Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Die Anselm-Gaunilo-Kontroverse
2. Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit - Die Interpretationsfragen
3. Interpretation des Liber pro insipiente
3.1 Präliminarien
3.2 Die Textgrundlage
3.3 Die Kritik des Toren am modalisierten Existenzbeweis
3.4 Rekonstruktion der Gaunilo-Kritik am modalisierten Existenzbeweis
3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse der Rekonstruktion
3.6 Anselms Erwiderung auf die Kritik Gaunilos in Responso
4. Beantwortung der Interpretationsfragen
Literaturverzeichnis
1. Die Anselm-Gaunilo-Kontroverse
Anselm von Canterbury verfasste sein Werk Proslogion (= P) wahrscheinlich in den Jahren 1077/78. Bereits in der Vorrede gibt er klar zu erkennen, worin sein Vorhaben besteht.
Anselm, der dem Orden der Benediktiner angehörte, hatte auf Bitten seiner Glaubensbrüder hin eine Schrift, das Monologion (=M), verfasst. Der Hauptzweck dieses Werkes besteht darin, die „wahrhafte“ Existenz Gottes zu beweisen, und zu zeigen, dass dieser das „höchste Gut“ sei. Doch ist ihm dies - seiner Ansicht nach - nur durch eine weit verzweigte Argumentation gelungen. Ein Ziel des Proslogion soll es nun sein, mit Hilfe nur eines Arguments genau das zu erreichen, was ihm im Monologion nur durch die Verkettung vieler Argumente gelungen schien.1
Zu diesem Zweck versucht Anselm zu beweisen, dass dasjenige, von dem nichts Größeres gedacht werden kann und von dem er glaubt, dass es Gott sei, existiert. Den „einfachen“ Existenzbeweis vollzieht er im zweiten Kapitel des P. Im dritten Kapitel geht er noch einen Schritt weiter, in dem er zu beweisen versucht, dass nicht einmal gedacht werden kann, dass dieses famose Objekt nicht existiert. Dies kann als „modalisierter“ Gottesbeweis angesprochen werden.
Neueren und durchaus plausibel erscheinenden Überlegungen zufolge ist mit den beiden Beweisen jedoch das Anselm-Programm „fides quaerens intellectum“ nicht abgeschlossen. Die Einsicht in die Existenz Gottes vollzieht sich demnach nicht in Form eines Zwei-Stufen-, sondern eines Drei-Stufen- Arguments.2 Bei der dritten Stufe handelt es sich um einen Identifikationsbeweis für die Identität zwischen demjenigen, von dem nichts Größeres gedacht werden kann, und Gott. Dieser Beweis befindet sich ebenfalls im PIII. Eine Rekonstruktion von PII-PIV, die erstmals diese dritte Stufe mit berücksichtigt, liegt mit dem unveröffentlichten Aufsatz ‘This exegetical morass - Zu PII-IV’ von GEO SIEGWART vor.3
Nun ist seit Anselms Tagen die Diskussion über die PII- und PIII-Argumentationen nicht abgerissen. Bereits der in seiner Zeit lebende Glaubensbruder Gaunilo von Marmoutiers unterzog die Anselmsche Beweisführung in seiner Schrift ‘Quid ad haec respondeat quidam pro insipiente’ (= LPI) einer eingehenden Analyse. Die von ihm geübte Kritik richtete sich jedoch nicht gegen die Ergebnisse aus PII und PIII, sondern (nur) gegen die Beweisführung selbst bzw. gegen in ihr vorkommende begriffliche Ungenauigkeiten. Dies legte den Grundstein zur Gaunilo-Anselm-Kontroverse.
Anselm erwiderte seinem Kritiker in der (Verteidigungs-)Schrift ‘Quid ad haec respondeat editor ipsius libelli’ (= R). Er glaubte, hiermit hinreichend dargelegt zu haben, dass das Prinzip seiner Beweisführung in PII und PIII keinen Denkfehler aufweist und wie die als problematisch hingestellten Begrifflichkeiten zu verstehen sind.
Dass Anselm die durch seinen Opponenten vorgebrachte Kritik, obwohl er sie zurückwies, dennoch als sinnvoll ansah, wird durch seine Veranlassung deutlich, dass P nur im Verbund mit dem LPI und der R herauszugeben ist.4
2. Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit - die Interpretationsfragen
Diese Arbeit setzt sich mit der Kritik Gaunilos am modalisierten Gottesbeweis Anselms auseinander. Diese brachte er im LPI[7]vor.
Das Hauptziel ist es, ein fundiertes Verständnis seiner Kritik zu gewinnen. Handelt es sich hierbei um eine destruktive oder um eine konstruktive Kritik? Zweifelt er die Undenkbarkeit der Nicht-Existenz Gottes an oder (lediglich) die Beweisführung Anselms? Legen Gaunilo und Anselm hinsichtlich der Begriffe „Undenkbarkeit“ und „Unverstehbarkeit“ dieselben Bedeutungen zugrunde oder nicht - sprich: reden sie im schlimmsten Fall aneinander vorbei?
Zur Klärung dieser Fragen ist es unerlässlich, die kritischen Überlegungen Gaunilos hinsichtlich PIII richtig erfassen zu können. Zu diesem Zweck wird eine Rekonstruktion der argumentativen Passagen aus LPI[7]erstellt.
Zudem muss die Antwort Anselms betrachtet werden, mit der er in R[4]auf die Kritik Gaunilos reagierte und sein Vorgehen in PIII rechtfertigte. Dies wird in weniger ausführlicher Form geschehen.
Darüber hinaus soll eine Antwort auf die Frage gegeben werden, warum Gaunilo in LPI[7]einen sogenannten Sprecherwechsel5 vollzieht. Dieser hat u. a. J. SCHERB dazu veranlasst, von der Standarteinteilung des LPI durch F. S. SCHMIDT abzuweichen und den siebenten Abschnitt in zwei eigenständige Kapitel zu unterteilen.6 Wie sich zeigen wird, trägt die Beantwortung dieser Frage einen bedeutsamen Teil zum Gesamtverständnis des LPI[7]bei.
Aus den oben genannten Vorhaben ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit: Zuerst erfolgen generelle Anmerkungen zum Rekonstruktionsvollzug (3.1). Anschließend wird auf die Textgrundlage des Rekonstruendums eingegangen. Es werden zwei deutsche Übersetzungen des LPI[7]herangezogen und es wird eine Strukturierung vorgenommen (3.2). Anschließend kommt es zur Interpretation des LPI[7]. Zunächst ist dazu die erste Textrate zu untersuchen, welche die Kritik des Toren am modalisierten Gottesbeweis enthält (3.3). Darauf folgt eine Rekonstruktion der kognitiven Passagen aus der zweiten Textrate, welche die Kritik Gaunilos am modalisierten Gottesbeweis enthält (3.4). Dieser Rekonstruktion schließt sich die Zusammenfassung der dort erzielten Ergebnisse und Einsichten an (3.5). Den Abschluss des Hauptteils bildet die Untersuchung von R4, worin Anselm die Gaunilo'sche Kritik zurückweist (3.6). Abschließend kommt es zur Beantwortung der Interpretationsfragen (4).
3. Interpretation von LPI[7]
3.1 Präliminarien
Im Folgenden werden einige vorbereitende Hinweise bezüglich des weiteren Vorgehens gegeben. Das Ziel ist, den gesamten Arbeitsprozess transparent zu gestallten.
(i) Auf eine Gesamtwiedergabe des LPI wird verzichtet. Dies ist methodisch gut vertretbar, da sich der siebente Abschnitt des LPI, auf den sich diese Untersuchung im Kern beschränkt, sich hinreichend stark von der PII-Kritik Gaunilos abgrenzt. Diese wird in den ersten sechs Kapiteln formuliert wird. Es genügt, die internen Textbezüge des LPI, aber auch die externen Textbezüge zu P und zu R an denjenigen Stellen des Interpretations- und Rekonstruktionsgeschäfts zu berücksichtigen, wo sie förderlich sind.
(ii) Als Textgrundlage werden zwei Übersetzungen des LPI ins Deutsche dienen: die textnahe Übersetzung von ROBERT THEIS7 und die - hinsichtlich der Rekonstruktion kognitiver Passagen stärker gerichtete - Übersetzung JÜRGEN LUDWIG SCHERBs.8 Die Arbeit mit zwei Texten ist vorteilhaft. Den Verständnisschwierigkeiten, die sich aus der unterschiedlichen Übersetzung des lateinischen Ausgangstextes ergeben, kann hierdurch zum Teil entgegengewirktwerden.
(iii) Die Wendung ‘dasjenige/ ein solches, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann’ soll aus Gründen der Einfachheit in der gesamten Arbeit als „das famose Objekt“ bezeichnet werden.
(iv) Die Begriffe „Interpretation“ und „Rekonstruktion“, die in dieser Arbeit verwendet werden, sind nicht gleichzusetzen. Eine grobe Trennung soll hier genügen: „Rekonstruktion“ steht für ein hermeneutisches Verfahren zum Umgang mit Argumentationen, das die „Aufbereitung“ eines umgangssprachlichen Textes und seine Wiedergabe in einer expliziten Sprache vorsieht. „Interpretation“ steht allgemein für die Deutung bzw. Auslegung eines umgangssprachlichen Textes durch einen umgangssprachlichen Text.
(v) In Kapitel 3.4 soll die Argumentation Gaunilos im Detail nachgezeichnet werden - zu diesem Zweck wird sie rekonstruiert. Der umgangssprachliche Text ist das Rekonstruendum. Dieser wird in einen Text, namentlich das Rekonstruens, innerhalb einer Rekonstruenssprache überführt. Für die angestrebte Rekonstruktion wird eine Standardsprache erster Stufe mit der Erweiterung um den Epsilon- Termquantifikator und mit den Folgerungsregeln der klassischen Quantorenlogik sowie des Identitätsprädikators verwendet.
Der Epsilon-Operator wurde im Zusammenhang mit der Gottescharakterisierung erstmals durch CAMPBELL in die Debatte eingeführt.9 Da es im LPI (ebenfalls) zu der Id-aliquid-Rede kommt, ist die Verwendung dieses Operators angemessen und von Vorteil.
Abschließend sei erwähnt, dass die Rekonstruktion den bereits etablierten Rekonstruktionsmaximen der Immanenz, Benevolenz, Verlaufs- und Rahmentransparenz folgt.10
3.2 Die Textgrundlage
Zunächst erfolgt die Wiedergabe der beiden deutschen Übersetzungen von LPI[7]in tabellarischer Form. Im Anschluss wird die in der Tabelle ersichtliche, durch den Autor vorgenommene Strukturierung des Textes erläutert und gerechtfertigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das LPI[7]weist einen Einschnitt auf, der durch einen Sprecherwechsel entsteht. Hierdurch ist es sinnvoll, das Kapitel in zwei Textraten (= TR) zu unterteilen. Die in TR (1) vorgebrachte Kritik an PIII erfolgt noch im Namen des Toren. Mit (S5) erfolgt der Wechsel und die TR (2) beginnt. Ab hier bringt Gaunilo einen Kritikpunkt in eigener Person vor.
Ich schließe mich der Sichtweise SCHERBs an, dass der Sprecherwechsel eine Zäsur innerhalb des LPI darstellt. Doch lehne ich ab, dass hiermit ein hinreichender Rechtfertigungsgrund für eine Kapitelneueinteilung vorliegt.11 Es wird in dieser Arbeit die Auffassung vertreten, dass das siebte Kapitel, entsprechend der Kapitelunterteilung durch F. S. SCHMIDT, als eine Texteinheit aufrechterhalten werden muss. Den Hauptgrund hierzu liefert der kapitelinterne gedankliche Zusammenhang und die thematische Ausrichtung des Kapitels, das sich als einziges und hier ausschließlich mit dem modalisierten Gottesbeweis aus PIII auseinandersetzt. Ein weiterer sich aus dem Sprecherwechsel in TR (2) ergebender Grund wird später diskutiert (|3.6.).
Das LPI[7]wird dementsprechend in zwei Textraten unterteilt. Diese beiden Textraten sind ihrerseits in zwei Teile zu untergliedern.
TR (1.1) umfasst (nur) einen Satz. Dieser bringt die thematische Trennung zwischen LPI[1]-[6], worin es ausschließlich um eine Kritik an PII geht, und LPI[7], worin PIII thematisiert wird, zum Ausdruck.
TR (1.2) umfasst (S2)-(S4) - hier wird der erste Kritikpunkt an PIII geäußert. Dies erfolgt (noch) in Person des Ungläubigen (Toren).
In TR (2) findet ein Sprecherwechsel statt. Die TR (2) kann folgendermaßen aufgefasst werden: Gaunilo erteilt in (S5) einen Ratschlag, der auf einer impliziten These beruht (t3.4). In (S6) erfolgt die Argumentation für diese These. Aus seiner Sicht hat er somit eine erste Bedingung zur legitimen Äußerung seines Ratschlages erfüllt. Diese zwei Sätze bilden die TR (2.1).
In (S7)-(S11) folgt eine weitere Argumentation. Doch wird hier nicht für die oben erwähnte These argumentiert, sondern die Unverträglichkeit zweier Aussagenmengen nachgewiesen. Dies geschieht in Form einer Dilemma-Situation. Die Argumentation innerhalb der TR (2.2) zielt auf die zusätzliche Erfüllung der Bedingung zur Äußerung seines im (S5) formulierten Ratschlages ab (f3.5).
3.3 Die Kritik des Toren am modalisierten Existenzbeweis
In diesem Abschnitt wird eine Satz-für-Satz-Interpretation der ersten Textrate durchgeführt. Ziel ist es, die Funktion der TR (1) im Gesamtzusammenhang des LPI[7]angeben zu können. Es wird geklärt, in welchem Verhältnis die beiden Textraten des LPI[7]zueinander stehen.
(S1) Soweit, wasjenerToreinstweilenaufdie Einwändeerwidernwird.
Durch diesen Satz wird der Übergang von der PII-Kritik zu einem thematisch neuen Abschnitt des LPI signalisiert. Gaunilo betont nochmals, dass alle von LPI[1]-[6]angestellten Überlegungen, Überlegungen waren, die der von Anselm im P erwähnte Tor auf den einfachen Existenzbeweis des famosen Objekts Vorbringen könnte. Es mag zunächst irritieren, dass in (S1) davon die Rede ist, dass der Tor auf Einwände erwidert. Dem Kontext(gefühl) nach war es (gerade) der Tor der Einwände vorgebrachte - nämlich an PII. Ein Blick in die Übersetzung SCHERBs kann diese plausiblere Lesart bestätigen.
(51) ' Dies hätte jener Tor vorerst aufjenes Vorgetragene geantwortet.
Hier wird ersichtlicht, dass Anselm keine Erwiderungen vorbrachte, sondern etwas vortrug. ‘Jenes Vorgetragene’ meint hier die Argumentation aus PII.
Es geht weiter mit dem zweiten Satz:
(52) Wenn ihm daraufhin versichert wird, jenes >größer< sei so, dass es nicht einmal dem Denken nach nicht sein könne, und dies wiederum genau dadurch bewiesen wird, dass es andernfalls nicht größer wäre als alles, so könnte er darauf dieselbe Antwort geben und fragen:
Dieser Satz weist die Form einer Subjunktion auf. Den vorderen Teil bildet das Antezedens, die Bedingung, unter der auf das im Sukzedens Enthaltene gefolgert werden darf. (S2) gibt den Inhalt des Antezedenz, (S3) den des Sukzedens wieder.
Die Bedingung die Gaunilo hier anführt, ist bereits mit den Ausführungen des PIII erfüllt. Dies ist das eindeutige Anzeichen, dass sich LPI[7]auf den Existenzbeweis in PIII bezieht. An jener Stelle wird mit einer Art der Beweisführung, die auch beim einfachen Existenzbeweis zu Einsatz kam, (durch Anselm) aufgezeigt, dass die Modalität der bereits in Pli bewiesenen Existenz des famosen Objektes derart ist, dass sie, die Existenz, undenkbar nicht gegeben sein kann. Kurz: Die Nicht-Existenz des famosen Objekts kann nicht gedacht werden.
Es scheint plausibel, dass die Redeweise ‘jenes >größer<’ in (S2) sich auf das famose Objekt bezieht. Des Weiteren spricht Gaunilo in (S2) davon, dass der Tor eine Antwort auf das Vorgetragene geben könnte, die er bereits zuvor (zu anderen Zwecken) gegeben hat. Mit ‘dieselbe Antwort’ in (S2) ist höchstwahrscheinlich die in LPl[5](S1)-(S6) gegebene Antwort gemeint. Diese wird dort zum Zweck der Entkräftung des einfachen Existenzbeweises aus Pli gegeben. Die Ähnlichkeit der Vorgehensweise in LPl[5]und[7]ist erstaunlich.
ln LPl[5](S1) schildert Gaunilo ebenfalls in der Rolle des Toren eine dort aus Pli stammende Überlegung und sagt explizit: „Darauf antworte ich Folgendes“. Seine dort gegebene Antwort gleicht der in LPl[7](S3) gegebenen Antwort:
LPl[5](S4)-(S5) Wer nun behauptet, dies sei, weil sonst das, was größer ist als alles, nicht das ist, was größer ist als alles, achtet nicht genügend darauf mit wem er spricht. lch nämlich behaupte gar nicht, ja vielmehr bestreite bzw. bezweifle ich, dass jenes >größer< einer wahren Wirklichkeit nach sei, und gestehe ihm kein anderes Sein zu als jenes - wenn man denn >Sein< sagen muss -, in Anbetracht dessen mein Geist sich aufgrund eines bloß gehörten Wortes eine gänzlich unbekannte Sache auszudenken sucht.“
lch fasse die Überlegung zusammen: Gaunilo vertritt in LPl[5]folgende Auffassung12: Der Tor bestreitet die Existenz-in-Wirklichkeit des famosen Objekts. Darüber hinaus, und dies ist der entscheidende Punkt, gilt es für den Tor als nicht bewiesen, dass das famose Objekt im Verstand existiert. Er unterscheidet zwei Arten des lm-Verstand-Seins. Aus seiner Sicht existiert das famose Objekt höchstens als „bloße Vorstellung“ im Verstand.
Aus diesem Grund kommt Gaunilo zu der Überzeugung, dass der Tor einen Anlass hätte, den Pll- Beweis zurückzuweisen. Der „Größer-Grund“ und die „Selbstprädikation“ würden nicht zum tragen kommen, da der Tor (bereits) das Ergebnis der Nebenargumentation verwirft: Das famose Objekt existiert nicht im Verstand. Dass man von etwas, das nicht im Verstand existiert, beweisen will, dass es in Wirklichkeit existiert, ergibt für den Toren keinen Sinn.
Auf LPl[7]übertragen ergibt sich folgendes Bild: Zwar äußert Gaunilo hier in (S2), dass der Tor zur Entkräftung der Plll-Argumentation dieselbe Antwort geben könnte, die er bereits im LPl[5]zur Entkräftung der Pll-Argumentation gab. Was Gaunilo jedoch meint, ist, dass der Tor dasselbe hinter der Antwort befindliche Prinzip anwenden könnte, um auch die Plll-Argumentation zurückzuweisen. Dies wird in (S3) deutlich.
[...]
1 Vgl. Anselm: Proslogion, §0, S. 7.
2 Campbell, R.: „Anselm's three-stage argument - twenty years on“.
3 Geo Siegwart: „This exegetical morass“.
4 Vgl. Volpi, Franco (Hrsg.): Großes Werklexikon der Philosophie, S. 50.
5 Der „Sprecherwechsel“ meint, dass die vorgebrachte Kritik nicht mehr im Namen des Toren, sondern im Namen Gaunilos selbst erfolgt.
6 Scherb, Jürgen Ludwig: Anselms philosophische Theologie, S. 173.
7 Anselm von Canterbury: Proslogion (dt. übers. v. Robert Theis), S. 87-89.
8 Scherb, Jürgen Ludwig: Anselms philosophische Theologie, S. 171-174.
9 Vgl. Siegwart, Geo: „This exegetical morass, S.3.
10 Vgl. Reinmuth, Friedrich: Zur Rekonstruktion philosophischer Argumentationen, S. 28-46.
11 Scherb (Anselms philosophische Theologie) teilt das LPI in neun Kapitel ein (S.136) und rechtfertigt dies mit dem Sprecherwechsel in LPI[7](S.173).
12 Diese Interpretation resultiert aus der Untersuchung des gesamten fünften Kapitels des LPI.