Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Auf ein Wort
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Problem: Was ist Kurzwortbildung (KW-Bildung)?
2.1 Definition der deutschen KW-Bildung nach Kobler-Trill (1992/93)
2.2 Abgrenzung zu Erben, Fleischer/Barz u.a. Autoren
2.3 Fazit
3 Was gehört zur KW-Bildung?
3.1 Typologie der KW-formen nach Kobler-Trill und Donalies
3.1.1 Unisegmentale Kurzwörter (KWus)
3.1.2 Partielle Kurzwörter (KWpart)
3.1.3 Multisegmentale Kurzwörter (KWms)
3.1.4 Abgrenzung zu anderen Reduktionsarten
4 KW in der Jugendsprache
4.1 Ausgewählte Beispiele aus dem „Pons. Wörterbuch der Jugendsprache. Das Original“
4.2 Ausgewählte Beispiele aus „Endgeil. Das voll korrekte Lexikon der Jugendsprache“
5 Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen deutscher Jugend- und Standardsprache in der KW-Bildung?
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Monographien, Zeitschriftenartikel, Bildquellen
Eidesstattliche Versicherung
Auf ein Wort
„Deutsche Kurzwortbildung in der Jugendsprache“ als Titel für diese Hausarbeit zu wählen, erschien mir nach meinem Referat im Seminar zum Thema Kurzwortbildung logisch und gleichzeitig sehr interessant zu sein.
Die Deutsche Kurzwortbildung ist ein bisher karg bearbeitetes Feld der Germanistischen Linguistik, obwohl sich daran in den letzten Jahren etwas zu ändern scheint. So wirkt die Fachliteratur in diesem Bereich der Wortbildung immer noch recht übersichtlich, obwohl viele Themen nicht deutlich genug differenziert erscheinen. Beispielsweise gibt es immer noch unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob Kurzwörter zu den Abkürzungen zu zählen sind oder in der Wortbildung einen eigenen Gattungsbegriff beanspruchen dürfen. Entsprechend häufig sind sie unter den Abkürzungen in den verschiedensten Abkürzungslexika zu finden. Ich werde mich mit dieser Diskussion nur Eingangs befassen, da ich Kurzwortbildung als eigenen Gattungsbegriff innerhalb der Wortbildung voraussetze.
Angesichts der seit Mitte des 20. Jahrhundert epidemisch wirkenden Produktivität der Kurzwortbildung, sowohl in der Standardsprache, als auch in Regional- und Jugendsprachen scheint die sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema minimalistisch. Besonders unverständlich wirkt dies als Manko in Bezug auf die ohnehin produktive Jugendsprache, die auf den Entwicklungsprozess der deutschen Standardsprache durch alle Jahrhunderte hindurch immer wieder entwicklungsfördernd eingewirkt hat - und dies auch heute immer noch tut.[1] Die überwältigende Fülle der Fachliteratur zum Thema „Jugendsprache“ im Allgemeinen wird dem Thema Kurzwortbildung jedoch nicht gerecht.
In dieser Hausarbeit möchte ich mich deshalb mit der deutschen Kurzwortbildung in der Jugendsprache beschäftigen. Die Klagen über die Wortbildungen der Jugendsprache, speziell der Verdacht der grammatikalischen Unreinheit bzw. Verunglimpfung der Regeln der deutschen Sprache, des „Sprachverfalls“,[2] auch der „Anglizismen“, bringt mich dazu herauszuarbeiten, inwiefern die in den ausgewählten „Jugendsprachelexika“ genannten Kurzwörter nach den „Regeln“ der deutschen Kurzwortbildung gebildet wurden. Zunächst aber das
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Kurzwortbildung (KW-Bildung) ist kein Phänomen, das erst im 20. Jahrhundert aufgetreten ist. Zu allen Zeiten, aus denen schriftliche Überlieferungen auf uns gekommen sind, gibt es Nachweise für Kurzwortbildungen (siehe Bild). Allerdings hat sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts die Kurzwortbildung geradezu „seuchenartig“ verbreitet.[4]. Nicht nur aus sprachökonomischen Gründen werden häufig KW benutzt. Sie können auch Zugehörigkeiten klären, und sind in ihrer Kürze sehr nützlich, wenn alle Adressaten sie verstehen bzw. den gleichen Sprachcode besitzen. Sie können aber auch der Verschleierung und Uneindeutigkeit dienen. KW-Bildung nimmt teilweise inflationäre Züge an, so dass die Verständlichkeit eingeschränkt sein kann, da zu viele KW gebildet werden, die nicht allen Rezipienten bekannt sein können. Es kommt also darauf an, in welcher Art von Kommunikation man sich gerade „befindet“ und ob das Gemeinte wirklich deutlich wird oder werden soll. Speziell fachsprachliche Kurzformen leiden unter dieser, ursprünglich gesprächsentlastenden, heute oft Verständigung behindernden Problematik.
Auch die Jugendsprache bedient sich dieser „fachsprachlichen Kürze“, will sich bewusst zur Standardsprache und deren Nutzern, den Erwachsenen, abgrenzen. Es wird also zu klären sein, ob Kurzwortbildungen in der Jugendsprache sich an Regeln der Standardsprache orientieren oder sich sogar dagegen abgrenzen und die Grammatik „auf den Kopf stellen“.
Zunächst möchte ich aber den Begriff der Kurzwortbildung differenziert herausarbeiten. Ich werde die unterschiedlichen Positionen von Kobler-Trill, Erben, Fleischer-Barz u.a. unterscheiden, um dann zu einer genauen Definition der Kurzwortbildung zu kommen. Danach werde ich eine Typologie der Kurzwortformen beschreiben und die Kurzwortbildung gegen andere Reduktionsarten abgrenzen. Schließlich werde ich auf ausgewählte Kurzwort-Beispiele aus den benutzten Quellen, („Pons-Lexikon der Jugendsprache“ und „Endgeil. Das voll korrekte Lexikon der Jugendsprache“) eingehen, um sie dann entsprechend der Definition und Typologie zu systematisieren und zu strukturieren. Danach überprüfe ich, ob Unterschiede bei der Bildung der Kurzwörter in der Jugendsprache in Bezug auf die Regeln der deutschen Kurzwortbildung in der Standardsprache zu erkennen sind. In einem Fazit werde ich die Ergebnisse zusammenfassen.
Als Arbeitshypothese gehe ich davon aus, dass die Kurzwortbildung in der Jugendsprache sich an den Regeln der Standardsprache orientiert und diese, wenn überhaupt, nur dann „überschreitet“, wenn ihr ein besonderer Stellenwert in Abgrenzung zur Standardsprache zukommt.
Da nur ein kleiner Ausschnitt der „Jugendsprache“ in dieser Hausarbeit behandelt wird, können die Untersuchungs-Ergebnisse keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Vielleicht lässt sich jedoch eine Tendenz ablesen, die in größeren, empirischen Untersuchungen verifiziert werden kann.
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2 Das Problem: Was ist Kurzwortbildung (KW-Bildung)?
Im Seminar „Wortbildung“ habe ich im Referat am 06.07.2010 folgende Eingangsdefinition benutzt, um den Begriff Kurzwort zu beschreiben:
Definition Kurzwort (KW) :
Kurzwörter sind Wörter, die durch Kürzung von Wörtern oder längeren semantischen Einheiten gebildet werden. Sie sind das vollständige Synonym der Langform aus der sie gebildet wurden. Bei KW-Bildung wird aus der Langform ein Teil (Segment) entnommen und als Wort verwendet.
Es findet kein Wortartwechsel statt, alle grammatischen Eigenschaften der Langform und die Bedeutung der Voll-/Langform bleibt erhalten.
KW sind graphisch und auch phonisch realisierbar.
Diese Definition war eine Zusammenstellung der von mir bis dahin rezipierten Literatur und diente dazu, ein gemeinsames Grundverständnis aller Seminarteilnehmer zu dem Begriff „Kurzwortbildung“ zu schaffen. Doch ganz so einfach ist dieses Thema offensichtlich nicht abzuhandeln. Es gibt sehr unterschiedliche, uneinheitliche Positionen und Begrifflichkeiten zu beachten.
„Es herrschen terminologische Konfusionen und Inkonsequenzen. Eine allgemein akzeptierte oder akzeptable Gliederung der verschiedenen Abkürzungstypen ist trotz des Vorliegens einzelner Versuche noch ein dringendes Desiderat.“[5]
Aus diesem Grund lohnt ein kurzer Überblick über ausgewählte Texte der Forschungsliteratur zu diesem Thema.
2.1 Definition der deutschen KW-Bildung nach Kobler-Trill (1992/93)
Dorothea Kobler-Trill versteht beispielsweise ein
„KW als eine Lexikoneinheit und außerdem als einen Sonderfall von Wortbildungsprodukten“[6]
Sie grenzt hier ganz klar ab zu Abkürzungen und anderen „Kürzungserscheinungen“[7], die „eher andere Teilbereiche der Sprache betreffen“ [8] .
Für sie ist ein KW eine Kurzform eines Lexems, die selber lexikalisiert ist.[9] Kobler-Trill beschränkt sich bei den Kurzformen auf diejenigen, die neben den
An anderer Stelle definiert sie genauer, wenn sie sagt, dass für sie ein KW:
„eine nicht nur graphisch, sondern auch phonisch realisierbare, gekürzte Form…“[11]
sei. Die Aussprache dient ihr also als wichtiges Kriterium in Abgrenzung zu den Abkürzungen (ABK). Sie geht noch weiter und definiert ein KW als „ Reduktion eines bestimmten…zu definierenden BASISLEXEMS“[12].
Grundlegend und abschließend ist letztlich für Kobler-Trill ein KW die
“D u b l e t t e z u e i n e r g l e i c h b e d e u t e n d e n l ä n g e r e n Wortschatzeinheit, dem BASISLEXEM…“[13]
Das KW sei prinzipiell abhängig vom Basislexem (BL) und insofern „kein ganz eigenständiges Neuwort“[14].
Unter BL versteht sie als Definition
“alle Einheiten des Wortschatzes, sowohl einzelne Wörter als auch lexikalisierte Wortgruppen (kurz: Wortgruppenlexeme), sowohl Eigennamen als auch Appellative…”[15].
Kobler-Trill grenzt KW nicht nur gegen ABK ab, sondern auch gegen fremdsprachliche Bildungen, deren BL im Deutschen nicht gebraucht wurden.[16] Ebenso unterscheidet sie die KW von sogenannten „Kunstwörtern“, von Wortkreuzungen und von Elementen wie bio-, psycho-, Euro, Turbo-, da sie jeweils der Neubenennung dienen.[17]
In dieser Hausarbeit werde ich die Definition von Kobler-Trill und ihre Typologie, auf die ich später noch eingehe, übernehmen. Zuvor möchte ich aber noch auf die Beschreibung von Fleischer-Barz, von Erben u.a. eingehen, um die Unterschiede der Standpunkte deutlich zu machen.
2.2 Abgrenzung zu Erben, Fleischer/Barz u.a. Autoren
Erben- nennt in seiner „Einführung in die deutsche Wortbildungslehre“ die Kurzwortbildung nicht. Er nimmt lediglich in einem Verweis darauf Bezug, indem er Initial- und Buchstabenwörter als Abkürzungen nennt, die er aber als „ Sonderfall“ [18] der Wortbildung bezeichnet.
Fleischer/Barz heben zunächst die KW-Bildung deutlich von der Wortbildung ab, da durch die Kürzung
“weder ein Wortartwechsel noch eine semantische Modifikation”[19]
eintritt. Es werde kein neues Wort gebildet, sondern eine „Wortvariante“[20].
Für sie ist erst dann KW-Bildung als Untergattung der Wortbildung zu akzeptieren, wenn sich aus einer Kurzform eine neue „ Nominationseinheit “[21] herausgebildet hat, also ein semantischer Zusammenhang zwischen Vollform und Kurzform nicht mehr gebraucht wird.
An anderer Stelle differenzieren Fleischer/Barz, indem sie KW-Bildung wiederum mit der Wortbildung verbinden. Wortbildungskonstruktionen (WBK) seien
“Kurzwörter sind Produkte unterschiedlicher Kürzungsvorgänge. Sie haben Wortcharakter und finden als Benennungen Verwendung…“[23]
Auch Sie grenzen die KW gegen ABK ab, die sie „ Gebrauchsabkürzungen “[24] nennen.
Ihrer Einschätzung, dass die KW-Bildung eigentlich nicht zur Wortbildung gehöre, schließen sich auch Kessel/Reimann [25] an. Es werde lediglich die Schreibung eines Wortes verändert, aber es komme nicht zu einem Wortartwechsel oder zu einer inhaltlichen Modifikation.[26]
[...]
[1] Neuland (2008, S. 89 ff)
[2] Neuland (2008, S.3)
[3] S.P.Q.R. ist die Abkürzung für das lateinische Senatus Populusque Romanus („Senat und Volk von Rom“). Bildquelle: [http://sv.wikipedia.org sv.wikipedia] Download vom 17.07.2010;
[4] Rudolf Walter Leonhard (1982) „AKÜWÖs (Abkürzungswörter)“ seien eine Seuche, die sich rasend verbreite
[5] Gebhardt (1979, S. 83) zitiert nach Kobler-Trill (1994, S. 4)
[6] Kobler-Trill (1994, S. 4)
[7] A.a.O.
[8] A.a.O.
[9] A.a.O.
[10] Kobler-Trill (1994, S. 5)
[11] Kobler-Trill (1994, S. 13)
[12] A.a.O.
[13] A.a.O, S. 14
[14] A.a.O.
[15] A.a.O., S. 15
[16] A.a.O.
[17] A.a.O., S. 17
[18] Erben (2006, S. 27)
[19] Fleischer/Barz (2007, S. 52)
[20] A.a.O.
[21] A.a.O.
[22] Fleischer/Barz, S. 218
[23] A.a.O.
[24] A.a.O.
[25] Kessel/Reimann (2010, S. 118)
[26] A.a.O.