Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellung
1.2. Literaturlage
2. Katalanischer Nationalismus
2.1. Begriff Nationalismus
2.2. Geschichte und Wesenszüge des Katalanismus
3. Fußball und Nationalismus in Spanien
4. FC Barcelona und Katalanismus
4.1. Vereinsgründung und katalanistische Positionierung
4.2. Der Verein und die katalanische Identität in der Franco-Zeit
4.3. „FC Barcelona“, Demokratie, Globalisierung und Katalanismus
5. Fazit: „Barça“ – eine ‚nationale‘ Institution?
6. Ausblick: Fußball – ein Ausdruck nationaler Identität?
7. Literatur
1. Einleitung
„¡Visca el Barça, visca el Catalunya!“ – “Sieg für Barça, Sieg für Katalonien!”[1] – rief euphorisch Jordi Pujol, der ehemalige katalanische Regierungschef und bekennender katalanischer Nationalist, mehrmals bei den Meisterfeiern des größten Fußballvereins Kataloniens „FC Barcelona“. Anhand dieser Aussage lässt sich bereits die Verschmelzung von Sport und Politik in dieser Region vermuten. Vor allem in Bezug auf den „FC Barcelona“ äußert sich das am deutlichsten, denn der Verein versteht sich als més que un club („mehr als ein Klub“), was bedeuten soll, dass er sich nicht auf das Sportliche beschränkt, sondern sich auch im politischen Bereich aktiv engagiert.
Dass Pujol die Siege des „FC Barcelona“ mit dem Erfolg Kataloniens gleich setzt und das nicht auf Spanisch, sondern auf Katalanisch äußert, zeigt zum einen die Bedeutung des „FC Barcelona“ als einen Repräsentanten des katalanischen Nationalismus. Zum anderen verdeutlicht das die politische Instrumentalisierung des Vereins und des katalanischen Sports insgesamt, denn Pujol sah auch die 1992 in Barcelona stattgefundenen Olympischen Spiele vor allem im Kontext eines lange dauernden Projektes, um das Prestige, die wirtschaftliche Entwicklung und die politische Autonomie von Katalonien zu vermehren.[2]
Der 1899 gegründete Futbol Club Barcelona ist heute mit über 170000 Mitgliedern nicht nur der größte und erfolgreichste Sportverein Kataloniens, sondern auch eine einflussreiche Organisation, die sich für Katalonien und für die katalanische Nation einsetzt. Da der Verein, wie auch der Katalanismus, zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen schnellen Aufschwung erlebte, entwickelte er sich bereits kurz nach seiner Gründung zu einer Institution, die den katalanischen Nationalismus aktiv unterstützte. Zur Zeit der Diktaturen von Primo de Rivera und Franco war der „FC Barcelona“ stets eine Hochburg des Widerstandes in der Region. Der Verein organisierte Demonstrationen, im Stadion wurden damals verbotene katalanische Lieder gesungen sowie katalanische Sprache gesprochen und während der Spiele fanden Protestaktionen gegen die Zentralregierung statt. Seit dem Tod Francos 1975 fördert der Klub verstärkt katalanische Projekte im Bereich Kultur und setzt sich für die Erhaltung der katalanischen Sprache ein. Viele Funktionäre des Vereins sind politisch aktiv und stehen dem Katalanismus nahe. Außerdem erhält der „FC Barcelona“ Unterstützung aus der Politik, vor allem aus der bürgerlich-katalanistischen CiU (Convergéncia i Unió, dt. „Konvergenz und Union“).
Auf Grund seines großen gesellschaftlichen Einflusses wird der „FC Barcelona“ nicht selten als ein „nationaler Klub“ Kataloniens gesehen.[3]
Wodurch zeichnet sich der katalanische Nationalismus aus? Wie erheblich ist die Rolle des „FC Barcelona“ innerhalb des politischen Katalanismus? Wie entwickelte sich der Klub im Laufe seiner Geschichte zu einer politischen Institution? Welche waren die bedeutendsten Stationen in dieser Entwicklung?
Das sind die zentralen Fragen, mit denen sich diese Hausarbeit befasst.
1.1. Fragestellung
Diese Hausarbeit zielt darauf, die Bedeutung des Fußballvereins „FC Barcelona“ innerhalb des katalanischen Nationalismus zusammenhängend nachzuzeichnen. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung des Klubs im Kontext der spanischen und katalanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Zuerst soll dabei der begriffliche Rahmen vorgegeben werden, indem eine Definition des Nationalismus vorgenommen wird. Anschließend erfolgt eine Darstellung der Entwicklung und der Wesenszüge des katalanischen Nationalismus.
Im dritten Abschnitt steht der Fußball in Spanien im Vordergrund. Dabei soll skizziert werden, inwiefern der spanische Fußballsport im 20. Jahrhundert im Kontext des Nationalismus bzw. der nationalistischen Politik stand. Von Bedeutung sind hier sowohl der spanische als auch regionale Nationalismen.
Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit dem „FC Barcelona“. In drei Phasen eingeteilt, wird die Konstituierung des Vereins als einer politischen Institution beschrieben. In die Darstellung des Entwicklungsprozesses werden mehrere Aspekte miteinbezogen und damit in den Zusammenhang gebracht: die politischen Veränderungen in Spanien und die Reaktion des Vereins darauf, die sportlichen Erfolge und Misserfolge sowie die sportlich-politischen Auseinandersetzungen mit „Real Madrid“ und „Espanyol Barcelona“.
Im fünften Abschnitt wird ein Fazit gezogen. Dabei soll Bezug auf die Eingangsfrage nach der Rolle des „FC Barcelona“ innerhalb des Katalanismus genommen werden.
Die Hausarbeit endet mit einem kurzen Ausblick, der sich der Rolle des Fußballs im nationalen Kontext widmet.
1.2. Literaturlage
Der Sport nimmt traditionell einen eher untergeordneten Platz im akademischen Diskurs ein. In den letzten 15 bis 20 Jahren ist jedoch eine Tendenz zu erkennen, dass insbesondere der Fußball auf viele politische und soziale Erscheinungen projiziert wird.
Der Zusammenhang zwischen Fußball und Nationalismus ist in vielen Kontexten wenig bis gar nicht erforscht. Der Fall Kataloniens und des „FC Barcelona“ stellt jedoch eine der wenigen Ausnahmen dar. Das hat zum einen mit der großen Bedeutung des Vereins innerhalb des katalanischen Nationalismus und zum anderen mit dem internationalen Bekanntheitsgrad des Klubs zu tun.
Das Thema genießt akademisches Interesse nicht nur in Spanien und Katalonien. Das belegt die Tatsache, dass die darüber schreibenden Autoren unter anderem auch aus Großbritannien, Israel oder Deutschland kommen. Außerdem liegt eine große Anzahl an Übersetzungen von spanischen Publikationen ins Englische und ins Deutsche vor. Die meisten Autoren stammen aus dem Bereich der Soziologie bzw. der Sportsoziologie, seltener sind es Politikwissenschaftler.
Zu zentralen Werken im deutschsprachigen Bereich gehört vor allem der Sammelband „Fußball und Region in Europa“, herausgegeben von Siegfried Gehrmann. Im Aufsatz „Fußball und nationale Identität in Katalonien: FC Barcelona und Español“[4] stellt dabei Gabriel Colomé treffend die politische und sportliche Entwicklung beider großen katalanischen Klubs im katalanisch-nationalen Kontext dar. Teresa González Aja behandelt anschließend mit dem Thema „Fußball und regionale Identität in der Zeit der Franco-Diktatur“[5] die Problematik des Fußballs zwischen nationaler Identität und Zentralismus.
Wichtig erscheint außerdem das Werk „Die Bedeutung des Fußballs als Ausdruck regionaler Identität in Spanien am Beispiel der Vereine Futbol Club Barcelona, Athlétic Club der Bilbao und Real Madrid“[6] von Frithjof Lühr, das sich ausführlich und in vergleichender Weise mit der gesellschaftlichen Rolle der Vereine in den jeweiligen Regionen beschäftigt.
Von den Zeitschriftenaufsätzen sind vor allem zwei zu erwähnen. Ramón Llopis Goig beschäftigt sich in seiner Abhandlung „Identity, Nation-State and Football in Spain. The Evolution of Nationalist Feelings in Spanish Football“[7] mit dem Wandel nationaler Werte im spanischen Fußball und Shmuel Nili geht in seiner Publikation „The Rules of the Game: Nationalism, Globalisation and Football in Spain“[8] auf die Wesenszüge des Nationalismus beim „FC Barcelona“ und „Athletic Bilbao“ ein und stellt sie in den Kontext der regionalen Geschichte des 20. Jahrhunderts.
2. Katalanischer Nationalismus
2.1. Begriff Nationalismus
Der Nationalismus (von franz. nationalisme) bezeichnet eine „Ideologie und/oder soziale Bewegung, die territorial und wertorientiert auf die Nation bzw. den Nationalstaat ausgerichtet ist und eine bewußte Identifikation und Solidarisierung mit der nationalen Gemeinschaft voraussetzt.“[9] Im Vordergrund steht dabei die „Förderung des Anliegens einer Nation“.[10] Die Nation kann sich dabei aus verschiedenen Gründen zusammengehörig und von anderen unterschieden fühlen. Im Falle des katalanischen Nationalismus sind es vor allem die gemeinsame Sprache und Kultur, aber auch politisch-historische, weniger jedoch ethnische Gründe. Da es sich beim Nationalismus um ein vages Phänomen handelt, kann das „Anliegen der Nation“ nicht immer exakt definiert werden. Dieses reicht in Katalonien von Forderungen nach größerer politischer und kultureller Autonomie von Spanien bis zu einer kompletten Unabhängigkeit von Madrid. Die Besonderheiten des katalanischen Nationalismus sowie seine historische Konstituierung stehen im Mittelpunkt des nächsten Abschnitts.
2.2. Geschichte und Wesenszüge des Katalanismus
Die regionale Vielfalt Spaniens war stets der Grund dafür, dass die Motivation für das Streben nach Selbstregierung in verschiedenen Regionen unterschiedlich gewesen ist. Während es in einigen Teilen des Landes die geographische und/oder historisch-politische Besonderheiten waren, wurde in anderen Regionen eher mit sozialen oder sprachlich-kulturellen Eigentümlichkeiten argumentiert. Dort, wo der Regionalismus keine Tradition hatte, war der Wunsch nach Autonomie hingegen wesentlich schwächer ausgeprägt. So kann man zwischen den drei historischen Nationalitäten (nacionalidades históricas) – den Katalanen, den Basken und den Galiciern, sowie anderen Regionalismen unterscheiden.[11]
Spanien existiert als Königsreich seit dem späten 15. Jahrhundert, stellt jedoch immer noch keine einheitliche Nation dar. Die Spannung zwischen dem Zentralismus und der Autonomie, der wunde Punkt der spanischen Geschichte, ist nach wie vor ungelöst. Im Gegensatz zu beispielsweise Frankreich, ist es Spanien nicht gelungen, seine nationalen Minderheiten spannungsfrei in den Nationalstaat zu integrieren.[12]
Eine der Nationen, die nicht vollständig integriert werden konnte, ist die katalanische. Katalonien entstand aus dem Spanischen Mark Karls des Großen und war nach seiner Vereinigung mit dem Königreich Aragonien im 12. Jahrhundert eine der wichtigsten Seemächte im Mittelmeer. Über einen langen Zeitraum besaß Katalonien eigenständige Institutionen, wie die Ständeversammlung (Cortes), die Exekutive (Generalitat) sowie Steuer- und Wehrfreiheit. Nachdem Philipp IV. und Philipp V. diese Veränderungen abzuschaffen versuchten, legte das Decreto de Nueva Planta von 1716 diese Rechte nun auch juristisch fest. Diese relativ früh erlangte politische Eigenständigkeit führte auch zur Entstehung einer national-kulturellen Tradition.[13]
Im 19. Jahrhundert kam es im Zuge der Romantik und nicht zuletzt auch auf Grund des wirtschaftlichen Aufschwungs Kataloniens zur „Wiederentdeckung“ der katalanischen Sprache und Kultur, und somit auch zur Herausbildung der nationalen Identität. Der Auslöser war die schwere wirtschaftliche Lage nach der Niederlage Spaniens im Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898. Zudem fühlten sich die Katalanen in ihren Werten und in ihrer Kultur bedroht, nachdem Katalonien viele Emigranten aus anderen Teilen des Landes infolge der Industrialisierung aufnehmen musste. Eben auf Grund der Industrialisierung, deren wichtiger Träger Katalonien war, setzte nach dem Desaster von 1898 eine politische und kulturelle Umorientierung ein. Ab diesem Zeitpunkt begann die Region, sich stärker für die eigene Autonomie einzusetzen.[14]
Der ideelle Anfang wurde jedoch einige Jahre zuvor gemacht. Zu Beginn dieser Entwicklung stand die vage Vermutung, die ökonomischen Unterschiede zwischen Barcelona und Madrid basieren auf unterschiedlichen Mentalitäten. In den 1830er Jahren bekam diese Idee Aufmerksamkeit durch die Forderung katalanischer Arbeiter nach Schutz vor der Konkurrenz von außen.[15]
Der Träger dieser Entwicklung war von Anfang an das selbstbewusste und ökonomisch einflussreiche Bürgertum. Die Politiker der Ersten Republik (1873-1874), wie beispielsweise Francisco Pi y Margall, sahen im Föderalismus die Lösung für die Integration Kataloniens in den spanischen Staatenverband sowohl auf politischer, als auch auf institutioneller Ebene.[16] Eine theoretische Begründung bekam der Katalanismus zuerst durch das 1886 erschienene Buch „Der Katalanismus“ (Lo Catalanisme) von Valentí Almirall. Er formulierte die Ziele der Katalanen für das 20. Jahrhundert – kulturelle und ökonomische Autonomie im Rahmen des spanischen Staates mit der katalanischen Sprache im Zentrum.[17] Im darauffolgenden Jahrzehnt kamen dann weitere Forderungen hinzu – Reorganisation administrativer Teilung der Region, gesicherte öffentliche Ämter für Katalanen, autonome Gesetzgebung, Schaffung einer katalanischen Einheit in der spanischen Armee und der regionalen Polizei sowie Kontrolle über Bildung in der Region.[18]
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts baute sich die politische Dimension des Katalanismus immer stärker aus, indem mit der Gründung der Lliga Regionalista (1901) ein „konservativ orientierte[r] Autonomismus“ entstand.[19] Etwas mehr als 10 Jahre später kam es zur Vereinigung katalanischer Provinzialräte zur Mancomunidad de Catalunya, die jedoch vom Diktator Promo de Rivera beseitigt wurden. Parallel dazu entstand gegen Ende des Ersten Weltkrieges der linke Katalanismus. Aus verschiedenen Gruppierungen ging 1931 die ERC (Esquerra Republicana de Catalunya, „Republikanische Linke Kataloniens“) hervor, die die katalanische Frage innerhalb der republikanischen Staatsform zu lösen versuchte.[20]
Am 15. September 1932 hatte das spanische Parlament das Autonomiestatut für Katalonien verabschiedet. Somit wurde Katalonien mit dem eigenen System der Selbstregierung (Generalitat) ausgestattet, das aus Parlament, Präsident und Regierungsrat bestand und administrative sowie legislative Kompetenzen besaß. Außerdem legte das Statut das Katalanische neben dem Kastilischen als offizielle Sprache fest und verankerte eine beschränkte Kulturhoheit. Das Generalitat wurde jedoch zwei Jahre später wieder suspendiert, infolge der Konfrontation zwischen der zentralistisch orientierten Rechtsregierung in Madrid und der linken katalanischen Regierung. 1939 bedeutete die Niederlage der Republik das zunächst endgültige Ende der Selbstregierung. Die darauffolgenden Jahre der Franco-Diktatur bedeuteten Unterdrückung der wichtigsten Merkmale des Katalanismus – der katalanischen Sprache und der nationalen Kultur.[21]
Die Repressionen während des Franco-Regimes wurden jedoch zum Katalysator für die Bildung nationaler katalanischer Identität.[22] Auf die vielfältigen Maßnahmen zur Unterdrückung der kulturellen Identität Kataloniens reagierte die Bevölkerung mit dem passiven Widerstand – durch Organisation von Tanz-, Gesangs-, Berg- und Wandervereinen, in denen regionale Sprache, Geschichte und Kultur gelernt wurden. Auch der Fußballklub „FC Barcelona“ wurde zu einem enorm wichtigen Symbol des Katalanentums.[23]
Aus eher unpolitischen Organisationen sowie der Studentenbewegung an der Universität Barcelona entstand in den 1950er Jahren eine ganze Generation oppositioneller Nationalisten. Außerdem kam es Ende der 1950er – Anfang der 1960er Jahre aufgrund der wirtschaftlichen und teilweise politischen Lockerung zu einem kulturellen Aufschwung, der sich in der Gründung katalanischer Verlage und Zeitschriften, der Publikation katalanischer Bücher sowie in der raschen Entwicklung katalanischer Musik äußerte.[24]
Nach dem Tod Francos konnte wieder offen Katalanisch gesprochen werden und die Sprache fand schnell sowohl in Schulen als auch in den Medien Einzug. Die katalanische Kultur erlebte einen Aufschwung und die nationale katalanische Identität erstarkte und nahm wieder Gestalt an.[25] Am 29. September 1977 wurde das Generalitat wiederhergestellt, nachdem eine Einigung zwischen den Vertretern der Madrider Regierung, den Repräsentanten der katalanischen Parteien und dem Exilpräsidenten des Generalitat, Josep Tarradellas, erreicht wurde. Dieser Schritt wurde von der katalanischen Bevölkerung aktiv herbeigeführt, indem sich beispielsweise am Nationalfeiertag (Diada Nacional de Catalunya) am 11. September 1977 eine Million Menschen in Barcelona versammelt und für die Autonomie demonstriert hatten.[26]
Zum wichtigsten institutionellen Träger des politischen Katalanismus im ‚neuen‘ Spanien entwickelte sich die Partei CiU (Convergéncia i Unió, „Konvergenz und Union“). Dabei handelt es sich um einen Parteienzusammenschluss aus Mitte-Rechts-Parteien, der 1979 entstanden ist. Der erste Präsident war bis 2003 der charismatische katalanische Politiker Jordi Pujol. Die CiU vertritt eine gemäßigt-sozialdemokratische Politik des bürgerlichen Katalanismus.[27]
Das Wesen des heutigen katalanischen Nationalismus kann in drei Punkten zusammengefasst werden. Zum einen spielt die Sprache als ein zentraler Bestandteil der nationalen Identität eine enorme Rolle. Zum anderen ist das Ziel des Nationalismus die maximal mögliche Autonomie für Katalonien, die zum Teil bis zu den Forderungen nach einer Unabhängigkeit von Spanien reicht. Außerdem ist es wichtig, die katalanische Kultur aufrechtzuerhalten und sie zu stützen, damit dieses Ziel erreicht werden kann.[28]
Die Werte in Katalonien sind traditionell tendenziell prokapitalistisch, bourgeois, säkular und eher individualistisch. Deshalb erscheint es wenig verwunderlich, dass die wichtigste treibende Kraft der katalanistischen Bewegung schon immer die wirtschaftliche und kulturelle Elite war.[29] Außerdem versteht sich der Katalanismus als eine auf Modernität basierende, fortschrittliche Bewegung, im Gegensatz zum baskischen Nationalismus, der sich durch konservative Prinzipien definiert.[30]
Darüber hinaus, basiert der bürgerliche katalanische Nationalismus eher auf politischen und kulturellen als auf biologischen Kriterien, was einen weiteren Unterschied zum eher ethnischen baskischen Verständnis der Nation darstellt. Ein Mitglied einer anderen ethnischen Gruppe, der die ‚zivile Religion‘ des Nationalismus akzeptiert, kann durchaus als ein Teil der katalanischen Nation angesehen werden. Diese Art des Nationalismus erlaubt es also einem Menschen, sich das Recht, als ein Teil der Nation angesehen zu werden, zu erwerben und bietet somit Möglichkeiten zu einer nahezu vollständigen Assimilierung.[31]
So wurden auch im Laufe der gesamten Geschichte des „FC Barcelona“ ausländische Spieler und Funktionäre, die den Katalanismus annahmen, zum Teil als Katalanen gesehen und spielten sogar für die katalanische Fußballauswahl. Beispiele dafür sind, neben dem Vereinsgründer Hans Gamper, der in der Schweiz geboren wurde, außerdem der Ungar László Kubala, der Niederländer Johan Cruyff, der Bulgare Christo Stoichkov sowie der aus Serbien stammende Bojan Krkič.[32]
Mit der Verknüpfung von Fußball und Nationalismus werden sich die nächsten Kapitel dieser Hausarbeit beschäftigen.
[...]
[1] Zit. in: Nilil, Shmuel: The Rules of the Game: Nationalism, Globalisation and Football in Spain. In: Global Society: Journal of Interdisciplinary International Relations 3/2009, S. 259.
[2] Vgl. Hargreaves, John: Staat und Nation. Politik auf drei Regierungsebenen in Spanien bei den Olympischen Spielen in Barcelona. In: Lüschen, Günther; Rütten, Alfred (Hrsg.): Sportpolitik. Stuttgart 1996, S. 102-103.
[3] Vgl. Nili, S. 259.
[4] Colomé, Gabriel: Fußball und Nationale Identität in Katalonien: FC Barcelona und Español. In: Gehrmann, Siegfried (Hrsg.): Fußball und Region in Europa. Probleme regionaler Identität und die Bedeutung einer populären Sportart. Münster 1999, S. 119-129.
[5] González Aja, Teresa: Fußball und regionale Identität in der Zeit der Franco-Diktatur. In: Gehrmann, Siegfried (Hrsg.): Fußball und Region in Europa. Probleme regionaler Identität und die Bedeutung einer populären Sportart. Münster 1999, S. 129-147.
[6] Lühr, Frithjof: Die Bedeutung des Fußballs als Ausdruck regionaler Identität in Spanien am Beispiel der Vereine Futbol Club Barcelona, Athlétic Club der Bilbao und Real Madrid. Berlin 1999.
[7] Llopis Goig, Ramón: Identity, Nation-State and Football in Spain. The Evolution of Nationalist Feelings in Spanish Football. In: Soccer & Society 1/2008, S. 56-63.
[8] Nili, Shmuel: The Rules of the Game: Nationalism, Globalisation and Football in Spain. In: Global Society: Journal of Interdisciplinary International Relations 3/2009, S. 245-268.
[9] Riescher, Gisela: Nationalismus. In: Nohlen, Dieter; Schultze, Rainer-Olaf (Hrsg.): Lexikon der Politikwissenschaft: Theorien, Methoden, Begriffe. Band 2: N-Z. München 2005, S. 599.
[10] Schmidt, Manfred G.: Wörterbuch zur Politik. Stuttgart 2004, S. 471.
[11] Vgl. Nohlen, Dieter; Hildebrand, Andreas: Spanien. Wirtschaft. Gesellschaft. Politik. Opladen 1992, S. 295.
[12] Vgl. Nili, S. 250.
[13] Vgl. Nohlen, S. 296.
[14] Vgl. Nili, S. 251.
[15] Vgl. ebenda.
[16] Vgl. Nohlen, S. 296.
[17] Vgl. Nili, S. 251 – 252.
[18] Vgl. ebenda, S. 252.
[19] Nohlen, S. 296.
[20] Vgl. ebenda, S. 296.
[21] Vgl. ebenda, S. 296 – 297.
[22] Vgl. Nili, S. 255.
[23] Vgl. Nohlen, S. 297.
[24] Vgl. ebenda.
[25] Vgl. ebenda.
[26] Vgl. ebenda.
[27] Vgl. ebenda, S. 354.
[28] Vgl. Nili, S. 254.
[29] Vgl. ebenda, S. 251.
[30] Vgl. ebenda, S. 254.
[31] Vgl. ebenda, S. 247.
[32] Vgl. ebenda.