Iwein als Artusritter


Seminararbeit, 2004

23 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe

Inhalt

1 Iwein als Artusritter

2 Der Zauberbrunnen als Minnesymbol

3 Iwein und Laudine

4 Iwein und Lunete

5 Wahnsinn als Infragestellen der Männlichkeit?

6 Iwein, der „riter, der des lewen pflac“

7 Schlußdiskussion: Warum ist Iwein ein Held?

8 Literaturverzeichnis
8.1 Primärliteratur
8.2 Sekundärliteratur

1 Iwein als Artusritter

Laut Victor Turner, einem amerikanischen Anthropologen, liegen menschlichen Erfahrungen bestimmte Prozesse zugrunde, sogenannte „soziale Dramen“ , bestehend aus vier aufeinanderfolgenden Phasen: „Am Anfang steht der Bruch oder Konflikt zwischen gesellschaftlichen Elementen (1), der eine Krise (2) heraufbeschwört, deren Bewältigung (3) häufig die Reintegration einer Person oder eines gesellschaftlichen Elements in die soziale Struktur zur Folge hat.“[1] Dieses Grundschema läßt sich unschwer im Artus-Roman wiederfinden: Aus dem Konflikt oder Bruch mit gesellschaftlichen Normen (erster Handlungszyklus) resultiert die Krise des Helden. Die Bewältigung, das Begreifen der gesellschaftlichen Regeln (zweiter Handlungszyklus) mündet in die Reintegration in die Gesellschaft (Schlußeinkehr).[2] Der Beginn des Iwein-Romans zeigt „die heitere Atmosphäre von Frühling und Geselligkeit, die noblen Arten müßiggängerischer Beschäftigung [...] eine brilliante Miniatur der idealen familia“[3], die ihre eigenen Normen in festlichen Rahmen zelebriert. Doch der Protagonist entfernt sich aus Konkurrenzdenken von diesem Idyll der höfischen Gesellschaft, einer geschlossenen Gemeinschaft auserwählter Ritter, an deren Spitze als „primus inter pares“ König Artus steht. Hartmann von Aue schildert ihn als idealen Herrscher und Heilsbringer, dem ewiger Nachruhm beschieden sein wird. Anstoß zu Iweins aventiure bildet die Erzählung Kalogreants von dessen Begegnung mit einem unheimlichen Ritter an einer fernen Quelle, gegen den er im Kampf schmählich versagt habe. Zwar sind in der Zwischenzeit zehn Jahre vergangen, aber um die Ehre des Ritters Kalogreant wiederherzustellen, verfügt Artus, er wolle mit dem gesamten Hofstaat in vierzehn Tagen zur bewußten Quelle kommen. Iwein ist in seinem Innersten unzufrieden. Von ritterlicher Ruhmsucht getrieben, möchte er noch vor den anderen Rittern die geheimnisumwitterte Quelle erreichen, um die Ehre des siegreichen Eroberers mit niemand anderem teilen zu müssen, nicht einmal mit seinem loyalen Freund Gawain. Ohne Wissen der anderen begibt sich Iwein auf aventiure, nach einer Zwischenstation in einer fremden Burg gelangt er in die unzivilisierte Wilde, wo ein „Unhold“ wilde Tiere hütet. Der unproportionierte häßliche waltman fungiert als Wegweiser zum „Platz, wo Iwein seine Sehnsucht nach Bewährung im Kampf befriedigen kann“[4], hier gelten die üblichen Gesetze der Natur nicht mehr, Gewalt und Gefahr herrschen:

Wie die Eichenstecken, die den Baumgarten im Erec umgeben, suggeriert die Figur des Waldmannes die unerwartete Nähe einer barbarischen Kehrseite unter der glatten höfischen Oberfläche, erinnert an das tierische Wesen jedes noch so kultivierten Ritters, und präfiguriert den später wahnsinnig gewordenen Iwein.[5]

Von dort gelangt er ins Reich der Laudine. Als er den Stein mit dem Wasser der Quelle begießt, wie schon Kalogreant zuvor, bricht ein fürchterliches Unwetter über ihn herein:

do kam ein siusen unde ein doz

unde ein selch water dar nach

daz in des duhte daz im ze gach

mit dem giezen waer gewesen

wan er entriute niemer genesen.[6]

2 Der Zauberbrunnen als Minnesymbol

Der Brunnen ist das Tor zur Welt der Laudine und zugleich Sinnbild für die Minne.

Laudine wird gewissermaßen vom Brunnen präfiguriert: Die Schönheit, die zauberhafte Qualität, und die Veränderlichkeit der Laudine werden zuerst in Gestalt der Quelle auf eindrucksvolle Weise vorgeführt. Als Herrin der Quelle ist Laudine die höfisierte Version einer keltischen Quellenfee, die, der

Märchengeschichte entsprechend, ihren Gatten durch Zauber an sich bindet.[7]

Das Brunnenmotiv umfaßt mehrere Elemente: neben dem Brunnen selbst auch den Wald ringsum, die Vögel, die Linde und die Kapelle.

Es ist ein übernatürlicher Ort, der Brunnen wirkt paradiesisch, der Baum, der nie entlaubt, ist ein Requisit aus einem Märchen. Der Baum ist eine Linde, ein häufiges Requisit in der mittelalterlichen Liebesdichtung, in der Minnelyrik oft als Ort erotischer Begegnung dargestellt.[8]

Insgesamt erlebt Iwein dreimal das Brunnenabenteuer, „die verschiedenen Zustände Iweins am Brunnenplatz entsprechen den Stationen seines Läuterungsprozesses.“[9] Beim ersten Mal gewinnt er Laudine, die Landesherrin für sich und mit ihr das Laudine Reich. Beim zweiten Mal ist er am Tiefpunkt seines Lebens angelangt, hat sowohl Frau als auch sein Reich durch eigene Schuld verloren und wird, als ihm das bewußt wird, ohnmächtig. Mehrfach wurde der Brunnen als Ort der spirituellen Wiedergeburt gedeutet. Die Quelle ist der Ort, an dem er zu sich zurückfindet. Hier erlangt er seine Ritterlichkeit zurück, indem er beginnt, seine ritterlichen Fähigkeiten in den Dienst anderer Menschen zu stellen.[10] Beim dritten und letzten Mal hat Iwein seine Ritterlichkeit wiederholt bewiesen und möchte abermals sein Glück am Brunnen versuchen, denn jetzt ist er „der geläuterte Held, dem solches Handeln zukommt.“[11]

Brunnen steht symbolisch für ständige Unruhe und Bedrohung der heldenhaften Männlichkeit von außen, immer droht Gefahr, das Land und damit auch die Ehefrau an einen Eindringling zu verlieren, durch das Gefäß, das sich immer wieder sprudelnd füllt, schwingt auch eine erotische Konnotation mit. Kaum ist das schreckliche Gewitter vorüber, taucht aus dem Dunkel des Waldes ein fremder Ritter auf. Ascalon repräsentiert einen Rittertypus, der Ritterlichkeit ausschließlich als Selbstverteidigung betreibt, er kann den Schauplatz des Geschehens nicht verlassen, sondern ist bis zu seinem Tod an sein Versprechen gegenüber Laudine gebunden, das Land zu verteidigen. Es treten zwei ebenbürtige Gegner gegeneinander an.

hie huop sich ein striten

daz guot mit eren möhte sehen,

und solt ein kampf vor im geschehen.[12]

Im Verlauf des Zweikampfes wird der fremde Ritter durch einen Schwerthieb getroffen, der seinen Helm spaltet. Hartmann möchte die Details nicht genauer ausführen, da der eine nun tot wäre, und Iwein so bescheiden, nicht mit seinem Sieg zu prahlen:

der aber den sige da gewan

der was ein so hövesch man,

er hete ungerne geseit

so vil von siner manheit

da von ich wol gemazen mege

die maze ir stiche und ir slege.[13]

Zu den höfischen Tugenden, über die Iwein offensichtlich schon zu Beginn seiner aventiure verfügt, zählt also die Bescheidenheit. Auch wenn er Ruhm erwerben möchte, tut er dies nicht, um vor anderen Rittern mit seinen Taten angeben zu können. Damit seine Ehre nicht geschmälert wird, und er sich nicht dem Hohn von Keie aussetzen muß, verfolgt er den tödlich verwundeten Ritter in sein Schloß und sitzt zwischen zwei Fallgattern in der Falle.

Nur aufgrund einer List der Zofe Lunete, die ihn mit einem Ring ausstattet, der ihn unsichtbar macht, entgeht er der Rache der wütenden Burgbewohner. Als nämlich der Leichnam des inzwischen verstorbenen Ascalon vorübergetragen wird, fangen seine Wunden erneut zum Bluten an, in mittelalterlichen Texten ein Indiz, daß der Mörder anwesend ist.

Daraufhin durchsuchen die aufgebrachten Burgbewohner den vorderen Teil der Burg, können ihn aber aufgrund des Ringes nicht finden.

[...]


[1] Victor Turner: Soziale Dramen und Geschichten über sie. In: Ders.: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. Frankfurt a. Main 1989, S. 95 - 139

[2] Literarische Kommunikation und soziale Interaktion. Studien zur Institutionalität mittelalterlicher Literatur. In: Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung, Bd. 64. Hrsg. v. Beate Kellner... Frankfurt a. Main: Lang 200, S. 117

[3] Gert Kaiser : Textauslegung und gesellschaftliche Selbstdeutung. Die Artusromane Hartmanns von Aue. In: Schwerpunkte Germanistik, Hrsg. v. Gert Sautermeister. Wiesbaden: Akad. Verl.ges. Athenaion 1978, S. 135

[4] Amy Krois-Lindner: Joie de la curt und der Zauberbrunnen: Sinnbilder der Minnegemeinschaft. Ein Vergleich zweier Motivkomplexe in den Artusromanen Erec und Iwein von Hartmann von Aue. Wien, Univ., Dipl.-Arb., 1993, S. 49

[5] ebd., S. 49

[6] IW= Hartmann von Aue: Iwein. Berlin: de Gruyter 2001, V. 994 - 988

[7] Amy Krois-Lindner: Joie de la curt und der Zauberbrunnen: Sinnbilder der Minnegemeinschaft. Ein Vergleich zweier Motivkomplexe in den Artusromanen Erec und Iwein von Hartmann von Aue. Wien, Univ., Dipl.-Arb., 1993, S. 56

[8] sinngemäß zit. nach: ebd., S. 51

[9] ebd., S. 74

[10] sinngem. zit. nach: ebd., S. 75

[11] zit. nach: ebd., S. 75

[12] IW 1020 - 1022

[13] IW 1039 - 1044

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Iwein als Artusritter
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Seminar Wer/was ist ein Held?
Note
3,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V160096
ISBN (eBook)
9783640729449
ISBN (Buch)
9783640729333
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Iwein;, Hartmann von Aue;, Gender;, Geschlechterkonstruktionen;, Aventiure;, Held;, Heldentum
Arbeit zitieren
Mag. Eva Lirsch (Autor:in), 2004, Iwein als Artusritter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160096

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