Informationsstruktur und Fokuskonstruktionen des Spanischen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Übersicht

2. Terminologie zur Informationsstruktur

3. Grundwortstellung im Spanischen

4. Herausstellungen nach links im Spanischen
4.1. Hanging Topic
4.2. Linksversetzung

5. Fokus zwischen Syntax und Phonologie
5.1. Kontrastfokus: Prosodische Restrukturierung
5.2. Kontrastfokus: Syntaktische Restrukturierung
5.2.1. Verb-Objekt-Subjekt (VOS)
5.2.2. Verb-Objekt-PP-Subjekt (VOPS)
5.2.3. Verb-PP-Objekt (VPO)

6. Fazit

7. Bibliographie

1. Übersicht

Die hier vorliegende Arbeit verfolgt zwei Hauptanliegen: zum einen ist dies die Vermittlung von Basiskenntnissen und spezifischer Terminologie im Bereich der satzbezogenen Informationsstruktur im Allgemeinen. Zum anderen soll in ihr ein gezielter Blick auf die informationsstrukturellen Charakteristika des Spanischen gerichtet werden. Dieser Hauptteil der Arbeit wird wie folgt aufgebaut sein: Nach einer kurzen Einführung zur Grundwortstellung des Spanischen, d.h. derjenigen Satzkonstituentenabfolge, die aus syntaktischer Perspektive den informationsstrukturell unmarkierten Fall darstellt, sollen die ersten hier zu besprechenden Formen der Abweichung von dieser Unmarkiertheit vorgestellt werden: die sog. Hanging Topic-Konstruktion und die Linksversetzung, beides Formen der Herausstellung des Satzthemas in die linke Satzperipherie. Anschließend wird unser Augenmerk auf die verschiedenen Möglichkeiten der Fokussierung im Spanischen gerichtet sein, d.h. auf die diskursive Hervorhebung bestimmter Satzteile sowohl mit prosodischen Mitteln als auch über die Ebene der Syntax und die damit einhergehende Neuordnung der satzeigenen Konstituenten.

Der Natur der Sache gemäß erstreckt sich die Relevanz der hier zu besprechenden Verfahrensweisen, der ihnen zugrunde liegenden Motivationen und der damit verbundenen Intentionen seitens der Sprecher hauptsächlich auf die mündliche Nähesprache; es steht somit also eine eher auf die spontane, gesprochene Kommunikation ausgerichtete Perspektive im Vordergrund, wodurch einige der hier in schriftlicher Form präsentierten Beispielsätze u. U. ein leicht befremdliches Gefühl im Leser auslösen könnten.

Nach einer konzisen Darstellung der unmarkierten syntaktischen und prosodischen Phrasierungsmuster des Spanischen, durch die i. d. R. nur informationeller Fokus ausgedrückt werden kann, werden die Möglichkeiten systematischer Digression von den Grundwortstellungen SVO (und VSO) beschrieben werden, vermittels derer insbesondere kontrastive Fokussierung realisiert wird. Zur gezielten Hervorhebung bestimmter Satzelemente aus diskurspragmatischen Notwendigkeiten heraus stehen im Spanischen verschiedene Methoden zur Verfügung, welche im Folgenden detailliert untersucht werden sollen.

2. Terminologie zur Informationsstruktur

Zu den in diesem Kontext als essentiell hervorzuhebenden informationsstrukturellen Begriffen zählt u.a. der des Themas. Oftmals mit dem des ‚Topics’ synonym verwendet, lässt sich das Thema gemäß den Theorien der Prager Schule als diejenige Satzkomponente verstehen, die als Teil der thematischen Progression als Bezugnahme auf und logischen Anschluss an den propositionalen Gehalt (d.h. Thema und Rhema zusammen) des vorangegangenen Satzes fungiert. Das Thema wird wiederum durch das Rhema, oft auch als ‚Kommentar’ bezeichnet, ergänzt, welches derjenige Informationsträger im Satz ist, der noch nicht bzw. nicht mehr diskurssaliente Elemente einführt, die ihrerseits inhaltlich an das Thema gebunden sind. Aus dieser kontinuierlichen Dynamik zwischen dem Rhema des einen Satzes und dem Thema des darauf Folgenden resultiert letztlich auch der von Krifka referierte ständige Auf- und Umbau des so genannten Common Ground (CG), der wiederum den zeitlich unmittelbaren und sich reziprok erweiternden (oder zumindest wandelnden) Wissensstand der Sprecher darstellt. In diesem Auf und Ab der informationsdynamischen Kurve innerhalb eines Gespräches1 sieht Krifka „a promising way of modeling the distinction between presuppositions, as requirements for the input CG, and assertions or proffered content, as the proposed change in the output CG.“2 Somit befinden sich Präsuppositionen als die notwendigen, impliziten Vorraussetzungen für den potentiellen Wahrheitsgehalt eines Gesprächs, die auf dem weltlichen und dem situationellen Wissen der Sprecher basieren, und die jeweils neu ‚eingegebene’ Informationseinheit, die in den expliziten Äußerungen („assertions“) besteht, in einem unbegrenzt additiven Verhältnis, so dass sich die Wissenshorizonte, rein theoretisch, in einem fort gegenseitig aktualisieren und nivellieren.3

Wichtig ist außerdem der Umstand, dass die Dichotomie Thema/Rhema grundsätzlich keine Aussage bezüglich der syntaktischen Gliederung der Satzkonstituenten gestattet, sondern stattdessen eine rein informationsstrukturelle, also eine eher abstrakte Ordnung wiedergibt. Auch wenn das Thema des Satzes häufig mit dessen Vorfeld assoziiert wird, und das Rhema mit dessen Nachfeld, so lässt sich diese Zuordnung i. d. R. nur mit der Grundwortstellung SVO vereinbaren, aber nicht mit den von ihr aus abgeleiteten Konstituentenfolgen.

Aufgrund der definitorischen Ähnlichkeit sind in diesem Kontext ebenso relevant die Termini Topic und Kommentar. Wie bereits erwähnt, wird dieses Begriffspaar nicht selten mit der eben präsentierten Dichotomie Thema/Rhema aus der Funktionalen Satzperspektive der Prager Schule gleichgesetzt.

Gemeiniglich wird als Topic derjenige Satzteil identifiziert, der den inhaltlichen Hauptgegenstand der Aussage bildet und in direkter oder indirekter Relation zu dem Inhalt des vorigen Satzes bzw. des aktuellen Diskurses insgesamt steht. Dieser (präsupponierte) Satzgegenstand, der sich prototypisch in satzinitialer Position befindet und die grammatische Funktion des Subjekts innehat, wird anschließend von der ihm folgenden VP näher beschrieben, so dass diese ihrerseits den so genannten Kommentar zu dem Topic bildet. Krifka weist noch auf eine häufige Ursache für Missverständnisse hin: die Vermischung der Konzepte ‚Topickonstituente’ („topic constituent“) und ‚Topicreferent’ („topic referent“ bzw. „topic denotation“). So gemahnt er mehr Präzision im Umgang mit diesen Termini und ihrer graphischen Repräsentation im wissenschaftlichen Diskurs: während sich ‚Topickonstituente’ auf die durch das Topic besetzte syntaktische Kategorie bezieht, spricht man von einem Topicreferenten, wenn das durch eben jene syntaktische Kategorie kodierte außersprachliche Denotat gemeint ist.

3. Grundwortstellung im Spanischen

Die Satzkonstituentenfolge, die als unmarkiert, d.h. als relativ frei von diskursstrategischen Überlegungen seitens des Sprechers anzunehmen ist, ist im Spanischen die Abfolge Subjekt-Verb-Objekt (SVO):

(1) Pepe (S) comió (V) un taco (O).

PEPE ESSEN:3.Sg.Perf. indef.Art.+TACO

Dt.: Pepe aß eine Pizza.

Zusätzlich zu SVO lässt das Spanische auch eine zweite Wortstellung als unmarkiert zu, und zwar Verb-Subjekt-Objekt (VSO), deren Status als genuin idiomatische Grundwortstellung (ob markiert oder unmarkiert) allerdings nicht einstimmig bestätigt ist. VSO, so Zubizarreta (1999), ist ebenso wie SVO keinerlei engen oder kontrastiven Fokussierung in den Dienst gestellt4:

(2) Acaba de romper (V) el niño (S) una jarra de cristal (O). ZERBRECHEN:3.Sg.ModAsp+Präp+Inf. Def.Art.+KIND.Sg. Indef.Art.+KRUG+Präp+GLAS.Sg. Dt.: Das Kind hat eben einen Glaskrug zerbrochen.

Aufgrund der relativen Zweifelhaftigkeit dieser Wortstellung für das Standardspanische5 soll VSO in dieser Arbeit nicht weiter als unmarkiert berücksichtigt werden. Einige Fälle von VSO, die im Spanischen weitestgehend universal sind, sind u.a.: 1) intransitives Verb + satzfinales Subjekt (Typ Llega el tren.) und 2) unpersönliche Passivkonstruktionen (Typ Se venden tacos.).6

Wenn also SVO (ebenso wie in den meisten europäischen Sprachen) als die für das Spanische grundsätzlich unmarkierte Wortstellung anzunehmen ist,7 dann ergibt sich daraus die Schlussfolgerung, dass sämtliche weiteren zulässigen syntaktischen Kombinationen einer gesonderten und von der Grundwortstellung divergierenden Funktion zuzuordnen sind. Wie diese diskurspragmatisch markierten Satzkonstruktionen ihren jeweiligen Funktionen nachkommen, soll einen Teil der in diesem Rahmen zu klärenden Fragen ausmachen. Da insbesondere die informationsstrukturellen Termini von den verschiedenen Autoren nicht durchweg identisch verwendet werden, soll hier eine kurze Definition der in dieser Arbeit gebrauchten Begriffe gemäß meines Verständnisses erfolgen. Diese] Definition wird hauptsächlich an Zubizarreta (1999) und Krifka (2007) angelehnt sein.

4. Herausstellungen nach links im Spanischen

Zubizarreta nennt für das Spanische zwei Arten der Herausstellung von Satzkonstituenten in die linke Satzperipherie zur Signalisierung ihrer unmittelbaren Relevanz in Bezug auf die sich direkt anschließende Information, die den satzförmigen Teil der gesamten Proposition (linksperiphere XP + Matrixsatz) stellt.

4.1. Hanging Topic (HT)

Das Hanging Topic, als eine dieser beiden Arten, dient insbesondere des Verweises auf einen neu bzw. erneut in den Diskurs eingeführten Gegenstand, kündigt also explizit einen Wechsel des Diskursthemas an, weshalb es auch optional durch eine derselben Funktion wie das HT selbst unterstellten Formel begleitet auftreten kann, so z.B. durch en cuanto a / en lo que toca a / concerniente a usf.:8

(4) (En cuanto a) Pepe, pues está comiendo un taco. Dt.: (Was…) Pepe (…angeht), also der isst gerade einen Taco.

Aus syntaktischer Perspektive lässt sich als wesentliche Eigenschaft des HTs dessen zahlreiche Formen der Wiederaufnahme innerhalb des Matrixsatzes anführen. So kann es innerhalb dessen entweder durch a) ein starkes Pronomen, b) ein klitisches Pronomen, c) ein Demonstrativpronomen, d) ein Epitheton, oder e) durch eine partiell koreferierende XP (+ indirektes Objektpronomen le(s)) wieder aufgenommen werden:9

(5) a) El hermano, parece que los padres hablan sólo de é l.

Dt.: Der Bruder, es scheint, die Eltern redeten nur von ihm.

b) El hermano, parece que sus padres lo quieren mucho.

Dt.: Der Bruder, es scheint, als liebten ihn seine Eltern sehr.

c) En cuanto a la capacidad científica del señor González, basta con mencionar que é ste acaba de ganar el premio Nobel.

Dt.: Was die wissenschaftliche Tauglichkeit des Hr. G. betrifft, es genügt (wohl), zu erwähnen, dass dieser kürzlich den Nobelpreis verliehen bekommen hat.

d) El hermano, parece que el desgraciado se lleva bien con todo el mundo.

[...]


1 Dieses Bild der Kurve ist hier im Sinne des jeweiligen Wissensstandes der Gesprächsteilnehmer zu verstehen, dessen Verlauf ein fortwährendes, komplementäres Auf und Ab darstellt: je nachdem, wer gerade eine Information äußert („output“) bzw. sie vernimmt („input“), stellt diese für ihn entweder altes oder neues Wissen dar, was sich wiederum aus der Sicht des anderen Gesprächspartners exakt entgegengesetzt, also komplementär verhält.

2 Krifka, 15f. Hervorhebungen im Original.

3 Krifka fährt fort, indem er den CG binär aufschlüsselt in „CG content“ und „CG management“, wobei er unter Ersterem den rein wahrheitsgebundenen, informativen Wert („truth-conditional information“) und unter Letzterem den illokutiven Gehalt („communicative interests and goals of the participants“) einer Eingabe in den CG versteht.

4 Die Behauptung, dass SVO und VSO „son independientes de consideraciones discursivas“ (Zubizarreta, 1999, S.4217) und ihre Reduzierung zu rein grammatikalischen Bedingungen scheint mir jedoch zu drastisch, da letztlich jede sprachliche Äußerung einer bestimmten diskursiven Absicht anheim gestellt ist, auch wenn sie kein eng fokussiertes Material birgt.

5 Costa (2001) fasst die Debatte zu VSO wie folgt zusammen: „authors disagree on what the basic word order in Spanish is. Some studies claim that the basic word order of Spanish is VSO (Ordóñez and Treviño 1995; Zubizarreta 1995).“ Auch Zagona (2002, 27) referiert die Uneindeutigkeit des Status von VSO (in finiten Deklarativsätzen): „V-S-O sequences in finite declaratives may be less natural than S-V-O and V-O-S orders. The naturalness of V-S-O sentences may vary from speaker to speaker, and may depend also on lexical properties of the sentence.“

6 Vgl. Gabriel, 161f.

7 Dies gilt nur unter der Annahme eines neutralen Nuklearakzentes, d.h. bei einem insgesamt kontinuierlichen Abstieg der F0-Frequenzkurve und einem satzfinalen L%-Ton.

8 Die Autorin übernimmt zwar die von Cinque (1983) und Dolci (1986) vorgeschlagene Übersetzung des Begriffs in „tema vinculante“, expliziert jedoch auch die Deckungsgleichheit der beiden Termini.

9 Beispiele an Zubizarreta (1999) angelehnt.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Informationsstruktur und Fokuskonstruktionen des Spanischen
Hochschule
Freie Universität Berlin  (IZ Europäische Sprachen)
Veranstaltung
Schnittstelle Syntax-Phonologie
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V150896
ISBN (eBook)
9783640622443
ISBN (Buch)
9783640621927
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thema, Rhema, Topik, Hintergrund, Fokus, Spaltsatz, Kontrast, Präsupposition, Proposition, Satzakzent, Intonation, Prosodie, Wortakzent, Phonologie
Arbeit zitieren
Alexander Zuckschwerdt (Autor:in), 2009, Informationsstruktur und Fokuskonstruktionen des Spanischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150896

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