Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Zusammenfassung des Films „Das Leben der Anderen“
3. Oppositionelle Intellektuelle in der
4. Umfassen die Definitionen von Macht und Herrschaft von Max Weber (1976) das ausgesuchte Beispiel?
5. Inwieweit umfasst Baumanns (2000) Konstrukt der Macht das ausgewählte Beispiel?
6. Kritik
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Es soll anhand des Films „Das Leben der Anderen“ von Florian Henckel von Donnersmarck (2006) untersucht werden, inwieweit die regimekritischen Intellektuellen in der DDR die Regierung und insbesondere den Staatssicherheitsdienst (kurz SSD oder „Stasi“) beeinflussten und besonders ob es gerechtfertigt ist, in diesem Zusammenhang von Macht und Herrschaft im weberschen Sinne (Weber 1976) zu sprechen. Zusätzlich soll die Baumannsche Definition von Macht (Baumann 2000) zur Beschreibung herangezogen werden.
Nach einem Überblick über den für diese Arbeit relevanten Filmteil wird die Situation der (regimekritischen) Intellektuellen in der DDR allgemein beschrieben, ehe mithilfe der oben genannten Konstrukte näher auf das Beispiel in dem oben genannten Film eingegangen wird.
2. Zusammenfassung des Films „Das Leben der Anderen“
Im folgenden soll lediglich der für das Verständnis der vorliegenden Arbeit notwendige Teil des komplexen und mehrschichtigen fiktiven Films „Das Leben der Anderen“ (Henckel von Donnersmarck 2006) vereinfacht zusammengefasst werden (der interessierte Leser sei auf Henckel von Donnersmarck 2007 verwiesen).
Im Mittelpunkt des Films stehen der Stasi-Apparat und die Kulturszene von Ostberlin. Der Stasi- Hauptmann Gerd Wiesler wird 1984 mit der Überwachung des eigentlich als linientreu geltenden Dramatikers Georg Dreyman beauftragt. Hierfür wird Letzteren Wohnung komplett verwanzt. Doch während der Überwachung beginnt Wiesler sich immer stärker zu fragen, ob er noch auf der richtigen Seite steht und unterschlägt die stärker werdende Regimekritik von Dreyman in seinen Aufzeichnungen komplett. Deren heftigster Ausbruch findet sich in einem Artikel, den Dreyman für das Westdeutsche Magazin Der Spiegel verfasst. Der Bericht diskutiert die ungewöhnlich hohe Selbstmordrate in der DDR, über die seit 1977 keine offizielle Statistik mehr geführt wird. Es überrascht wenig, dass die Publikation in SED-Kreisen sehr wenig Begeisterung hervorrief. Jedoch konnte dank Wieslers heimlicher Unterstützung Dreymans Urheberschaft nicht nachgewiesen werden.
3. Oppositionelle Intellektuelle in der DDR
Oppositionelle Gruppen hatten es in der DDR nicht leicht. So gelang es der Stasi in nahezu allen oppositionellen Gruppen unter Befolgung fester Regeln Inoffizielle Mitarbeiter (IM) einzuschleusen bzw. dort anzuwerben und teilweise mehrere Jahre zu halten. IM hätten „nicht nur zur Beschädigung von Persönlichkeiten beigetragen, sondern auch die politische Wirkung der Opposition eingeschränkt“ (Neubert 2000b: 187f). Künstler hätten es generell nicht einfach gehabt. Bekanntere wie Sarah Kirsch, Manfred Krug oder Wolf Biermann siedelten in den Westen um bzw. wurden umgesiedelt. Jüngere bemühten sich um „die Schaffung einer 'parallelen' Zweiten Kultur, unabhängig von staatlich kontrollierten Verlagen, Theatern und Kunstvereinen.“ Treffpunkte waren wechselnde Clubs, Ateliers oder Wohnungen (vgl. Rosenthal 2000: 234). Manche Autoren wie Detlef Pollack sehen die Rolle von Oppositionellen kritisch: Sie hätten sich (zumindest in den 80ern) selbst überschätzt, in Distanz zur Bevölkerung gestanden und nur eine geringe Rolle vor und in der Revolution von 1989 gespielt (Pollack o.J., zitiert nach Neubert 2000a: 17). Diese Sicht wird jedoch auch angezweifelt (vgl. Neubert 2000a: ebd.; vgl. auch unten) Jedoch seien kritische Intellektuelle Wolfgang Bialas zufolge besonders in Zeiten von Repression und Diktatur das Gewissen einer Gesellschaft, sie dienten als öffentliche Vorbilder und hielten den politisch Mächtigen einen Spiegel vor (vgl. Bialas 1996: 289).
Doch nicht nur Intellektuelle, auch „bodenständige Bauern, sozialistische Visionäre und Jugendliche aus subkulturellen Milieus“ seien unter den Oppositionellen der DDR-Regierung zu finden gewesen (Neubert 2000a: 15). Auch eine andere Form der Gliederung ist möglich. Ilko- Sascha Kowalczuk unterscheidet bspw. zwischen vier Arten des Widerstands bzw. der Opposition auf der Verhaltensebene: Von „gesellschaftlicher Verweigerung“ über „sozialen Protest“ und „politischer Dissens“, der vor allem von der „bürgerlichen“ und „soziokulturellen“ Opposition praktiziert worden sei, hin zur wirksamsten Form, dem „Massenprotest“ (Kowalczuk, zitiert nach Neubert 2000a: 17).
Besonders die dritte, den „politischen Dissens“ praktizierende Gruppe in den 1980er Jahren soll nun näher betrachtet werden, da der fiktive Dramatiker Georg Dreyman (s.o.) am ehesten zur ihr gezählt und sein Handeln so in einen gesellschaftspolitischen Kontext eingebettet werden kann. Ausgelöst durch Friedensbewegungen in Westdeutschland oder der Gründung und anschließenden Zerschlagung der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc wurden auch in der DDR (verstärkt) Friedensaktivisten aktiv. Ein Höhepunkt derselben stellt sicherlich der von dem Chemiker und schon vom 3.Reich her als Widerständler bekannte Robert Havemann und dem Theologen Rainer Eppelmann verfasste Appell „Frieden schaffen ohne Waffen“ dar (vgl. Eisenfeld 2000: 28). Diesen Appell trugen „über 2000 Unterzeichner“ mit (Kowalczuk 2000: 103). Darauf folgende Repressalien des SED-Regimes führten zu einem Rückzug der Friedensbewegung unter das Dach der Kirche. Dies widerum hatte eine Abschwächung freiheitlich-demokratischer Aktivitäten zur Folge, obgleich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre das „Weltklima“ besonders durch Verständigungen zwischen USA und UdSSR sowie der sowjetischen Glasnost-Politik hierfür „günstiger“ wurde. Jedoch traten u.a. unter jenen Gruppen Spaltungstendenzen auf, welche sich kirchlicher Bevormundung entziehen wollten (vgl. ebd.: 29). Zeitgleich trat allerdings auch von dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als Formierungsort oppositioneller Kräfte angesehene Untergrundliteratur, sogenannte Samsidate, in Erscheinung (vgl. ebd.: 30).
Die Repressalien hätten letztendlich, d.h. Ende der 80er, jedoch nur zu einer DDR-weiten „Solidaritätswelle sowie [zu einer] Politisierung der Gesamtbewegung“ geführt (ebd).
4. Umfassen die Definitionen von Macht und Herrschaft von Max Weber (1976) das ausgesuchte Beispiel?
Zuerst soll untersucht werden, ob es gerechtfertigt ist davon zu sprechen, dass die regimekritischen Intellektuellen Macht im weberschen Sinne über den Regierungsapparat der DDR hatte.
Max Weber (1976) definiert Macht als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstand durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ (S.28)
Diese Definition deckt sich übrigens recht gut mit dem Hinweis des Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti, dass das Wort Macht „sich aus einer alten gotischen Wurzel 'magan' für 'können, vermögen' her[leitet] und (...) mit dem Stamm 'machen' überhaupt nicht verwandt“ sei (vgl. Canetti 1990: 313).
Doch betrachten wir nun die in dem Film dargestellte Situation. Der von Sebastian Koch gespielte Dramatiker Georg Dreyman führt gewisse Dinge wie das Verfassen eines später im bundesdeutschen Magazins „Der Spiegel“ veröffentlichten Berichts über die außergewöhnlich hohe Selbstmordrate in der DDR in dem Wissen durch, dass er die DDR-Regierung damit in Aufruhr versetzt und setzt so in einem gewissen Sinne „den eigenen Willen auch gegen Widerstand“ (Weber 1976: 28) durch. Auch wenn der „Triumph“ sicher nur von kurzer Dauer ist und es Dreyman wohl schlecht ergehen wird, wenn der Stasi der Nachweis gelingt, dass er der Autor des Artikels ist - der entscheidende Punkt ist, dass Webers Definition keine Zeitkomponente enthält. Sie, die Definition, sagt weiter nichts darüber aus, wie oft der eigene Wille „gegen Widerstand durchzusetzen“ sei, mithilfe welcher Methoden jene Handlungen auszuüben seien, damit sie als Macht bezeichnet werden können und ob die Handlungen der eigenen Initiative entspringen sowie ob (negative) Konsequenzen zu befürchten sind.
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