„Genia…einen Augenblick. Wenn du zurückkommst, bin ich kaum mehr da. Ich kann nicht von dir verlangen, daß du mir die Hand reichst, aber – wir sagen uns halt adieu.“ Mit diesen Worten endet die Ehe von Friedrich und Genia Hofreiter, den beiden Protagonisten in Arthur Schnitzlers Tragikkomödie Das weite Land. Das Scheitern einer Ehe könnte kaum offensichtlicher sein. Wie viel Distanz, Kälte und Misstrauen muss zwischen zwei Ehepartnern herrschen, wenn sie sich am Ende nicht einmal mehr die Hand reichen können? Was muss zwischen zwei Menschen vorgefallen sein, wenn am Schluss nicht mehr als ein ‚Adieu’ steht? Die Frage ist allerdings nicht nur was geschehen ist, damit eine Ehe so endet, sondern vielmehr, warum es geschehen ist. Warum hat Friedrich Hofreiter seine Ehefrau immer wieder betrogen? Warum konnte er ihr nicht die Treue halten? Warum musste er sich immer wieder auf Affären und Seitensprünge einlassen und so seine Beziehung zu Genia zerstören?
Friedrich selbst bietet eine Erklärung an, die ihm alle Last von den Schultern nimmt. Nicht er trägt die Verantwortung dafür, dass er seine Frau immer wieder betrügt und demütigt, vielmehr ist es seine Natur die ihn determiniert. Er kann nicht anders – er verfügt nicht über einen freien Willen, der ihn entscheiden lässt – in seinen Augen sind es die Naturgesetze, die ihn bestimmen. Genia hingegen scheint keineswegs determiniert zu handeln, vielmehr trifft sie ihr Entscheidungen willentlich und selbstbestimmt – mithin indeterminiert. In der vorliegenden Arbeit soll daher zunächst die These vorgestellt und geprüft werden, dass Friedrich Hofreiter sein Verhalten mit seiner natürlichen Bestimmtheit begründet, während Genia über Willensfreiheit verfügt und vernunftgeleitet handelt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der freie Wille
- Was ist Willensfreiheit?
- Determinismus – Indeterminismus
- Wiener Seelen
- Ernst Mach
- Sigmund Freud
- Arthur Schnitzler
- Deterministen und Indeterministen in Arthur Schnitzlers Das weite Land
- Die Deterministen: Friedrich Hofreiter und Doktor von Aigner
- Die Indeterministen: Genia Hofreiter und Doktor Mauer
- Determination durch ein unerreichbares Ideal – ein Ansatz?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss von Determinismus und Indeterminismus auf die Handlung und Charakterentwicklung der Figuren in Arthur Schnitzlers "Das weite Land". Sie beleuchtet die These, dass Friedrich Hofreiter sein Verhalten mit seiner natürlichen Bestimmtheit begründet, während Genia über Willensfreiheit verfügt und vernunftgeleitet handelt.
- Definition und Abgrenzung von Willensfreiheit, Determinismus und Indeterminismus
- Analyse des philosophisch-theologischen Diskurses über Determinismus und Indeterminismus
- Die Rolle der "Wiener Seelen" – Ernst Mach, Sigmund Freud und Arthur Schnitzler – in der Diskussion um die Willensfreiheit
- Identifizierung und Analyse von deterministischen und indeterministischen Figuren und Handlungssträngen in "Das weite Land"
- Prüfung der These, dass Friedrich Hofreiters Untreue durch ein unerreichbares Ideal verursacht wird.
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentralen Fragen der Arbeit vor. Sie untersucht die Motivation hinter Friedrich Hofreiters Untreue und hinterfragt die Rolle des freien Willens in der Handlung des Stücks.
- Das Kapitel "Der freie Wille" definiert die Begriffe Willensfreiheit, Determinismus und Indeterminismus. Es beleuchtet die historische Entwicklung dieser Begriffe und präsentiert die Ansichten verschiedener Denker. Die "Wiener Seelen" – Ernst Mach, Sigmund Freud und Arthur Schnitzler – werden vorgestellt und ihre Positionen im Zusammenhang mit dem Thema Willensfreiheit erläutert.
- Das Kapitel "Deterministen und Indeterministen in Arthur Schnitzlers Das weite Land" untersucht die Figuren in Schnitzlers Drama und ordnet sie den Begriffen Determinismus und Indeterminismus zu. Friedrich Hofreiter und Doktor von Aigner werden als Vertreter des Determinismus vorgestellt, während Genia Hofreiter und Doktor Mauer als Indeterministen präsentiert werden.
- Das Kapitel "Determination durch ein unerreichbares Ideal – ein Ansatz?" diskutiert die Möglichkeit, dass Friedrichs Untreue nicht durch seine Natur, sondern durch ein unerreichbares Ideal verursacht wird. Die Hypothese wird vorgestellt und analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themen Willensfreiheit, Determinismus, Indeterminismus, "Wiener Seelen", Arthur Schnitzler, "Das weite Land", Friedrich Hofreiter, Genia Hofreiter, Doktor von Aigner, Doktor Mauer, Moral, Treue, Ehe, Ideal, Affäre.
- Arbeit zitieren
- Maike Vogelgesang (Autor:in), 2008, Determinismus und Indeterminismus in Arthur Schnitzlers "Das weite Land", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157486