Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
III Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung in die Problematik des faktischen Geschäftsführers
2. Stellung und Funktion des ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführers
3. Einflussnahme anderer Personen auf die Geschäftsführung der Gesellschaft
4. Die Haftung des ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführers
4.1. Die zivilrechtliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers
4.1.1. Innenhaftung nach § 43 Abs.2 GmbHG
4.1.1.1. Pflichten des Geschäftsführers aufgrund seiner Organstellung
4.1.1.2. Gesetzlich ausdrücklich festgelegte Pflichen des Geschäftsführers
4.1.2. Innenhaftung nach § 43 Abs.3 GmbHG
4.1.3. Innenhaftung nach Sondervorschriften
4.2. Haftung gegenüber Dritten (Außenhaftung)
4.2.1. Generelle Haftung aus unerlaubter Handlung
4.2.2. Haftung nach § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz
4.3. Steuerrechtliche Haftung des Geschäftsführers
4.3.1. Innenhaftung
4.3.2. Außenhaftung
4.4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers
4.4.1. Strafvorschriften des GmbHG
4.4.2. Insolvenzordnung
4.4.3. Strafgesetzbuch
4.4.4. Handelsgesetzbuch
5. Der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Begriff des „faktischen GmbH-Geschäftsführers“
5.1. Entscheidung in BGHSt 3, 32 ff
5.2. Entscheidung in BGHSt 21, 101 ff
5.3. Entscheidung in BGHSt 31, 118 ff
5.4. Urteil vom 24. Oktober 1973 – VIII 82/82 WM1973, 1354 f
5.5. Entscheidung in BGHZ 75,
5.6. Entscheidung in BGHZ 104,
6. Der Begriff des faktischen Geschäftsführers in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
7. Abschließende Bewertung des Begriffs des faktischen Geschäftsführers
7.1. Zivilrechtliche Bewertung
7.2. Steuerrechtliche Bewertung
7.3. Strafrechtliche Bewertung
IV Literaturverzeichnis
III Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung in die Problematik des faktischen Geschäftsführers
Der Begriff „faktischer Geschäftsführer“ ist in keinem Gesetz enthalten. Der Begriff wird aber in der Rechtsprechung gebraucht, um eine Person zu bezeichnen, die – ohne ordnungsgemäß zum Geschäftsführer bestellt zu sein – in gleicher Weise haftet oder strafrechtlich verantwortlich gemacht wird wie ein nach den Regeln des GmbH-Rechts bestellter Geschäftsführer[3]. In der juristischen Literatur wird der Begriff aufgegriffen und großenteils zustimmend, teilweise aber auch ablehnend kommentiert[4].[1][2]
Um Tragweite und Bedeutung des Begriffes des faktischen Geschäftsführers und der damit verbundenen Haftung zu verdeutlichen, wird es daher notwendig sein, die maßgebenden höchstrichterlichen Entscheidungen darzustellen und zu analysieren. Soweit dies im Rahmen einer solchen Arbeit möglich ist, wird versucht werden, auch eine Bewertung vorzunehmen, inwieweit die wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen oder Lehrmeinungen zutreffend erscheinen oder aber gegebenenfalls kritisch zu betrachten sind.
Zunächst aber ist anhand einiger typischer Sachverhalte zu verdeutlichen, wie es überhaupt zu der Frage kommen kann, ob eine Person, die nicht nach den gesetzlichen Regeln zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt worden ist, für ihr Handeln in gleicher Weise wie ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer verantwortlich sein soll. Dies wiederum setzt voraus, die Stellung und Funktion eines GmbH-Geschäftsführers kurz darzustellen.
2 Stellung und Funktion des ordnungsgemäß bestellten GmbH-Geschäftsführers
Das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist im GmbH-Gesetz (amtliche Bezeichnung: „Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung“) geregelt. Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, das am 1. November 2008 in Kraft getreten ist[5], hat die Überschrift des Gesetzes jetzt auch die amtliche Abkürzung “GmbHG“ erhalten.
Gemäß § 13 GmbHG ist die GmbH eine juristische Person, d. h. sie hat als solche – unabhängig von ihren Gesellschaftern – Rechte und Pflichten, kann klagen und verklagt werden. Um aber im Rechtsverkehr handeln zu können, benötigt sie ein Organ, d. h. eine oder mehrere natürliche Personen, die in ihrem Namen Verträge schließen, sie vor Gericht als Kläger oder Beklagte vertreten und auch alle sonstigen im Rechtsverkehr anfallenden Rechtshandlungen wirksam vornehmen können.
Dieses Organ, durch das die GmbH am Rechtsverkehr teilnimmt, d. h. durch das sie gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird, ist der Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Er wird, wenn nicht in der Satzung etwas anderes vorgesehen ist, durch Beschluss der Gesellschafter bestellt (§ 46 Nr. 5 GmbHG).
Verletzt der Geschäftsführer schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten, so kann er hierfür strafrechtlich[6], zivilrechtlich[7]oder auch steuerrechtlich[8]verantwortlich gemacht werden.
3 Einflussnahme anderer Personen auf die Geschäftsführung der Gesellschaft
Nun gibt es im Wirtschaftsleben häufig Sachverhalte, bei denen andere Personen in maßgeblichem Umfang und teilweise unter weitgehender Ausschaltung des ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführers auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss nehmen. Werden durch diese Einflussnahme Schäden verursacht, so stellt sich die Frage, ob derjenige, der in den Pflichtenkreis des Geschäftsführers eingegriffen hat, in gleicher Weise wie der ordnungsgemäß bestellte Geschäftsführer für diese Schäden verantwortlich gemacht werden kann.
Relativ häufig ist der Sachverhalt anzutreffen, dass jemand aus eigenem Geschäftsinteresse die Gründung einer GmbH betreibt und auch gerne deren Geschäftsführung übernehmen würde. Eine Reihe gesetzlicher Vorschriften können seiner Bestellung als Geschäftsführer jedoch entgegenstehen. So bestimmt § 6 Abs. 2 GmbHG in der Fassung des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (MoMiG), dass nicht Geschäftsführer sein kann, wer wegen Insolvenzstraftaten, Betruges oder ähnlicher vermögensbezogener Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a, b und e GmbHG). Einen Ausweg für den in dieser Weise verhinderten Geschäftsführer bietet die Bestellung eines sog. Strohmannes[9]. Dieser wird nach den Regeln des GmbHG zum Geschäftsführer bestellt, übt die Geschäftsführertätigkeit jedoch nur „pro forma“ aus, während der Initiator dieser Konstruktion, der Hintermann, in Wirklichkeit die Geschäfte der Gesellschaft betreibt. Sehr oft ist der Strohmann ein Verwandter (Ehefrau, Sohn oder Schwiegersohn) des Hintermannes. Der Strohmann kann dann dem Hintermann eine Generalvollmacht erteilen, so dass der Hintermann auch im Außenverhältnis die erforderlichen Rechtsgeschäfte wirksam abschließen kann.
Häufig ergibt sich die Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH durch Personen, die nicht Geschäftsführer sind, auch aus einer Konzernverflechtung der GmbH. Die Muttergesellschaft verfolgt in einem solchen Fall nicht selten eine Geschäftspolitik, der sich die GmbH als Tochtergesellschaft unterordnen muss. Die Muttergesellschaft überträgt zu diesem Zweck einem mit Vollmacht ausgestatteten Beauftragten die maßgebliche Leitung der GmbH, obwohl der satzungsmäßige Geschäftsführer die Geschäftsführerfunktion formal weiter ausübt[10].
Die Abhängigkeit der GmbH und eine daraus folgende weitgehende Ausschaltung des formell bestellten Geschäftsführers kann sich auch aus der übermächtigen Stellung eines Kreditgebers ergeben, wenn etwa dieser die GmbH nach einer Insolvenz übernommen hat[11]oder vor einer Insolvenz bewahrt hat.
4 Die Haftung des ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführers
Die Pflichten wie auch die daraus folgende Haftung des Geschäftsführers einer GmbH sind vielfältig. Ebenso vielfältig können daher auch die Haftungssituationen sein, denen ein „faktischer Geschäftsführer“ ausgesetzt sein kann[12].
Bei der Darstellung der Haftung des GmbH-Geschäftsführers ist zu unterscheiden, ob der Geschäftsführer nach
– zivilrechtlichen,
– steuerrechtlichen oder
– strafrechtlichen
Vorschriften für sein Handeln einzustehen hat. Während im Bereich des Zivilrechts und des Steuerrechts in solchen Fällen von „Haftung“ gesprochen wird, erscheint es – wenn es sich um Straftatbestände handelt – richtiger, den Begriff „strafrechtliche Verantwortung“ zu verwenden.
4.1 Die zivilrechtliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers
Im Bereich der zivilrechtlichen Haftung ist zu unterscheiden zwischen der Haftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH (sog. Innenhaftung[13]) und der Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten (sog. Außenhaftung[14]).
Bei der Innenhaftung ist zu unterscheiden:
– Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG
– Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG
– Haftung nach den Sondervorschriften des § 57 Abs. 4 GmbHG
und § 64 (neu) GmbHG
4.1.1 Innenhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG
Nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft, wenn er die ihm der Gesellschaft gegenüber obliegenden Pflichten verletzt, für den entstandenen Schaden. Dabei gilt für ihn der in § 43 Abs. 1 GmbHG enthaltene Sorgfaltsmaßstab, wonach er „die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden“ hat. Der Begriff des ordentlichen Geschäftsmannes entspricht dem des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ nach § 93 Abs. 1 AktG[15]. Hat die GmbH mehrere Geschäftsführer, so haften sie „solidarisch“ für den entstandenen Schaden, d. h. sie haften als Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB[16].
Die Pflichten, deren Verletzung zur Haftung führen kann, ergeben sich zum einen aus der mit der Organstellung des Geschäftsführers zwangsläufig verbundenen Aufgabenstellung. Dabei wird von manchen Autoren auch der § 43 Abs. 1 GmbHG mit herangezogen. So heißt es in Lutter/Hommelhoff: „§ 43 Abs. 1 GmbHG umschreibt einen Verschuldensmaßstab, liefert aber zugleich den Maßstab für die Konkretisierung der der dem Geschäftsführer obliegenden Organpflichten, soweit sie nicht schon gesetzlich ausformuliert sind…Denn die Verhaltenspflichten gegenüber der Gesellschaft lassen sich nur vor dem Hintergrund des in § 43 Abs. 1 umschriebenen Sorgfaltsmaßstabs eingrenzen“.[17]
Daneben gibt es, insbesondere im GmbHG, eine Reihe gesetzlich festgelegter Pflichten, die der Geschäftsführer zu erfüllen hat.
4.1.1.1 Pflichten des Geschäftsführers aufgrund seiner Organstellung
Kernaufgabe des Geschäftsführers in seiner Eigenschaft als Organ der GmbH ist seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung mit dem Ziel der bestmöglichen Förderung des Gesellschaftszwecks. Dabei hat er die ihm durch Gesetz, Satzung und ggf. Anstellungsvertrag gesteckten Grenzen einzuhalten[18]. Dazu gehört, dass er für die Erfüllung der der Gesellschaft zivilrechtlich und öffentlich-rechtlich auferlegten Pflichten zu sorgen hat[19]. Zu den öffentlich-rechtlichen Pflichten gehören auch die Pflicht zur Entrichtung von Sozialversicherungsabgaben und Steuern. In den beiden letztgenannten Fällen besteht neben der hier behandelten Innenhaftung auch eine Außenhaftung des Geschäftsführers, d. h. eine unmittelbare Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Sozialversicherungsträger und der Steuerbehörde (siehe Abschnitt 4.2.2 und 4.2.3).
Bei der GmbH als Handelsgesellschaft ist Zweck der Gesellschaft grundsätzlich die Gewinnerzielung. Dazu muss der Geschäftsführer eine umfassende Tätigkeit sowohl im kaufmännischen, technischen als auch personellen Bereich entfalten, um die sich am Markt ergebenden Gewinnchancen zu nutzen[20]. Er hat dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft sich auf die Erfordernisse des Wettbewerbs einstellt und sich dabei den in der Regel ständig wechselnden Gegebenheiten rechtzeitig anpasst.[21]. Dabei muss er stets darum bemüht sein, dass genügend Aufträge eingehen und ein ausreichender Absatz gesichert ist. Auch die Liquiditätsentwicklung muss geplant und beobachtet werden, damit die jederzeitige Zahlungsfähigkeit der GmbH gesichert ist.[22] Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch für den Geschäftsführer einer GmbH gilt, was der BGH für den Vorstand einer Aktiengesellschaft entschieden hat, dass nämlich dem für die Unternehmensleitung Verantwortlichen „bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmer, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist.“[23]
[...]
[1] Bei Zitaten bezeichnet die erste Zahl den Band der Sammlung, die folgenden
Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen.
[2] Siehe Fußnote 1.
[3] Vgl. z. B. BGHSt 21, 101ff.; 31,118 ff.; BGHZ 104, 44; BGHZ 150, 61 ff.
[4] Vgl. z. B. Lutter/Hommelhoff, GmbHG-Kommentar, Vor § 35 Rn. 11 f.;
Wicke, GmbHG-Kommentar, § 43 Rn. 3, § 82 Rn. 4;
Dierlamm, Der faktische GF im Strafrecht, NStZ 1996, S. 153;
Haas, Die Rechtsfigur des faktischen GF, NZI, S. 494.
[5] Bundesgesetzblatt 2008, Teil I, S. 2026.
[6] Z. B. nach § 85 GmbHG wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht
(Unbefugte Offenbarung eines Betriebsgeheimnisses).
[7] Z. B. nach § 43 Abs. 3 GmbHG wegen Verminderung des Stammkapitals durch
unzulässige Auszahlungen an die Gesellschafter.
[8] §§ 34, 69 AO.
[9] Ein anschauliches Beispiel bietet der Sachverhalt in BGHSt 3, 32 ff.
[10] Vgl. etwa die Fallgestaltungen in BGHZ 75, 96 und BGHZ 104, 44.
[11] Vgl. den Sachverhalt in BGH, NZG 2005, S. 816.
[12] Hierauf weist besonders Weimar hin, vgl. Weimar, Faktischer GF,
GmbHR 1997, 473 ff.
[13] Lutter/Hommelhoff, GmbHG-Kommentar, § 43 Rn. 1.
[14] Lutter/Hommelhoff, a.a.O, § 43 Rn. 48.
[15] Roth/Altmeppen, GmbHG-Kommentar, § 43 Rn. 3.
[16] Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 43 Rn. 20.
[17] Lutter/Hommelhoff, GmbHG-Kommentar, § 43 Rn. 7.
[18] Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 43 Rn. 8.
[19] Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 43 Rn. 9.
[20] Jula, GmbH-GF, S. 22.
[21] Jula, a.a.O., S 20 f.
[22] Jula, a.a.O., S 21.
[23] BGHZ 135, 244, 253; Lutter/Hommelhoff, GmbHG-Kommentar, § 43 Rn. 14.