Im Juli 2006 hat die niederländische Kapitalgesellschaft DocMorris N.V. aus Heerlen, die bereits als Versandapotheke auf dem deutschen Apothekenmarkt vertreten ist, die Betriebserlaubnis für eine Apotheke in Saarbrücken erhalten. Diese Betriebserlaubnis widerspricht dem deutschen Fremdbesitzverbot für Apotheken. Denn danach dürfen nur approbierte Apotheker eine Apotheke betreiben. Auf Anweisung des damaligen saarländischen Gesundheitsministers wurde die Betriebserlaubnis
trotzdem erteilt.
Gegen diese Betriebserlaubnis klagte die Saarländische Apothekerkammer beim zuständigen Verwaltungsgericht
in Saarlouis. Das Verwaltungsgericht legte am 20. März 2007 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor (3K 361/06, A&R 2007, 140 ff.).
1. Entspricht das deutsche Apothekenrecht dem europäischen Recht?
2. Welches Recht ist anzuwenden, wenn das deutsche Recht dem europäischen Recht widerspricht?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Aktuelle Situation zum Fremdbesitz von Apotheken in Europa / Regelungen in den EU-Staaten
- 2.1. Nationale Regelungen innerhalb der EU
- 2.2. Referenzbeispiele für Fremdbesitzregelungen
- 2.2.1. Fremdbesitz erlaubt und Niederlassungsfreiheit
- 2.2.2. Fremdbesitz erlaubt, jedoch mit den folgenden Niederlassungs-einschränkungen
- 2.2.3. Fremdbesitzverbot mit Minderheitsbeteiligung
- 2.2.4. Ausschließliches Fremdbesitzverbot
- 2.3. Stellungnahmen einiger EU-Vertragsstaaten
- 2.4. Vorgaben des deutschen Apothekengesetzes (ApoG)
- 3. Gründe und Ziele des Fremdbesitzverbotes
- 3.1. Gesundheitsschutz durch die Besonderheit der Ware "Arzneimittel"
- 3.2. Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung mit Arzneimitteln
- 3.2.1. Sicherstellung durch sachkundige Beratung bei der Abgabe von Arzneimitteln
- 3.2.2. Sicherstellung durch die Gewährleistung unabhängiger Beratung und Kontrolle
- 3.3. Schutz der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der sozialen Sicherungssysteme
- 4. Einfluss des Europarechts
- 4.1. Regelungskompetenz der EU im Gesundheitsbereich
- 4.2. Einfluss des Gemeinschaftsrechts im Kollisionsfall
- 4.3. Vereinbarkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbotes mit europäischen Gemeinschaftsrecht
- 4.3.1. Sekundäres Gemeinschaftsrecht
- 4.3.2. Primäres Gemeinschaftsrecht
- 4.3.2.1. Keine Diskriminierung
- 4.3.2.2. Gründe des Allgemeinwohls
- 4.3.2.3. Eignung der Maßnahme zur Erreichung des Ziels
- 4.3.2.4. Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
- 4.4. Indirekte Harmonisierung durch festgelegte Grundfreiheiten und Wettbewerbsrecht
- 4.5. Verfahren wegen Mehr- und Fremdbesitzverbote für Angehörige freier Berufe
- 4.5.1. Mehrbesitzverbot als Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit
- 4.5.2. Fremdbesitzverbot als Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit
- 4.5.3. Beispiel Optiker in Griechenland
- 4.5.4. Keine Vergleichbarkeit von Arzneimittel und Medizinprodukt (Brille)
- 4.5.5. Keine Vergleichbarkeit von Heilberuf (Apotheker) und Optiker
- 5. Aktuelle Verfahren zum Apothekenrecht
- 5.1. Aktuelle Verfahren wegen apothekenrechtlicher Fremdbesitzverbote
- 5.2. Verfahren der Kommission gegen Deutschland - "Doc Morris-Apotheke"
- 5.3. Stellungnahme zum Vorlagebeschluss
- 6. Rechtliche Würdigung des EuGH
- 6.1. Dienstleistungsfreiheit
- 6.2. Ausnahmetatbestände
- 6.3. Rechtfertigungstatbestände
- 6.3.1. Maßnahmen wirken nicht mittelbar diskriminierend
- 6.3.2. Weitere Kriterien für Rechtfertigungstatbestände
- 7. Das aktuelle Urteil des EuGH vom 19.05.2009 und mögliche Konsequenzen
- 7.1. Zusammenfassung der Urteilsbegründung
- 7.2. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das deutsche Apothekenrecht hinsichtlich des Fremd- und Mehrbesitzverbotes im Kontext der europäischen Gesetzgebung. Ziel ist es, die Vereinbarkeit des deutschen Rechts mit dem europäischen Recht zu analysieren und die rechtlichen Argumente zu beleuchten.
- Vereinbarkeit des deutschen Fremdbesitzverbotes für Apotheken mit EU-Recht
- Analyse der Rechtfertigungsgründe des deutschen Verbotes
- Auswirkungen des europäischen Rechts auf die nationale Apothekenregulierung
- Bedeutung des Gesundheitsschutzes und der Arzneimittelversorgung
- Bewertung der Rechtsprechung des EuGH
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Ausgangspunkt der Arbeit: den Konflikt zwischen dem deutschen Fremdbesitzverbot für Apotheken und der Betriebserlaubnis für eine DocMorris-Apotheke in Saarbrücken. Sie führt die zentralen Forschungsfragen ein, die im weiteren Verlauf der Arbeit beantwortet werden sollen: die Vereinbarkeit des deutschen Apothekenrechts mit dem europäischen Recht und die anzuwendende Rechtslage im Falle eines Widerspruchs.
2. Aktuelle Situation zum Fremdbesitz von Apotheken in Europa / Regelungen in den EU-Staaten: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Regelungen zum Fremdbesitz von Apotheken in den EU-Mitgliedsstaaten. Es zeigt die Bandbreite von vollständigen Fremdbesitzverboten bis hin zu liberaleren Regelungen mit unterschiedlichen Einschränkungen auf. Es werden verschiedene nationale Regelungen und Referenzbeispiele vorgestellt, um die Diversität der europäischen Rechtslage zu verdeutlichen. Das Kapitel beleuchtet auch die Vorgaben des deutschen Apothekengesetzes (ApoG) und seinen Gegensatz zu anderen europäischen Ländern.
3. Gründe und Ziele des Fremdbesitzverbotes: Hier werden die Begründungen für das deutsche Fremdbesitzverbot detailliert dargelegt. Der Fokus liegt auf dem Schutz der Arzneimittelversorgung, der Gewährleistung einer sachkundigen Beratung und dem Schutz der sozialen Sicherungssysteme. Es wird argumentiert, dass der besondere Charakter von Arzneimitteln einen Schutz vor rein wirtschaftlichen Interessen erfordert, um die Qualität und Sicherheit der Versorgung zu gewährleisten. Die Kapitel betont die Verantwortung von Apotheken im Gesundheitswesen und die Notwendigkeit eines angemessenen rechtlichen Rahmens.
4. Einfluss des Europarechts: Dieses Kapitel analysiert den Einfluss des Europarechts auf das deutsche Apothekenrecht. Es untersucht die Kompetenzverteilung zwischen EU und den Mitgliedsstaaten im Gesundheitsbereich und beleuchtet den Einfluss des Gemeinschaftsrechts im Falle von Konflikten mit nationalem Recht. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Vereinbarkeit des Fremdbesitzverbotes mit den europäischen Grundfreiheiten, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit. Das Kapitel erörtert detailliert die Kriterien, die im Konfliktfall zu berücksichtigen sind.
5. Aktuelle Verfahren zum Apothekenrecht: Dieses Kapitel beschreibt aktuelle Verfahren, die sich mit dem deutschen Fremdbesitzverbot für Apotheken befassen. Ein zentraler Fall ist das Verfahren der Kommission gegen Deutschland bezüglich der DocMorris-Apotheke. Es werden relevante Aspekte und Stellungnahmen zu diesem Fall vorgestellt.
6. Rechtliche Würdigung des EuGH: Dieses Kapitel analysiert die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Thema Fremdbesitzverbote und die Kriterien für Ausnahmen und Rechtfertigungen. Es beleuchtet die Dienstleistungsfreiheit und die möglichen Einschränkungen, sowie die Kriterien für die Rechtfertigung von staatlichen Eingriffen in diese Freiheit.
Schlüsselwörter
Apothekenrecht, Fremdbesitzverbot, Mehrbesitzverbot, Europarecht, Dienstleistungsfreiheit, Arzneimittelversorgung, Gesundheitsschutz, DocMorris, EuGH, Gemeinschaftsrecht, Wettbewerbsrecht, nationale Regelungen, EU-Harmonisierung.
Häufig gestellte Fragen zum Thema "Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken im europäischen Kontext"
Was ist das zentrale Thema dieses Dokuments?
Das Dokument analysiert die Vereinbarkeit des deutschen Verbots von Fremd- und Mehrbesitz von Apotheken mit dem europäischen Recht. Es untersucht die rechtlichen Argumente, die für und gegen dieses Verbot sprechen, und beleuchtet die Auswirkungen der europäischen Rechtsprechung auf die nationale Apothekenregulierung.
Welche Aspekte des deutschen Apothekenrechts werden untersucht?
Der Fokus liegt auf dem Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken in Deutschland. Die Analyse umfasst die rechtlichen Grundlagen, die Ziele des Verbots (z.B. Gesundheitsschutz, Arzneimittelversorgung), und die Vereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit.
Welche Rolle spielt das Europarecht?
Das Europarecht, speziell die Dienstleistungsfreiheit, spielt eine zentrale Rolle. Das Dokument untersucht, ob das deutsche Verbot mit den Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes vereinbar ist und welche Ausnahmen oder Rechtfertigungsgründe gegebenenfalls in Betracht kommen. Es werden auch Verfahren und Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) analysiert.
Welche Argumente werden für das Fremdbesitzverbot angeführt?
Die Hauptargumente für das Verbot beziehen sich auf den Schutz des Gesundheitssystems und die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung. Es wird argumentiert, dass der besondere Charakter von Arzneimitteln und die Notwendigkeit einer sachkundigen Beratung einen Schutz vor rein wirtschaftlichen Interessen erfordern.
Welche Gegenargumente werden berücksichtigt?
Gegenargumente beziehen sich vor allem auf die Dienstleistungsfreiheit des europäischen Rechts. Es wird geprüft, ob das Verbot eine unverhältnismäßige Einschränkung dieser Freiheit darstellt und ob die angegebenen Rechtfertigungsgründe (z.B. Gesundheitsschutz) tatsächlich gewichtig genug sind.
Welche Rolle spielt der EuGH?
Der EuGH spielt eine entscheidende Rolle, da er über die Vereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem europäischen Recht entscheidet. Das Dokument analysiert die Rechtsprechung des EuGH zu ähnlichen Fällen und bewertet die Relevanz seiner Urteile für das deutsche Apothekenrecht.
Welche konkreten Fälle werden behandelt?
Ein wichtiger Fall ist das Verfahren der EU-Kommission gegen Deutschland bezüglich der DocMorris-Apotheke. Dieses Verfahren dient als Beispiel für den Konflikt zwischen nationalem Recht und europäischem Recht im Bereich des Apothekenrechts.
Welche Kapitel umfasst das Dokument?
Das Dokument gliedert sich in Kapitel zur Einleitung, der aktuellen Situation zum Fremdbesitz in Europa, den Gründen und Zielen des Verbots, dem Einfluss des Europarechts, aktuellen Verfahren, der rechtlichen Würdigung des EuGH, und dem Urteil des EuGH vom 19.05.2009 mit Ausblick.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Apothekenrecht, Fremdbesitzverbot, Mehrbesitzverbot, Europarecht, Dienstleistungsfreiheit, Arzneimittelversorgung, Gesundheitsschutz, DocMorris, EuGH, Gemeinschaftsrecht, Wettbewerbsrecht, nationale Regelungen, EU-Harmonisierung.
Für wen ist dieses Dokument relevant?
Dieses Dokument ist relevant für Juristen, Apotheker, Politikwissenschaftler und alle, die sich mit dem deutschen und europäischen Apothekenrecht, dem Gesundheitswesen und dem europäischen Binnenmarkt befassen.
- Quote paper
- Brunhilde Fellermeier (Author), 2009, Deutsches Apothekenrecht zum Fremd- und Mehrbesitzverbot im Kontext der europäischen Gesetzgebung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150506