Schillers schriftliche Darlegung seiner Ästhetik zwischen 1790 und 1795 zielt über die bloße Suche nach der schönen Form hinaus. In dieser Phase der theoretischen Werke möchte er sich und seine Epoche im Literaturkanon emanzipieren, in der bis dato die attische Kultur als absolutes Maß gilt. Er merkt allmählich, dass „[…] er bei seiner Entfernung vom Geist griechischer Literatur […]“ in Erklärungsnot gerät- mit welcher Rechtfertigung kann ein moderner Schriftsteller den goldenen Schnitt der Vokabeln neu justieren? Dazu kommen zwei wesentliche Faktoren: durch die französische Revolution und besonders durch die Kant- Studie ab 1791 bis in die Grundzüge seiner Kunst erschüttert, sucht er „[…] nach den großen verbindenden Ideen und Kategorien […]“ , mit denen er die allgemeine Umstürze um sich zu ordnen versucht. Was aber in der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der Urteilskraft des Königsberger Philosophen affiziert Schiller eigentlich dermaßen, dass er jahrelang seine dramatische Arbeit vernachlässigt? Er ist einer der ersten Rezensenten, die das Ausmaß dieser kopernikanischen Wende- wie man es Epochen später nennen wird- erahnen und auf die Provokation einer sich selbst erkennenden und überprüfenden Rationalität reagieren. Für Schiller ist die Vorstellung unerträglich, „[…] die unterdrückende Vernunft […] selbst zur blinden Macht [zu erheben], wie sie die Natur ursprünglich ist.“ Er erkennt diese Prämisse zwar an, attestiert der Moderne aber eine schleichende Entfernung von der Vergangenheit, die sich nicht nur in den Jahreszahlen niederschlägt, sondern auch und vor allem im Gemüt ihrer Träger. Wenn die Aufklärung, deren bedeutendster Vertreter Kant ist, das Primat der Vernunft verlangt, dann führt das die Menschen von ihren natürlichen Wuzeln weg- der Mensch verliert mit der Naturhörigkeit auch seine Unschuld und damit letztlich sein Glück. Was allerdings geschieht, wenn sich Massen unter dem Banner rein ideeller, also empirisch völlig unbekannter Ziele zusammenrotten, hat Schiller kurz zuvor im Nachbarland erfahren. Als er seine Schrift 1795 vollendet, ist Robespierre Schädel, dem letzten der großen Proklamatoren von Liberte, Egalite, Fraternite seit eineinhalb Jahren auf den Champs-Elysees aufgepflanzt; das erste Projekt unter der Ägide der Vernunft in Europa ist in Blut ertrunken. Anders als Goethe, verspürt Schiller den Drang, diese Entwicklungen schriftlich zu erwidern, ihnen entgegenzukommen und entgegenzuarbeiten. Und er tut es.
Inhaltsverzeichnis
- Schiller und Goethe sind nicht auf Augenhöhe
- Der betrübte Blick auf die Moderne
- „Die Götter Griechenlandes“ von Schiller und „Die Braut von Korinth“ von Goethe im Vergleich
- Zwietracht und Eintracht
- Die Kultur frisst ihre Kinder
- Was ist die Sprache, ist sie schuld?
- Schiller und Goethe haben niemals beieinander gelegen
- Schiller und Goethe sind nicht auf Augenhöhe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die unterschiedlichen Perspektiven von Schiller und Goethe auf die Moderne und die Antike. Er beleuchtet Schillers ästhetisches Konzept und seine Kritik an der Aufklärung, insbesondere an Kants Philosophie. Der Text untersucht die Ursachen für Schillers kritischen Blick auf die Moderne und analysiert die Unterschiede zwischen Schillers „Die Götter Griechenlandes“ und Goethes „Die Braut von Korinth“ im Hinblick auf ihre Herangehensweise an die Antike.
- Schillers ästhetisches Konzept und seine Kritik an der Aufklärung
- Der Einfluss der französischen Revolution und Kants Philosophie auf Schillers Werk
- Die Rolle der Natur und der Kultur in Schillers Ästhetik
- Der Vergleich von Schillers „Die Götter Griechenlandes“ und Goethes „Die Braut von Korinth“
- Die Bedeutung der Antike für Schiller und Goethe
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil des Textes beleuchtet Schillers Kritik an der Aufklärung und der Moderne. Er argumentiert, dass die Moderne durch die Betonung der Vernunft und die Abwendung von der Natur eine „zerrissene“ Existenzweise hervorruft. Schiller sieht in der Antike ein Ideal der Harmonie von Mensch und Natur, das in der Moderne verloren gegangen ist.
Der zweite Teil des Textes widmet sich dem Vergleich zwischen Schillers „Die Götter Griechenlandes“ und Goethes „Die Braut von Korinth“. Der Text zeigt auf, dass Schiller in seinem Gedicht die Antike als Idealbild darstellt, während Goethe in seiner Ballade die Antike als realistische und zugleich faszinierende Welt präsentiert. Schillers Gedicht zeigt die Sehnsucht nach dem Verlust der Harmonie, während Goethes Werk die Faszination des Fremden und Unerklärlichen betont.
Schlüsselwörter
Der Text befasst sich mit Themen wie Aufklärung, Ästhetik, Natur, Kultur, Antike, Harmonie, Moderne, Schiller, Goethe, „Die Götter Griechenlandes“, „Die Braut von Korinth“, Philosophie, Kritik, Kant, French Revolution.
- Arbeit zitieren
- Max Rössner (Autor:in), 2009, Schillers Abhandlung "Über naive und sentimentalische Dichtung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159177