In Platos "Politeia" wird das Wesen der Gerechtigkeit untersucht. Diese wird als eine Tugend beschrieben, der ein bestimmtes Ordnungsprinzip entspricht. Ein gerechter Mensch sei demnach einer, dessen Seele nach diesem Prinzip geordnet ist. Die politische Theorie Platos entwickelt sich aus der Annahme heraus, dass die Verfassungen von Staaten anschauliche Entsprechungen von Seelenordnungen seien. Die gerechte, das heißt tugendhafte, Ordnung werde durch die Herrschaft der Vernunft in der Seele hervorgebracht. Die Weisen beziehungsweise Philosophen seien diejenigen, deren Seele derart geordnet ist. Daher sei die von diesen konstituierte Verfassung eine gerechte. Obwohl die Gerechtigkeit in Averroes‘ Kommentar zu Platos "Politeia" nur eine Nebenrolle spielt, teilt er die Konklusion, dass die Weisen bzw. Philosophen die Aufgabe, zu regieren, am geeignetsten erfüllen könnten. Averroes kommentiert die "Politeia" unter Berücksichtigung des im zehnten Buch der "Nikomachischen Ethik" vorgezeichneten politischen Programms. Außerdem greift Averroes mehrfach Argumente und Aspekte der politischen Schriften seines Vorgängers Alfarabi auf, der als der Begründer der politischen Philosophie des Islam gelten kann. Um zu beurteilen, wie Averroes das Verhältnis zwischen Philosophie und ‚Regierungskunst‘ versteht, wird im Folgenden untersucht, wie er argumentiert und sich auf die politischen Theorien von Aristoteles und Alfarabi bezieht. Diese Untersuchung wird in vier Schritten verlaufen: i) wie Averroes die praktische Wissenschaft versteht, ii) welche Aufgaben und Fähigkeiten den Regierenden zugeschrieben werden, iii) welcher Zusammenhang zwischen der ‚Regierungskunst‘ und der Wahrheit besteht, und iv) wie das kontemplative Leben mit der Aufgabe, zu regieren, vereinbar ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Die praktische Wissenschaft
- Aufgaben und Fähigkeiten der Regierenden
- Regierungskunst und Wahrheit
- Vereinbarkeit des kontemplativen Lebens mit der Aufgabe, zu regieren
- Schluss
- Literaturverzeichnis
- Primärquellen
- Sekundärquellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Averroes' Kommentar zu Platos Politeia und beleuchtet sein Verständnis des Verhältnisses zwischen Philosophie und Regierungskunst. Sie analysiert Averroes' Argumentation und seine Bezugnahme auf die politischen Theorien von Aristoteles und Alfarabi.
- Averroes' Verständnis der praktischen Wissenschaft
- Die Aufgaben und Fähigkeiten, die Averroes den Regierenden zuschreibt
- Der Zusammenhang zwischen Regierungskunst und Wahrheit bei Averroes
- Die Vereinbarkeit von kontemplativem Leben und der Regierungsaufgabe nach Averroes
- Averroes' Bezug auf Aristoteles und Alfarabi in seiner politischen Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt den Kontext von Platos Politeia und Averroes' Kommentar. Sie benennt die zentrale Fragestellung nach dem Verhältnis von Philosophie und Regierungskunst bei Averroes und skizziert den methodischen Aufbau der Arbeit, der sich auf die Analyse von Averroes' Argumentation und dessen Bezug auf Aristoteles und Alfarabi konzentriert. Die Einleitung legt den Grundstein für die detaillierte Untersuchung im Hauptteil, indem sie die zentrale Forschungsfrage klar umreißt und die wichtigsten Bezugspunkte der Argumentation benennt. Die methodische Vorgehensweise wird kurz dargelegt, um die Leser*innen auf die folgenden Kapitel vorzubereiten.
Die praktische Wissenschaft: Dieses Kapitel analysiert Averroes' Einteilung der Wissenschaften und seine Bestimmung der praktischen Wissenschaft. Averroes unterscheidet zwischen theoretischen und praktischen Wissenschaften, wobei er letztere in zwei Teile gliedert: die Nikomachische Ethik (Tugenden und deren Verhältnis) und die Politik (Ausbildung der Tugenden und deren wechselseitiger Einfluss). Da Aristoteles' Politik Averroes nicht zugänglich war, kommentiert er stattdessen Platos Politeia. Averroes übernimmt von Alfarabi eine Gliederung der Tugenden (theoretische, kognitive, moralische und praktische Fertigkeiten), die er auf Platos Theorie anwendet. Er reduziert die Untersuchung der Gerechtigkeit auf deren Definition und argumentiert, dass eine gerechte Gesellschaftsordnung nur auf Basis der theoretischen Wissenschaften möglich ist. Im Zentrum steht nicht die Gerechtigkeit selbst, sondern die Ausrichtung der Gesellschaft an der natürlichen Ordnung zur Aktualisierung der menschlichen Natur. Die Kapitel verbindet die Abhandlung der praktischen Wissenschaften mit der Interpretation von Platos Politeia und zeigt Averroes' Auseinandersetzung mit aristotelischer und alfarabischer Philosophie.
Aufgaben und Fähigkeiten der Regierenden: Dieses Kapitel vergleicht Averroes' und Platos politische Theorien bezüglich der Aufgaben und Fähigkeiten der Regierenden. Beide stimmen darin überein, dass die Verfassung die gesellschaftliche Ordnung festlegt und die Regierenden die Aufgabe haben, diese Verfassung (Gesetze) zu schaffen und zu erhalten. Der Fokus liegt auf der Analyse der Rollen und Verantwortlichkeiten der Herrschenden, wie sie von Averroes im Kontext seiner Interpretation von Platos Werk und unter Einbezug aristotelischer und alfarabischer Einflüsse gesehen werden. Es wird untersucht, wie die Fähigkeiten der Regierenden zur Aufrechterhaltung einer gerechten und geordneten Gesellschaft beitragen sollen und wie diese Fähigkeiten mit den Prinzipien der praktischen Wissenschaft zusammenhängen.
Schlüsselwörter
Averroes, Platon, Politeia, Regierungskunst, praktische Wissenschaft, theoretische Wissenschaften, Aristoteles, Alfarabi, Gerechtigkeit, Tugenden, kontemplatives Leben, politische Philosophie, Seelenordnung, Gesellschaftsordnung.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Thema dieser Arbeit über Averroes' Kommentar zu Platos Politeia?
Die Arbeit untersucht Averroes' Verständnis des Verhältnisses zwischen Philosophie und Regierungskunst in seinem Kommentar zu Platos Politeia. Sie analysiert seine Argumentation und seine Bezugnahme auf die politischen Theorien von Aristoteles und Alfarabi.
Welche Themenschwerpunkte werden in der Arbeit behandelt?
Die Themenschwerpunkte sind: Averroes' Verständnis der praktischen Wissenschaft, die Aufgaben und Fähigkeiten der Regierenden, der Zusammenhang zwischen Regierungskunst und Wahrheit, die Vereinbarkeit von kontemplativem Leben und der Regierungsaufgabe, und Averroes' Bezug auf Aristoteles und Alfarabi in seiner politischen Theorie.
Was wird in der Einleitung behandelt?
Die Einleitung führt in die Thematik ein, beschreibt den Kontext von Platos Politeia und Averroes' Kommentar, benennt die zentrale Fragestellung nach dem Verhältnis von Philosophie und Regierungskunst bei Averroes und skizziert den methodischen Aufbau der Arbeit.
Was wird im Kapitel "Die praktische Wissenschaft" analysiert?
Dieses Kapitel analysiert Averroes' Einteilung der Wissenschaften und seine Bestimmung der praktischen Wissenschaft. Es wird untersucht, wie Averroes Aristoteles und Alfarabi in seine Interpretation von Platos Politeia einbezieht.
Worauf konzentriert sich das Kapitel über die Aufgaben und Fähigkeiten der Regierenden?
Dieses Kapitel vergleicht Averroes' und Platos politische Theorien bezüglich der Aufgaben und Fähigkeiten der Regierenden. Es analysiert die Rollen und Verantwortlichkeiten der Herrschenden im Kontext von Averroes' Interpretation von Platos Werk und unter Einbezug aristotelischer und alfarabischer Einflüsse.
Welche Schlüsselwörter werden in der Arbeit verwendet?
Die Schlüsselwörter sind: Averroes, Platon, Politeia, Regierungskunst, praktische Wissenschaft, theoretische Wissenschaften, Aristoteles, Alfarabi, Gerechtigkeit, Tugenden, kontemplatives Leben, politische Philosophie, Seelenordnung, Gesellschaftsordnung.
Welchen Bezug hat Averroes zur Politik von Aristoteles?
Da Averroes' die Politik von Aristoteles nicht zugänglich war, kommentiert er stattdessen Platos Politeia.
Welche Gliederung der Tugenden übernimmt Averroes von Alfarabi?
Averroes übernimmt von Alfarabi eine Gliederung der Tugenden in theoretische, kognitive, moralische und praktische Fertigkeiten.
Welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen Averroes und Platon bezüglich der Regierenden?
Beide stimmen darin überein, dass die Verfassung die gesellschaftliche Ordnung festlegt und die Regierenden die Aufgabe haben, diese Verfassung (Gesetze) zu schaffen und zu erhalten.
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- Paula Hibben (Author), 2024, Über das Verhältnis von Philosophie und 'Regierungskunst' in Averroes‘ Kommentar zu Platos "Politeia", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1553097