Der Chemnitzer Philosoph Klaus Sachs-Hombach betreibt das Projekt der Auslotung möglicher Konturen einer ‚allgemeinen
Bildwissenschaft‘ seit vielen Jahren und hat in zahlreichen Publikationen die Fluchtlinien eines solchen
Unterfangens anskizziert. Besonders aufschlussreich ist dazu der Interview-Band Wege zur
Bildwissenschaft, in dem Sachs-Hombach Gespräche mit sehr heterogenen Partnern führt. Liest man die 280 Seiten aufmerksam, springt eine
Frontstellung besonders stark ins Auge: Die
bekannte Frage, ob ein Bild ein Zeichen sei; es lassen sich zwei Beobachtungen deutlich markieren: Die meisten der
vertretenen Gesprächspartner erachten die Semiotik einerseits, und eher an der Erfahrung ausgerichtete
Forschungsansätze andererseits, dezidiert nicht als einander ausschließende ‚Wege zur Bildwissenschaft‘.
Eine zweite Beobachtung aber bleibt, dass Lambert Wiesing, den der Band einer ‚philosophischen
Bildwissenschaft‘ zurechnet, genau jede Demarkation nicht nur aufrecht erhält, sondern ausdrücklich
akzentuiert. Seine Ausführungen lassen sich pointiert dahingehend zusammenfassen, dass ein Bild niemals als Zeichen zu begreifen sei, da das Bildobjekt (das, was wir im Bild sehen) nicht in seinen
physikalischen Beschreibungen zu fassen sei. Es manifestiere sich stattdessen in einer eigenen Art des
Seins sui generis, die es in der Welt sonst nicht gebe: In einer ontologischen Setzung wird die ‚reine
Sichtbarkeit‘ des Bildobjekts genannt, eine Weise des Seins, die von physikalisch existierenden Dingen
und Objekten ebenso unterschieden werden muss, wie vom physikalischen Trägermaterial, aus dem das
Bildobjekt notwendigerweise hervorgeht. Zeichen würden generell erst in ihrer
Verwendung als solche zu Zeichen – anders das Bild, das niemals aufhören könne, sichtbares
Phänomen zu sein. Da Wiesings Position deutlich hervorsticht, lohnt es sich der Frage nachzugehen, was jenes ‚Bildobjekt‘ genau ist, das
eine uneinholbare Bruchstelle zwischen den disziplinären Zugängen generiert. Es wird sich herausstellen, dass Wiesings Bildverständnis keineswegs homogen ist, sondern mit fortschreitender
Publikationsgeschichte punktuelle aber folgenreiche Divergenzen aufzuweisen hat. Im Rückschluss
sollen die resultierenden Konsequenzen für die bildwissenschaftliche Forschung angedacht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Der Bildbegriff in den Wissenschaften
- Das Bildobjekt nach Lambert Wiesings
- Wann wird ein Bild zum Zeichen?
- Reine Sichtbarkeit und Artifizielle Präsenz
- Das phänomenologische ‚Als‘
- Abgrenzung zur Sprachkritik
- Die Frage nach dem Stil, zwei Antworten
- Das Bildobjekt als Kohärenzbildung
- Perspektiven der Modelle
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Lambert Wiesings Phänomenologie der „Reinen Sichtbarkeit“ und untersucht die Besonderheiten des Bildobjekts im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Ansätzen. Sie zeichnet die Entwicklung des Bildbegriffs in den Kulturwissenschaften nach und beleuchtet die Frage, wie sich das Bildobjekt von der Semiotik und der Sprachkritik abgrenzt.
- Das Bildobjekt als eigenständiges Seinswesen, das sich nicht auf physikalische Beschreibungen reduzieren lässt
- Die „Reine Sichtbarkeit“ als zentrale Eigenschaft des Bildobjekts
- Die Abgrenzung des Bildobjekts von der Semiotik und der Sprachkritik
- Die Rolle des phänomenologischen „Als“ für die Wahrnehmung von Bildern
- Die Bedeutung des Bildobjekts für die Kohärenzbildung in der Bildwissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die zunehmende Bedeutung des Bildbegriffs in den Kulturwissenschaften und stellt unterschiedliche disziplinäre Zugänge zur Bildwissenschaft vor. Es werden die verschiedenen Perspektiven auf das Bildobjekt im Kontext von Medienwissenschaft, Kunstgeschichte, Philosophie und Semiotik diskutiert.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Lambert Wiesings Phänomenologie der „Reinen Sichtbarkeit“. Es wird untersucht, unter welchen Bedingungen ein Phänomen zum Zeichen wird und wie sich Wiesings Bildobjekt von der Semiotik und der Sprachkritik abgrenzt.
Schlüsselwörter
Bildobjekt, Reine Sichtbarkeit, Phänomenologie, Semiotik, Sprachkritik, Kunst, Medienwissenschaft, Kulturwissenschaften, Bildwissenschaft, Artifizielle Präsenz
- Quote paper
- Lukas Roland Wilde (Author), 2010, An den Grenzen des Bildobjekts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156597