman 2008, S. 13 f.
[14] Vgl. Wilke 2006, S. 12.
[15] Vgl. Priller/Zimmer 2008, S. 58 ff.
[16] Vgl. Luthe 1997, S. 197 f.
[17] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 2009, Stichwort: Nonprofit-Organisation (NPO), URL: http:/wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/4696/nonprofit-organisation-npo-v6.html.
[18] Vgl. Scheuch 1997, S. 71-82 zit. in Urselmann 1998, S. 5.
[19] Vgl. Vogelbusch 2006, S.8.
[20] Vgl. Luthe 1997, S. 204.
[21] Vgl. Etzioni 1973, S.314-323 zit. in Hippel von 2007, S. 9.
[22] Vgl. Salamon/Anheier et al. 2001, S. 40 f.
[23] Vgl. Priller/Zimmer 2001, S. 28 f.
[24] Vgl. Rutz 2009, S. 1.
[25] Vgl. § 55 Absatz 1 Nr. 1 AO zit. in URL: http://www.vereinsbesteuerung.info/ao.htm.
[26] Vgl. BFH 1. Senat, Urteil vom 23.10.1991 zit. in URL: www.vereinsbesteuerung.info/ mittelverwendung.htm.
[27] Vgl. BFH Urteil vom 21.01.1998, BStB1. II 1998, S. 758 zit. in Rutz 2009, S. 1.
[28] Vgl. Rutz 2009, ebd.
[29] Vgl. Glück 2010, S. 11.
[30] Vgl. Urselmann 2008, S. 85.
[31] Vgl. Markl/Walbröl und Zimmermann 2000, S. 493.
[32] Vgl. Herzog 2009, S. 91 f.
[33] Vgl. Benetele/Seiffert 2009, S 45 f.
[34] Vgl. Klenk 2009, S. 18.
[35] Vgl. Benetele/Seiffert 2009, S 45 ff.
[36] Benetele/Seiffert 2009, S. 45.
[37] Stakeholder von NPOs sind vornehmlich die Spender (Privatpersonen, Unternehmen, Stifter), öffentliche Zuwendungsgeber, Regulierungsstellen (z.B. Finanzamt, Stiftungsaufsicht), Leistungsempfänger, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, die breite Öffentlichkeit und die Medien. Vgl. hierzu Wilke 2007, S. 6. Diese Arbeit fokussiert sich auf eine Transparenz, welche entscheidend von den Spendern, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit gefordert wird.
[38] Gruning/Hunt 1984, S.26 zit. in Benetele/Seiffert 2009, S. 47.
[39] Vgl. Benetele/Seiffert 2009, S. 47.
[40] Vgl. Klenk 2009, S. 18.
[41] Vgl. Heieck 2009, S. 243.
[42] Die Bezeichnung „Steuerbegünstigung“ wird in diesem Sinne oft von NPOs zurückgewiesen, da sie quasi zu ihren Lasten Aufgaben des Staates übernehmen. Für „echte“ Gemeinnützigkeit mag dies sein, fragwürdig ist an dieser Stelle die steuerliche Gemeinnützigkeit von z.B. Golfsport, Pferdezucht, Yoga oder Wandern. Vgl. hierzu SIEGEL 2007, S. 201.
[43] Vgl. Markl/Walbröl und Zimmermann 2000, S. 493.
[44] Vgl. Lindemann 2008, S. 686.
[45] Vgl Haibach 2006, S. 63 f.
[46] § 52 Absatz 1 AO zit. in URL: http://www.vereinsbesteuerung.info/ao.htm.
[47] Vgl. Lindemann 2008, S. 687.
[48] Vgl Haibach 2006, S. 64.
[49] Vgl. Markl/Walbröl und Zimmermann 2000, S. 478.
[50] Vgl. Hippel von 2007, S.289.
[51] Vgl. Siegel 2007, S. 202 f.
[52] Vgl. Grünhaupt 2008, S. 669 f.
[53] Vgl. Siegel 2007, S. 180.
[54] Vgl. Siegel 2007, 196.
[55] Vgl. Grünhaupt 2008, 669 f.
[56] Vgl. EBD., S. 673.
[57] Vgl. ebd., S. 678.
[58] Vgl. Siegel 2007, S. 198 f.
[59] Vgl. Grünhaupt 2008, S. 678.
[60] Vgl. Ludwig 2009, S. 22.