Die wissenschaftliche Forschung über die Auswirkungen der Erwerbslosigkeit auf Familien begann in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, und war hauptsächlich in den USA und in Großbritannien zentriert. Die meisten Studien aus diesem Zeitraum konzentrierten sich auf die finanziellen Einbußen und die daraus entstehenden psychosozialen Folgeprobleme für die Betroffenen und ihre Familien. Dabei ging es oft um die Autoritätsproblematik des erwerbslos gewordenen Vaters, für welche hauptsächlich das stark verminderte Einkommen (die so genannte “ökonomische Deprivation“) verantwortlich gemacht wurde. So widmete sich beispielsweise die bekannte Untersuchung von Komarovsky (1940) primär der Frage, ob und in welcher Weise die elterliche und vor allem die väterliche Autorität durch den Verlust der Ernährerrolle in den Familien zusammenbricht. Diese Folgeerscheinung des Verlustes wirtschaftlicher Macht fand er jedoch nur bei wenigen Familien bestätigt.
Schon damals wurde allerdings versucht, Bedingungsvariablen herauszuarbeiten, welche die heterogenen Resultate erklären sollten. Komarovsky (1940) begründete ihr Prozeßprardigma, welches besagt, dass die eheliche Qualität vor dem Eintritt der Erwerbslosigkeit bestimmt, welche Auswirkungen letztere auf die Partnerschaft hat. Gleichwohl fand er auch alarmierende, weitgehend homogene Auswirkungen familiärer Erwerbslosigkeit, wie z.B. die Tendenz zur sozialen Isolation der betroffenen Familien (1940).
Ein zweiter wichtiger Forschungsstrang dieser Epoche stellte sich die Frage nach den Auswirkungen auf die gesellschaftlich-politische Orientierung der Betroffenen (z.B. Bakke 1940). Obwohl eine Radikalisierung der politischen Einstellungen erwartet wurde, stellte sich auch diese aufgrund der Befunde als weitgehend unbegründet heraus.
Zur methodischen Herangehensweise ist festzustellen, dass es sich fast immer um Fallstudien handelte, in welchen versucht wurde, Verlaufsformen der Anpassung an die Situation der Erwerbslosigkeit zu erkennen, oder unterschiedliche Adaptations- und Bewältigungstypen empirisch zu unterscheiden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Finanzielle Auswirkungen
- Auswirkungen auf die Sozialisationsfunktion der Familie
- Auswirkungen auf die Beziehung der Lebenspartner
- Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen
- Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen der Familie
- Auswirkungen auf die regenerative Funktion der Familie
- Auswirkungen auf das Freizeitverhalten
- Auswirkungen auf das Gesundheitsverhalten und die Gesundheit
- Bewältigungsstrategien
- Forschungsfragen und ein Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Auswirkungen von Erwerbslosigkeit auf Familien. Es werden die wichtigsten Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte zusammengefasst und mithilfe eines Modells von Silbereisen/Walper (1989) dargestellt.
- Finanzielle Einbußen und ihre Auswirkungen auf die Familienökonomie
- Veränderungen der Familienfunktionen, insbesondere der Sozialisations- und Erziehungsfunktion
- Stress und Belastung für die Familienmitglieder, insbesondere für die Partnerbeziehung und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen
- Bewältigungsstrategien von Familien in der Situation der Erwerbslosigkeit
- Methodische Herausforderungen der Forschung und zukünftige Forschungsbedarfe
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung liefert einen Überblick über die historische Entwicklung der Forschung zu den Auswirkungen von Erwerbslosigkeit auf Familien, wobei die Marienthalstudie von Jahoda et al. (1933) als wegweisend hervorgehoben wird. Das Kapitel 2 beleuchtet die finanziellen Auswirkungen der Erwerbslosigkeit, wobei Studien zu materiellen Einschränkungen und Strategien zur Bewältigung finanzieller Restriktionen vorgestellt werden. Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Folgen der Erwerbslosigkeit für die Sozialisationsfunktion der Familie, wobei die Auswirkungen auf die Beziehung der Lebenspartner, die Entwicklung der Kinder und die sozialen Beziehungen der Familie im Fokus stehen. Kapitel 4 behandelt die Auswirkungen der Erwerbslosigkeit auf die regenerative Funktion der Familie, indem es das Freizeitverhalten und das Gesundheitsverhalten von Familienmitgliedern in den Blick nimmt.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind Erwerbslosigkeit, Familie, Sozialisationsfunktion, regenerative Funktion, finanzielle Auswirkungen, Bewältigungsstrategien, Stress, Belastung, Kinder und Jugendliche, Partnerschaftsbeziehung, soziale Beziehungen, Gesundheitsverhalten, Forschungsmethoden, methodische Herausforderungen. Die Arbeit bezieht sich außerdem auf wichtige Studien wie die Marienthalstudie, die Studie von Komarovsky (1940) und die Studie von Hess et al. (1991).
- Quote paper
- Harald Schälike-Ollig (Author), 2006, Auswirkungen von Erwerbslosigkeit auf Familien , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162185