Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zu „Die Sprache der Mode“
2.1. Gegenstand der Analyse: Die geschriebene Sprache der Mode
2.2. Untersuchungsmethode in „Die Sprache der Mode“
2.3. Grundlagen zum Verständnis bei Barthes
2.3.1. Übersetzungsmechanismen zwischen den Codes der Struktur
2.3.2. Aufteilung der Aussagen in A- und B-Komplex
2.3.3. Signifikate und Signifikanten
2.3.4. Aufbau des pseudorealen Mischcodes
2.4. Der vestimentäre Code
2.4.1. Struktur des Signifikanten – Die Matrix
2.4.1.1. Inventar der Arten und Gattungen
2.4.1.2. Inventar der Varianten
2.4.2. Syntagmatischer und systematischer Zwang
2.4.3. Syntagmatische Leistung
2.4.4. Struktur des Signifikats
2.4.5. Struktur des Zeichens
2.5. Das rhetorische System
2.6. Die Ökonomie des Systems
3. Rezeption des Werkes „Die Sprache der Mode“
3.1. Die Rezeption in sprachwissenschaftlichen Texten
3.1.1. Umberto Eco: „Einführung in die Semitiotik“
3.1.2. Gabriella Schubert: „Kopfbedeckungen im Donau-Balkan-Raum“
3.1.3. Susan B. Kaiser und Angela Flury: „Frauen in Rosa“
3.1.4. Patrizia Calefato: „Kleidung als Jargon“
3.2. Die Rezeption in kulturwissenschaftlichen Texten
3.2.1. Gabriele Mentges: „Für eine Kulturanthropologie des Textilen“
3.2.2. Karin Mann: „Stark und soft“
3.2.3. Karen Heinze: „Geschmack, Mode und Weiblichkeit“
3.3. Kritik an Barthes’ „Die Sprache der Mode“
4. Schlussbemerkung
5. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Der 1915 geborene und 1980 verstorbene Franzose Roland Barthes gilt als einer der Mitbegründer der Semiologie, also der Wissenschaft, die in Saussure’scher Tradition den Zeichenbegriff im Rahmen eines sozialen Lebens u.a. mit sprachwissenschaftlichen Mitteln untersucht (cf. Bußmann 2002: 595). Barthes widmet sich in der von mir be- handelten Arbeit „Die Sprache der Mode“ (Originaltitel: „ Système de la Mode “) dem sprachlichen System der Modekommentare in Zeitschriften.
Die Arbeit an „Die Sprache der Mode“ wird 1957 von Roland Barthes begonnen und 1963 abgeschlossen. 1967 wird das Werk erstmals veröffentlicht. In seinem Text schil- dert Barthes erstmalig für sein Gesamtwerk vollständig ein gesellschaftliches Teilsys- tem (cf. Röttger-Denker 1989: 24). Seine Analyse von Metasprache am Beispiel der Modekommentare entsteht dabei durch eine Beschreibung der Konnotationssprache und der sich aus dieser Kombination ergebenden, sich aufeinander beziehenden Ebenen.
Seine Analyse der Modesprache ist dabei einzigartig in ihrer Ausführlichkeit – und dies nicht nur in Barthes’ Gesamtwerk. Zudem bedeutet „Die Sprache der Mode“ einen Wendepunkt für Barthes’ Theorien. Nach der abgeschlossenen Analyse steht für Bar- thes die Erkenntnis fest, dass die Saussure’sche Meinung von der in der Semiologie enthaltenen Linguistik eigentlich umgedreht gehöre (cf. Eco 2002:17 sowie Röttger- Denker 1989: 26), da alle Zeichen sprachlich verfasst seien. Durch diese Erkenntnis verliert die Semiologie ihren Reiz für Barthes und er kehrt mit seinen neuen Einsichten zurück zu den alten Forschungsgegenständen Sprache, Literatur und Kunst. Allerdings wendet er die gewonnenen Gedanken – in der für ihn typischen, kreativen Weise – wei- terhin zur Interpretation an (cf. Röttger-Denker 1989: 26).
Da Barthes neben seiner Arbeit als Literatur- und Kulturkritiker, Philosoph und Schrift- steller auch als einer der markantesten Wissenschaftler im Bereich der Semiotik ge- schätzt wird, besitzen seine Werke eine nahezu obligatorische Präsenz als Quelle in sprachwissenschaftlichen Texten – dies gilt auch für „Die Sprache der Mode“.
Inwiefern diese Quellenangaben in die Tiefe von Barthes’ Text führen und inwieweit Barthes’ Ausführung kritisch betrachtet werden, werde ich nun in der folgenden Haus- arbeit untersuchen. Voran stelle ich einen zusammenfassenden Überblick über eine Auswahl der wichtigsten Aspekte in „Die Sprache der Mode“.
2. Zu „Die Sprache der Mode“
2.1. Gegenstand der Analyse: Die geschriebene Sprache der Mode
Gegenstand der von Barthes vorgenommenen Analyse ist die Untersuchung weiblicher Kleidung, wie sie von Modezeitschriften beschrieben wird – d.h. Thema ist die Überset- zung realer Kleidung in geschriebene Sprache und wie mit Hilfe dieser ge- bzw. be- schriebenen Kleidung ein Sinnsystem geschaffen wird, welches saisonal wechselt. Die- se Modekonstruktion bewirkt, dass weniger das Objekt Kleidung selbst, als vielmehr sein modischer Sinn zählt: „nicht das Objekt, sondern der Name weckt das Begehren; nicht der Traum, sondern der Sinn ist verkäuflich“ (Barthes 1985: 10).
Die geschriebene Sprache der Mode eignet sich auch deshalb gut für eine strukturalisti- sche Untersuchung, da sie anders als die abgebildete oder reale Kleidung nur im Hin- blick auf Bedeutung geschaffen ist. Es besteht eine „strukturale Reinheit“ (Barthes 1985: 18) der geschriebenen Kleidung: Sie dient dazu, Mode als Sinn zu verbreiten, was weder durch Herstellung, noch Nutzung der Kleidung geschehen kann.
Die geschriebene Sprache bietet auch einen kognitiven Vorteil gegenüber dem Bild: Sie stellt der Kleidung ein „System funktionaler Oppositionen“ (Barthes 1985: 24) zur Ver- fügung, welches die reale oder abgebildete Kleidung niemals in solcher Deutlichkeit aufweisen könnte. Die Beschreibung strukturiert die Kleidung, da sie sie nach bestimm- ten Zielen freilegt. Das Ziel der geschriebenen Kleidung ist, die ungeordnete Wahrnah- me der abgebildeten Kleidung durch eine spezifische Modekenntnis zu ersetzen: „Die abgebildete Kleidung kann gewiss modisch sein […] als beschriebenes dagegen kann dieses Kleid gar nichts anderes sein als die Mode selbst“ (Barthes 1985: 26).
2.2. Untersuchungsmethode in „Die Sprache der Mode“
Ausgehend von der Überlegung, dass eine Mode eine Saison dauere (cf. Barthes 1985: 20), wählt Barthes für seinen Untersuchungscorpus zeitlich die Modeaussagen des will- kürlich gewählten Jahrgangs 1958/59 wie sie v.a. in den Zeitschriften Elle oder Jardin des Modes, aber auch einigen anderen, willkürlich ausgewählten Veröffentlichungen zu finden sind. Inhaltlich wird nicht auf exakte empirische Zählung gezielt, sondern Bar- thes kommt es nur allgemein darauf an, dass Differenzen vorhanden sind.
In den Corpus gehen dabei nur reine Modekommentare, d.h. Verdoppelungen der Ab- bildungen (cf. Barthes 1985: 21), ein – Erwähnungen, die andere Zwecke verfolgen wie z.B. Werbung, sind ausgeschlossen.
2.3. Grundlagen zum Verständnis bei Barthes
Barthes begreift die abgebildete Kleidung im Verhältnis zur geschriebenen Kleidung in Saussure’sche Tradition wie das Verhältnis zwischen langue und parole: Die bereits unter 2.1. beschriebene strukturale Reinheit der geschriebenen Kleidung kommt dabei beinahe der der Sprachstruktur gleich, während die individuell aktualisierte, getragene Kleidung der parole entspricht (cf. Barthes 1985: 13).
2.3.1. Übersetzungsmechanismen zwischen den Codes der Struktur
Die Sprache der Modezeitschrift besteht aus drei Strukturen, die gemeinsam das Gat- tungsobjekt bilden (cf. Barthes 1985: 15): Die reale Kleidung stellt die technologische Form, die Abbildung der Kleidung die ikonische Form und die Beschreibung schließ- lich die verbale Form dar.
Um die Inhaltsaussage der Mode zu verbreiten, muss die Zeitschrift die Strukturen von einem Code zum anderen transformieren, was mithilfe von so genannten „ shifters “ (Barthes 1985: 16) geschieht. Mithilfe dieser Verschieber sind drei unterschiedliche Arten von Übersetzungen möglich (cf. Barthes 1985: 16):
a) von der Realität - Bild; d.h. graphische oder phototechnische Umsetzung
b) von der Realität - Sprache; hier ist allerdings nicht die Beschreibung, sondern die Anleitung zur Herstellung gemeint z.B. in Form einer Nähvorschrift
c) vom Bild - Sprache; so entsteht der Modekommentar als Verdoppelung der Abbildung, indem er Sichtbares betont und Unsichtbares erfahrbar macht
All das, was im „vestimentäre[n] System“ (Barthes 1985: 37) der Modezeitschriften gezeigt und beschrieben wird, umfasst Barthes mit dem Begriff „das endlose Kleid“ (Barthes 1985: 52). Seine Analyse untersucht dieses nun durch eine Zerlegung der Modekonnotation und der rhetorischen Ebene.
2.3.2. Aufteilung der Aussagen in A- und B-Komplex
Um die Mitteilungsströme seines Corpus zu strukturieren, ordnet Barthes jede Aussage mithilfe der Kommutationsprobe einem von zwei Komplexen zu (cf. Barthes 1985: 32): Entweder dem so genannten A-Komplex „Kleidung und Welt“ oder dem so genannten B-Komplex „Kleidung und Mode“.
Die Beziehungen von Kleidung und Welt sind vielfältig. Bei dem expliziten Aspekt der so genannten „Welt“ kann es sich z.B. um Zweckbeziehung, Zusammentreffen äußerer Umstände oder Kausalität handeln. Die Inhalte können dabei auch rein illusorisch sein, ohne dass die gebildete Korrelation nichtig würde, denn letzten Endes handelt es sich
bei der Relation um eine von der Zeitschrift geschaffene, einfache Äquivalenz (cf. Bar- thes 1985: 33).
Die Beziehung von Kleidung und Mode ist nicht variierbar, da der Modeaspekt stets implizit enthalten ist (cf. Barthes 1985: 33): Zwischen der beschriebenen Kleidung und der Mode ist dafür keine funktionale Beziehung nötig, sondern der Zusammenhang ent- steht durch Konvention. D.h. die Zeitschrift behauptet eine Äquivalenz einfach, wäh- rend diese beim A-Komplex noch durch die Gebrauchsweise der Kleidung gesichert wird (cf. Barthes 1985: 37).
2.3.3. Signifikate und Signifikanten
Nun beginnt Barthes, die A- und B-Komplexe nach dem Schema Signifikat/ Signifikant aufzuspalten. Um die verschiedenen Ebenen miteinander in zu verknüpfen, zieht er die Definitionen zu Konnotations- und Metasprache nach Hjelmslev hinzu (cf. Röttger- Denker 1989: 25): In der Metasprache wird „ein Zeichen des ersten Systems zum Signi- fikat des zweiten Systems“ (Röttger-Denker 1989: 25), während in der Konnotations- sprache ein Zeichen des ersten Systems zum Signifikanten des Zweiten wird, dessen Signifikat die Modeideologie und Moderhetorik bildet (cf. Röttger-Denker 1989: 26).
Für beide Komplexe gilt zusammenfassend, dass die Zeitschriftenaussage über die Wör- ter, aus denen sie sich zusammensetzt, hinaus ein Bedeutungssystem bildet. Jede Aus- sage besteht dabei aus einem materiellen, sichtbaren Signifikanten d.h. Kleidung und einem immateriellen Signifikat d.h. der Welt bzw. der Mode.
Im Einklang mit Saussures bilateralen Zeichensystem bildet die beschriebene Zusam- menstellung also ein ebenso vollgültiges Zeichen wie das Wort der Sprache
Ebenso wenig wie Ausdruck und Inhalt lassen sich nun die vestimentäre und die lingu- istische Ebene trennen: Die vestimentäre Ebene wird von der linguistischen getragen, denn diese ist die Denotationsebene bzw. die Objektsprache. Die Inhalte des vestimen- tären Systems werden der Konnotationsebene bzw. der Metasprache zugeordnet, denn wie das menschliche Sprechen enthält auch die Modeaussage stets eine Konnotation (auch wenn sie hier auf die beiden Bereiche der Welt und der Mode beschränkt ist; cf. Barthes 1985: 37). Als drittes Element des endlosen Kleides benennt Barthes die Ebene der realen Objekte bzw. der Abbildungen.
So entsteht für den A-Komplex der Modeaussagen aufgeschlüsselt folgendes System- schema (cf. Barthes 1985: 47):
4. rhetor. System: Signifikant = Zeitschriftenaussage; Signifikat = transportierte Weltvorstellung
3. Modekonnotation: Signifikant = Tatsache der Notation; Signifikat = Mode
2. geschriebener vestimentärer Code: Signifikant = Satz; Signifikat = Proposition
1. realer vestimentärer Code: Signifikant = Kleidung; Signifikat = Welt
Für den B-Komplex ergibt sich eine Ebene weniger, da die Modekonnotation sozusagen schon auf der ersten Ebene implizit genannt wird (cf. Barthes 1985: 48):
3. rhetor. System: Signifikant = Zeitschriftenaussage; Signifikat = transportierte Weltvorstellung
2. geschriebener vestimentärer Code: Signifikant = Satz; Signifikat = Proposition
1. realer vestimentärer Code: Signifikant = Kleidung; Signifikat = Mode
Da beide Komplexe auf der untersten Ebene den Signifikanten Kleidung enthalten, bil- det dieser als kleinster gemeinsamer Nenner den Gegenstand der Analyse: „Die Sub- stanz des verbalen Codes kann sich nicht ohne Vermittlung aus der Substanz des realen speisen“ (Barthes 1985: 39).
Gabriele Röttger-Denker unterscheidet in ihrer Einführung zu Roland Barthes zusam- menfassend nicht spezifisch zwischen A- und B-Komplex, sondern klassifiziert das Modesystem zusammenfassend als ein System mit fünf Unterkategorien: Reale Mode, beschriebene Mode, Bezug der realen Mode zur jeweiligen Situation, die ideologische Aufbereitung der Mode durch die Werbung und das globale Signifikat der aktuellen Mode (cf. Röttger-Denker 1989: 25).
2.3.4. Aufbau des pseudorealen Mischcodes
Im nächsten Schritt beginnt Barthes mit der Inventarisierung der A- und B-Komplexe. Durch Generalisierung und die damit einhergehende Reduzierung durch Weglassen von Metaphern, Wortspielen etc. macht Barthes die tiefer liegenden Systeme der A- Komplexe sichtbar (cf. Barthes 1985: 53f). So werden alle verbalen Zweideutigkeiten beseitigt. Im zweiten Schritt der Zerlegung entsteht der „pseudoreale Mischcode“ (Bar- thes 1985: 57). Hier steht lediglich l für die Kombination zweier Terme und ≡ für die Äquivalenz von Kleidung und Welt bzw. Mode.
Außer der stets mitgedachten vierten Ebene der Modekonnotation erhält man so nach für den A-Komplex das folgende Schema (cf. Barthes 1985: 58):
3. rhetorische Ebene: Für den Stadtbummel weißgepunktete Kleidung.
2. terminologische Ebene: weiße Punkte auf einem Kleid bedeuten Stadtbummel
1. pseudorealer Mischcode: Kleid l weiß l Punkte ≡ Stadtbummel
Mithilfe des pseudorealen Codes zerlegt Barthes das endlose Kleid in horizontale Be- deutungseinheiten. Alle Aussagen zeigen sich mit einem Signifikanten und einem Signi- fikat gesättigt (cf. Barthes 1985: 62), und auch lange oder komplizierte Aussagen lassen sich auf diese einfache Form reduzieren bzw. zurückführen (cf. Barthes 1985: 63).
Die Aussagen des B-Komplexes lassen sich jedoch nicht nach denselben Kriterien in- ventarisieren, denn alle Signifikanten haben dasselbe implizite Signifikat: Mode. Bar- thes prüft hier wieder mithilfe der Kommutationsprobe, welche Elemente einer Aussage zur Veränderung ihres Sinns beitragen (cf. Barthes 1985: 70). Bspw. ergeben sich für die Aussage „ Strickweste mit offenem oder geschlossenem Kragen für die Freizeit oder festliche Gelegenheiten “ (Barthes 1985: 71) die alternativen Inhalte
1) Strickweste l Kragen l offen ≡ Freizeit bzw.
2) Strickweste l Kragen l geschlossen ≡ festliche Gelegenheiten (cf. Barthes 1985: 71).
Trotz der unterschiedlichen Methoden, die auf A- und B-Komplex angewendet werden müssen, gelangt Barthes in beiden Fällen zu demselben Ergebnis:
„Ausgehend von einer Alternative [oder Variante – der oben bereits genannten Opposition –; Anm. d. Verf.] gelangt die Bedeutung über ein Teilelement [d.h. den Träger; Anm. d. Verf.] zum Kleidungsstück [d.h. zum Objekt; Anm. d. Verf.], das sozusagen von ihr geprägt wird.“
(Barthes 1985: 71)
2.4. Der vestimentäre Code
2.4.1. Struktur des Signifikanten – Die Matrix
Diese unter 2.3.4. beschriebene Zusammenstellung von Variante, Träger und Objekt heißt Matrix (cf. Barthes 1985: 72). Der Träger und das Objekt haben als vestimentäre Elemente materielle Substanz; die Variante hingegen ist immateriell und entsteht aus der Wahl aus oppositionären Termen.
Wie die Modekommentare zeigen, können die einzelnen Elemente innerhalb der Matrix auch mehrfach auftreten, wobei das Objekt stets am weitesten von der Bedeutungser- zeugung der Variante entfernt ist (cf. Barthes 1985: 74), denn die Bedeutung entsteht aus der „Entscheidung“ des Trägers für einen Terms aus einer Opposition: „Der Bedeu- tungsträger gewinnt seine Notwendigkeit und Eigenständigkeit aus der Tatsache, daß die Kleidung, anders als die Sprache, als solche eben noch kein Bedeutungssystem ist“ (Barthes 1985: 75) und „voraussichtlich werden also alle Kommunikationssysteme, die auf technisch oder funktional unabhängig von ihrer Bedeutung existierenden Objekten gründen, auf Träger angewiesen sein, die von ihren Varianten unterschieden sind“ (Bar- thes 1985: 76). Die Verbindung von Träger und Variante bezeichnet Barthes als „Zug“ (Barthes 1985: 79).
Durch die Unterschiedlichkeit der Substanz (materiell, immateriell), erstellt Barthes zwei Inventare: Einmal für die Objekte und Träger (= Inventar der Arten und Gattungen der Kleidung; cf. Barthes 1985: 94) und dann für die Varianten. Im Rahmen dieser
Hausarbeit ist es jedoch weder möglich, noch im Sinn weiterführend, diese einzeln vor- zustellen, weshalb ich es im Folgenden bei einer kurzen Beschreibung dieser Inventare belasse.
2.4.1.1. Inventar der Arten und Gattungen
Barthes stellt den Grundsatz auf, „daß die gesamte Materialität der Kleidung auf der Ebene der Matrix von den Objekten und Trägern, auf der Ebene der Terminologie von den Gattungen und Arten ausgeschöpft wird“ (Barthes 1985: 105).
Eine Gattung bezeichnet dabei die Klasse von Arten, die sich logisch und wechselseitig ausschließen (cf. Barthes 1985: 100) – also z.B. die Kleidungsstücke, die in etwa die- selbe Körperpartie abdecken und deshalb eigentlich nicht zusammen getragen werden können (individuelle Tragweisen sind wie stets dabei ausgeschlossen; cf. Barthes 1985: 103). Arten verschiedener Gattungen lassen sich ggf. zusammenstellen (a l b; cf. Bar- thes 1985: 102) und auch identische Arten lassen sich ggf. kombinieren (2a; cf. Barthes 1985: 103).
Einzelne Arten können je nach Verwendung auch von einer Gattung zur anderen wan- dern, so dass die Zuordnungen weder endgültig, noch Neuerungen unmöglich sind (cf. Barthes 1985: 108f).
Barthes stellt in seinem Werk eine Liste von 60 Gattungen zusammen (cf. Barthes 1985: 111f). Diese enthält z.B. Ärmel, Befestigung, Hose, Mantel, Strümpfe oder Tasche. Im Einzelnen haben die Arten und Gattungen keine explizite Bedeutung für Barthes’ Theo- rie, so beschränke ich mich hier auf einige besondere Beispiele von Eigenschaften, nach denen Barthes ordnet:
a) Gattung ohne Art = alle Arten der Gattung gehören zu anderen Gattungen z.B. gehören zur Gat- tung Accessoire so verschiedene Dinge wie Tasche oder Schmuck (cf. Barthes 1985: 111.2)
b) Gattung bedeutet erst bei Nichtexistenz einer anderen Gattung = z.B. kann ein Ausschnitt nur ohne Kragen existieren (cf. Barthes 1985: 111.6)
c) Gattungen Linie, Stil u.ä. = kennzeichnet eine eher abstrakte Einheit, die saisonal variiert (cf. Barthes 1985: 113.30; Ebd.: 115.50)
d) Gattungen Farbe, Material u.ä. = gewinnen erst durch Betonung oder Nennung an Bedeutung (cf. Barthes 1985: 112.14; Ebd.: 113.33): „Benennen heißt immer, existieren lassen“ (Barthes 1985: 97)
e) Gattungen Hüfte, Schultern u.ä. = die Bezeichnungen sind nicht menschlich-anatomisch, son- dern als entsprechender Teil des Kleidungsstücks gemeint (cf. Barthes 1985: 112.21; Ebd.: 115.47)
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