Der Theorieansatz des Labeling Approach vertritt eine Sichtweise, die unter anderem von Berger und Luckmanns Beschreibungen der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit beeinflusst wurde.
(..) Es stellt sich die Frage, ob der frühe Ansatz des Labeling Approach ein Phänomen erklären kann, das sich hartnäckig in den Köpfen der Menschen hält und sich schon seit längerer Zeit auffallend häufig in der öffentlichen Diskussion wiederfindet: das „Problem“ der Kriminalität jugendlicher (männlicher) Migranten.
(..)Kriminalität wird heute als soziales Problem behandelt, das von der Bevölkerung hauptsächlich durch die Medien erfahren wird. Vermischt mit dem Diskurs um die allgemeine Jugendkriminalität wird die Thematik seit den 1980er Jahren regelmäßig über die Politik und die Medien in den gesellschaftlichen Diskurs transportiert. Hierbei ist scheinbar weniger von Belang, dass wissenschaftliche Studien schon seit vielen Jahren eine Höherbelastung der Kriminalität jugendlicher Migranten empirisch widerlegen. Auch wenn es auf den ersten Blick so erscheint, als würden allein die Massenmedien ein Bild aufrechterhalten und reproduzieren, das (migrantische) Jugendliche als Bedrohung zeigt, scheinen sich dahinter komplexere Zusammenhänge zu verbergen, die das Bild des kriminellen jugendlichen Migranten konstruieren und reproduzieren. Interessant erscheint die Frage, ob es weitere Institutionen gibt, die an einer Etikettierung beziehungsweise Stigmatisierung teilhaben. Zur Klärung dieser Frage sollen einzelne, ausgewählte Institutionen, denen eine Beeinflussung und Konstitution der gesellschaftlichen Wirklichkeit unterstellt werden kann, beleuchtet werden. Kann die Erklärung des sozialen Problems „Kriminalität jugendlicher Migranten“ durch die Überprüfung machtpolitischer Institutionen dem Labeling Approach helfen, deren Funktionen und Interessen offenzulegen und das Phänomen als soziale Konstruktion zu „entlarven“?
Neben den Kontroll- und Straforganen des Strafrechts sollen hierzu das Zuschreibungsverhalten von Politik, Medien und von der Bevölkerung als gesellschaftliche Institution überprüft werden. Falls die Überlegung einer Selektion beziehungsweise Stigmatisierung zutrifft, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob allein diese Erkenntnis ausreicht, um das Phänomen erklären zu können. Schließlich sollen Theorieansätze und Anregungen aufgezeigt werden, die dem Labeling Approach als Ergänzung bei der Erklärung des Phänomens dienen können.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Der Labeling Approach
II.1 Ein Gegenentwurf zur traditionellen Kriminologie
II.2 Die Hauptaussagen des Labeling Approach
II.3 1968 bis heute: Die Entwicklung der Kritischen Kriminologie
II.4 Die Prämissen des „radikalen“ Theorieansatzes
III. Die Erklärungskraft des Labeling Approach bezüglich des Phänomens „Kriminalität migrantischer Jugendlicher“
III.1 Die sozialen Voraussetzungen jugendlicher Migranten
III.2 Die strafrechtlichen Instanzen und deren Kontrollorgane
III.2.1 Die „symbolischen“ Funktionen des Strafrechts
III.2.2 Die Polizei
III.2.2.1 Die praktische Funktion der Kontrolle und Selektion
III.2.2.2 Das theoretische Output: Die Polizeiliche Kriminalstatistik
III.3. Machtpolitische Institutionen als „Mit-Konstukteure“ sozialer Probleme?
III.3.1 Politische Akteure im Wahlkampf
III.3.2 Die Medienberichterstattung
III.3.3 Der gesellschaftliche Diskurs um Kriminalität
III.4 Zwischenfazit
III.5 Erklärungsprobleme des Labeling Approach
III. 6 Ergänzungsvorschläge anderer (ätiologischer) Theorien
IV.Fazit
V.Literatur
- Quote paper
- Lilian Leopold (Author), 2010, Die soziale Konstruktion von Kriminalität am Beispiel jugendlicher Migranten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160687
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