Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Erläuterungen der Begrifflichkeiten
2.1 Unterrichtsqualität
2.1.1 Definition
2.1.2 Qualitätsmerkmale guten Unterrichts
2.2 Neue Medien
2.2.1 Zum Medienbegriff
2.2.2 Lehren und Lernen mit Neuen Medien
3 Empirische Vorgehensweise
3.1 Design der Studie
3.1.1 Entwicklung der Hypothese und Fragestellung
3.1.2 Instrument der Erhebung
3.1.3 Pretest
3.1.4 Auswertungsverfahren
3.2 Reflexion der Vorgehensweise
4 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
„Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen.“ (Comenius 1992, S. 1)
Dieses Zitat beschreibt die stetige Herausforderung gegenüber einer Lehrerin und einem Lehrer, einen guten und zielgerichteten Unterricht durchzuführen. Die Ansprüche an einen guten Unterricht passen sich den zeitlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Trends an. Nachdem internationale Studien wie TIMSS1 und PISA2 der deutschen Bildungspolitik eine mangelnde Effektivität im Hinblick auf Schülerleistungen, aber auch in Bezug auf Interessen, fächerübergreifende Kompetenzen und einigen weiteren Zieldimensionen von Schule verdeutlicht haben, musste ein Umdenken stattfinden (vgl. Burda 2005, S. 7). Seitdem müssen sich Schule und Unterricht daran messen lassen, welchen nachweislichen
Ertrag sie bei den Schülerinnen und Schülern erzielen („Output“) (vgl. Helmke 2009, S. 16). Eine Output-Orientierung, also eine Messung der tatsächlich erreichten Effekte und Wirkungen war revolutionär für den deutschen Schulbereich. Es wurde nicht länger nur am Prinzip von detaillierten Vorgaben von Inputs (Gesetze, Lehrpläne, Erlasse, Stundentafeln, Ordnungen) unterrichtet (vgl. Terhart 2002, S. 104). Durch die Output-Orientierung wissen wir also immer besser Bescheid über fachliche Schwächen und Stärken von Schülerinnen und Schülern. Aber wenn es darum geht, aus den Ergebnissen der großen Evaluations- studien unterrichtliche Konsequenzen für die systematische Verbesserung des Lehrens und Lernens für den Ausgleich von Kompetenzdefiziten abzuleiten, sieht die Lage eher schlecht aus. Aus diesem Grund scheint es dringend notwendig zu sein, dass sich die Schule auf ihr „Kerngeschäft“, den Unterricht, zurück besinnt (vgl. Helmke 2009, S. 9 f.). Der Zweck des Schulunterrichts ist einmal das Lernen selbst und das Lernen des Lernens. Diese beiden Kriterien haben einen maßgeblichen Einfluss auf den Schulerfolg bei Schülerinnen und Schülern sowie die Bildungsqualität der Schule (vgl. ebd., S. 40). Nach Weinert (2000, S. 5 ff.) gestalten sich diese beiden Kriterien in folgende sechs fundamentale Bildungsziele der Schule: Erwerb intelligenten Wissens, anwendungsbe- zogenen Wissens, Erwerb von Schlüsselqualifikationen, Lernkompetenzen, sozialen Kompetenzen und Wertorientierungen. Demzufolge muss sich die Umsetzung der Bildungsziele in der Qualität des Unterrichts widerspiegeln.
Wie vieles in unserer Gesellschaft unterliegen auch die angeführten Schlüsselkompetenzen einem stetigen Wandel. Aus diesem Grund wird in neuester Zeit der besondere Erwerb von Medienkompetenzen in bildungspolitischen Diskussionen erörtert (vgl. Schiersmann, Busse & Krause 2002, S. 6). Gerade die Wirtschaft verlangt bei den Schülerinnen und Schülern ein vorhandenes Basiswissen aus dem Bereich der Informationstechnik. Speziell im Zeitalter des Internets ist eine Förderung dieser Schlüsselqualifikation bedeutend. Eine Förderung der Medienkompetenz ist eine der wesentlichen Notwendigkeiten für Staat und Gesellschaft. Nur wer diese Medien in der Handhabung beherrscht und in der Wirkung versteht, wird zukünftig auch in der realen Welt eine Chance auf soziale Homogenität haben (vgl. Gehrke 2007, S. 104). Sie ermöglicht den Heranwachsenden eine mündige Teilhabe an der heutigen Informations- und Mediengesellschaft sowie eine Qualifizierung für die Arbeitswelt (vgl. Döring 2007, S. 84). Die schulische und speziell die berufliche Bildung müssen dafür entsprechende didaktische Potenziale entwickeln. Neue Medien gelten als noch nicht ausgeschöpftes Material. Sie eröffnen der beruflichen Aus- und Weiterbildung neue Möglichkeiten. In der beruflichen Bildung kann mittels Neuer Medien zeitnah auf neue gesellschaftliche Entwicklungen, Anforderungen und Zielgruppen reagiert werden. Sie ermöglichen eine flexible, individuell und informell gestaltete Lernumgebung. Des Weiteren wird die Unabhängigkeit von Zeit und Ort immer eine bedeutendere Rolle spielen. Diese Vorteile der Neuen Medien gilt es zukünftig zu nutzen (vgl. Bundes- ministerium für Bildung und Forschung 2007, S. 3). Jedoch darf die Verwendung nur unter Berücksichtigung der eingangs erläuterten bildungspolitischen Vorgaben geschehen.
Aus diesem Kontext kann geschlossen werden, dass eine zielgerichtete Verwendung Neuer Medien die Qualität des Unterrichts erhöhen müsste, um dann zwangsläufig einen Ausgleich der Kompetenzdefizite bei den Schülerinnen und Schülern zu erreichen. Demzufolge müssten die berufsbildenden Schulen das Ziel verfolgen, möglichst viele Neue Medien im Unterricht einzusetzen. Daraus resultiert die folgende Forschungshypo- these: „Je höher der Einsatz von Neuen Medien an berufsbildenden Schulen ist, desto höher ist die Unterrichtsqualität an dieser Schule“. Aus diesem Kontext stellen sich weitere Fragen, ob Neue Medien den Unterricht in der beruflichen Bildung bereits beeinflussen würden und ob es noch unentdeckte Potenziale zur Verbesserung der Unterrichtsqualität gebe. Dies soll zusätzlich in der Untersuchung evaluiert werden.
Wenn es im Folgenden um die Qualität von Schule und insbesondere von Unterricht speziell geht und zusätzlich um Neue Medien, so scheint es notwendig, die zugrunde liegenden Begriffe erst einmal theoretisch zu erläutern. Im nächsten Schritt folgt die Darstellung der empirischen Vorgehensweise. Mithilfe eines Untersuchungsdesigns wird die Durchführung geplant. Darauffolgend wird die Erarbeitung der Hypothese und der Fragestellung dargestellt. Mittels des Erhebungsinstruments eines Fragebogens sollen die Hypothese und die Fragestellung beantwortet werden. Mithilfe des Fragebogens wurde ein Pretest unter Studierenden durchgeführt, dieser wird im Anschluss präsentiert. Anschließend wird ein geeignetes Auswertungsverfahren erläutert und seine Auswahl begründet. Schließlich wird das empirische Vorgehen reflektiert. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einem Résumé, die zur Beantwortung gestellten Hypothese bzw. Fragestellung sollen beantwortet und ein Ausblick auf weitere anschließende Arbeiten soll gegeben werden.
2 Theoretische Erläuterungen der Begrifflichkeiten
Eine notwendige Voraussetzung zur Beschreibung und Erklärung eines sozialen Zustandes oder eines sozialen Ereignisses ist seine begriffliche Präzisierung. Wissenschaften arbeiten nie mit greifbaren Ereignissen an sich, sondern immer mit in Sprache gefasster Realität und mit Aussagen über die Realität. Falls solche Aussagen nicht nur von einer einzigen Person oder einigen bestimmten Personen verstanden werden sollen, sondern für alle Interessierten zugänglich, ist es unumgänglich, dass der gemeinte Sinn der verwendeten Begriffe von allen erfasst und geteilt werden kann (vgl. Schnell, Hill & Esser 2005, S. 50).
Aus diesem Grund werden in den folgenden Abschnitten zunächst die Begriffe Unter- richtsqualität und Neue Medien kurz und präzise dargestellt.
2.1 Unterrichtsqualität
2.1.1 Definition
Eine naive, aber dennoch an Stammtischen und in dieser oder jener Politikerseele hartnäckig überlebende Vorstellung ist, dass 90 % dessen, was zum Schluss beim Unterrichten „rauskomme“, eine Folge des Unterrichts sei. Schön wäre es, aber diese Vorstellung ist falsch. Es gibt viele weitere, zum Teil auch durchschlagkräftigere Einflussfaktoren für Leistung und Lernerfolg, wie z. B. Begabung, Familienverhältnisse, soziales Umfeld usw. Jedoch sind diese Faktoren deutlich schwerer zu beeinflussen als die Variable „Unterrichtsqualität“ (vgl. Meyer 2008, S. 155). Alle diese Variablen tragen dazu bei, dass der Lernerfolg bei Schülerinnen und Schülern steigt. Der Lernerfolg zeigt sich in der Verbesserung von Kompetenzen.
In der beruflichen Bildung orientiert sich die Förderung der Kompetenzen an dem grundlegenden Konzept der beruflichen Handlungskompetenz. Eine Definition von Unterrichtsqualität müsste sich folglich am Leitziel der beruflichen Handlungskompetenz orientieren (vgl. Burda 2005, S. 23). Die Handlungskompetenz entfaltet sich in den formalen Dimensionen Fach-, Personal- und Sozialkompetenz (vgl. Kultusminister- konferenz 2002, S. 4) und mit denen der materiellen Seite (Methoden-, Medien-, Sprachkompetenz) (vgl. Burda 2005, S. 23). Diese Kompetenzformen müssen sinnvoll verknüpft werden und einen wechselseitigen Erschließungsprozess von Lernsubjekt und objekten ermöglichen. Das Konzept der beruflichen Handlungskompetenz ist eine curriculare Vorgabe für alle Lehrerinnen und Lehrer der beruflichen Bildung (vgl. Tramm & Rebmann 1999, S. 5). Es stellt somit auch keine direkte Förderung der Unterrichtsquali- tät dar, sondern gewährleistet einen Mindeststandard im beruflichen Unterricht.
Eine Verbesserung der Qualität im Unterricht kann nur durch die Steigerung der Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern erfolgen. Zwecks dafür wurden bestimmte Qualitätskriterien guten Unterrichts entwickelt.
2.1.2 Qualitätsmerkmale guten Unterrichts
Die Suche nach den wesentlichen Wirkungsprinzipien des Unterrichts hat eine lange Tradition. Brunnhuber (1977, S. 14) entwickelte bereits vor über 30 Jahren „Prinzipien effektiver Unterrichtsgestaltung“, er verstand darunter „allgemeine und wesentliche Grundsätze, die für das Lernen und Unterrichten gleichermaßen Geltung beanspruchen“ und „Grundsätze der Steuerung jeder Bedingungsfaktoren für Lernleistungen, die es zu erkennen und anzuwenden gilt, um ein möglichst wirkungsvolles Zusammenwirken der Faktoren zu erreichen“. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Versuchen, um die Essenz der Forschung zur Unterrichtsqualität in Gestalt von Listen oder Katalogen von Schlüsselmerkmalen, zentralen Prinzipien, Dimensionen oder Qualitätsbereichen zu klassifizieren. Im deutschen Sprachraum gelten vor allem die Merkmale/Aspekte guten Unterrichts von Meyer (vgl. Helmke 2009, S. 168). Merkmale der Unterrichtsqualität sind Aspekte, mittels derer sich Unterricht und Lehrer 3 -Schüler-Interaktionen beschreiben lassen. Diese Merkmale sind nicht direkt beobachtbar, sondern Abstraktionen. Es handelt sich um „Konstrukte“, d. h. gedankliche Ordnungsleistungen, die sich auf bestimmte Regelmäßigkeiten im beobachteten Verhalten beziehen. Wenn hier von Merkmalen gesprochen wird, sind Variablen gemeint, als Größen, die in verschiedenen Ausprägungen variieren (vgl. Helmke & Schrader 2008, S. 27).
Aufgrund des Fortschritts in der internationalen und auch in der deutschen Unterrichts- forschung kann nun deutlicher herausgestellt werden, welche Merkmale von Unterricht das kognitive-fachliche Lernen der Schülerinnen und Schüler fördern und umgekehrt, welche anderen Merkmale diese Lernprozesse stören. Meyer (2008, S. 7) versucht mittels zehn empirisch abgesicherten Gütekriterien realistische Ansprüche an guten Unterricht auszuformulieren. Ein guter Unterricht besteht zunächst aus folgenden fünf Basis elementen4 : Er ist „im Rahmen einer demokratischen Unterrichtskultur, auf der Grundlage des Erziehungsauftrages und mit dem Ziel eines gelingenden Arbeitsbündnisses, eine sinnstiftende Orientierung und ein Beitrag zur nachhaltigen Kompetenzentwicklung aller Schülerinnen und Schüler“ (Meyer 2008, S. 13).
Nachdem die fünf wesentlichen Bestandteile eines guten Unterrichts genannt wurden, stellt sich die weitere Frage, wie genau die Umsetzung dieser Bestandteile im Unterricht aussieht. Dafür hat Meyer ein Kriterien-Mischmodel aus vielen verschiedenen Studien entwickelt. Er hat darauf geachtet, dass möglichst alle Kriterien gut durch empirische Forschungsergebnisse abgesichert sind. Meyer hat sich nach gründlichen Absprachen mit Theoretikern und Praktikern auf zehn Merkmale guten Unterrichts festgelegt. Folgende zehn Merkmale wurden von Meyer (2008, S. 17 f.) definiert: „klare Strukturierung des Unterrichts, hoher Anteil echter Lernzeit, lernförderliches Klima, inhaltliche Klarheit, sinnstiftendes Kommunizieren, Methodenvielfalt, individuelles Fördern, intelligentes Üben, transparente Leistungserwartungen und vorbereitete Umgebung“. Mit der klaren Strukturierung der Lehr-Lernprozesse werden die inhaltliche Klarheit und Durchschau- barkeit eines gegliederten und stufenweisen Unterrichts angesprochen. Das Zeitkriterium, hoher Anteil echter Lernzeit, wird immer wieder erwähnt, denn z. B. vergrößert ein niedriger Störpegel die aktive Lernzeit. In einer Klasse mit vielen Aggressionen und hoher Lernunlust wäre die Unterrichtsqualität gering. Ein lernförderliches Klima, das durch Höflichkeit, Respekt und Aufgabenorientierung geprägt ist, erhöht wiederum die Qualität. Das Zielkriterium, inhaltliche Klarheit, beabsichtigt die Anpassung von Zielen und Methoden, die zu dem Gefühl führen, dass eine Stunde gelungen ist. Ein sinnstiftendes Kommunizieren verbindet die Inhalte und erlaubt, dass Schülerinnen und Schüler ihr Interesse äußern können. Lernen gewinnt dadurch an persönlicher Bedeutung, die Motivation steigt und somit die Unterrichtsqualität. Die Methodenvielfalt hat einen großen Stellenwert in Bezug auf die Qualität des Unterrichts. Durch einen themenadäquaten Methodenwechsel mittels der Vielfalt aller Lehr-Lernarrangements erhöht die Motivation und Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler. Ein individuelles Fördern zielt darauf ab, dass Unterricht immer an die interindividuellen Leistungsunterschiede adaptiert werden muss (vgl. Fend 2008, S. 328). Prägnant ausgedrückt bedeutet dies, dass „[…] individuelle Stärken gefordert und individuelle Schwächen gefördert werden müssen“ (ICBF 5 2004). Lange vernachlässigt wurde der Aspekt der Übung, aber nicht als stumpfsinnige Wiederholung konzipiert, sondern als Einübung von Prozeduren in verschiedenen situativen Kontexten und als intelligente Art von Üben. Nicht diffuser Leistungsdruck, sondern klare Erwartungshaltungen, die transparent und vereinbart sind, steigern die Qualität des Unterrichts (vgl. Fend 2008, S. 328). Eine vorbereitete Lernumgebung sind Klassen- und Fachräume, die eine gute Ordnung, eine funktionale Einrichtung und brauchbares Lernwerkzeug bereithalten, sodass die Lehrer und Schüler den Raum zu ihrem Eigentum machen, eine effektive Raumregie praktizieren und schließlich erfolgreich arbeiten können (vgl. Meyer 2008, S. 121).
Die Merkmale guten Unterrichts müssen nicht in dieser verschriftlichten Reihenfolge eingehalten werden. Jedes einzelne Merkmal stellt einen Baustein zum Gelingen eines guten Unterrichts dar. Werden diese kombiniert mit einem oder mehreren anderen Bausteinen, so bildet sich dann ein einheitlicher guter Unterricht (vgl. Meyer 2008, S. 18).
In diesem Abschnitt lag das Interesse in der theoretischen Bearbeitung des Begriffs der Unterrichtsqualität. In Bezug auf die berufliche Bildung wurde eine Definition getroffen und ein Qualitätskriterium für guten Unterricht dargestellt. Im kommenden Abschnitt liegt das Ziel in der theoretischen Darstellung von Neuen Medien. Zunächst erfolgt eine Definition des Begriffes und daraufhin wird die Einflussnahme von Neuen Medien im Bezug auf die berufliche Bildung erläutert.
2.2 Neue Medien
2.2.1 Zum Medienbegriff
Wie nie zuvor verändern die Medien unser Leben in Beruf und Freizeit tief greifend und mit immer größerer Beschleunigung (vgl. Weidenmann 2006, S. 425). Mehr als jede andere mediale Technik nistet sich die Computertechnik sichtbar und unsichtbar in unserem Alltag ein (vgl. Schachtner & Seiler 2001, S. 238). „Medien ist ein Sammelbegriff für alle audiovisuellen Mittel und Verfahren zur Verbreitung von Informationen […]“ (Tulodziecki 1997, S. 4). Mit Einbezug des Faktors Zeit kann zwischen traditionellen und neuen Medien unterschieden werden (vgl. Park 1999, S. 46). Im Vergleich zwischen neuen und alten Medien treten jedoch definitorische Probleme auf (vgl. Leutner & Brünken 2000, S. 7). Das Adjektiv „neu“ bezeichnet eine Absetzung von etwas, das ihm gegenüber als – relativ – „alt“ gilt. Und da im historischen Prozess alles „neue“ irgendwann einmal „alt“ wird, ist die Frage nach der Entwicklung des „Neuen“ nicht einfach zu beantworteten. Denn vorher müsste festgelegt werden, ab wann und bis wann etwas in Hinsicht als „neu“ gelten dürfe (vgl. Sesnik 2008, S. 407). In Bezug zur Schule kann das folgendermaßen beschrieben werden: Früher waren Overhead-Projektoren in der Schule neuartig, heute sind sie allgegenwärtig oder bereits veraltet. Dementsprechendes gilt für den Computer, mittlerweile ist er ein unverzichtbares Medium und wird gerade bei jungen Menschen als selbstverständlich angesehen (vgl. Rosemann & Bielski 2001, S. 62). Das zentrale Charakteristikum Neuer Medien liegt in ihrer technologischen Basis (vgl. Leutner & Brünken 2000, S. 8). Traditionelle Medien besitzen unterschiedliche Träger wie Papier (z. B. Zeitungen), Kunststoff oder Ton- und Videobänder (z. B. Kompakt-Kassette, VHS, Schalplatte). Die zumeist analoge Form der „alten“ Medien macht eine Integration in andere Träger fast unmöglich. Im Unterschied dazu werden Neue Medien als digitalisierte Formen der Wissensaufbereitung oder der Informationsvermittlung gefasst, die mit einem Computer oder über das Internet erreichbar sind. Im Sinne einer multimedialen Struktur können bislang getrennte mediale Elemente vereint werden, sodass Bilder, Töne, Filmsequenzen, Grafiken und Texte gleichzeitig verfügbar sind (vgl. Busse 2002, S. 14 ff.). Jedoch haben sich auch die „alten“ Medien als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen. Beispielsweise wandeln sich Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen, weil sich neue technische Möglichkeiten eröffnen (z. B. E-Books, Internetfernsehen). Die durch die Digitalisierung ermöglichte beliebige Kombinierbarkeit von Informations- und Kommunikationsleistungen führt zu einer kaum mehr überschaubaren Vielfalt der medientechnischen Anwendungen und Medienangeboten (vgl. Arnold 2005, S. 11 f.). Aus diesen Gründen richtet sich in der beruflichen Aus- und Fortbildung das Augenmerk immer mehr auf die Neuen Medien, auf das Lernen mit dem PC und auf neue Informations- und Kommunikationstechnologien. In der beruflichen Bildung zeichnet sich bereits ab, dass die traditionelle Form des Präsenzunterrichts mit einer kontinuierlichen Lerngruppe an Bedeutung verliert. An seine Stelle treten medien- bzw. netzbasierte Lernformen, in denen der einzelne Lerner mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat (vgl. Weidenmann 2006, S. 426).
Nachdem eine Erläuterung des Begriffes Neue Medien vorgenommen wurde, liegt die Aufgabe im kommenden Abschnitt darin, dass eine Verknüpfung zwischen den eben dargestellten Kennzeichen und dem Bereich des schulischen Lehrens und Lernens hergestellt wird, denn mittlerweile haben Neue Medien einen großen Einfluss auf den Unterricht.
2.2.2 Lehren und Lernen mit Neuen Medien
Headset, Webcam, Notebook – und die Interaktion und Kommunikation im virtuellen Lernraum kann beginnen. Die Neuen Medien ermöglichen, dass die Lernenden unabhängig von Ort, Zeit und Personen lernen. In der Vergangenheit war der Zugang zu den Lernquellen an Institutionen wie Schulen und Bibliotheken gebunden sowie an Personen, die den Zugang kontrollieren (z. B. Lehrerin und Lehrer). Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien öffnen die Zugänge und erschließen darüber hinaus Lernquellen, von deren Existenz viele Lernenden bislang nicht einmal wussten (z. B. Datenbanken, Newsgroups, Lernsoftware). Diese Unabhängigkeit des einzelnen Lernenden ist die eigentliche Innovation, ermöglicht wird sie durch die Potenziale der Neuen Medien (vgl. Weidenmann 2006, S. 464). Wie die Prozesse des Lehrens und Lernens generell gestaltet werden, ist Gegenstand der Didaktik (vgl. Terhart 2006, S. 11).
Der Einsatz von Medien, um Lehr- und Lernziele effektiv und effizient zu vermitteln, steht im Mittelpunkt der Mediendidaktik. Konzepte der Mediendidaktik basieren sowohl auf didaktischen Theorien als auf Medientheorien (vgl. Hüther 2005, S. 237). Diese werden durch E-Learning erweitert und verändert. In der Regel wird unter E-Learning ein Lernen mit dem PC, das offline und/oder online stattfindet, verstanden. Mittlerweile wird der Begriff E-Learning mit dem Online-Lernen gleichgesetzt (vgl. Weidenmann 2006, S. 464 f.). Als E-Learning gelten alle Lehr-Lernprozesse mit neuen, internetgestützten Medien. Zudem sind mit dem Begriff alle Varianten von Lehr- und Lernaktivitäten gemeint, die das Internet für Information oder Kommunikation nutzen (vgl. de Witt 2008, S. 440). Eine Unterscheidung des E-Learnings kann zwischen WBT6 und CBT7 getroffen werden. Ein ausschließlich netzbasiertes Lernen wird als WBT bezeichnet, im Unterschied zu CBT, das offline mit Lernsoftware stattfindet (vgl. Weidenmann 2006, S. 464).
Zusätzlich ist das Lehren und Lernen mit Neuen Medien mit ständigen technischen und didaktischen Weiterentwicklungen verbunden. Mit der Bezeichnung Web 2.0 wird sowohl eine neue Wahrnehmung als auch Nutzung des Internets verbunden und bezieht sich dabei insbesondere auf die Nutzung von Internetforen, Webblogs und Wiki-Lexika. Dass diese Möglichkeiten Auswirkungen auf didaktische Anforderungen haben, liegt auf der Hand.
[...]
1 Third International Mathematics and Science Study (TIMSS) (vgl. z. B. Klieme & Bienert 2001).
2 Programme for International Student Assesement (PISA) (vgl. z. B. Artelt et al. 2000).
3 Die grammatikalisch maskuline Form wird hier – wie bei vergleichbaren Begriffen – als Gattungs- bezeichnung verwandt und schließt selbstverständlich Menschen beiderlei Geschlechts ein.
4 Eine Präzisierung der fünf Basiselemente guten Unterrichts erfolgt nicht, weil das Augenmerk dieser Arbeit in der Beschreibung des empirischen Vorgehens liegt. Sie dienen lediglich, um die zehn Merkmale guten Unterrichts herleiten zu können.
5 Internationales Centrum für Begabungsforschung
6 web-based training.
7 computer-based training.