Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (ORF) in Österreich gilt als umworbene Braut der österreichischen Politik. Dass der Einfluss der beiden Großparteien ÖVP und SPÖ hoch ist, schilderte damals eindrucksvoll ZIB2-Anchorman Armin Wolf bei seiner Rede zum Robert-Hochner-Preis 2006. Das wichtigste Gremium des ORF bildet nach seiner Umstrukturierung 2002 der ORF-Stiftungsrat mit 35 Mitgliedern. Interessant ist hier die Zusammensetzung, werden doch neun Mitglieder direkt von der Bundesregierung entsandt sowie sechs Mitglieder von den Parteien im Nationalrat gemäß ihrer Stärke bestellt, neun Mitglieder kommen aus den Bundesländern, sechs Stiftungsräte entsendet der Publikumsrat und fünf stammen vom ORF-Zentralbetriebsrat. Die Aufgaben des Stiftungsrates sind die Bestellung des Generaldirektors (und auf dessen Vorschlag Direktoren und Landesdirektoren), er genehmigt Budgets und Rechnungsabschlüsse und bestellt die Prüfungskommission (vgl. Fidler 2008: 359 und ORF-Unternehmenshomepage).
Der ORF-Stiftungsrat avancierte in den letzten Jahren zu einem Machtpotenzial für die Parteien, gilt doch die Bestellung des Generaldirektors als wichtige machtpolitische Entscheidung am Küniglberg. Wie wichtig der Posten des Generaldirektors ist, zeigte die Abwahl der „schwarzen“ Monika Lindner zum „SPÖ-Kandidaten“ Alexander Wrabetz. Nun, im April 2010, konstituierte sich der Stiftungsrat neu – erst kurz nach Ostern gaben die Parteien die Kandidaten der Regierung für den Stiftungsrat bekannt. Die Tatsache, dass der ORF-Stiftungsrat politisch gefärbt ist, ist nicht neu. Die Frage ist auch nicht, ob er das ist, sondern wie stark. Dass einzelne Personen einer Partei nahe stehen ist nichts Ungewöhnliches. Dass Stiftungsräte dann aber ausschließlich auf Geheiß des Parteiobmannes intervenieren und abstimmen, stellt sehr wohl ein tragisches und medienpolitisches Problem für die Unabhängigkeit des ORF dar.
Alexander Wrabetz‘ Funktionsperiode, der ÖVP ein Dorn im Auge, läuft mit 31. Dezember 2011 aus – bis dahin wollen auch die Parteien ihre Kandidaten in Stellung bringen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Problemstellung und Themenrelevanz
- Forschungsfrage und Hypothese
- Operationalisierung
- Aufbau der Arbeit
- Der ORF und sein Naheverhältnis zur Politik
- Die Gremien des ORF
- Publikumsrat
- Stiftungsrat
- Die Prüfungskommission
- Der Generaldirektor
- Einfluss auf Programm und Positionen
- Der Stiftungsrat - ein österreichisches Politikum
- Die aktuelle Besetzung
- Direkter politischer Einfluss auf den Stiftungsrat
- Das aktuelle Ringen um den Stiftungsrat
- Ein neues Rundfunkgesetz – wird der Parteieneinfluss noch größer?
- Konklusion
- Resümee
- Beantwortung der Forschungsfragen und Hypothesen
- Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem ORF-Stiftungsrat, einem zentralen Gremium des Österreichischen Rundfunks (ORF), und dessen Bedeutung für die politischen Parteien. Die Arbeit analysiert die Zusammensetzung und den Einfluss des Stiftungsrates auf die Programmgestaltung und die Entscheidungsfindung im ORF.
- Das Naheverhältnis zwischen ORF und Politik
- Die politische Besetzung des Stiftungsrates
- Die Rolle des Stiftungsrates bei der Wahl des Generaldirektors
- Der Einfluss der Parteien auf den ORF
- Die Bedeutung des Rundfunkgesetzes für die Unabhängigkeit des ORF
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der Problemstellung und Themenrelevanz der Arbeit. Es beleuchtet die umstrittene Rolle des Stiftungsrates im ORF und stellt die Forschungsfrage nach dem Einfluss der politischen Parteien auf das Gremium. Kapitel zwei führt den Leser in die Strukturen des ORF und dessen Naheverhältnis zur Politik ein. Dabei werden die einzelnen Gremien des ORF, darunter der Stiftungsrat, vorgestellt und deren Aufgaben und Kompetenzen erläutert. In Kapitel drei steht der Stiftungsrat im Mittelpunkt. Die aktuelle Besetzung des Gremiums wird analysiert und der direkte politische Einfluss auf den Stiftungsrat untersucht. Die Debatte um ein neues Rundfunkgesetz und die Frage, wie sich dieses auf den Einfluss der Parteien auswirken wird, werden ebenfalls behandelt.
Schlüsselwörter
ORF, Stiftungsrat, Politik, Rundfunkgesetz, Generaldirektor, Parteien, Einfluss, Programmgestaltung, Unabhängigkeit, Medienlandschaft, Österreich.
- Arbeit zitieren
- BA Bakk.Komm. Heidi Huber (Autor:in), 2010, Der ORF-Stiftungsrat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158307