Bei M&A-Transaktionen liegt relevantes Wissen für die Durchführung der Transaktion regelmäßig nicht bei der Person vor, die darauf angewiesen ist, sondern woanders. So weiß die verantwortliche Ingenieurin möglicherweise über einen Mangel des Unternehmens Bescheid, die Geschäftsleitung der Zielgesellschaft oder das Management der Muttergesellschaft aber nicht. Diese könnten dann gutgläubig die Gesellschaft veräußern. Wenn nach Closing der (Rechts-)Mangel auffällt, wird sich die Käuferin zwecks Restitution an die Verkäuferin halten wollen. Es könnte daher vermutet werden, dass die Verkäuferin sich nicht
so leicht aus der Haftung befreien können dürfte. Vielmehr müsste ihr doch das Wissen der Ingenieurin zugerechnet werden.
Genau hier liegt das Problem: De lege lata existieren „allgemeine Grundsätze der Wissenszurechnung“ aufgrund der zentralen Zurechnungsnormen §§ 31, 166 und 278 BGB. Würden diese Normen nun strikt angewandt, kann dies zu teilweise unfairen Ergebnissen führen. Denn in Zusammenschau mit Entscheidungen des BGH führen diese in letzter Konsequenz zu einer umfassenden Haftung der Verkäuferin.6 Keine Verkäuferin könnte sich dann noch sicher sein und wer lange genug forensisch untersucht, der findet regelmäßig auch einen Mangel in jedem Unternehmen. Die Transaktionssicherheit würde vermindert, die unabdingbare Vorsatzhaftung gem. §§ 276 Abs. 3, 444 BGB drohen und die Rechtssicherheit leiden. Daher wird sich die Verkäuferin durch Vereinbarung von Haftungsausschlüssen und die Käuferin durch Abgabe von Garantien der Verkäuferin schützen wollen. Doch inwiefern diese wirksam sein können, hängt davon ab, ob die Garantiegeberin gutgläubig war oder der Haftungsausschluss nicht arglistig7 vereinbart wurde. Dahingehend ist fraglich, ob eine Unkenntnis des Handelnden aufgrund Wissenszurechnung als arglistiges Nichtwissen zu behandeln ist und damit gem. §§ 276 Abs. 3, 444 BGB nicht abbedungen werden kann. Falls dem nicht so sein sollte, schließt sich die Frage nach der dogmatischen Anknüpfung und Reichweite einer Wissenszurechnung an. Es scheint bislang keine erhellende Lösung gefunden zu sein. Kaum eine in Literatur oder Rechtsprechung vertretene Ansicht kommt ohne Analogie, wertende Gesamtbetrachtung oder einem einer Rechtsnorm innewohnenden Rechtsgedanken aus. [...]
- Arbeit zitieren
- Kristen Feiter (Autor:in), 2025, Wissenszurechnung bei M&A Transaktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1603150