Philosophische Debatten in den Disziplinen Metaphysik, Epistemologie und
Sprachphilosophie erfordern früher oder später eine präzise Auseinandersetzung mit der
Frage, was ,,Realismus" eigentlich bedeutet. Die verschiedenen philosophischen Strömungen /
Schulen bilden dabei jeweils eigene Methodiken und Fachtermini aus, so dass hier zunächst
zu klären ist, mit welcher konkreten Definition von ,,Realismus" im Folgenden gearbeitet
werden soll. In diesem Kontext stehen auch die Definitionen von ,,Realismus" und ,,Anti-
Realismus", wie sie von Stuart Brock und Edwin Mares in ihrer Abhandlung Realism and
Anti-Realism vorgeschlagen worden sind.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Fehler-Theorie
3 Physikalismus
4 Resonanz-Abhängigkeit
5 Irreduzibler Realismus
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Philosophische Debatten in den Disziplinen Metaphysik, Epistemologie und Sprachphilosophie erfordern früher oder später eine präzise Auseinandersetzung mit der Frage, was „Realismus“ eigentlich bedeutet. Die verschiedenen philosophischen Strömungen / Schulen bilden dabei jeweils eigene Methodiken und Fachtermini aus, so dass hier zunächst zu klären ist, mit welcher konkreten Definition von „Realismus“ im Folgenden gearbeitet werden soll. In diesem Kontext stehen auch die Definitionen von „Realismus“ und „Anti-Realismus“, wie sie von Stuart Brock und Edwin Mares in ihrer Abhandlung Realism and Anti-Realism vorgeschlagen worden sind:
- Realistisch seien im Folgenden solche philosophischen Positionen genannt, welche von Fakten[1] ausgehen, die in ihrer Existenz unabhängig von subjektiver Wahrnehmung sind.
- Anti-realistisch seien im Folgenden zwei verschiedene Arten von philosophischen Positionen genannt: Solche, welche davon ausgehen, dass die Existenz von Fakten abhängig von subjektiver Wahrnehmung ist, und solche, welche abstreiten, dass es Fakten überhaupt gibt.
Es bietet sich Brock und Mares zufolge an, diese Definitionen stärker auszudifferenzieren, indem wir sie in direkten Bezug zum Phänomen der Farbwahrnehmung setzen. Ohne Farben könnten wir die Konturen bzw. die räumliche Struktur der „Objekte“ unserer „Außenwelt“ gar nicht erkennen. (Selbst wenn ein Objekt transparent ist, so erkennen wir es doch durch das Durchscheinen der Farben anderer Objekte.) Diese Feststellung geht philosophisch betrachtet über einen rein physikalischen Erklärungsansatz von Farbwahrnehmung hinaus: Wenn es Fakten über eine unabhängig von uns existente Außenwelt gibt, dann haben Farben etwas mit diesen Fakten zu tun. Was also sind Farben wirklich ? Was für Fakten können wir ggf. in Bezug auf Farben festhalten? Brock und Mares stellen zur Beantwortung dieser Fragen vier verschiedene Theorien vor, welche ich im Folgenden diskutieren werde:
2 Fehler-Theorie
Vertreter dieser Theorie sehen in den oben genannten Fragen zur Farbwahrnehmung das Resultat einer systematischen Fehlannahme. Unsere visuelle Wahrnehmung ist ohnehin anfällig für optische Täuschungen (z.B. wenn wir einen Stift betrachten, welcher in einem halb gefüllten Wasserglas steckt und dadurch für uns gekrümmt aussieht, obwohl er dies nicht ist). Konstitutiv für die „Fehler-Theorie“ sind aber zwei darüber hinausgehende Argumente:
2.1. Erstens ist Einfachheit ein wichtiges Kriterium wissenschaftlicher Theorien (vgl. „Ockhams Rasiermesser“). Naturwissenschaftliche Theorien kommen aber prinzipiell ohne eine Erklärung von Farbwahrnehmungen aus:
(P1) Farben sind überflüssig für unsere Erklärungsbedürfnisse.
(P2) Wenn Farben überflüssig für unsere Erklärungsbedürfnisse sind, dann gibt es keine Farben.
® Es gibt keine Farben.
2.2. Zweitens gibt es gute wissenschaftliche Erklärungen von Farbwahrnehmungen, welche nicht auf der Annahme basieren, die Farben von Objekten entsprächen 1 : 1 unseren Farbwahrnehmungen. Eine physikalisch-neurologische Erklärung von Farbwahrnehmung etwa kann sich auf die Fotorezeptoren der menschlichen Netzhaut (Stäbchen und Zapfen) beziehen. Es können drei verschiedene Arten von Zapfen unterschieden werden, welche jeweils für eine bestimmte Wellenlänge von Lichteinwirkungen (kurz, mittel und lang) zuständig sind. Die Zapfen konvertieren das Licht seiner Wellenlänge entsprechend in neuronale Signale, welche wir als unterschiedliche Farbwahrnehmungen erleben. Zwar können bestimmte Objekte lokalisiert werden, welche das auf unsere Fotorezeptoren treffende Licht reflektieren, aber dies sagt nichts Faktisches darüber aus, ob diese Objekte unabhängig von unserer subjektiven Wahrnehmung farbig sind bzw. was eine Farbe wirklich ist.
Wir unterliegen diesem Erklärungsmodell entsprechend also nicht nur einer temporären Täuschbarkeit unserer Augen, sondern wir werden vielmehr permanent getäuscht, solange wir glauben, unsere (visuelle) Wahrnehmung sei dazu geeignet, die äußere Welt 1 : 1 wiederzugeben. Die Hauptthese der Fehler-Theorie besteht also darin, dass wir bisher keinerlei Möglichkeiten gefunden hätten, die Welt „objektiv“ zu erkennen. Sie ist somit anti-realistisch im Sinne von Brock und Mares.
3 Physikalismus
Ein gutes Beispiel für eine realistische Theorie der Farbwahrnehmung ist der Physikalismus. Physikalisten setzen eine Korrelation zwischen den Farben von Objekten und unseren Farbwahrnehmungen voraus: Alle Eigenschaften von Objekten seien physikalische Eigenschaften. Eine im Physikalismus weit verbreitete These besagt daher, dass Farben identisch mit den physikalischen Ursachen unserer Farbwahrnehmungen seien. Als außerphysikalische Entität stehen Farben daher für viele Physikalisten außerhalb der kausalen Zusammenhänge. Einige Physikalisten vertreten ferner die These, Farben seien identisch mit der Disposition [2] eines Objektes, Licht in bestimmten Wellenlängen zu reflektieren. Der Physikalismus stimmt daher mit der Fehler-Theorie insofern überein, als dass beide Theorien implizieren, Entitäten außerhalb physikalischer Kausalzusammenhänge seien „überflüssig“ bzw. nicht existent ( vgl. 2.1.). Im Gegensatz zur Fehler-Theorie geht der Physikalismus aber davon aus, dass es zumindest möglich ist, die Ursachen von Farbwahrnehmung „objektiv“ zu beschreiben bzw. diesbezügliche Fakten zu nennen. Eine physikalistische Identitätstheorie der Farbwahrnehmung ist allerdings aus mindestens zwei Gründen problematisch: Erstens liefert eine rein physikalische Erklärung der Kausalbedingungen von Farbwahrnehmung keine befriedigende Antwort auf die Frage, was Farben wirklich (also unabhängig von subjektiver Wahrnehmung) sind (vgl. 1. und 2.2.). Zweitens bedeutet ein Identitätsverhältnis zwischen Farbe und der physikalischen Ursache von Farbwahrnehmung nicht zwingend, dass wir diese Ursachen auch als solche erkennen und auf der richtigen Beschreibungsebene wiedergeben können. Wer z.B. Clark Kent sieht, der sieht zugleich Superman, ohne dafür wissen zu müssen, dass Clark Kent und Superman ein- und dieselbe Person sind. Man würde also ggf. Superman sehen, ohne dies zu erkennen. Wir können analog dazu theoretisch eine bestimmte Farbe sehen, ohne damit zugleich die Ursache dieser Farbwahrnehmung zu sehen.
[...]
[1] Hier: Aspekte der äußeren Welt, welche durch bestimmte Aussagesätze vollständig beschrieben werden können.
[2] Dispositionelle Eigenschaften: Fähigkeit oder Neigung eines Objekts oder Subjekts, unter bestimmten Umständen ein bestimmtes Verhalten zu zeigen (z.B. das Auflösen in Wasser oder das Zerbrechen). Diese Eigenschaften sind das Gegenteil von manifesten Eigenschaften.
- Arbeit zitieren
- Ulrich Goetz (Autor:in), 2009, Realismus und Antirealismus: Farben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153256
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