Was verbirgt sich am tiefsten Punkt der Erde, dort, wo glühendes Eisen auf festes Gestein trifft? Tauchen Sie ein in die geheimnisvolle Welt der Kern-Mantel-Grenze (CMB), einer Region extremer Bedingungen, in der sich unser Verständnis von planetarer Dynamik neu formiert. Diese hochaktuelle Analyse der D“-Schicht, einer geheimnisvollen Zone am Übergang von Erdmantel und Erdkern, enthüllt die neuesten Erkenntnisse über ihre komplexe Struktur und Zusammensetzung. Entdecken Sie, wie seismische Wellen unsichtbare Einblicke in die verborgenen Prozesse gewähren, die tief im Erdinneren ablaufen. Erforschen Sie die Theorien rund um das Absinken ozeanischer Platten, die Entstehung von Mantelplumes und die rätselhaften Ultra-Low-Velocity-Zonen (ULVZ), Gebiete extrem reduzierter seismischer Geschwindigkeit, die das Verständnis der Mantelkonvektion revolutionieren. Die Diskussion aktueller Forschungsergebnisse zur Mineralogie unter diesen extremen Bedingungen offenbart die Existenz von Post-Perovskit, einer Mineralphase, deren anisotrope Eigenschaften die seismischen Anomalien in der D“-Schicht erklären könnten. Werden Sie Zeuge, wie diese Erkenntnisse unser Bild vom dynamischen Zusammenspiel zwischen Erdkern und Erdmantel verändern und die treibenden Kräfte hinter Vulkanismus, Erdbeben und der gesamten geologischen Aktivität unseres Planeten beleuchten. Eine fesselnde Reise in die Tiefen der Erde, die nicht nur Geowissenschaftler, sondern alle Leser mit Interesse an den verborgenen Kräften unseres Planeten begeistern wird. Ergründen Sie die Geheimnisse der Kern-Mantel-Grenze, ein Schlüssel zum Verständnis der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Erde. Lassen Sie sich von den neuesten Forschungsergebnissen zu Mineralstrukturen, insbesondere Perovskit und Post-Perovskit, und deren Einfluss auf die seismischen Eigenschaften der D"-Schicht fesseln. Diese einzigartige Synthese aktueller Theorien und Forschungsergebnisse bietet einen umfassenden Überblick über die komplexen Prozesse an der Kern-Mantel-Grenze.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorherrschende Bedingungen
2. Theorien zu Vorgängen an der CMB
2.1 Absinken ozeanischer Platten und Bildung von Mantelplumes
2.2 Ultra-low-velocity-zones (ULVZ)
2.3 Beispiele für Möglichen Aufbau der D“Schicht
3. Mineralstrukturen im Bereich der CMB
1. Vorherrschende Bedingungen
Die eigentliche Kern-Mantel-Grenze liegt in einer Tiefe von ca. 2900 Kilometern und wird auch als Wiechert-Gutenberg-Diskontinuität bezeichnet. Da man die Erde und ihren Schalenbau nicht direkt untersuchen kann, hat man diese Grenze aus den Veränderungen der Geschwindigkeiten von P- und S- Wellen abgeleitet. S-Wellen, also Scherwellen durchdringen keine Flüssigkeiten, weshalb man aus dem nicht Vorhandensein dieser Wellen im äußeren Erdkern darauf schließt, dass dieser flüssig sei. Auch die Geschwindigkeit der P- Wellen verändert sich an der Kern-Mantel-Grenze sprunghaft, wie in Abbildung 1 zu sehen ist.
In der Abbildung ist allerdings nicht zu sehen, dass über der Kern-Mantel-Grenze eine etwa 200 bis 300 Kilometer mächtige Schicht zu finden ist, in der sowohl Wellengeschwindigkeiten, als auch Temperatur und Dichte stark variieren. Man nennt diesen Bereich die D“-Schicht.
„Untersuchungen der seismischen Wellen, die diesen Bereich durchlaufen haben, ergaben große laterale Schwankungen hinsichtlich Mächtigkeit und Zusammensetzung innerhalb dieser Grenzschicht, aber auch eine Abnahme der P-Wellengeschwindigkeit um etwa 10 Prozent oder mehr in den untersten 20 Kilometern - ein Hinweis auf einen partiell geschmolzenen Zustand“ (PRESS/ SIEVER, S.517).
Außerdem herrschen in der D“-Schicht Temperaturen zwischen 2000 und 4000 Kelvin sowie Drücke von bis zu 135 Gigapascal vor.1
Um die starken Temperaturunterschiede zu erklären, „wird die D“-Schicht häufig als thermische Grenzschicht im unteren Mantel angesehen: Wärme tritt durch Diffusion vom darunter liegenden Kern ein und wird sowohl durch das großräumige Mantelströmungsfeld als auch durch Mantelplumes weiter nach oben transportiert“ (www.geo.uni-potsdam.de). Auf die Entstehung dieser Mantelplumes und weitere Prozesse an der Kern-Mantel-Grenze soll nun im folgenden Abschnitt genauer eingegangen werden.
Insgesamt ist die D“-Schicht in ihren Eigenschaften inhomogen, was Fragen über ihren Aufbau und die Zusammensetzung aufwirft.
2. Theorien zu Vorgängen an der Kern-Mantel-Grenze
Wie bereits erwähnt basieren die Theorien zu den Vorgängen an der Kern-Mantel-Grenze aus Schlussfolgerungen aus den Veränderungen der seismischen Wellengeschwindigkeiten beim Durchlaufen dieses Bereiches. Daher ist es schwierig diese Vermutungen sicher zu belegen. Im folgenden soll deshalb auf aktuell bestehende Theorien eingegangen werden.
2.1. Absinken ozeanischer Platten und Bildung von Mantelplumes
Wie auch in Abbildung 2 zu erkennen, geht man davon aus, dass die subduzierten ozeanischen Platten im Erdmantel weiter absinken und sich schließlich an der Kern-Mantel- Grenze anlagern. Diese sogenannte Plume-Theorie steht in Konkurrenz zu der Annahme, dass die ozeanischen Platten bereits im oberen Mantel aufschmelzen und von dort aus als Magmen wieder aufsteigen.
Die Plume-Theorie geht davon aus, dass die zur Kern-Mantel-Grenze abgesunkenen ozeanischen Platten dort auf den flüssigen Erdkern drücken und diesen „eindellen“. Die Grenze zwischen Mantel und Kern, bzw. die D“-Schicht wird an dieser stelle besonders dünn. Das so verdrängte Material bildet an anderen Stellen Ausbuchtungen, also eine besonders dicke D“-Schicht, wie ebenfalls in Abbildung 2 zu sehen ist.
In diesen Bereichen kann das heißere Material der D“-Schicht als so genannter Plume aufsteigen. Man geht davon aus, dass so unter anderem Hot spots entstehen.
Auf diese Weise kommt es auch zu einer gewissen Durchmischung des Mantels, der sogenannten Mantelkonvektion, die in Abbildung 3 dargestellt ist.
Obwohl durch die Überlegung einer unterschiedlich dicken D“-Schicht und die Temperaturunterschiede aufgrund der aufsteigenden Plumes einige Phänomene an der Kern- Mantel-Grenze begründet werden können, reichen diese Annahmen für eine vollständige Erklärung der Änderung der Wellengeschwindigkeiten und der weiteren Inhomogenitäten nicht aus.
2.2. Ultra-low-velocity-zones (ULVZ)
In der Nähe der Kern-Mantel-Grenze wurden mit Hilfe von seismischen Wellen so genannte ultra-low-velocity-zones entdeckt. In diesen Bereichen bewegen sich die S-Wellen äußerst langsam fort. Allerdings sind diese Bereiche nicht in allen Bereichend er CMB zu finden, sondern nur regional verteilt. Ihre Dicke liegt zwischen 5 und 40 Kilometern2. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um partiell geschmolzenes Mantelmaterial, aus dem schließlich die Plumes entstehen (siehe Abbildung 4). Warum genau das Material schmilzt ist nicht nachgewiesen. Möglicherweise hängt der Schmelzvorgang mit Wärmetransport aus dem Kern zusammen, es könnte allerdings auch sein, dass eine Durchmischung mit dem äußeren Kern stattfindet und das dabei in das Mantelgestein eingebrachte Eisen dessen Schmelzpunkt senkt.
2.3. Beispiele für Möglichen Aufbau der D“Schicht
Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erwähnt, ist der Aufbau der D“-Schicht recht komplex und regional unterschiedlich. Der Bereich unterhalb der Subduktionszone im Westen Südamerikas ist ein recht gut untersuchtes Beispiel für einen Bereich mit absinkender ozeanischer Platte, die die D“-Schicht „eindellt“. Im benachbarten Bereich befinden sich ULVZ aus welchen Magma aufsteigt. Ein typisches Beispiel für einen Hot spot ist Hawaii. Hier ist vermutlich ein größeres Gebiet der CMB mit einer ULVZ „bedeckt“. In Abbildung 5 ist dieser Bereich in einer bräunlichen Farbe gehalten. Unter dem Südatlantik und Südafrika befindet sich eine große Low-Velocity-Struktur, die sich nach oben in den unteren Mantel ausbreitet. Von hier aus steigen mehrere Hot spots auf 3.
3. Mineralstrukturen im Bereich der Kern-Mantel-Grenze
Der Erdmantel besteht aus silikatischen Gesteinen, die mit zunehmender Tiefe in dichtere Mineralstrukturen übergeht. Man ist sich nicht sicher, ob der gesamte Mantel die gleiche chemische Zusammensetzung hat, woraus 3 verschiedene Mantelmodelle entstanden (siehe Abbildung 7). Aber alle 3 Modelle gingen davon aus, dass ein Großteil bzw. alle Bestandteile des untersten Bereiches des Erdmantels in Perovskit-Struktur vorliegen. Das Mantelmineral hat die Formel (Mg,Fe)SiO3, wobei Silizium und Sauerstoff Oktaeder ausbilden. In den Oktaederlücken sitzen die Eisen- oder Magnesiumionen. In Abbildung 7 ist die Struktur des Perovskit dargestellt.
„Da diese Verbindung unglaublich stabil ist, glaubte man lange, der ganze untere Erdmantel bestehe aus diesem Mineral“ (http://www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/D2_Schicht1.html). In einer Veröffentlichung von A.R. Oganov und S. Ono in der Zeitschrift Nature im Jahr 2004 beschreiben diese allerdings eine neu entdeckte Mineralphase namens post-perovskit. Dieses ist nicht isotrop, sondern weist eine Schichtstruktur (Abbildung 8), welche möglicherweise eine Erklärung für das Verhalten der seismischen Wellen in der D“-Schicht liefern könnte. Aufgrund der Anisotropie passieren die Wellen je nach Orientierung das Mineral unterschiedlich schnell, was die starken Schwankungen der gemessenen Wellengeschwindigkeiten nach sich zieht. Außerdem ist der Übergang von Perovskit zu Post- Perovskit stark temperaturabhängig, weshalb in Bereichen von hohen Manteltemperaturen erst mit zunehmender Tiefe ein Übergang der Struktur zu erwarten ist. Die Post-Perovskit- Schicht ist dort weniger mächtig.
Man könnte also insgesamt den Übergang zwischen Perovskit- und Post-Perovskit-Struktur mit der oberen Grenze der D“-Schicht gleichsetzen.
Vollständig sind die Zusammenhänge zwischen der neu entdeckten Mineralphase und den Ereignissen an der Kern-Mantel-Grenze allerdings noch nicht geklärt. Hier besteht auch für die Zukunft noch erheblicher Forschungsbedarf.
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1 DUFFY, S.409
2 DUFFY, S. 410
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Kern-Mantel-Grenze (CMB)?
Die Kern-Mantel-Grenze ist die Grenze zwischen dem Erdmantel und dem äußeren Erdkern. Sie liegt in einer Tiefe von etwa 2900 Kilometern und wird auch als Wiechert-Gutenberg-Diskontinuität bezeichnet. Sie ist gekennzeichnet durch sprunghafte Veränderungen der Geschwindigkeiten von P- und S-Wellen.
Was ist die D“-Schicht?
Die D“-Schicht ist eine etwa 200 bis 300 Kilometer mächtige Schicht über der Kern-Mantel-Grenze, in der sowohl Wellengeschwindigkeiten als auch Temperatur und Dichte stark variieren. Sie wird oft als thermische Grenzschicht im unteren Mantel angesehen.
Welche Temperaturen und Drücke herrschen in der D“-Schicht?
In der D“-Schicht herrschen Temperaturen zwischen 2000 und 4000 Kelvin sowie Drücke von bis zu 135 Gigapascal.
Was sind Mantelplumes und wie entstehen sie?
Mantelplumes sind aufsteigende Ströme von heißem Material aus der D“-Schicht. Es wird angenommen, dass sie entstehen, wenn subduzierte ozeanische Platten an der Kern-Mantel-Grenze ankommen und das heißere Material der D“-Schicht nach oben verdrängen. Sie können zur Entstehung von Hot Spots beitragen.
Was sind Ultra-Low-Velocity-Zones (ULVZ)?
Ultra-Low-Velocity-Zones sind Bereiche in der Nähe der Kern-Mantel-Grenze, in denen sich seismische S-Wellen sehr langsam fortbewegen. Sie sind regional verteilt und haben eine Dicke von 5 bis 40 Kilometern. Es wird vermutet, dass es sich um partiell geschmolzenes Mantelmaterial handelt, aus dem Plumes entstehen können.
Woraus besteht der Erdmantel im Bereich der Kern-Mantel-Grenze?
Der Erdmantel besteht aus silikatischen Gesteinen. Es wird angenommen, dass ein Großteil des untersten Bereichs des Erdmantels in Perovskit-Struktur vorliegt. Inzwischen wurde auch eine neue Mineralphase namens Post-Perovskit entdeckt, die eine Schichtstruktur aufweist.
Was ist Post-Perovskit und welche Bedeutung hat es für die D“-Schicht?
Post-Perovskit ist eine neu entdeckte Mineralphase im unteren Erdmantel mit einer Schichtstruktur. Es wird vermutet, dass die Anisotropie dieser Struktur eine Erklärung für das Verhalten der seismischen Wellen in der D“-Schicht liefern könnte.
Wie hängen Subduktion und Mantelplumes zusammen?
Es wird angenommen, dass subduzierte ozeanische Platten bis zur Kern-Mantel-Grenze absinken und dort das Material der D“-Schicht verdrängen. Dieses verdrängte Material kann dann als Mantelplume aufsteigen. Das Absinken der ozeanischen Platten "dellt" die D-Schicht ein. An anderer Stelle formt das verdängte Material "Ausbuchtungen". In den Ausbuchtungen können heißere Material der D-Schicht als Mantelplume aufsteigen.
Was sind die Herausforderungen bei der Erforschung der Kern-Mantel-Grenze?
Die Erforschung der Kern-Mantel-Grenze ist schwierig, da sie sich in großer Tiefe befindet und nicht direkt zugänglich ist. Die Theorien zu den Vorgängen an der Kern-Mantel-Grenze basieren hauptsächlich auf Schlussfolgerungen aus den Veränderungen der seismischen Wellengeschwindigkeiten.
- Arbeit zitieren
- Annika Brandt (Autor:in), 2006, Die Kern-Mantel-Grenze der Erde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152946