Politikos - Der Mythos und die zwei Weltperioden in Platons Politikos


Seminararbeit, 2009

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Aufgabenstellung
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Vorgehensweise

2 Der Mythos
2.1 Funktion des Mythos
2.2 Genealogie des Mythos

3 Die zwei Zeitalter
3.1 Das Leben unter Kronos
3.2 Das Zeitalter des Zeus

4 Konklusion des Mythos
4.1 Das neue Bild des Staatsmannes
4.2 Die Fehler des Mythos

5 Das menschliche Leben unter Glück und Erkenntnis
5.1 Erkenntnisfähigkeit
5.2 Die Suche nach Glück

6 Geschichtlicher Kontext
6.1 Gegenüberstellung von anderen Erzählungen
6.2 Historische Zeugnisse

7 Fazit

Literatur

1 Einleitung

1.1 Aufgabenstellung

Die Suche nach dem wahren Staatsmann, nach der wahren Staatskunst, das ist die Hauptaufgabe, welche die Dialogpartner in Platons Politikos zu lösen suchen. Der Fremde und Sokrates der Jüngere schneiden sich ihren Staatsmann mittels Dihairese zurecht, finden mögliche fünf Einteilungen der Staatsform und entwerfen so das Bild eines Herrschers. Bei ihrem ersten Versuch den Politikos zu bestimmen, scheitern sie jedoch. Die Stringenz des Dialoges wird unterbrochen von einem Einschub, einer Erzählung zweier Weltperioden, die der Fremde lediglich als „Scherz“[1] bezeichnet und später sogar eingesteht, dass die Erzählung zu lang geraten sei.[2] Der Inhalt des Mythos ist dennoch höchst interessant und wird den Gegenstand dieser Hausarbeit bilden, weil er nicht nur zur Findung des Staatsmannes einen unerlässlichen Einschnitt darstellt, sondern auch in einer spielerischen Weise mit den größten Fragen der Menschen überhaupt umgeht: Dem Erkenntnisstreben, der Herkunft der Welt, der Entstehung von Gemeinwesen. Und so ist der Mythos zweier Weltzeitalter doch ein notwendiger Schritt des Dialogs.[3]

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Die Hausarbeit wird die Geschichte des Mythos herausgreifen und die sagenhaft verklärten Erzählungen als Metaphern für tatsächlich geschichtliche Umbrüche und Einschnitte der Menschheitsgeschichte untersuchen. Es wird gezeigt wie sich die zwei Weltperioden unterscheiden, welche Auswirkung sie auf die Menschen hatten und warum der Mensch letztlich ein zoon politikon mit einem Staatsmann an der Spitze ist. Auch soll ein Abriss davon gegeben werden, wie die zwei Zeitalter sich bezüglich Glück und Erkenntnis unterscheiden.

1.3 Vorgehensweise

Zunächst wird im zweiten Kapitel die Funktion und Entstehung des Mythos innerhalb des Politikos genauer untersucht. Eine genauere Betrachtung der zwei Weltzeitalter wird in Kapitel 3 dargelegt. Darauf folgend werden die Ergebnisse für den Staatsmann herausgestellt, um diese weiterführend auf einer Metaebene bezüglich Erkenntnis und Glück über das Werk hinaus zu beurteilen. Das Verhältnis zu anderen Erzählungen sowie historischen Ereignissen wird im letzten Kapitel thematisiert. Die Arbeit schließt mit einem Fazit.

2 Der Mythos

2.1 Funktion des Mythos

Die Suche nach dem Staatsmann ist das Hauptthema des Politikos. Der Fremde und Sokrates der Jüngere bedienen sich der Methode der Dihairese, um den Staatsmann „zurechtzu-schneiden“. Diese Dihairese scheitert jedoch und der gefundene Begriff des Politikers ist nicht zufriedenstellend. Im ersten Versuch wurde der Staatsmann als „Hüter der Menschherde“[4] beschrieben. Daran stören sich die Dialogpartner und versuchen den Fehler aufzuspüren. Als Hirte wäre der Herrscher vollumfänglich für die Staatsbürger verantwortlich und würde sich um alle Belange kümmern, wie dies ein Hirte für seine Herde ausübt, weil er nicht nur ihr Hüter ist, sondern auch ihr Ernährer, ihr Arzt, ihre Hebamme. Weiterhin ist der Hirte einer Herde auch nicht im Mindesten mit ihnen zu vergleichen; er ist kein Schaf, sondern Mensch. Der Herrscher ist aber Mensch unter Menschen. Was beabsichtigt Platon mit dieser inhaltlichen Sackgasse und wie kann nun die Ausweglosigkeit beendet werden?

Es folgt die Erzählung eines Mythos, der gewiss eine große Zäsur darstellt und den Dialog in seinem linearen Fortschreiten unterbricht. Der Fehler der Dihairese zuvor wird aufgedeckt und mit dem neuerworbenen Wissen wird der Dialog anschließend wieder aufgenommen. Den Mythos lediglich als Hebamme dafür zu sehen ist eine Lesart dieser langen Apposition. Doch darüber hinaus liefert uns der Mythos Anhaltspunkte für weitere, fundamentalere Fragen.

So lässt sich die Gretchen-Frage nach der Erkenntnis aus dem Mythos extrahieren. Das Erkenntnisstreben des Menschen, das Vorwärtsgehen, das Streben: Ist es ein Fluch oder ein Segen oder ist es einfach evolutionäre Notwendigkeit? Wäre Freude ohne Erkenntnis überhaupt möglich? Platon verknüpft die Fragen in seiner Konstruktion und führt sie zu dem Gedanken des Politikers hin. Und nicht zuletzt werfen die fundamentalen Themen auch die Frage auf, warum es überhaupt eines Politikers bedarf. Diese Fragen sind so fundamental, dass dieser Mythos nicht die einzige Geschichte ist, die sich damit befasst. Gibt es gar realhistorische Tatsachen, die eine Engführung mit der erzählten Geschichte erlauben?

2.2 Genealogie des Mythos

Platon konstruiert den Mythos aus drei Geschichten, die bereits getrennt voneinander in der griechischen Mythologe existierten. Der Begriff des ‚Konstrukts‘ ist passend, es handelt sich weder um wahre Begebenheiten noch um eine Geschichte mit inhaltlich logisch stringentem Geschehen. Es werden sich einige Ungereimtheiten offenbaren, die durch die Synthese der Geschichten entstanden sind. Der Fremde im Dialog betont, dass es sich bei der Geschichte ursprünglich um drei Mythen handelt, die jedoch demselben Ereignis entspringen sollen.

Die erste Geschichte beschäftigt sich mit einer Erzählung ursprünglich stammend von Euripides.[5] Darin kehrt Zeus den Lauf der Gestirne um und Westen wird Osten und Osten wird Westen. Die zweite Geschichte handelt von einem Zeitalter vor Zeus, in dem die Welt unter der Herrschaft des Kronos stand. Diese Erzählung stammt von Hesiod und die darin beschriebene Ära wird auch das ‚Goldene Zeitalter‘ der Menschheit genannt.[6] Drittens wird noch ein weiterer Mythos mit den genannten verquickt werden, welcher von einem Zeitalter berichtet, als die Menschen nicht auf natürliche Weise geboren wurden, sondern aus der Erde erzeugt worden sind. Es ist ein Mythos von den Erdgeborenen, überliefert von Herodot.[7]

Der Fremde im Dialog erklärt, dass diese drei von demselben Umstande entspringen würden[8] und unterteilt die Geschichte zunächst in zwei Zeitalter: Das Zeitalter des Kronos, und das jetzige Zeitalter des Zeus.

Die Erdgeborenen werden dem Zeitalter des Kronos zugeteilt und die Umkehr der Gestirne wird als Grund dafür angegeben, dass das Zeitalter des Kronos endete und die Menschen sich nun unter Zeus wieder finden. Augenscheinlich wird hier bereits der erste Widerspruch zu dem Ursprungsmythos, dass Zeus den Weltenlauf umgedreht habe. Dies scheint nicht möglich zu sein, weil seine Herrschaft erst durch die Beendigung der Herrschaft des Kronos beginnt. Es bedarf also eines übergeordneten Gottes, der die Welt lenkt. Und dieser Gott, wird im Dialog schlicht als theos bezeichnet. Gemeint sein könnte wohl der Demiurg, der Weltbau-meister, der den Kosmos zusammenhält.

Der Zusammenhalt funktioniert nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt, danach bahnt sich ein Wechsel des Sternenlaufes an. Wie kann diese ‚Verschleißerscheinung‘ der Welt zukommen? Es scheint kein immerwährendes Vorwärts möglich zu sein. Kosmos und Welt haben nicht den Status einer unveränderlichen Idee, immerhin sind sie etwas Körperliches. Und dies kann nicht eine rein unveränderliche Idee sein, welche den höchsten ontologischen Status genießt.[9] Der göttliche Beweger, der Weltbaumeister, nimmt eine Materie und formt damit den Kosmos. Er ist der Konstrukteur, steht jedoch selbst mit den unveränderlichen Ideen nicht auf einer Stufe. Er formt lediglich – erschafft nichts. Er formt die Ideen und die c hora zu einer Einheit, dem Kosmos. Gleichwohl ist er nicht Schöpfer, der eine creatio ex nihilo erzeugt hat. Somit unterliegt auch Gott der Veränderung und der Veränderungen gibt es viele, wie die Kriege zwischen Göttern in der griechischen Mythologie beweisen. Das Weltall selbst hat einen Körper, hat Materie und deshalb den niedrigsten ontologischen Status. Es kann nicht bis in alle Ewigkeit unveränderlich weiterlaufen.[10]

Die Welt bedarf also der Führung eines theos, damit sie im Gleichgewicht ist und viele Weltenumläufe absolvieren kann. Dennoch gibt es Verschleißerscheinungen und irgendwann muss der Kosmos von Gott losgelassen werden. Es ist kein plötzlich auftretender Mangel, sondern ein Faktum im Wesen Gottes selbst. Es steht genauso fest, dass er die Welt loslassen muss, wie auch, dass er sie wieder einfangen wird.

[...]


[1] Platon: Politikos, in: Grassi, E. (Hrsg): Platon, Sämtliche Werke 5, Hamburg 1959, nach Übersetzung von Schleiermacher, F. und Müller H., es wird die Stephanus-Nummerierung verwendet: 268 d8

[2] ebd., 277 b7

[3] vgl. Ricken, F.: Platon Politikos, Übersetzung und Kommentar, Göttingen 2008, S. 109

[4] Platon: Politikos, a.a.O., 268 c1f

[5] vgl. Euripides: Orestes 982 – 1012, in: Ricken, F.: a.a.O., S. 111

[6] vgl. Hesiod: Werke und Tage 109 – 119, in: Ricken, F.: a.a.O., S. 111

[7] vgl. Herodot, in: Ricken, F.: S. 111

[8] vgl. Platon: Politikos, a.a.O., 269 b4

[9] vgl. Ricken, F.: a.a.O., S. 112

[10] vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Politikos - Der Mythos und die zwei Weltperioden in Platons Politikos
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V155750
ISBN (eBook)
9783640689040
ISBN (Buch)
9783640689309
Dateigröße
411 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Platon, Politikos, Mythos, Weltzeitalter, Weltperioden, Wissen, Erkenntnis, Kronos
Arbeit zitieren
Diplom Betriebswirt (FH) Frank Merkel (Autor:in), 2009, Politikos - Der Mythos und die zwei Weltperioden in Platons Politikos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155750

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