Whiteness in der Literatur und im Kino der Gegenwart

Eine Analyse am Beispiel des Romans und gleichnamigen Films "Losing Isaiah"


Magisterarbeit, 2008

125 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis

Vorwort zur Schreibweise in der vorliegenden Arbeit und Selbstpositionierung

1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Gliederung
1.3 Stand der Whiteness-Literatur

2 THEORIE DER CRITICAL WHITENESS STUDIES
2.1 Historischer Kontext und Entwicklung der Critical Whiteness Studies
2.2 Definitionen von Whiteness
2.3 Whiteness in der Literatur
2.4 Whiteness im (Hollywood-)Film

3 VERGLEICHENDE ANALYSE VON WHITENESS IN DER LITERATUR UND IM FILM AM BEISPIEL VON LOSING ISAIAH
3.1 Auswahl des Untersuchungsgegenstandes und Kurzbeschreibung
3.2 Metakategorien von Whiteness im Roman und Film Losing Isaiah
3.2.1 Gesellschaftliche Aspekte von Whiteness in Losing Isaiah
3.2.1.1 Beruf und Wohlstand
3.2.1.1.1 Kapitalismus als Negativkriterium im Roman
3.2.1.1.2 Khailas Preis für Whiteness im Film
3.2.1.2 Bildung und Intellekt
3.2.1.2.1 Mensch-Tierdichotomie im Roman
3.2.1.2.2 Khailas Erweiterte Kompetenzen im Film
3.2.1.3 Heim als Zuflucht
3.2.1.3.1 Weißes Netzwerk Manhattan im Roman
3.2.1.3.2 Mangel an Rückzugsmöglichkeiten im Film
3.2.2 Religiöse Aspekte von Whiteness in Losing Isaiah
3.2.2.1 Familie und Mutterschaft als christliche Grundwerte
3.2.2.1.1 Widersprüchliche Darstellung Margarets im Roman
3.2.2.1.2 Khailas Stigmatisierung im Film
3.2.2.2 Allmachtsfantasien eines Weißen Messias
3.2.2.2.1 Weiße Errettungen im Roman
3.2.2.2.2 Hinterfragung des Weißen Messias im Film
3.2.3 Erzieherische Aspekte von Whiteness in Losing Isaiah
3.2.3.1 Trennungstrauma oder kulturelle Entfremdung im Roman
3.2.3.2 Zerreißen der heilen Familie im Film
3.2.4 Vergleichende Betrachtung der Enden von Roman und Film

4 SCHLUSSBETRACHTUNGEN
4.1 Fazit
4.2 Ausblick

LITERATUR

FILME UND SERIEN

Anhang

Figureninventar im Roman Losing Isaiah

Figureninventar im Film Losing Isaiah

Filmdaten von Losing Isaiah

Sequenzprotokoll des Films Losing Isaiah

Weiße Privilegienliste von Peggy McIntosh

Salomos Urteil

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Khaila tanzend bei der Arbeit

Abb. 2: Khaila vor dem Prozess

Abb. 3: Khaila während des Prozesses

Abb. 4: Khaila am ersten Prozesstag

Abb. 5: Margaret am ersten Prozesstag

Abb. 6: Khaila während der dritten Prozessszene

Abb. 7: Margaret während der dritten Prozessszene

Abb. 8: Khaila während der Urteilsverkündung

Abb. 9: Margaret nach der Urteilsverkündung

Vorwort zur Schreibweise in der vorliegenden Arbeit und Selbstpositionierung

Bevor die inhaltlichen Erörterungen zum Thema folgen, sollen an dieser Stelle ei- nige Bemerkungen zur Schreibweise in der vorliegenden Arbeit gemacht und eine Selbstpositionierung versucht werden. Selbst unter den HauptvertreterInnen1 der Critical Whiteness Studies ist in der Literatur keine konsistente Schreibweise aus- zumachen. Diese Arbeit folgt deshalb dem Beispiel der AutorInnen2, welche ihre Ausdrucksweise erläutern, weil die behandelten thematischen Grundlagen politi- sche Implikationen aufweisen. Ich vertrete ebenfalls die Meinung, dass die Ausein- andersetzung mit den Critical Whiteness Studies konsequenterweise ein bewuss- tes Formulieren erfordert, da durch die Benennung bestimmter Begriffe die Hal- tung der AutorInnen zum Ausdruck gebracht wird. Ein vorangehender Hinweis soll vor allem vermeiden, durch unhinterfragte Nennung kritischer Begriffe rassistische Theorien zu reproduzieren.

Die Bezeichnung von Menschen als „Schwarz“ oder „Weiß“ und die damit verbun- dene Klassifizierung von Individuen erscheint mir grundsätzlich problematisch, denn ab welcher „natürlichen“ Hautschattierung hat man als „Schwarz“ oder „Weiß“ zu gelten? Eine außerhalb des Whiteness-Kontextes vorherrschende, an biologischen Merkmalen festgemachte Kategorisierung vernachlässigt den Aspekt der mit den Haut„farben“ einhergehenden Zuschreibungen durch die Gesellschaft. Einige AutorInnen3 bevorzugen aus diesem Grund eine Großschreibung der Ad- jektive „Schwarz“ und „Weiß“, um deren Konstruktcharakter hervorzuheben. Ich werde mich in der vorliegenden Arbeit dieser Methode anschließen, um so meine Ablehnung gegenüber einer Farbzuschreibung erkennbar zu machen. Das Thema dieser Arbeit sowie die soziale Wirklichkeit erzwingen jedoch den Gebrauch rassi- fizierender Begriffe in der Auseinandersetzung mit ihnen. „Rasse“4 als eine Kate gorie wird hier als ein soziales Konstrukt angesehen, welches der Gesellschafts- ordnung in untereinander konkurrierenden Gruppen dient und das keinerlei Aus- sagekraft über das Wesen von Personen oder Menschengruppen besitzt.5 Bei Begriffen wie „Rasse“ oder kolonialrassistischen Begriffen, deren Verwendung keinesfalls frei von gewaltvollen Zuschreibungen ist, soll durch Anführungszeichen der Status der Künstlichkeit hervorgehoben und eine Distanzierung davon deutlich gemacht werden. Gleiches gilt für einzelne Worte, von denen ich mich inhaltlich distanzieren und sie infrage stellen möchte, wie beispielsweise „normal“ oder „an- ders“.

Die Übersetzung des englischen Begriffs Whiteness müsste korrekterweise im Deutschen Weißheit lauten, welche durch die doppelte Bedeutung des phonetisch identischen Wortes Weisheit missverständlich und ungenau wird. Whiteness wird deshalb in dieser Ausarbeitung mit Weißsein synonym und der englische Begriff bevorzugt verwendet, zumal der spätere Untersuchungsgegenstand aus dem ang loamerikanischen Raum stammt und sich diese Arbeit vor allem mit der dort vor- herrschenden Whiteness befasst.6

Ferner werde ich die Begriffe AfroamerikanerInnen bzw. Schwarze sowie Nicht- Weiße Menschen verwenden, wobei selbstverständlich nicht negativ impliziert werden soll, ihnen fehle die Eigenschaft des Weißseins7 und sie wären deshalb in irgendeiner Weise unvollständig.

Eine Positionierung der schreibenden Person wird im Kontext der Critical White- ness Studies zur Notwendigkeit, da ein Merkmal von Whiteness ihre scheinbare

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

nach „Rassen“ nicht übergangen werden, obwohl sie als rassistische und unhaltbare Konstruktion längst abgeschafft gehört. Doch zum Verständnis des Themas muss sie als Grundlage für histori- sche Prozesse noch präsent bleiben. „Rasse“ als Begriff ist heute im deutschen Kontext aufgrund der Rassentheorien und der Vernichtungspolitik während der Zeit des Nationalsozialismus’ tabui- siert. Der englische Begriff race hingegen bezieht sich in heutigen Texten oftmals nicht (nur) auf biologische Merkmale, sondern vielmehr auf gesellschaftliche, soziale, kulturelle oder politische Dimensionen. Vgl. Amesberger/Halbmayr (2005), S. 135f. Tischleder (2001) und Arndt (2005) ent- scheiden sich deshalb ganz für die Verwendung des englischen Begriffs. Wollrad (2005) hingegen befürchtet dadurch eine Verharmlosung und benutzt weiterhin das deutsche Wort „Rasse“, auch deshalb, weil sie speziell über Whiteness in Deutschland schreibt. Race/ „Rasse“ als Kategorie, ihre Entstehung und daraus resultierender Rassismus in den USA wird in vielen Literaturen beschrie- ben, zum Beispiel in: Wander et al., in: Nakayama/Martin (Hg.) (1999), S. 15ff; Demny (2001); Fer- ber (1999); Daniels (1997); Brown (2003); Shipler (1997).

Neutralität ist und die daraus entstehende Verschleierungstendenz Weißer Privile- gien als eine Folge der Unsichtbarkeit angesehen werden kann, der es entgegen- zuwirken gilt. Diese konsequente Forderung einzuhalten und einer klaren Selbst- positionierung Rechnung zu tragen, fällt mir als Verfasserin dieser Arbeit schwer und begründet sich in einer differierenden Selbst- und Fremdwahrnehmung. Als Deutsche mit deutsch-thailändischen Elternteilen habe ich das von mir unbewusst empfundene Weißsein mit all seinen Vorteilen kaum hinterfragt, das „exotische Anderssein“ wurde in den seltenen Momenten als positive Abhebung zur Umge- bung innerhalb meines Deutschseins wahrgenommen. Durch die Beschäftigung mit den Critical Whiteness Studies hat sich mein Erfahrungshorizont jedoch dahin- gehend erweitert, dass ein nicht eindeutig Weißes Äußeres oftmals auch als nicht Deutsch gesehen wird und ich in der Öffentlichkeit von mir fremden Personen of- fensichtlich anders eingeordnet werde als von mir selbst. Für Astrid Albrecht- Heide ist ihr eigenes Weißsein ein gewählter Status:

Weißsein ist […] keine Aussage über meine körperliche Existenz. Es ist zuallererst eine Aussage über meinen gewählten sozialen und kulturellen Status als Weiße. […] Grundlegend für meine Sicht ist der Gedanke, dass ‚wir‘ nicht quasi ‚schicksalhaft‘ oder marionettenmäßig eingebunden sind, sondern aktiv an ‚unseren‘ Positionierun gen beteiligt sind.8

Dies bedeutet, dass die Selbsteinschätzung durchaus von einer Fremdwahrneh- mung abweichen kann, da Whiteness eben nicht allein an äußeren Merkmalen festzumachen und von vielen Aspekten abhängig ist. Ich entscheide mich zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes deshalb nach meinem ursprünglichen Empfinden für die Position der Weißen, privilegierten Autorin, die eine Arbeit über Whiteness in einem universitären, Weißen Kontext verfasst. Nach Eske Wollrad stellt Whiteness keinen endgültigen Status dar9, weshalb mit dieser Entscheidung ein möglicher zukünftiger Positionswechsel nicht ausgeschlossen werden kann.

1 EINLEITUNG

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Im gesellschaftlichen Gefüge unterliegt der einzelne Mensch zahlreichen Klassifi- zierungen nach untereinander verschränkten Kategorien wie etwa „Rasse“, Klasse oder Geschlecht.10 Eine dominierende Machtposition innerhalb dieser Gesell- schaftsstrukturen nehmen dabei Weiße Menschen ein, deren Whiteness einen gewaltvollen Einfluss auf das Leben Nicht-Weißer Menschen hat. Die Untersu- chung dieser Hegemonie Weißer Dominanz und den daraus resultierenden Privi legien der Weißen Bevölkerungsgruppe, ist das Hauptanliegen der sogenannten ‚Critical Whiteness Studies‘. Sie beschäftigen sich mit dem Ursprung und den Me- chanismen der Bevorzugung Weißer Menschen, setzten sich mit Weißen Identitä- ten auseinander und versuchen, heute noch gültige rassistische Konstruktionen aufzubrechen.

Das Vorherrschen Weißer Allmacht zeigt sich auch immer wieder in medialen Er- zeugnissen, in denen Whiteness oftmals reproduziert und nur selten kritisch reflek- tiert wird. Medienkulturelle Produkte tragen zur Identitätsbildung bei und formen die Vorstellungen des Einzelnen von Individualität, seine Auffassungen von Männ- lichkeit und Weiblichkeit, von Klasse, Ethnizität, „Rasse“, Nationalität und Sexuali- tät. Medien liefern Vorgaben, was als gut oder schlecht, als moralisch vertretbar oder kriminell anzusehen ist. Sie bieten Symbole und Mythen an, durch die Indivi duen sich selbst in den sie umgebenden Kulturkreis einordnen können und zeigen auf, wer machtlos ist oder Macht besitzt und in der Position ist, diese auszuüben.11 Im Extremfall wird das wirkliche Leben durch die Medienrealität abgelöst und das eigene Denken und Handeln maßgeblich durch sie beeinflusst.12 Hieraus leitet sich die These ab, dass Medien mittels ihrer emotionalen Ansprache in den Mei- nungsbildungsprozess eingreifen und eine große Wirkungsmacht auf den einzel- nen Menschen haben können.

In der vorliegenden Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die beiden Medien Literatur und Film von einer dominanten Weißen Sichtweise ge prägt sind. Durch ihre besondere Eigenschaft der Unsichtbarkeit ist es notwendig, Whiteness als ein Konstrukt auch im medialen Kontext sichtbar zu machen und ihre Reproduktion aufzudecken. Die folgende Analyse will exemplarisch aufzeigen, dass unsere Lebensansichten von gesellschaftlich erlernten Weißen Normen be- einflusst sind und durch Medieninhalte immer wieder bestätigt und erneuert wer- den. Zu diesem Zweck soll vor dem theoretischen Hintergrund der Critical White ness Studies eine Analyse des Romans und gleichnamigen Films Losing Isaiah13 durchgeführt werden.

Für den ausgewählten Untersuchungsgegenstand spricht die vermeintlich kritische Darstellung eines Adoptionsfalls, der in ein Schwarz-Weißes Drama eingebettet ist. Dabei scheint die Geschichte den Anspruch zu haben, Leser und Publikum zu unterhalten, bei gleichzeitiger Sensibilisierung für das Thema unterschiedlicher „Hautfarben“. Das Analysepotential von Losing Isaiah liegt außerdem in der aus- geprägt dichotomen Darstellung der Figuren, die die relationale Eigenschaft von Whiteness deutlich widerspiegeln. Weiße und Schwarze Menschen scheinen in dem Werk weder gleichrangig angelegt noch familiär vereinbar zu sein. Anliegen dieser Arbeit ist es, hegemoniales Weißsein als durchgängigen Standard in Losing Isaiah aufzudecken. Warum ist Whiteness für den ungeübten Rezipienten so schwer zu entlarven und zu hinterfragen? Auf welchen unterschiedlichen Ebenen kann Whiteness als ein machtvolles Motiv zugunsten Weißer Menschen wirken? Die Antworten auf diese Fragen sollen in der vorliegenden Untersuchung heraus- gearbeitet und an Einzelaspekten belegt werden.

1.2 Gliederung

Zunächst soll ein kurzer Überblick über die Whiteness-Literatur gegeben werden, bevor sich der erste Abschnitt der Arbeit mit der Theorie14 der Critical Whiteness Studies befasst, um den Analysegegenstand in einen wissenschaftlichen Kontext einzuordnen. Hierzu werden eine historische Einordnung und eine Definition von Whiteness für diese Arbeit vorgenommen. Anschließend folgt eine Übersicht der Merkmale von Whiteness in der Literatur und im (Hollywood-)Film.

Für den darauffolgenden Analyse- und Hauptteil der Arbeit, dem Nachweis von reproduzierter Whiteness in Losing Isaiah, wird ein Vergleich des Romans mit dem Film vorgenommen. Zu diesem Zweck werden zunächst Metakategorien von Whi- teness herausgearbeitet. Diese teilen sich in gesellschaftliche, religiöse und erzie- herische Aspekte und werden im zweiten Schritt für die Analyse durch Unterkate- gorien verfeinert. Für einen übersichtlichen Vergleich wird jeweils zunächst der Roman und anschließend der Film auf einen Aspekt hin untersucht. Die verglei- chende Betrachtung der unterschiedlichen Ausgänge von Roman und Film bildet das Ende der Untersuchung.

In der Analyse wird keine klassische Roman- und Filmanalyse vorgenommen, die das behandelte Buch auf rein erzähltheoretischer Ebene oder den Film nach for- mal-ästhetischen Merkmalen untersuchen würde. Sowohl die Besonderheiten des Textes als auch die filmästhetischen Mittel kommen nur dann zur Sprache, wenn sie für die Untersuchung relevant und auf Whiteness bezogen auffällig sind.

1.3 Stand der Whiteness-Literatur

Seit Whiteness in einem wissenschaftlichen Kontext diskutiert wird15, sind zahlrei- che Publikationen zu unterschiedlichen Fragestellungen von Whiteness erschie- nen. Deshalb sollen nachfolgend nur einzelne und für diese Arbeit wesentliche Autoren und Werke kurz vorgestellt werden, beginnend mit Toni Morrisons essay- istischem Text Im Dunkeln spielen - Weiße Kultur und literarische Imagination16 . Die auf Vorlesungen der Autorin beruhenden Essays leisten einen wichtigen Bei- trag über die Literaturwissenschaft hinaus, weil Morrison gängige Klischees und Zuschreibungen innerhalb klassischer Texte amerikanischer Weißer Autoren auf- zeigt und damit sehr früh einen vielzitierten Beitrag innerhalb der Whiteness- Diskussion geleistet hat. Ihre Anliegen sind dabei die Wandlung vom Schwarzen Objekt zum Schwarzen Subjekt und das Betreiben von Whiteness Studies für die Literatur. Darauf bezogen ist ihr eigener Beitrag allein schon deshalb erwähnens- wert, weil er als einer der ersten benannte, dass die Darstellung Schwarzer Men- schen als Objekte in den Texten häufig der Selbstversicherung einer Weißen Au- toren- und Leserschaft dient und Schwarze Menschen als Leser gar nicht ange- sprochen werden. Dabei deckt Morrison nicht nur Rassismus auf, sondern prägt auch den Begriff des amerikanischen Afrikanismus, der die Hervorhebung Weißer Gestalten und ihrer (guten) Eigenschaften durch das Herabsetzen eines Schwar zen „Anderen“ beschreibt17.

Eine umfassende Untersuchung, vor allem auf Filme sowie bildliche Darstellungen bezogen, hat der Filmtheoretiker Richard Dyer mit seinem Werk White18 geliefert, das hier neben Morrisons Text als Grundlage angesehen wird. Nach Dyer ist Whi- teness unter anderem religiös und von einer christlichen Symbolik geprägt.

Auch Bärbel Tischleder stellt ihre Untersuchungen am Kino Hollywoods an und beobachtet an vielen Filmen das gleiche Phänomen wie Morrison es in Weißer amerikanischer Literatur aufgedeckt hat: Die Darstellung des Schwarzen Körpers ist konstruiert und dient lediglich der Selbstvergewisserung des Weißen19. Mehre- re filmanalytisch relevante Sammelbände sind von Daniel Bernardi herausgege- ben worden, in denen historische Filme genauso wie neuere Produktionen20 auf Rassismus, Stereotype und Whiteness hin untersucht werden. Gwendolyn Audrey Foster konzentriert sich in ihrer Monografie Performing Whiteness – Postmodern Re/Constructions in the Cinema21 ganz auf die Darstellung Weißer Figuren im Ki- no und schafft dabei unter anderem Kategorien des guten und schlechten Weißen (Körpers) im Kinofilm. Hernán Veras und Andrew M. Gordons Werk Screen Savi- ors – Hollywood Fictions of Whiteness22 ist deshalb bemerkenswert, weil es an mehreren Filmen das Phänomen des „ messianic white self23 aufzeigt: Das Vor handensein einer Weißen Retterfigur, mit deren Hilfe Nicht-Weiße vor dem Unter- gang bewahrt und in die Weiße Welt erhoben werden. Die Verschränkung von Whiteness mit verschiedenen anderen Kategorien wie Rassismus, Kultur und Re- ligion untersucht Eske Wollrad aus feministischer Perspektive in ihrem Werk Weißsein im Widerspruch24, das vor allem für die Whiteness-Theorie in Deutsch- land maßgeblich ist.

Daneben sind noch zahlreiche andere AktivistInnen und WissenschaftlerInnen, wie zum Beispiel bell hooks, Susan Arndt oder Ruth Frankenberg zu nennen, wel- che sich umfassend mit der Thematik der Critical Whiteness Studies auseinander- setzen.

Die zahlreichen Beiträge können als Indiz dafür gewertet werden, dass ein starkes Bedürfnis vorliegt, Weiße Vorherrschaft zu thematisieren, kritisch zu reflektieren und in einen Gesamtkontext zu bringen. Die in dieser Arbeit zitierten Publikationen können deshalb nur eine Auswahl darstellen.

2 THEORIE DER CRITICAL WHITENESS STUDIES

2.1 Historischer Kontext und Entwicklung der Critical Whiteness Studies

Die Entstehung der Critical Whiteness Studies zeigt auf, dass eine Weiße Vor- machtstellung nicht haltbar und in die Krise geraten ist.25 Die Erkenntnis, dass erst die Benennung eine Auseinandersetzung mit diesem Thema möglich macht, ist eine Schwierigkeit im Umgang mit Whiteness und vielleicht ein Grund, warum die- ses Forschungsfeld noch nicht hinreichend im Alltag von Weißen Menschen wahr- genommen und entsprechend darauf reagiert wird. Als Theoriegegenstand Weißer ForscherInnen in einem größeren Bewusstseinszusammenhang sind die Critical Whiteness Studies noch relativ jung: Erst seit Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde Whiteness in einem Weißen akademischen Zusammenhang kritisch untersucht und konnte sich bis heute stark weiterentwickeln. Mittlerweile haben sich Weiße in zahlreichen Wissenschaftsbereichen, wie zum Beispiel den Literatur-, Sozial und Kommunikationswissenschaften oder in Verschränkung mit anderen Theorien, wie den Gender Studies26, mit Whiteness auseinanderge- setzt.27 Diese Debatten gehen jedoch selten über einen akademischen Kontext hinaus.28

Weißsein als ein Privileg im sozialen Macht- und Herrschaftsgefüge ist jedoch schon länger diskutiert worden. Nach bell hooks kann Whiteness bereits auf die Zeit des europäischen Kolonialismus’ und Sklavenhandels zurückgeführt werden, auch wenn keine Analysen in einem wissenschaftlichen Kontext vorgenommen oder schriftlich festgehalten wurden. Nicht-Weiße Sklaven und Hausangestellte sicherten ihr Überleben unter anderem dadurch, dass sie ihre Beobachtungen be züglich der Weißen Herrschaft, zunächst mündlich, untereinander austauschten.29

Später wurde dieses spezielle Wissen durch die slave narratives weitergetragen, bevor es spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts einer breiteren Öffentlich- keit zugänglich gemacht wurde.30 So zum Beispiel von dem Soziologen W. E. B.

DuBois, dessen Texte31 schließlich grundlegend für die Schwarze Bürgerrechts bewegung wurden, oder später von Frantz Fanon in dessen antikolonialistischem Hauptwerk Die Verdammten dieser Erde32. Viele afroamerikanische Schriftstelle- rInnen haben Whiteness und die damit einhergehende Unterdrückung Schwarzer Menschen durch Weiße zudem in zahlreichen Romanen verarbeitet.33 Im Kontext der Black Power Bewegung, der Black und der Postcolonial Studies Mitte der sechziger Jahre in den USA34, entstand die Forschungsdisziplin der ‚Critical Whi- teness Studies‘ sowie der Begriff Whiteness, mit dem Ziel, Macht- und Herr- schaftsverhältnisse zu analysieren und anzugreifen.35 Anschließend folgten ehe- malige europäische Kolonialgesellschaften, allen voran Großbritannien, und be- gannen sich mit Whiteness auseinanderzusetzen.36 Im feministischen Zusammen- hang wurde von Schwarzen Feministinnen37 nachgewiesen und kritisiert, dass die benannte ‚Frau an sich‘ in feministischen Kontexten vornehmlich Weiße Mit- telstandsfrauen meinte und die Interessen Schwarzer Frauen somit aus der Dis- kussion ausgeschlossen waren. Diese berechtigte Kritik hat den Whiteness- Diskurs bereichert und weiter ausdifferenziert. Außerdem zeigt sie die Schwierig keit auf, Positionen hierarchisch einordnen zu wollen: Eine Frau ist nicht zuerst als solche und dann erst als Schwarze unterdrückt, sondern stellt als Schwarze Frau eine Einheit dar, deren Belange nur begrenzt von Weißen Frauen innerhalb einer Feminismusdebatte pauschal verhandelt werden können.38 Deshalb liegt dieser Arbeit die Überzeugung zugrunde, dass Kategorien wie beispielsweise Whiteness, Gender oder Klasse im Gesellschaftsgefüge gleichberechtigt nebeneinander ste hen.

2.2 Definitionen von Whiteness

Whiteness entzieht sich für gewöhnlich im Weißen Alltag ihrer Benennung und die grundlegenden Charakteristika von Whiteness unterliegen einer ungewohnten Be- trachtungsweise, die von Weißen Menschen die Bereitschaft erfordern, das eigene Individuum mit all seinen Eigenschaften und Fähigkeiten zu hinterfragen. Denn nach Peggy McIntosh ist Whiteness damit verknüpft, unverdiente Vorteile und Pri- vilegien zu genießen, die man zufällig mitbekommt, weil man als Weiße/r geboren wurde. Die Annahme, dass jedes Handeln und erreichte Ziel der eigenen Individu- alität zuzuschreiben ist, spricht McIntosh Weißen Menschen ab und argumentiert mit ihrem bekannt gewordenen ‚Rucksack‘ an Weißen Privilegien, auf den sie sich jeden Tag verlassen können, dessen sie sich jedoch nicht bewusst sein müssen:

White privilege is like an invisible weightless knapsack of special provisions, ass- urances, tools, maps, guides, codebooks, passports, visas, clothes, compass, emergency gear and blank cheques.39 Diese Privilegien sind die Grundausstat- tung, die einem Weißen Menschen bei Geburt mit auf den Weg gegeben wird und derer er sich selbst erst bewusst werden muss. Eine Bewusstmachung lässt sich jedoch vermeiden, wie Garvey und Ignatiev schreiben: „ The white race is a club that enrolls certain people at birth, without their consent, and brings them up ac- cording to its rules. For the most part, its members go through life accepting the privileges of membership but without reflecting the costs.40 Der Vergleich ist tref- fend, denn wer hinterfragt schon eine exklusive Mitgliedschaft oder würde diese absichtlich herausfordern und dadurch einen Ausschluss riskieren? Eine der un- geschriebenen Regeln lautet Schweigen über die Existenz eines solchen ‚Clubs‘, um dessen Vorteile weiterhin genießen zu können, und eine weitere Regel das Verleugnen dieser Vorteile: „ Als Strategie eingesetzt, bewirkt die Leugnung der eigenen herrschenden Position sowie die Aberkennung des Leids von rassistisch Beherrschten die Aufrechterhaltung der eigenen Machtposition.41 Diese Erhaltung der Weißen Vormachtstellung und ihr gleichzeitiges Bestreiten liegen in der stän- digen Angst vor ihrem Verlust begründet. Nach Wollrad stellt Whiteness mit all ihren Eigenschaften entsprechend keinen gesicherten Status dar, keinen Zustand, in dem man sich unverrückbar befinden kann: Nach ihrer These hat Weißsein ei- nen Konstruktcharakter, nach dem niemand als Weiße/r geboren, sondern dazu gemacht wird42, womit ihre Aussage der von Garvey und Ignatiev gegenübersteht. Die Herstellung des Weißen Subjekts wird durch einen Prozess geprägt, der häu- fig ein psychisch gewaltsamer ist.43 Somit bedeutet Weißsein nichts, das als dau- erhaftes Privileg gesichert werden kann, da es keinen unverlierbaren Besitz dar- stellt.44

Faktoren wie Klasse, Geschlecht, Religion und Nation haben ebenfalls einen we- sentlichen Einfluss darauf, wie in einem bestimmten Kontext Weißsein definiert wird.45 Dieses gerät zu einem wünschenswerten Konstrukt, das erworben werden kann und dabei nie sicher vor Verlust ist: „ Weißsein bezeichnet ein System rassis- tischer Hegemonie, eine Position strukturell verankerter Privilegien, einen Modus von Erfahrungen, eine spezifische und wandelbare Identität, die zugesprochen, erkämpft und verloren werden kann.46 Weißsein wird also zu einem kostbaren aber gefährdeten Besitz, welcher der Verteidigung bedarf.47 Dies erfordert zweier- lei Preise: Einen Preis als Anerkennung, den man für die eigene Whiteness be kommt und einen Preis als Opfer, den man zur Erhaltung der Whiteness bezahlen muss, wie zum Beispiel Anpassung an bestimmte Normen und Regeln, die nicht überschritten werden dürfen sowie Einhaltung von erwarteten Verhaltensmus tern.48 Der Preis, den man für Whiteness entrichten muss, ist also häufig Verlust, zum Beispiel von geliebten Menschen, die nicht der Weißen Norm entsprechen und auf deren Gesellschaft man zugunsten der eigenen Zugehörigkeit zum Wei- ßen Kollektiv verzichtet. Wollrad formuliert treffend, was das Wesen von White- ness, das als so besitzenswürdig empfunden wird, ausmacht:

Whiteness ist normal, durchschnittlich, alltäglich und - zumindest diskursiv - unsicht- bar. Seine Präsenz artikuliert sich über Abwesenheit: Whiteness kann immer dann vorausgesetzt werden, wenn es nicht benannt wird. Die Bezeichnung ist überflüssig, denn jeder Mensch ist Weiß, es sei denn, er wird explizit und nachdrücklich als nicht- Weiß ausgewiesen. Whiteness hat vermeintlich keinen spezifischen Inhalt, es markiert eine Leerstelle und kann - wenn überhaupt - nur negativ über das definiert werden, was es nicht [sic!] ist: nicht deviant, nicht exotisch, nicht bemerkenswert.49

Weißsein als eine Norm, die als „natürlich“ gilt, nicht aber bewusst wahrgenom- men oder hinterfragt wird, scheint das Weiße Selbstverständnis zu bestimmen. Darin werden, wie Wollrad beschreibt, nur die „Anderen“, welche nicht Weiß, nicht unauffällig, nicht angepasst an die unsichtbare Masse sind, beobachtet und zu Objekten gemacht. Weiße sind dabei schauende und beschreibende Subjekte, denen vor allem die „Andersartigkeit“ Nicht-Weißer Menschen bewusst ist und auf welche sich ihre Aufmerksamkeit mittels des Weißen Blicks richtet. „ Weißsein imp liziert das Recht, alle Nicht-Weißen zu Objekten zu machen […] . Weißsein sugge- riert, dass nur bestimmte Menschen ein Recht auf Schutz ihrer Würde haben.50 Weiße Menschen haben damit eine vorherrschaftliche Stellung inne, die ihnen gesellschaftliche Macht und zahlreiche Privilegien materieller und immaterieller Art verleiht.51 Richard Dyer spitzt dieses „Normalsein“ in seiner Behauptung zu, dass Weiße Menschen keiner „Rasse“ zuzuordnen sind, wie es bei Nicht-Weißen für gewöhnlich vorgenommen wird, sodass sie das Menschsein an sich repräsentie- ren: „ At the level of racial representation, in other words, whites are not of a certain race, they're just the human race.52 Es gibt demnach nichts Machtvolleres, als aus einer unsichtbaren Norm heraus für die Menschheit im Allgemeinen sprechen zu können:

As long as race is something only applied to non-white peoples, as long as white people are not racially seen and named, they/we function as a human norm. Other people are raced, we are just people. There is no more powerful position than of being ‘just’ human. The claim to power is the claim to speak for the commonality of humanity. Raced people can't do that - they can only speak for their race. But non-raced people can, for they do not represent the interests of a race.53

Dieses Privileg, als Weißer Mensch nicht für eine bestimmte Gruppe von Men- schen oder seine „Rasse“ sprechen zu müssen, hat auch McIntosh in ihrer Privile- gienliste aufgezählt. In dieser Liste von vierundfünfzig Punkten führt sie auf, was für sie als Weiße Person im Alltag selbstverständlich, aber durch die Normalität an sich schon privilegiert ist.54

Whiteness liegt ein rassistisch strukturiertes Gesellschaftsverständnis zugrunde, in dessen Hierarchie Weiße Menschen eine übermächtige Position im Herrschafts- gefüge vertreten und deren Hauptprivileg die Wahlmöglichkeit ist, sich mit Ras- sismus auseinandersetzen zu können, dies aber nicht zu müssen. Nicht-Weiße Menschen haben diese Wahl nicht, sondern müssen rassistische Erlebnisse als Teil ihres Erfahrungshorizontes begreifen und sind „[…] ihr Leben lang mit Weiß- sein und Weißer Gewalt konfrontiert.55 Mithilfe der Critical Whiteness Studies soll eine beobachtende Position eingenommen und dabei der Objekt-/ Subjektstatus umgekehrt werden. Dyer fordert deshalb: „[…] whiteness needs to be made stran- ge.56 und verlangt eine kritische Selbstbetrachtung ohne Weißen Narzissmus.57 Sich als Weißer Mensch innerhalb eines Weißen Kollektivs zu positionieren und sich als ein Teil des Klassifizierungssystems zu verstehen, um anschließend die eigenen und als solche erkannten Privilegien freiwillig aufzugeben, ist ein umstrit- tenes Ziel der Critical Whiteness Studies und Walgenbach bemerkt dazu: „ Weiße Privilegien sind […] in der gesellschaftlichen Struktur verankert. Deshalb ist es für Weiße Personen auch schwierig, sich außerhalb dieses Privilegiensystems zu po- sitionieren. Die Abschaffung des Rassismus liegt nicht in der persönlichen Ent- scheidung einzelner Individuen.58 Auch nach Wollrad kann der Einzelne sich schwer der strukturellen Dimension von Rassismus entziehen und aus dem Wei- ßen ‚Club‘ austreten, weil verkannt wird, dass es keine Vorhaben des Individuums sind, Antirassist zu sein oder Rassismus für sich allein verlernen zu können. Denn jede Person ist und bleibt in Prozesse und Strukturen eingebunden, die nur in Gruppenarbeit angegriffen werden können, wozu wiederum ein theoretischer Rahmen vonnöten ist, innerhalb dessen man handeln und etwas bewirken kann.59 Von Nicht-Weißen Menschen wird auch die Motivationsfrage kritisch betrachtet, warum man sich als Weißer Mensch überhaupt mit Whiteness auseinandersetzt. Dies scheint zunächst nicht nachvollziehbar, da Weiße im Dominanzverhältnis von allen Vorteilen profitieren und in der Beschäftigung mit Whiteness leicht in eine Position von Selbstlosigkeit geraten. Das damit einhergehende Weiße Selbstbild von sich als selbstlosem Menschen, der sich für das Wohlergehen anderer ein- setzt, wird zusätzlich durch eine Erwartungshaltung ergänzt, nach der einem die „Anderen“ anschließend zu Dank verpflichtet sind.60 Von Seiten Nicht-Weißer Menschen besteht zudem ein berechtigtes Misstrauen gegenüber der Annahme Weißer Menschen, diese könnten sich mit Whiteness befassen wie mit jedem an- deren Thema auch, losgelöst von ihren eigenen privilegierten Erfahrungen als Weiße/r.61 Jungwirth, die das Problem der Verortung einer Weißen, über White- ness schreibenden Person ebenfalls sieht, bemerkt deshalb: „ Eine kritische Aus- einandersetzung mit Weiß-Sein erfordert allerdings, dass Weiße, die die Herstel- lung von Weiß-Sein untersuchen […] ihre soziale Position ausweisen, d.h. sich in dem Herrschaftsverhältnis, das sie untersuchen, als positioniert begreifen.62 Dar- aus ergibt sich eine Handlungsabfolge im Umgang mit Whiteness, die sich verein- facht aus drei Stufen ableiten lässt: Bewusstmachung der eigenen bevorzugten Machtposition, Selbstpositionierung innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges im Weißen Kollektiv und anschließende freiwillige Selbstaufgabe der Privilegien und Vorteile.

2.3 Whiteness in der Literatur

Morrisons bereits vorgestellte Essaysammlung gilt bis heute als Grundlage, an der sich literaturtheoretische Whiteness-Analysen orientieren. Für Morrison ist die Lite- ratur eine Komplizin des Rassismus’, wobei sie sich nicht anmaßen will, andere AutorInnen als RassistInnen zu bezeichnen. Dennoch sieht sie in der Sprache ein Medium, das Rassismus oft unbewusst verbreitet und häufig nicht zur gegenseiti- gen Verständigung beitragen kann, weil in den Formulierungen Weißer Schriftstel- ler Schwarzsein als Konstrukt Weißer Vorstellungen klischeehaft dargestellt wird.

Die Sprache als Instrument der Literatur ist für Morrison deshalb ein mächtiges Medium: „[…] denn als schwarze Schriftstellerin kämpfe ich mit einer und durch eine Sprache, die versteckte Anzeichen rassischer Überlegenheit, kultureller He- gemonie und abfälliges Ausgrenzen von Menschen in ihrer Sprache […] machtvoll beschwören und noch verstärken kann.63 Ein Umgang mit Sprache, die frei von Rassismen ist, wird nach Morrison demnach zu einer Fertigkeit, die sorgfältig im- mer wieder durchdacht werden muss. Ihrer Aussage lässt sich zudem entnehmen, dass sie sich selbst nicht von der Gefahr ausschließt, eine rassialisierte Sprache zu gebrauchen. Zu Morrisons Zitat bemerkt Giroux folgendes und hebt dabei noch einmal deutlich hervor, welche gewaltvolle Wirkungsmacht Wörter haben können:

The involvement of the literary text in the political meaning of whiteness creates a re- lationship between literature and violence, literature and oppression, literature and evil. There is no escaping the fact that what Toni Morrison calls a ‘racially inflected language’ will bear all the marks - in its very aesthetic texture - of a worldly power that has been employed to denigrate and brutalize, enslave and exterminate.64

Literatur unter dem Gesichtspunkt der Whiteness-Theorie betrachtet kann also literarisch anspruchsvoll und gleichzeitig mit unterdrückenden, zerstörerischen Elementen angereichert sein.

Da Morrison in ihren Essays klassische Texte untersucht, wäre eine zeitlich ange- passte und weiterführende Whiteness-Analyse gegenwärtiger AutorInnen, wie bei- spielsweise Henning Mankell oder John M. Coetzee, interessant. Denn besonders diesen beiden (Weißen) Schriftstellern ist aufgrund ihrer Biografie eine kritische Betrachtungsweise und ein sensibler Sprachumgang zuzutrauen. Auch die jüngst durch den Nobelpreis ausgezeichnete Autorin Doris Lessing hat durch ihr geehrtes Werk wieder an Aktualität gewonnen, das einer differenzierten Betrachtung wert wäre. Eine weitere autoren- und werkübergreifende Untersuchung zu Whiteness in der Literatur, die mit Morrisons Text oder den zahlreichen Sammelbänden zu Whi- teness im Film vergleichbar wäre, ist mir jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt.65

Fest steht, dass trotz zurückgehender Leserzahlen die Untersuchung literarischer Texte nach gewaltvollen Zuschreibungen und Weiß genormten Formulierungen weiterhin bedeutsam bleibt, weil Sprache instrumentalisierbar ist und Menschen beeinflussen kann. Auch Hall sieht in der „[…] Sprache das wichtigste Medium, in dem die verschiedenen ideologischen Diskurse ausgearbeitet werden.66 Deshalb ist ein Hinterfragen der Sprache in jedem literarisch wichtigen Werk notwendig, um die ideologischen Diskurse auf Whiteness zu prüfen und aufzudecken, dass Blackness häufig nur als „ Kontrastfolie67 dient, „ um Whiteness zu affirmieren “,68 so wie Morrison es auch mit dem amerikanischen Afrikanismus beschreibt. Nach Walgenbach handelt es sich dabei um eine Selbstrepräsentation des dominanten Weißen Kollektivs, das sich selbst viel zu häufig als positiv wahrgenommene Ei- genschaften zuerkennt: „ Die Konnotationen, mit denen Whiteness in literarischen und cineastischen Produktionen belegt wird, sind in unserer westlichen Gesell- schaft dabei meist positiv besetzt: rein, rational, zivilisiert, respektabel etc.69 Diese Konnotationen überwiegen nach wie vor in einem Großteil der heutigen Literatur, sodass Morrisons Forderung nach einem Perspektivenwechsel noch immer uner- füllt ist: „ Mein Projekt ist ein Bemühen darum, den kritischen Blick vom rassischen Objekt zum rassischen Subjekt zu wenden; von den Beschriebenen und Imaginier- ten zu den Beschreibenden und Imaginierenden; von den Dienenden zu den Be- dienten.70 Dieser Wandel vom Objekt zum bedienten Subjekt hat sich in Teilen der (unterhaltenden) Literatur noch nicht vollzogen, wie in der später folgenden Analyse aufgezeigt werden soll.

2.4 Whiteness im (Hollywood-)Film

Was vorangehend für die literarische Ebene herausgearbeitet wurde, gilt für den Film in verstärktem Maße: Whiteness wird nahezu durchgehend reproduziert und ist nach Wollrad „ eine der effizientesten Lügen, die die Moderne hervorgebracht hat.71 Um die Fiktion von Whiteness zu erhalten, „ werden ideologische Maschine- rien eingesetzt, die Weißsein als Signatur für alles Gute, Göttliche, für Fortschritt, Zivilisation und Ordnung in gesellschaftlichen Wahrnehmungs- und Interpretati- onssystemen verankern.72 Für Wollrad ist solch eine Maschinerie die Populärkul- tur, zu der der Film, insbesondere der Hollywoodfilm, zählt, weil er für ein Mas- senpublikum produziert wird und damit ein bedeutsames Medium darstellt, das rassifizierte, hegemoniale Konstrukte vermittelt.73 Auffallend ist hier das Wieder- auftauchen der positiv konnotierten Selbstdarstellung des Weißen Kollektivs, die ersatzweise in dem Guten, Göttlichen und Fortschrittlichen wiedergefunden wer- den kann und die im Film als Norm beibehalten wird, wie auch Foster schreibt:

Whiteness as a construct depends on myths and distortions. What better place than the cinema to define, create, and maintain such myths and distortions?74 Doch es bleibt eine der großen Lügen des Kinos, dass die Welt vor allem von att- raktiven, Weißen Menschen mit heldenhafter Tendenz bevölkert ist.75 Foster ent- larvt diese Darstellungsweise als eine Verzerrung der Wirklichkeit, als das Auf- rechterhalten eines Weißen Mythos’ mithilfe des Kinos. Denn sowohl zahlreiche Filme wie auch Fernsehserien76 nehmen rassische Zuschreibungen in der Präsen- tation Schwarzer und Weißer Menschen vor, so zum Beispiel in den Charakteristi- ka der Figuren bis hin zur Ausleuchtung der Schauspieler.

Dies liegt filmhistorisch in der Geschichte des Hollywoodkinos begründet, das in seiner frühen Zeit ein Medium für Weiße war, „[…] ein Ort der kollektiven Imagina- tion, der von seinen Gründervätern dazu gedacht war, den Glauben an den Ame- rican Dream nach eigener Definition global zu verbreiten.“77 Dies führte dazu, dass Minderheiten im Hollywoodfilm in bestimmten stereotypen Rollen gezeigt wurden, beispielsweise als „[…] ‚blutdürstige Krieger‘, ‚primitive Wilde‘, Hausmädchen, Kö- che und Butler78, auf deren vermeintlich typische Verhaltensweisen sie reduziert waren. Durch die Verweigerung des „ mächtigsten Mediums79, wie Bialasiewicz das Hollywoodkino nennt, diesen Gruppen eine eigene Geschichte, Persönlichkeit, Ambitionen und Selbstverwirklichung in der filmischen Darstellung zuzugestehen, wurden sie als gesellschaftliche Kraft unsichtbar gemacht.80 Filme wie The Littlest Rebell, Gone with the Wind, Raintree County oder Glory präsentieren das Weiße Amerika als eine Nation geborener Anführer. Das durch den Bürgerkrieg ange- schlagene Weiße Selbstbewusstsein wurde wieder hergestellt, indem Schwarze benutzt und in den Filmen extrem stereotyp dargestellt wurden und die Weißen, neben der Mystifizierung des amerikanischen Südens, letztendlich immer als über- legen hervorgingen.81 Als erster amerikanischer Spielfilm gilt David W. Griffiths The Birth of a Nation, der auf dem Roman The Clansman: A Historical Romance of the Ku Klux Klan82 von Thomas Dixon basiert, der den Klu-Klux-Klan verherr- licht und Lynchmorde an Schwarzen als etwas Edles darstellt. Sowohl Buch als auch Film sind filmhistorisch nicht als persönliche Fixierungen der Schaffenden zu verstehen, sondern als Produkt ihrer Zeit.83 Laut Tischleder ist The Birth of a Nati- on „[…] eine signifikante Manifestation amerikanischer Mythenbildung […]. Die Toms, Bucks, Mammies und Coons sind keine Neuschöpfungen, sondern Reproduktionen schwarzer Stereotypen, die schon lange vor dem Aufkommen des Films die Vaude villes, Minstrel-Shows oder die Literatur, allgemeiner: die weiße Imagination bevölker- ten.84

Der Film ist deshalb nach Tischleder besonders prägnant für die Imagination und Inszenierung Schwarzer Körper durch das Weiße Amerika.85 Inhaltlich von seinen Kritikern als rassistisches Machwerk angeprangert, war das dreistündige Epos technisch und stilistisch ein unübertreffliches Meisterwerk seiner Zeit, mit dem ein Grundstein für die künftigen visuellen und narrativen Strukturen Hollywoods gelegt wurde. Mit der Erstaufführung begann aber auch die Marginalisierung von Schwarzen im Film.86 The Birth of a Nation ist als „ master text87 zu lesen, der alle folgenden Darstellungen von Schwarzen negativ beeinflusst hat: Lehrbuchartig hat er festgeschrieben, in welchen niederen Bereichen, wie zum Beispiel der Küche, Schwarze Menschen im Film anzusiedeln sind und kriminalisiert sie auf der Lein- wand, sodass Nicht-Weiße Menschen im Film häufig als gesellschaftliches Prob- lem dargestellt werden.88

Dieses racial stereotyping ist ein grundsätzliches Merkmal des Hollywoodfilms. Dessen immer wiederkehrende Muster sorgen für einen hohen Wiedererken- nungswert, bieten dem (Weißen) Publikum Identifikationsmöglichkeiten und erzie len anhand bewährter Genres Kassenerfolge. Problematisch an diesen Holly- wood-Stereotypen Nicht-Weißer Menschen ist ihre Eigendynamik, die sie über diese Muster hinaus entfaltet und deren Langlebigkeit entscheidend zur Marginali- sierung dieser Gruppen beigetragen hat.89 Snead hat die Stereotypisierung Schwarzer Menschen im klassischen Hollywoodfilm in drei Methoden zusammen- gefasst: Erstens durch Mystifizierung90, wobei gesellschaftlich bestehende Mythen mit den Mitteln des Films auf der Leinwand verstärkt wurden; zweitens durch Mar- kierung91, die dazu diente, Schwarze gegenüber Weißen verstärkt zu kontrastieren und drittens durch das narrative Element der Auslassung92. Dabei wurden Schwarze innerhalb der filmischen Handlung aus gesellschaftlichen Positionen ausgegrenzt und ihre historische Erfahrung unterschlagen bzw. verzerrt darge- stellt.93 Nach Bialasiewicz hat das Zusammenspiel dieser Methoden die Verdrän- gung Schwarzer Menschen an den Rand der Leinwand bewirkt, sodass sie ledig- lich in einer Beziehung zu den Weißen Protagonisten existieren können und sich in festen Rollenklischees bewegen, „ die die Darstellung vollständiger und ausge reifter Charaktere nicht zulassen. Dies führt zu dem von Filmwissenschaftlern häu- fig konstatierten lack of humanity , dem Fehlen natürlicher menschlicher Züge.94 Obwohl rassische Differenzkriterien heute im Film allgemein schwieriger zu bestimmen sind, können zahlreiche Zuschreibungen ausgemacht werden95, denn noch immer unterrichten Filme den Zuschauer über das Leben „Anderer“, in das man sonst keinen Einblick hätte, und spiegeln in ihrer Lehrhaftigkeit nicht nur et- was von der realen Welt wider, sondern sind ein entscheidender Teil davon. So kann sich das Publikum im Medium Film selbst beobachten.96 Doch es bleibt wei terhin das Vorrecht Weißer Zuschauer, dass in nahezu allen Filmen, Videospielen und im Fernsehen Weiße Figuren im Mittelpunkt stehen. Wenn vom ‚Mainstream- Kino‘ die Rede ist, bedeutet dies deshalb Weißes Kino. Die Ausnahmen davon sind so gering, dass Hollywood als eine Weiße Filmmaschinerie anzusehen ist.97 Dieser zu widerstehen und die scheinbare Realität zu hinterfragen, bedeutet, die Weißen Ideologien selbst anzuzweifeln: „ Hence, we do not escape reality when watching cinema uncritically; we perpetuate real ideologies when we think of ci- nema as ‘only the movies.’ To question cinema […] is to resist ideology.98 White- ness als unsichtbare Hegemonie im Film muss deshalb herausgefordert werden, da sie Rezipienten in ihrem Verhalten und in ihrer Fantasie beeinflusst.

3 VERGLEICHENDE ANALYSE VON WHITENESS IN DER LITERATUR UND IM FILM AM BEISPIEL VON LOSING ISAIAH

3.1 Auswahl des Untersuchungsgegenstandes und Kurzbeschreibung

Die Auswahl des Analysegegenstandes für die Untersuchung von Whiteness in einem Buch oder Film sollte primär von den Weißen Figuren abhängen. Anderen- falls würde sich hegemoniales Weißsein bereits reproduzieren, indem sich der beobachtende Blick erneut auf die „Anderen“, die Nicht-Weißen richten würde. Losing Isaiah besitzt meiner Meinung nach deshalb das Transferpotential, White- ness in den Unterhaltungsmedien Buch und Film nachzuweisen, weil Weißsein und Schwarzsein als unvereinbare Gegensätze verhandelt werden. Mit Wollrad argumentiert, begründet sich die Wahl auch dadurch, dass Weißsein eine „ relatio nale99 Kategorie ist: „ Es gewinnt nur Gestalt im Gegenüber zu den pluralen und in sich homogenisierten Konstruktionen so genannter ‚Nicht-Weißer‘, wobei Schwarzsein seinen äußersten Gegensatz bildet.100 Auch Tischleder schreibt, dass Whiteness von einem Gegenpol abhängig ist: „ Dabei ist Weiß nicht isoliert wahrnehmbar, sondern - als sichtbare sowie als symbolische/soziale Kategorie - auf den Kontrast zum Nicht-Weißen angewiesen.101 Der gegenüberstellende Ver gleich zweier Konstruktionen könnte kaum deutlicher ausfallen als in Losing Isaiah in den Figuren der beiden Mütter. In der Diskussion über die Identitätsbildung ei- nes Kindes vor einem ethnischen Hintergrund reproduzieren der Roman und der Film Whiteness auf unterschiedlichen Ebenen. Dies drückt sich in den zahlreichen Eigenschaften aus, die Whiteness beinhaltet: Unsichtbarkeit, Normhaftigkeit oder Dominanz auf Seiten der Weißen Figuren sind nur einige Aspekte von Whiteness, die auszumachen sind. Wollrad betont weiter, dass Weißsein kein Eigenleben hat , denn […] es konstituiert sich erst und ausschließlich in Relation zu anderen Ach- sen von Macht wie Geschlecht, Klasse, Lebensform etc. […]. Somit ist Weißsein weder ein Abstraktum, das unabhängig von diesen Komponenten existiert, noch ist es kohärent.102 Klasse als eine weitere Machtachse in Verschränkung mit Whi teness kann ebenfalls in Losing Isaiah aufgedeckt werden.

Der Roman Losing Isaiah, geschrieben von dem Weißen Schriftsteller Seth J. Margolis, erschien erstmals im Jahr 1993 in Großbritannien und kann dem Genre der Unterhaltungsliteratur zugeordnet werden. Das emotional aufbereitete Drama ist eine Adoptionsgeschichte, in deren Mittelpunkt der Kampf zweier Frauen steht, die sich beide als die rechtmäßigen Mütter des Kindes Isaiah ansehen. Isaiahs leibliche Mutter Selma103 bekommt schließlich, nach einem von ihr angestrengten Gerichtsprozess, den Sohn zugesprochen. Die beiden Frauen bleiben bis zum Ende der Handlung Antagonistinnen und stehen sich einzig in ihrer Liebe zu Isaiah nahe. Obwohl das Thema der Adoption und die Frage nach der rechtmäßigen Mutter inhaltlich für ein Drama ausgereicht hätten, präsentiert der Autor die Ge schichte zusätzlich vor einem ‚racial background‘, indem er die leibliche Mutter (Selma) als Schwarze und die Adoptivmutter (Margaret) als Weiße Frau be- schreibt. Dem Roman wird von mir unterstellt, dass er sich an eine Weiße Leser- schaft richtet und diese automatisch als Weiß angenommen wird. Nach Morrisons Analysen104 kommt dies häufig in Texten Weißer Autoren vor. Sie deckt auf, dass sich Schwarze häufig weder mit den Texten Weißer Autoren identifizieren könn- ten, noch sich darin wiederentdecken würden.

Das Drehbuch zum Film wurde von der Weißen Drehbuchautorin Naomi Foner105, der Ehefrau des Regisseurs Stephen Gyllenhaal, geschrieben, die bereits mehrere Adaptionen für Hollywood-Produktionen vorgenommen hat. Der Film kam zwei Jahre nach Erscheinen des Buches (1995) in die US-amerikanischen Kinos.106

3.2 Metakategorien von Whiteness im Roman und Film Losing Isaiah

Für die folgende Untersuchung wurde sich auf einzelne Aspekte beschränkt, um Whiteness in dem Roman und Film Losing Isaiah nachweisen zu können, da eine lückenlose Prüfung aller möglichen Gesichtspunkte von Whiteness den Rahmen der Arbeit übersteigen würde. Ausgewählt wurde nach Parametern, an denen Whi- teness in Losing Isaiah besonders sichtbar gemacht werden kann und welche gleichzeitig für die inhaltliche Entwicklung der Geschichte von Bedeutung sind. Diese werden im Folgenden nach den Metakategorien ‚gesellschaftliche‘‚ religiöse‘ und erzieherische Aspekte eingeteilt. Die gesellschaftlichen Kategorien müssen deshalb berücksichtigt werden, weil Whiteness ein gesellschaftliches Konstrukt an sich ist und in Losing Isaiah in Überschneidung mit der Kategorie Klasse auftritt. Whiteness und Religion sind ebenso eng miteinander verknüpft; Dyer hat nach- gewiesen, dass das Christentum stark von Whiteness beeinflusst ist und sich vor allem in der Bildsprache der christlichen Symbolik ausdrückt.107 Whiteness findet zudem eine starke Ausprägung in der ikonografischen Darstellung von Mutter- schaft, weshalb die Betrachtungsweise von Whiteness nach religiösen Aspekten und in Bezug zur Jungfrau Maria für diese Arbeit relevant ist. Welchen Einfluss die Reproduktion von Whiteness auf erzieherischer Ebene haben kann, soll in den Kapiteln zur Identitätsbildung berücksichtigt werden.

3.2.1 Gesellschaftliche Aspekte von Whiteness in Losing Isaiah

Innerhalb der Macht- und Herrschaftsverhältnisse in Losing Isaiah nimmt die Wei- ße Familie Lewin in der gesellschaftlichen Hierarchie eindeutig einen gehobenen Platz ein. Die Lebensumstände der gesamten Weißen Kernfamilie, bestehend aus dem Vater Charles Lewin, der Mutter Margaret Lewin und deren gemeinsamer leiblicher Tochter Hannah Lewin, können als privilegiert bezeichnet werden. Dies drückt sich in der Beschreibung ihres Alltags aus, innerhalb dessen Probleme vor- handen, jedoch nicht existentiell sind, bis es zum Sorgerechtsstreit um den Adop- tivsohn Isaiah kommt und den Lewins ein wirklicher, emotionaler Verlust bevor- steht. Ob Isaiah ein ebenso bevorzugtes Leben wie seine Adoptivfamilie genießen kann, wird auch zu einem der Verhandlungspunkte im Sorgerechtsstreit und soll im Laufe der Analyse geklärt werden. Der privilegierte Status der Lewins steht dem weniger begünstigten von Selma/Khaila Richards gegenüber, deren Figur einer gesellschaftlich niedrigeren Klasse als die Lewins zugeordnet werden kann. Diese differierende Klassenzugehörigkeit soll im Folgenden anhand der Katego- rien Beruf und Wohlstand, Bildung und Intellekt sowie Heim als Zuflucht aufgezeigt werden, die in der vorliegenden Arbeit als Parameter gelten sollen, um eine mögli- che Zuordnung von Personen im gesellschaftlichen Gefüge in Losing Isaiah vor- nehmen zu können. In den drei Aspekten zeigt sich, welcher Klasse oder Gesell- schaftsschicht zugehörig die Figuren dargestellt werden, und dass diese Zuteilung bedeutsam für den Ausgang der Handlung ist.

3.2.1.1 Beruf und Wohlstand

Der Beruf kann eine Identifikationsmöglichkeit innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges darstellen und als ein Prestigeobjekt oder die Gelegenheit zur Selbstver- wirklichung empfunden werden. Er hat einen Einfluss auf den sozialen Status und ist eine der Hilfsgrößen wie Geschlecht, Alter oder Bildung, anhand derer Men- schen sich selbst und andere messen und vergleichend positionieren können.

Deshalb wird die Kategorie Beruf und Wohlstand als bedeutsam erachtet, um auf- zuzeigen, wie festgeschrieben die Vorstellungen von Weißem beruflichem Erfolg und Schwarzer Mittelmäßigkeit bis hin zum Versagen in Losing Isaiah sind. Die Rollenzuschreibungen der Weißen wohlhabenden Familie gegenüber der Schwar- zen, minderbemittelten Frau werden hier wie selbstverständlich präsentiert. Die Machtverhältnisse werden im Roman stark durch die Berufe der Figuren ausge- drückt, welche im Film differenzierter verteilt sind. Unter dem Begriff des Wohlstands wird außerdem die äußere Erscheinung der Figuren behandelt, vor allem Khailas optische Wandlung im Film. Auch der unterschiedliche Umgang mit dem wirtschaftlichen Status der Lewins in Roman und Film soll im Folgenden auf- gezeigt werden.

3.2.1.1.1 Kapitalismus als Negativkriterium im Roman

Margaret Lewin hat ihr Studium als Kunsthistorikerin abgeschlossen und arbeitet als Fotoagentin. In ihrer Freizeit leistet sie freiwillige Sozialarbeit in einem Kran- kenhaus, wo sie eines Tages den gerade eingelieferten Säugling Isaiah kennen- lernt. Margarets Mann Charles besitzt eine florierende Agentur für Grafikdesign mit dem Namen LewinArt, in der er viel und gerne arbeitet. Die Einführung der Figur Charles Lewin erfolgt innerhalb seines beruflichen Umfelds, während er über ei- nen zugesicherten lukrativen Auftrag nachdenkt. Seine um den Reingewinn krei- senden Gedanken lassen ihn darüber grübeln, wie gut es ihm und seiner Familie finanziell geht. Doch es überwiegt keine Dankbarkeit; stattdessen ergeht sich Charles innerlich in Rechtfertigungen darüber, dass er und Margaret dieses privi- legierte Leben, welches sie nie wollten, nun führen ‚müssen‘: „ So suddenly they had this hundred thousand dollar a year lifestyle that they’d never planned on, asked for.108 Er sieht sich und Margaret in dieses Leben nur so hineingeraten und glaubt gleichzeitig, keine Alternative zu haben: „ The whole point was to make a better life for Margaret and the kids and me. […] Of course you had to make a lot of money these days just to live like a human being. […] It wasn’t a question of greed. It was a question of getting by.109 Für Charles stellt ein weniger behagli- ches Leben als er und seine Familie es führen einen unmenschlichen Zustand dar und er geht von sich selbst als Norm aus, wenn er seinen Mindestbedarf an Kom- fort mit einem menschenwürdigen Dasein gleichsetzt. Damit positioniert er all jene außerhalb dieses Menschseins, die keine Annehmlichkeiten nach seinen Ansprü- chen und Vorstellungen besitzen, denn wie die eigene Whiteness wird hier auch ein gewisser Wohlstand als selbstverständliche Gegebenheit empfunden. Das für Charles kostspielige Leben bedeutet nach seinen Maßstäben irgendwie über die Runden zu kommen, was eine starke Untertreibung ist, da zuvor sein elegantes, in einem teuren Viertel gelegenen Büro beschrieben und dazu aufgezählt wurde, welche Ausgaben er im Monat hat. Es geht bei den Lewins kaum darum, sich durchschlagen zu müssen, so wie sie selbst es im Roman empfinden.

Margolis siedelt das Ehepaar Lewin mit den beschriebenen Berufen in einem künstlerischen Bereich an. Besonders Margaret als Kunsthistorikerin steht für eine kulturell110 ausgerichtete Bildung. Beide werden durch ihre Selbstständigkeit posi- tiv als besonders unabhängig dargestellt und gehen einer kreativen Arbeit nach, die ihnen Anerkennung und Erfolg für die selbsterdachten Ideen beschert. Sie werden also für ihr eigenes geistiges Können entlohnt, was an sich bereits ein Pri- vileg ist, weil es auf eine individuelle Leistung zurückzuführen und dadurch weni- ger ersetzbar ist. In einem Zeitungsartikel über den Gerichtsprozess wird noch einmal besonders deutlich, dass Weißen Menschen eine Individualität unabhängig ihres Weißseins zugesprochen wird und diese sich häufig an dem ausgeübten Beruf orientiert: „ […] Two worlds are clashing in a Manhattan courtroom while a judge tries to determine which one would be a better place for a two-year-old boy to grow up in. […] Selma Richards, a 29-year-old black [sic!] woman […] . Margaret Lewin, a 36-year-old photographers’ [sic!] representative […] .’111 Selma wird hier als Schwarz beschrieben, was neben ihrem Alter das einzige Merkmal ihrer Per- son darstellt. Margaret hingegen wird durch ihren Beruf eine Individualität zuge- sprochen, indem sie als Fotografin vorgestellt wird. Ihre „Hautfarbe“ spielt für ihre Personenbeschreibung keine Rolle, sie darf folglich als Weiß angenommen wer- den, da sie nicht weiter als exotisch markiert wird. Mit diesem einen Satz wird Margaret eine Leistung zuerkannt, nämlich das Ausüben einer (interessanten) Arbeit. Selmas Schwarzsein dagegen stellt nichts dar, was ihr Ansehen einbringen könnte.

Mit ihren Berufen entsprechen Margaret und Charles ganz den Vorstellungen von einer gutbürgerlichen Mittelschicht. Es wird außerdem betont, dass Margarets El- tern, (die Charles als „ WASP in-laws112 bezeichnet), sehr wohlhabend sind, so- dass die Familie Lewin auch darüber vor materieller Not geschützt ist. Als wäh- rend des Prozesses beide Parteien ihr Einkommen offenlegen müssen, ist dies Margaret gegenüber Selma unangenehm, weil sie realisiert, dass ihre Einkommen „ obszön113 hoch gegenüber Selmas verdienter Summe ist:

‘Our household income is approximately one hundred and ten thousand dollars a year,’ she said. ‘My husband makes about sixty-five thousand, I make about forty, and we have five thousand dollars of income from our savings.’ […] she still felt uncom- fortable saying it in so public a place, particularly in front of Selma Richards, whose in come was a tenth of theirs. […] here, in court, the sums involved sounded huge, gross.114

Hier zeigt sich, dass die Offenlegung der eigenen finanziellen Lage von Margaret als Entblößung empfunden wird. Im Vergleich mit Selma wird sie sich ihrer Privile- gien bewusst, die ihr nun Unbehagen bereiten. Der von ihr als selbstverständlich angenommene Umstand finanzieller Sicherheit bekommt vor Gericht plötzlich den Ausdruck unvorteilhaften Snobismus’.

Demgegenüber steht Selma Richards, die Kindermädchen und Hausangestellte einer Weißen, wohlhabenden Familie ist. Damit entspricht sie ganz der Vorstellung einer Schwarzen Mammy115 Weißer Kinder, die sich spätestens seit dem Roman und Film Gone with the Wind116 etabliert hat und zu einem festen Schwarzen Rol lentypus innerhalb von Literatur und Kino geworden ist. In der Beschreibung des betont Weißen und blonden Au-pair-Mädchens, das Isaiah betreut, versucht Mar- golis Ausgeglichenheit herzustellen, doch Selma bemerkt selbst, dass es auf der Straße viele ungleiche und nicht zueinander passende Paare von Weißen Kindern und Schwarzen Kindermädchen gibt:

Seemed like every two minutes she passed a black woman pushing a little white child. […] all these mismatched pairs. Still, you almost never see a white woman push- ing a black kid. Maybe Diana Ross’s Kids has a white woman looking after them. Maybe Cosby has a white woman for his kids. Seeing that would make my day sure enough, she [Selma, Anm. d. Verf.] thought.117

In Selmas Vorstellung kann eine umgekehrte Konstellation, nämlich die Kinder- betreuung von Schwarzen Kindern durch Weiße Kindermädchen also ausschließ- lich bei wohlhabenden, berühmten Familien wie den Cosbys oder bei Diana Ross vorkommen. Doch nicht einmal dort scheint ihr dieser Umstand gesichert zu sein. Sie ist sich in diesen Überlegungen ihres eigenen klischeehaften Status’ bewusst, nimmt ihn jedoch als gegeben hin. Margolis scheint dadurch ausdrücken zu wol- len, dass er sich über diese Ungleichheit im Klaren ist und ihr kritisch gegenüber- steht. Doch er räumt Selma keine Möglichkeit ein, beruflich aufzusteigen und sich aus der ihr zugeschriebenen Rolle zu befreien. Obwohl sie beruflich nicht erfüllt ist und sich fragt, wie es wäre, als Empfangsdame zu arbeiten118, gesteht Margolis Selma keinen Ehrgeiz für eine Veränderung ihrer Situation zu. Es scheint, als sei ihr als Schwarze, wenig gebildete Frau ein fester häuslicher Platz zugewiesen, für den sie sich dankbar zu schätzen hat. Für mich bedeutet diese Verortung die kon- sequente Ausführung Weißer Vorstellungen von Schwarz-Weißen Rollenvertei- lungen. Schließlich hätte der Autor Selma auch eine vergleichsweise einfache Ar- beit im öffentlichen Raum zuweisen können, beispielsweise die einer Museums- wärterin. Eine verantwortungsvollere Aufgabe als Kinderbetreuung wäre dies nicht gewesen, doch Selma wäre dadurch, ebenso wie den Lewins, ein kulturnaher Be- reich mit offizieller Autorität zugestanden worden. Das Bild der Schwarzen Haus- angestellten, als die Margolis Selma zeichnet, ist ein so selbstverständliches Kli- schee, dass es keiner weiteren Erklärung mehr bedarf. Es soll mit diesem Beispiel dargelegt werden, dass durchaus die Möglichkeit bestanden hätte, Selma beruflich unabhängiger zu zeichnen, bei gleichen gegebenen Umständen ihre Bildung, Her- kunft und Drogenabhängigkeit betreffend.

[...]


1 Jegliche Subjektbezeichnungen sind in dieser Arbeit grundsätzlich geschlechtsneutral zu verste- hen.

2 Zum Beispiel: Beer (2002); Rommelspacher (1998); Schäfer-Wünsche (2004); Wollrad (2005).

3 Zum Beispiel: Wollrad (2005); Arndt (o.J.); Jungwirth, in: Hetzfeldt et al. (Hg.) (2004).

4 Die Wurzeln einer „rassischen“ Klassifikation des Menschen lassen sich auf das naturwissen schaftliche Verständnis des 18. und 19. Jahrhunderts zurückführen, das sich an der damaligen Zoologie orientierte und in dem physische Merkmale wie Haare, Statur, „Hautfarbe“ und derglei- chen für eine Einteilung nach „Rassen“ festgelegt wurden. Vgl. Wander et al., in: Nakayama/Martin (Hg.) (1999), S. 15. Weitere historische Überblicke diverser Rassentheorien könnten hier erläutert werden. Darauf soll jedoch in dieser Arbeit nicht gesondert eingegangen werden, da die Auseinan- dersetzung damit eine vollkommen eigene Arbeit darstellen könnte und den Rahmen dieser Ausar- beitung übersteigen würde. Dabei soll die in der Realität noch immer vorhandene Klassifizierung

5 Vgl. Kage (2004), S. 152; Mahoney, in: Delgado/Stefancic (Hg.) (1997), S. 325.

6 Vgl. Wollrad (2005), S. 21; Walgenbach (2005), S. 18. Der vermehrte Gebrauch von Anglizismen liegt in dem Thema der Critical Whiteness Studies begründet, da einige Begriffe in ihrer möglichen Übersetzung in das Deutsche meines Erachtens an Bedeutung verlieren können und im Engli- schen eine andere Dimension enthalten, wie in dem bereits erwähnten Beispiel von race und „Ras- se“.

7 Vgl. Dyer (2006), S. 11.

8 Albrecht-Heide in: Eggers et al. (Hg.) (2005), S. 444.

9 Warum Whiteness erworben und verloren werden kann und keinen unverlierbaren Status besitzt, wird in Kapitel 2.2 auf S. 11 in dieser Arbeit beschrieben.

10 Andere Kategorien und Gewaltachsen wie Sexismus, Antisemitismus, Benachteiligungen auf- grund von Behinderungen etc. könnten genauso gleichberechtigt untersucht werden, würden aber den Umfang dieser Arbeit übersteigen. Hier ist vor allem die Verschränkung von Whiteness mit der Kategorie Klasse relevant, wie in Kapitel 3.2.1 ab S. 24 in dieser Arbeit dargelegt werden soll.

11 Vgl. Kellner, in: Dines/Humez (Hg.) (1998), S. 5.

12 Vgl. Bosshart, in: Frizzoni/Tomkowiak (Hg.) (2006), S. 20f; Hickethier (1993), S. 11.

13 Margolis (1993). Der deutschsprachige Titel des Romans und Films lautet Die andere Mutter. Im Folgenden wird der Untersuchungsgegenstand nach dem Originaltitel des Films (Losing Isaiah) benannt, an dem sich auch die englische Romanausgabe orientiert, obwohl deren ursprünglicher Titel The Other Mother war. Aus dem Primärtext und dem Film wird in der Regel englisch zitiert, um die Analyse sprachlich so präzise wie möglich zu halten.

14 Es wurde sich in dieser Ausarbeitung gegen einen theoretischen Teil zu den Besonderheiten der Medientransformation und Literaturverfilmung entschieden, weil es hier nicht um die Untersuchung des Werkbegriffs, die Literaturverfilmung als Kunstform oder die Frage einer stoffgerechten Adapti- on gehen soll. Unterschiede in Roman und Film werden allein auf Whiteness hin geprüft. Vorhan- dene unterschiedliche Ausprägungen können zwar von den verschiedenen Medien abhängen, so zum Beispiel in ausführlicheren Textpassagen im Roman, die im Film aufgrund der begrenzten Abspielzeit verkürzt sind, doch diese sind nicht für die grundlegende Aussage relevant, sodass eine Bezugnahme zur Literaturverfilmung vernachlässigt werden kann.

15 Für eine historische Einordnung siehe Kapitel 2.1 ab S. 8 in dieser Arbeit.

16 Morrison (1994).

17 Vgl. ebd., S. 81.

18 Dyer (2006).

19 Vgl. Tischleder (2001), S. 111.

20 Zum Beispiel der historische Film von D. W. Griffith The Birth of a Nation (nähere Erläuterungen zu diesem Film siehe Kapitel 2.4 auf S. 18 in dieser Arbeit) oder Peter Jacksons Lord of the Rings als neuere Produktion.

21 Foster (2003).

22 Vera/Gordon (2003).

23 Zum Typus des Weißen Messias als Retter siehe Kapitel 3.2.2.2 ab S. 71 in dieser Arbeit.

24 Wollrad (2005).

25 Vgl. ebd., S. 124.

26 Zu Whiteness bzw. race im Zusammenhang mit Gender und feministischen Studien siehe zum Beispiel: Bhavnani (Hg.) (2001).

27 Vgl. Johnson, in: Nakayama/Martin (Hg.) (1999), S. 3.

28 Vgl. Arndt, in: Eggers et al. (Hg.) (2005), S. 345.

29 Vgl. hooks, in: Frankenberg (Hg.) (1997), S. 165.

30 Vgl. Wollrad (2005), S. 33.

31 Zum Beispiel: The Souls of Black Folk (1903). Die genannten Beispielliteraturen werden im Text nicht mit Vollbelegen versehen, sondern sind dem Literaturverzeichnis dieser Arbeit zu entnehmen.

32 Fanon (1961).

33 Zum Beispiel: James Baldwin, Zora Neale Hurston, Nella Larsen, Toni Morrison, Alice Walker, Margaret Walker oder Richard Wright, um nur einige zu nennen.

34 Für eine speziell Schwarz-Weiße Abhandlung der Geschichte der USA und eine aktuelle Be standsaufnahme von Politik und Demografie sowie soziologischen Betrachtungen siehe zum Bei- spiel: Thernstrom (1997).

35 Vgl. Reitsamer/Schmeiser (2005).

36 Vgl. Arndt, in: Eggers et al. (Hg.) (2005), S. 345.

37 Zum Beispiel hooks, in: Bhavnani (Hg.) (2001), S. 33ff.

38 Vgl. Wollrad, in: Eggers et al. (Hg.) (2005), S. 417.

39 McIntosh, in: Delgado/Stefancic (Hg.) (1997), S. 291.

40 Garvey/Ignatiev, in: Hill (Hg.) (1997), S. 346f.

41 Jungwirth, in: Hertzfeldt et al. (Hg.) (2004), S. 86.

42 Als Beispiel der ‚Weißwerdung‘ werden häufig die Irischen Einwanderer in den USA angeführt, welche zunächst keine Whiteness besaßen und sich diese unter anderem durch das Herabsetzen Schwarzer Menschen ‚verdienten‘. Zur Vertiefung dieses historischen Prozesses siehe Ignatiev (1995); Allen (1998) oder Scherl (2005) als zweites ‚Weißwerdungs‘-Beispiel über Elvis Presley. Der umgekehrte und gefürchtete Prozess, nämlich der Verlust von Whiteness und ein Ausschluss aus dem Weißen Kollektiv durch den (sexuellen) Kontakt mit Nicht-Weißen, wurden während der Kolonialzeit unter dem Begriff der „Verkafferung“ zusammengefasst, Vgl. Walgenbach, in: Eggers et al. (Hg.) (2005), S. 382; Wollrad (2003), Abs. 7-9; Arndt, in: Eggers et al. (Hg.) (2005), S. 351.

43 Vgl. Wollrad (2005), S. 82f.

44 Vgl. ebd., S. 25, 27, 41, 53, 95, 127.

45 Vgl. ebd., S. 54.

46 Vgl. ebd., S. 21.

47 Vgl. Wollrad (2003), Abs. 10.

48 Vgl. Wollrad (2005), S. 82f.

49 Ebd., S. 31f.

50 Ebd., S. 52.

51 Vgl. ebd., S. 41, 87.

52 Dyer (2006), S. 3.

53 Dyer (2006), S. 1f.

54 McIntoshs vollständige Auflistung der Privilegien befindet sich im Anhang dieser Arbeit.

55 Wollrad (2005), S. 176.

56 Dyer (2006), S. 10.

57 Vgl. ebd.

58 Walgenbach (2005), S. 42.

59 Vgl. Wollrad (2005), S. 25.

60 Vgl. ebd., S. 182f.

61 Vgl. ebd., S. 51, 176.

62 Jungwirth, in: Hetzfeldt et al. (Hg.) (2004), S. 78.

63 Morrison (1994), S. 13.

64 Giroux, in: Hill (Hg.) (1997), S. 333.

65 Zu Einzelanalysen von Whiteness in der Literatur mit speziellen Fragestellungen siehe zum Bei- spiel: Curry (2000).

66 Hall, in: Räthzel (Hg.) (2000), S. 151.

67 Walgenbach (2005), S. 28.

68 Ebd.

69 Ebd.

70 Morrison (1994), S. 125.

71 Wollrad (2005), S. 159.

72 Ebd.

73 Vgl. ebd.

74 Foster (2003), S. 93.

75 Vgl. ebd, S. 138.

76 Weiter kann in dieser Arbeit nicht auf das ebenfalls umfangreiche Thema der Analyse von Fern sehserien eingegangen werden, weil sich daran eine eigenständige Untersuchung anschließen könnte, (zum Beispiel der US-Amerikanischen Serien 24, Desperate Housewives oder Grey’s Ana- tomy). Für die kurze Analyse der Fernsehserie Sex and the City siehe: Schulze (2005). Alle in dieser Arbeit genannten Beispielfilme und -serien sind unter der Angabe von Originaltitel, Regisseur, Erscheinungsjahr und Erscheinungsland alphabetisch nach Titeln in einer Film- und Serienliste aufgeführt, die an das Literaturverzeichnis anschließt. Sie sind deshalb im Text nicht mit Vollbelegen versehen.

77 Bialasiewicz (1998), S. 15.

78 Ebd.

79 Ebd.

80 Vgl. ebd.

81 Vgl. Vera/Gordon (2003), S. 16ff.

82 Dixon (1904).

83 Vgl. Bialasiewicz (1998), S. 16f.

84 Tischleder (2001), S. 112.

85 Vgl. ebd.

86 Vgl. Bialasiewicz (1998), S. 16.

87 Tischleder (2001), S. 111; Diawara (1993), S. 3.

88 Vgl. Diawara (1993), S. 3.

89 Bialasiewicz (1998), S. 8.

90 Zum Beispiel der Mythos von der „Primitivität“ Schwarzer Menschen, oftmals dargestellt durch den brutal black buck, welcher zum Inbegriff der Bedrohung der Weißen „Rasse“ wird. Von diesem Mythos der ungezügelten Sexualität Schwarzer Männer geht eine Macht aus, die es von Weißer Seite zu kontrollieren gilt. Demgegenüber steht der Mythos Schwarzer Menschen als Bewahrer des Systems, dargestellt durch den Typus des treuen Dieners Uncle Tom, der seine gesellschaftliche Position als Sklave und Dienstbote bedingungslos akzeptiert und sich seiner Weißen Herrschaft gegenüber loyal und aufopferungsvoll verhält. Vgl. Ebd., S. 8, 23f.

91 Zum Beispiel durch Weiße Schauspieler mit blackface Makeup , welche ein groteskes Bild Schwarzer Menschen abgaben, im Gegensatz zu den heldenhaft in Szene gesetzten Weißen Dar- stellern. Daneben stellen schlechte Ausleuchtung Schwarzer Gesichter und Dialekt weitere Markie- rungen dar. Vgl. Ebd.

92 Zum Beispiel in The Birth of a Nation: Im Film bleibt die Geschichte der Sklaverei unerwähnt, die Weiße Täterschaft wird verschleiert und Weißes Handeln verherrlicht. Vgl. Snead, in: Ders. et al. (Hg.) (1994), S. 42f.

93 Snead, in: Ders. et al. (Hg.) (1994), S. 4ff.

94 Bialasiewicz (1998), S. 9.

95 Vgl. Tischleder (2001), S. 116.

96 Vgl. Vera/Gordon (2003), S. 9; Bernardi, in: Ders. (Hg.) (2008), S. xvi.

97 Vgl. Foster (2003), S. 143f.

98 Bernardi, in: Ders. (Hg.) (2008), S. xvi.

99 Wollrad (2005), S. 127.

100 Ebd.

101 Tischleder (2001), S. 122.

102 Wollrad (2005), S. 127.

103 Die Namen der Figuren wurden für das Drehbuch geändert und sind deshalb in dem Roman und Film unterschiedlich. In der Analyse werden entsprechend dem untersuchten Medium die je weiligen von den Autoren vorgegebenen Namen verwendet (beispielsweise Selma Richards im Roman und Khaila Richards im Film). Eine tabellarische Auflistung aller Roman- und Filmfiguren befindet sich in Form eines zweigeteilten Figureninventars im Anhang dieser Arbeit.

104 Vgl. Morrison (1994). Zu weiteren Einzelheiten innerhalb Morrisons Analysen siehe Kapitel 1.3 auf S. 6f und Kapitel 2.3 ab S. 14 in dieser Arbeit.

105 Eine ausführliche Tabelle mit weiteren Filmdaten befindet sich im Anhang dieser Arbeit.

106 Ein im Anhang befindliches Sequenzprotokoll erfasst den gesamten Film, um bei der Orientie- rung bezüglich des Aufbaus von Losing Isaiah behilflich zu sein und Filmszenen eindeutig belegen zu können. Dabei sollten Sequenzen (Seq.) nach Hickethier als Handlungseinheiten verstanden werden, „[…] die zumeist mehrere Einstellungen [umfassen, Anm. d. Verf.] und sich durch ein Handlungskontinuum von anderen Handlungseinheiten [unterscheiden, Anm. d. Verf.].“ Hickethier (1993), S. 38. Der von Hickethier wechselnde Handlungsort als Sequenzeinteilung wurde nicht strikt übernommen, da es sich nicht um eine streng filmanalytische Arbeit handelt. Deshalb kann die Anzahl der Einstellungen innerhalb der eingeteilten Sequenzen variieren.

107 Vgl. Dyer (2006), S. 15ff.

108 Margolis (1993), S. 15.

109 Ebd., S. 14f.

110 Kultur wird hier als etwas vom Menschen Geschaffenes begriffen, das Fortschritt und Zivilisati- on beinhaltet und dem Begriff der Natur gegenübergestellt werden kann. Kultur ist folglich die ge- pflegte, urbar gemachte Natur und etwas bewusst Herbeigeführtes. Die Identifikation des Einzel- nen mit der ihn umgebenden Kultur kann seine Lebensgewohnheiten bestimmen und dadurch zu einem Orientierungssystem in der Gesellschaft werden. Im Gerichtsprozess in Losing Isaiah wird der Argumentationsschwerpunkt auf Isaiahs Identitätsbildung innerhalb seiner sozialen Einbettung gelegt. Abhängig von dem Beweis führenden Anwalt wird dargelegt, dem Schwarzen Isaiah sei seine kulturelle Identität bisher entweder verwehrt oder durch den Weißen Familieneinfluss positiv gefördert worden. An dieser Stelle kann nicht weiter auf eine allgemeine Definition des Kulturbegriffs eingegangen werden, der kulturwissenschaftlich unter zahlreichen Gesichtspunkten betrachtet werden könnte, weil dies zu weit von der in dieser Arbeit behandelten Whiteness abweichen würde. Auf Isaiahs Identitätsbildung als erzieherische Aufgabe wird in Kapitel 3.2.3.2 ab S. 78 in dieser Arbeit geson- dert eingegangen.

111 Margolis (1993), S. 346.

112 Ebd., S. 86. WASP (White Anglo-Saxon Protestant) steht für die größte Bevölkerungsgruppe der USA und meint Weiße Menschen angelsächsischer Herkunft und protestantischen Glaubens. Vgl. Hill, in: Ders. (1997), S. 2. Nach Eggers nimmt die „ WASP Konstruktion “ eine hohe Stellung innerhalb der Whiteness Hierarchie ein und wirkt „ als kapitalistisches Machtzentrum und als ein tradiertes weißes wirtschaftliches Beziehungsgeflecht bis in die Gegenwart hinein […]. Ihre Funkti- on scheint maßgeblich darin zu bestehen, Macht, auch innerhalb der weißen Hegemonie, zu kon- zentrieren und ungleich zu verteilen. “ Eggers, in: Ders. et al. (Hg.) (2005), S. 20. Margarets Eltern haben somit innerhalb des Weißen Kollektivs eine machtvolle Position.

113 Margolis (1994), S. 307.

114 Ebd., S. 350.

115 Mit dem Begriff der Mammy ist eine üppige, Schwarze Frau gemeint, die als nie versagender Liebes- und Milchquell ausgebeutet wird und für Schwarze und Weiße Kinder gleichermaßen zur Verfügung steht. Vgl. Göbel (2001), S. 45. Die Mammy aus Gone with the Wind, die keinen weite- ren Eigennamen besitzt, stellt vermutlich die bekannteste Mammy -Figur in der Literatur- und Film- geschichte dar. Sie ist ihrer Weißen Herrschaft treu ergeben, ist herrisch aber machtlos und hat offenbar weder eine eigene Familie noch eine persönliche Vergangenheit. Vgl. Vera/Gordon (2003), S. 100f.

116 Interessanterweise nimmt Margolis selbst eine Intertextualität zu Gone with the Wind vor. Diese wird in Kapitel 3.2.3.21 ab S. 80 in dieser Arbeit untersucht.

117 Margolis (1993), S. 32.

118 Vgl. ebd., S. 166.

Ende der Leseprobe aus 125 Seiten

Details

Titel
Whiteness in der Literatur und im Kino der Gegenwart
Untertitel
Eine Analyse am Beispiel des Romans und gleichnamigen Films "Losing Isaiah"
Hochschule
Universität Lüneburg  (Institut für Sprache und Kommunikation)
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
125
Katalognummer
V151511
ISBN (eBook)
9783640636518
ISBN (Buch)
9783640636396
Dateigröße
1713 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Whiteness, Literatur, Kino, Gegenwart, Losing, Isaiah, Mutter, Film, Roman, Klasse, Geschlecht, "Rasse", Weißsein, Mutterschaft, Familie, Bildung, Intellekt, Beruf, Wohlstand, Grundwerte, christlich, religiös, Allmachtsfantasien, Messias, Konstrukt, Herrschaft, Identität, Ethnizität, Kulturkreis, Privileg, Unterdrückung, Symbolik, Stereotypisierung, Adoption, Pflegeeltern, Mutterliebe, biologisch, Rettung, Urteil, Prozess, "Hautfarbe", weiß, schwarz
Arbeit zitieren
Therese Hochhuth (Autor:in), 2008, Whiteness in der Literatur und im Kino der Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151511

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