Wilhelm von Humboldt entwickelt mit seinem Werk eine neuzeitliche Theorie der Bildung. Sie ist zentrales und verbindendes Element seiner wissenschaftlichen Schriften. Sie führt die beiden bisher konträren anthropologischen Vorstellungen, nach denen das Individuum zum einen als zufällige Existenz oder zum anderen „als bloße Repräsentation … einer geschichtlich vorgegebenen Existenzform“ gesehen wird, in einer neuen Sicht zusammen. Diese besagt, dass der Mensch eine ‚Idee’ des Menschseins symbolisiere, die erst durch Selbstbildung des Individuums mit Leben erfüllt und sichtbar werden kann. In der Realisierung der Idee liegt das Potential gesellschaftlicher und kultureller Höherentwicklung zu einem ‚Ideal der Menschheit’ als Symbol gelungener Selbstvervollkommnung.
HUMBOLDT gilt nicht nur als Bildungstheoretiker, sondern ist auch Praktiker. Die Verknüpfung seiner theoretischen Ideen mit stofflichen Inhalten, seine regen Diskussionen mit der zeitgenössischen Intelligenz, aber auch seine bildungspolitischen Tätigkeiten bewirken den diskursiven Durchbruch des neuhumanistischen Deutungsmusters gegenüber dem vorherrschenden Bildungsverständnis der Aufklärung.
Als „Repräsentant eines spezifisch deutschen Bildungsideals“ legte er den Grundstein bildungstheoretischer und bildungspolitischer Diskussionen der Gegenwart. Mehr denn je stellt sich heute die Frage zur Bestimmung des Menschen. Mit zunehmender Technisierung und Ausdifferenzierung der Lebenswelt entfernen sich die Anforderungen an das zweckrationalistische ‚Humankapital’ und das humanistische Bildungsideal.
Das Interesse der vorliegenden Arbeit richtet sich auf Humboldts Bildungsidee und auf die Frage, warum sich jene gegen die pädagogischen Vorstellungen der Aufklärung durchsetzt. Wie könnte sich die vom Neuhumanismus geprägte Idee einer allgemeinen Menschenbildung im Sinne einer freien Entfaltung des Individuums jenseits gesellschaftlicher Nützlichkeitserwägungen behaupten.
Um diese Frage erläutern zu können, werden vorerst Humboldts Bildungsidee und dessen biographisch-geistiger Werdegang beschrieben. Dazu gehört, seine Person biographisch als auch in seiner geistesgeschichtlichen Verwobenheit einzuordnen. Der anthropologische Ansatz bildet dann die Grundlage für die Erläuterung seiner Bildungsvorstellung. Am Ende wird nach den Gründen seiner noch zu Lebzeiten erfolgreichen Wirkungsgeschichte gesucht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Biographische und geistesgeschichtliche Einordnung der Person
- 1.1 HUMBOLDTS Wirken in der Spätaufklärung
- 2 Anthropologischer Hintergrund
- 3 Bildungsidee
- 3.1 Die „Theorie der Bildung des Menschen“
- 3.2 Selbstbildung und Höherentwicklung
- 4 Durchsetzung des Bildungsideals
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Wilhelm von Humboldts Bildungsidee und untersucht, warum sich diese gegen die pädagogischen Vorstellungen der Aufklärung durchsetzen konnte. Dabei wird die Frage erörtert, wie die vom Neuhumanismus geprägte Idee einer allgemeinen Menschenbildung im Sinne einer freien Entfaltung des Individuums jenseits gesellschaftlicher Nützlichkeitserwägungen bestehen kann.
- Biographische und geistesgeschichtliche Einordnung von Wilhelm von Humboldt
- Humboldts anthropologischer Ansatz als Grundlage seiner Bildungsvorstellung
- Die „Theorie der Bildung des Menschen“ und ihre zentralen Elemente
- Humboldts Bildungsidee im Vergleich zu den pädagogischen Vorstellungen der Aufklärung
- Die Gründe für die erfolgreiche Durchsetzung des Humboldtschen Bildungsideals
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor und gibt einen Überblick über die Themen, die im Folgenden behandelt werden.
Kapitel 1 widmet sich der biographischen und geistesgeschichtlichen Einordnung von Wilhelm von Humboldt. Es beschreibt seine Ausbildung, seine Einflüsse und sein Schaffen im Kontext der Spätaufklärung.
Kapitel 2 erläutert den anthropologischen Hintergrund von Humboldts Bildungsidee. Es geht um seine Vorstellung vom Menschen als einem freiheitlichen und selbstbestimmten Wesen, das sich durch Bildung selbst verwirklichen kann.
Kapitel 3 stellt Humboldts Bildungsidee im Detail vor. Es behandelt die „Theorie der Bildung des Menschen“ und die zentrale Rolle der Selbstbildung für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung.
Kapitel 4 untersucht die Durchsetzung des Humboldtschen Bildungsideals im Vergleich zu den pädagogischen Vorstellungen der Aufklärung. Es analysiert die Gründe für seinen Erfolg und die Bedeutung seines Denkens für die heutige Zeit.
Schlüsselwörter
Wilhelm von Humboldt, Bildungsidee, Spätaufklärung, Neuhumanismus, Selbstbildung, Anthropologie, gesellschaftliche Entwicklung, pädagogische Theorie, freie Entfaltung des Individuums, Nützlichkeitserwägungen.
- Arbeit zitieren
- Ulrike Triebel (Autor:in), 2007, Wilhelm von Humboldts Bildungsideal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157120