Seit Beginn der 1990er Jahre wird im Zusammenhang mit der Politik der Europäischen Gemeinschaft immer wieder die Forderung nach mehr Bürgernähe, Transparenz und demokratischer Teilhabe laut. Die einen äußern diese Forderung aus Sorge, dass der „Eurozentrismus“ unaufhaltsam immer weiter um sich greife,
anderen liegt an mehr demokratischer Legitimierung der europäischen Institutionen und an einer stärkeren Handlungskontrolle.
Als Heilsbringer, „Zauberwort“, ja gar als „Wundermittel“ für eine gesteigerte Akzeptanz politischer Entscheidungen gilt angesichts dieser Problematik gemeinhin, insbesondere aber auch im föderalen Deutschland seit jeher das Subsidiaritätsprinzip.
Neben einer breiten Basis, die diesem Prinzip Zustimmung entgegen bringt, finden sich jedoch auch kritische Stimmen, die dem Subsidiaritätsprinzip entweder nur einen Placeboeffekt zumessen oder aber dessen Wirksamkeit auf europäischer Ebene ganz verneinen. Mit Begriffen wie „Leerformel“ oder „Worthülse“ wird
das Subsidiaritätsprinzip dabei zum Trojanischen Pferd stilisiert, hinter dessen schöner Verpackung sich tatsächlich nur weitere Kompetenzverlagerungen auf die europäische Ebene zu verbergen suchten.
1.1. Ziel und Aufbau der Arbeit
Vor diesem Hintergrund möchte der Verfasser im Folgenden den Charakter und die Wirkungsweise des Subsidiaritätsprinzips im bisherigen europäischen Gemeinschaftsrecht genauer untersuchen und dann den Blick auf die Zukunft der Europäischen Union richten.
Was ist unter dem Subsidiaritätsprinzip überhaupt genau zu verstehen? Inwieweit ist es tatsächlich geeignet auch rechtspraktische Wirkungen zu zeitigen und so die Hoffnungen zu erfüllen, die in dieses Prinzip gesetzt werden?
Ist es mehr als ein politischer Kampfbegriff oder gleicht der Versuch, es auf europäischer Ebene juristisch operabel zu machen, tatsächlich dem vergeblichen Ansinnen, „einen Pudding
an die Wand zu nageln“?
Inhaltsverzeichnis
- Kurzzusammenfassung
- Dank
- Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Persönliche Motivation
- 1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
- 2. Der Begriff des Subsidiaritätsprinzips
- 2.1 Die ideengeschichtliche Entwicklung des Subsidiaritätsprinzips
- 2.1.1 Ursprüngliche Wortbedeutung
- 2.1.2 Historische Ursprünge im Kirchenrecht
- 2.2 Die inhaltliche Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips
- 2.2.1 Handlungsermächtigung durch Legitimierung von unten
- 2.2.2 Die positive und die negative Seite des Subsidiaritätsprinzips
- 2.2.3 Die Kriterien der Leistungsfähigkeit und Notwendigkeit
- 2.2.3.1 Die Leistungsfähigkeit der kleineren Einheiten
- 2.2.3.2 Notwendigkeit und Effizienz
- 2.2.4 Das Subsidiaritätsprinzip als Zuständigkeitsverteilungs- bzw. Zuständigkeitsausübungsregel
- 2.2.5 Der rechtliche Charakter des Subsidiaritätsprinzips
- 2.3 Zusammenfassung
- 3. Das Subsidiaritätsprinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht vor dem Vertrag von Maastricht über die Europäische Union
- 3.1 Implizite Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im EWGV
- 3.2 Die Diskussion um das Subsidiaritätsprinzip im Vorfeld des Vertrages über die Europäische Union
- 3.2.1 Die Europäische Kommission
- 3.2.2 Das Europäische Parlament
- 3.2.3 Die Mitgliedstaaten
- 3.2.4 Die regionalen Untergliederungen der Mitgliedstaaten
- 3.2.5 Resümee
- 4. Das Subsidiaritätsprinzip ab dem Vertrag von Maastricht über die Europäische Union
- 4.1 Überblick
- 4.2 Absatz 1 – Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung
- 4.3 Absatz 2 – Das Subsidiaritätsprinzip im engeren Sinne
- 4.3.1 Anwendungsbereich
- 4.3.1.1 Der Begriff der „ausschließlichen Zuständigkeit“
- 4.3.1.2 Die Definition der „konkurrierenden Zuständigkeiten“
- 4.3.1.3 Die Definition der „parallelen Zuständigkeiten“
- 4.3.2 Der Begriff der „in Betracht gezogenen Maßnahmen“
- 4.3.3 Adressaten
- 4.3.4 Materielle Vorgaben des Abs. 2 für die Kompetenzausübung
- 4.3.4.1 Die Anforderungen des Subsidiaritätsprotokolls von Amsterdam
- 4.3.4.2 Die Subsidaritätsprüfung
- 4.3.4.2.1 Das Negativkriterium – „nicht ausreichend“
- 4.3.4.2.2 Das Positivkriterium – „besser“
- 4.3.5 Umsetzung und Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips
- 4.3.5.1 Prozedurale Umsetzung im Rechtsetzungsverfahren
- 4.3.5.2 Prozessuale Kontrolle im Rechtschutzverfahren
- 4.3.5.2.1 Klageberechtigte
- 4.3.5.2.2 Justiziabilität
- 4.3.5.2.3 Rechtsprechung des EuGH
- 4.4 Absatz 3 – Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
- 4.4.1 Anwendungsbereich
- 4.4.2 Die materiellen Vorgaben des Abs. 3
- 4.4.3 Justiziabilität und Kontrolle
- 4.5 Bewertung des Subsidiaritätsprinzips im bisherigen europäischen Gemeinschaftsrecht
- 5. Das Subsidiaritätsprinzip im Vertrag von Lissabon
- 5.1 Vorgeschichte
- 5.1.1 Der Europäische Verfassungskonvent
- 5.1.2 Vom Verfassungsvertrag zum Reformvertrag von Lissabon
- 5.2 Die Neuerungen des Vertrags von Lissabon bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips
- 5.2.1 Die Einteilung der EU-Kompetenzen in Kategorien
- 5.2.2 Das neue Subsidiaritätsprotokoll Nr. 2
- 5.2.3 Die Neuerungen auf nationaler Ebene
- 5.2.3.1 Das Frühwarnsystem – Ex-ante-Kontrolle
- 5.2.3.1.1 Verfahren
- 5.2.3.1.2 Auswirkungen auf die Rechtsetzung
- 5.2.3.2 Das Klagerecht vor dem EuGH - Ex-post-Kontrolle
- 5.2.4 Die Neuerungen auf regionaler und kommunaler Ebene
- 5.2.4.1 Die Sonderrolle der deutschen Regionen
- 5.2.4.1.1 Mitwirkung am Frühwarnmechanismus durch den Bundesrat
- 5.2.4.1.2 Mitwirkung am Klagerecht vor dem EuGH durch den Bundesrat
- 5.2.4.2 Gemeinsame Rechte der regionalen und kommunalen Ebene
- 5.2.4.2.1 Die Einbeziehung in Art. 5 Abs. 3 EUV VvL
- 5.2.4.2.2 Das Klagerecht des Ausschusses der Regionen
- 5.2.5 Die neuen prozeduralen Pflichten der Unionsorgane
- 5.2.5.1 Die Ausdehnung der Konsultationspflicht der Kommission auf die regionale und kommunale Ebene
- 5.2.5.2 Die intensivierte Begründungspflicht der Kommission
- 6. Perspektiven der Reformvorschläge: Bewertung und Ausblick
- Ideengeschichtliche Entwicklung des Subsidiaritätsprinzips
- Inhaltliche Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips in der katholischen Soziallehre
- Vergleich des Subsidiaritätsprinzips im Gemeinschaftsrecht mit dem katholischen Subsidiaritätsprinzip
- Umsetzung und Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips im europäischen Gemeinschaftsrecht
- Bewertung der Neuerungen im Vertrag von Lissabon im Hinblick auf die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips
- Kapitel 2: Das allgemeine Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre
- Kapitel 3: Die implizite Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im Gemeinschaftsrecht vor dem Vertrag von Maastricht
- Kapitel 4: Das Subsidiaritätsprinzip im Vertrag von Maastricht über die Europäische Union
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit der Wirkungsweise des Subsidiaritätsprinzips im europäischen Gemeinschaftsrecht. Ziel ist es, den materiellen Gehalt und die Wirkungsweise des Subsidiaritätsprinzips auf europäischer Ebene darzustellen und dieses Prinzip mit den Standards des allgemeinen Subsidiaritätsprinzips gemäß der katholischen Soziallehre zu vergleichen.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Subsidiaritätsprinzip, europäisches Gemeinschaftsrecht, Vertrag von Lissabon, katholische Soziallehre, Kompetenzausübung, Rechtsetzung, Kontrolle, Frühwarnsystem, Justiziabilität, regionale und kommunale Ebene.
- Arbeit zitieren
- Jonathan Mayer (Autor:in), 2009, Die Wirkungsweise des Subsidiaritätsprinzips im Europäischen Gemeinschaftsrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151816