Das Motiv des Todes in Thomas Manns "Der Tod in Venedig"


Hausarbeit, 2002

21 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung

2 Der Tod in Thomas Manns Erzählung
2.1 Der Titel als Anspielung
2.2 Konfiguration des Todes
2.2.1 Der Wanderer in München
2.2.2 Der Schiffszahlmeister und der Alte
2.2.3 Die Gondel und ihr Steuermann
2.2.4 Der Straßensänger
2.2.5 Tadzio und das Meer
2.3 Die Stadt Venedig

3 Schlußwort

4 Literaturverzeichnis:

1 Einleitung

Die Erzählung „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann, im Jahre 1911 entstanden, „so häufig kommentiert, analysiert und polemisch erörtert“ wie kaum ein anderes Werk des Schriftstellers, endet mit dem Tod der Hauptfigur, Gustav von Aschenbach.[1] Nach dessen Reise nach Venedig und einem mehrtägigen Aufenthalt in der zuletzt ver-seuchten Stadt, stirbt der erfolgreiche Schriftsteller in fortgeschrittenem Alter. Der Leser wird vom Autor intensiv auf das Ende der Erzählung, den Tod, vorbereitet. Wodurch dies geschieht, soll in dieser Arbeit ausführlich analysiert werden, das Augenmerk soll jedoch im Besonderen auf der von Thomas Mann verwendeten konfigurativen Todessymbolik liegen. So werden schrittweise in der Erzählung erscheinende Personen betrachtet, wie zum Beispiel zu Beginn der Reisende, der Wanderer, dem Aschenbach in München bei einem Spaziergang begegnet, im weiteren die Person des Schiffszahlmeisters auf dem Weg nach Venedig, der ihm den Fahrschein ausstellt, auch der alte Mann auf dem Schiff, welcher sich in die Reihe der Jünglinge eingliedert, die ebenfalls nach Venedig fahren; der Gondoliere, dem Aschenbach in Venedig begegnet, wie auch der Straßensänger, der mit seiner Gruppe von Musikanten in Aschenbachs Feriendomizil auftritt. Der polnische Junge Tadzio nimmt in dieser Betrachtung eine Sonderrolle ein. Auch die von Thomas Mann verwendeten, auf den Tod hinweisenden Mittel, die diese Figuren begleiten, dürfen und werden nicht außer Acht gelassen. Zusätzlich werden die Reaktionen, welche diese Todesfiguren bei der Hauptperson auslösen, dargestellt. Ebenso wird untersucht werden, inwieweit durch den Schauplatz, die Stadt Venedig und deren Zustand zur Zeit von Aschenbachs Besuch, der Leser ebenfalls auf den Tod hingewiesen wird. Um die Betrachtung und Analyse des Themas ab zu schließen, soll das Ergebnis kurz am Ende der Arbeit zusammengefasst werden. Ausgangspunkt der Betrachtung soll nun jedoch zuerst die Wahl des Titels hinsichtlich seiner hinweisenden Funktion auf den Verlauf der Erzählung sein.

2 Der Tod in Thomas Manns Erzählung

2.1 Der Titel als Anspielung

Allein durch den Titel wird dem Leser ein Eindruck vom Ausgang der Erzählung vermittelt. Der Autor erzeugt eine Art Vorahnung, die sich, wenn auch erst am Ende des Stückes, bewahrheitet. Der Tod wird am Anfang genannt und tritt am Ende in Er-scheinung, für jeden sichtbar. „Der Tod in Venedig“ –der Tod wird in diesem Titel mit einer Stadt in Verbindung gebracht, die im Laufe der Erzählung auch tatsächlich zum Hauptschauplatz derjenigen wird: Venedig. Es werden für die Erzählung zwei wichtige Elemente kombiniert, die ab diesem Moment nicht mehr zu trennen sind: der Tod, das zerstörende Prinzip und die Stadt, die Wirkungsstätte, ohne die der Tod zwar symbolisch in Erscheinung treten kann, in Thomas Manns Werk seine Mission aber nicht erfüllen könnte. Der Leser erhebt für sich möglicherweise schon zu Beginn der Erzählung, nach dem Lesen des Titels, den Anspruch, daß sich seine Vorahnung bewahrheitet, es ist möglich, daß er damit rechnet. Dies macht ihn demzufolge sehr viel empfindsamer für mögliche Hinweise für den Tod innerhalb der Erzählung, denn er möchte sich in seiner Vermutung, die er zu Beginn des Lesens hatte, bestätigt sehen. Er fragt sich, wessen Tod gemeint ist, wie und vor allem warum der Tod eintritt. Im Titel wird der Tod nicht speziell auf eine Person übertragen, es wird kein Name genannt. Noch kann es sich um jede beliebige Person handeln, um eine einzelne oder um eine Gruppe von Menschen. Zwar kann der Leser im Laufe der Erzählung Vermutungen anstellen, diese werden, wenn die richtigen, aber erst am Ende derselben bestätigt. Der Leser wird behutsam an das Thema heran geführt, es wird Neugier erzeugt. Auch kann durch den mit Artikel versehenen Tod im Titel der Eindruck erweckt werden, es handele sich um eine Person, der Tod wird personifiziert. Man könnte auch „Der Tod ist in Venedig“ anstelle „Der Tod in Venedig“ sagen, er befindet sich in Venedig, wandelt dort wie eine Person umher. Durch diese Personifikation wird ihm schon hier ein noch größerer Spielraum seiner Erscheinungsmöglichkeiten eröffnet, denn diese Person bzw. diese Personen des Todes begegnen der Hauptfigur des Stückes: Aschenbach. Auch wenn die Konfrontation von diesem nicht bewußt erkannt wird, so reagiert er doch immer in unbewußter Weise auf sie. Doch mehr dazu im folgenden.

2.2 Konfiguration des Todes

2.2.1 Der Wanderer in München

Thomas Mann wählt für seine Erzählung Personen, wie sie oben schon genannt wurden, die den Tod symbolisieren. Sie begleiten Aschenbach auf seinem letzten Weg nach Venedig. Lässt er eine Figur auf seiner Reise hinter sich, so erscheint schon wenig später eine andere. Alle diese Figuren rufen eine bestimmte Reaktion bei Aschenbach hervor, so reagiert er immer auf irgendeine Art und Weise auf sie, jedoch meist unbewußt bzw. er setzt seine Reaktion meist nicht in Bezug zu diesen Figuren. Bis zu seinem Tod erkennt er diese nicht in ihrem Sein, in ihrer Funktion als hinweisende Todessymbole.

Gleich zu Beginn der Erzählung wird Aschenbach mit der ersten Todesfigur konfrontiert. Sie erscheint ihm in Person eines Wanderers. Diesem begegnet er bei seinem Spaziergang durch München, seinem Wohnsitz. Sie fällt ihm im besonderen durch seine andersartige Erscheinung auf, die seiner Meinung nach „durchaus nicht bajuwarischen Schlages“ ist.[2] Ohne daß Aschenbach sein plötzlichen Erscheinens erklären kann, tritt der Wanderer in sein Gesichtsfeld. Er befindet sich im Eingangsbereich einer byzantinischen Aussegnungshalle. Die Treppe vor diesem Portikus wird von apokalytischen Tieren flankiert, die schon hier einen deutlichen Hinweis auf die Todessymbolik dieser Erzählung geben. Schon bevor er auf die Person des Wanderers aufmerksam wird, bleibt er stehen um sich gedanklich in den in der Nähe zu Schau gestellten Kreuzen, Gedächtnistafeln und Monumenten der dort angesiedelten Steinmetzerei zu verlieren. Auch weisen die ausgestellten Stücke der Steinmetzerei auf den Tod hin, und schon hier verliert sich Aschenbach, wie auch bei den späteren Begegnungen mit anderen Todesfiguren und –symbolen, in einer Art Träumerei bzw. Entfremdung der realen Welt gegenüber. Als er aus zu Beginn der Erzählung aus dieser zurückkehrt, entdeckt er diese „nicht ganz gewöhnliche Erscheinung“ des Mannes, von dem er nicht weiß, wie dieser so gänzlich unbemerkt vor die Aussegnungshalle gekommen ist.[3] Diese Person erscheint Aschenbach als „mäßig hochgewachsen, mager, bartlos und auffallend stumpfnäsig“.[4] Auch hat sie rote Haare und eine helle Haut mit Sommersprossen. Des weiteren ist sie mit einem Basthut versehen, einem Rucksack, sowie Wanderstock, sie trägt einen „gelben Gurtanzug aus Lodenstoff“ mit einem „grauen Wetterkragen über dem linken Unterarm“.[5] Die Person steht an einem Ort, von dem aus sie alles überblicken kann, dieser ist erhöht. Aschenbach glaubt, daß dieser Standort dazu beitrage, daß diese Person etwas „herrisch Überschauendes, Kühnes oder selbst Wildes“ ausstrahlt.[6] Ebenso bemerkt er den „kriegerischen Blick“ und des Fremden Zähne, die zwischen den zu kurzen Lippen lang und weiß hervorstehen, sowie den Adamsapfel, der durch das erhobene Haupt besonders stark hervorsteht, und auch seine farblosen Augen.[7]

Das Erscheinungsbild mag zwar für Aschenbach merkwürdig erscheinen, jedoch lässt sich schon allein daran erkennen, daß es sich bei dem vor der Aussegnungshalle erscheinenden Wanderer um eine besondere und für die Erzählung wichtige Person handelt, um eine Todesfigur. Ihr Erscheinungsbild ist abnormal, es passt nicht in das äußerliche Umfeld, in dem sich Aschenbach in München aufhält. So läßt sich diese Person sowohl von den äußeren Merkmalen, als auch denen des Verhaltens ausgehend, in die Kategorie des Todesboten bzw. der Todessymbole einordnen.

Das Gelb der Kleidung des Fremden erscheint als Bild für die Ewigkeit, aber auch als jenes für Böses und Teuflisches.[8] Auch spielt Thomas Mann auf Hermes, den Beschützer in der griechischen Mythologie an, der zudem den Begleiter in den Tod darstellt, denn dieser ist, wie der Aschenbach begegnende Wanderer, mit Rucksack, Wanderstab, Gurtanzug und Strohhut versehen. Durch die kurz aufgeworfene Nase des Fremden wird zusätzlich auf die Satyrn verwiesen, die als Mischwesen in menschlicher Gestalt angesehen werden, im Gefolge des griechischen Gottes Dionysos anzutreffen sind und eine Hinweis auf diesen darstellen. Dionysos wird hier als der Formen Auflösende verstanden, der zudem den Rausch und die Ewigkeit darstellt.[9] Die roten Haare und, im besonderen genannten, roten Augenbrauen, erscheinen in einer Farbe, die seit jeher als diejenige des Teufels, des Bösen und Abnormalen angesehen wird. So schreibt auch U. Becker, Rot sei die „Farbe des Krieges, der zerstörerischen Macht des Feuers, des Blutvergießens, des Hasses“. Auch trugen im Mittelalter Richter, Personen, die über Leben und Tod entschieden, rote Gewänder. So aber auch Satan und die Hure Babylon, als Zeichen für die Gewalt des Höllenfeuers und nicht zu zähmender Begierden und Leidenschaften.[10] Durch das Buschige der Augenbrauen wird der Eindruck des Wilden und Unzähmbaren zusätzlich verstärkt. Auch kann der bereits erwähnte, höher gelegene Standort und die Haltung des Wanderers hinzugefügt werden, die beide dazu beitragen, daß die Todesfigur einen Allwissenden und alles überschauenden, sowie einen kühnen Eindruck bei Aschenbach hinterlässt. Der stark hervortretende Adamsapfel, die zurückgezogenen Lippen und das Magere der Person erinnern an einen kranken, dem Tode nahe Stehenden, bei dem die Knochen hervortreten und sich der Schädel abzeichnet. Es entsteht das Bild eines Totenkopfes, ein Vanitas-Symbol, welches das Vergängliche und den nicht mehr unter uns Weilenden darstellt.

[...]


[1] Bauer Arnold: Thomas Mann. Berlin 1962 (Köpfe des XX. Jahrhunderts), S. 30

[2] Mann, 2001, S. 187

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Mann, 2001, S. 188

[7] Vgl. Mann, 2001, S. 188

[8] Vgl. Becker, Udo: Lexikon der Symbole, Freiburg 1998, S. 102

[9] Vgl. Große, Wilhelm: Königs Erläuterungen und Materialien. Thomas Mann. Der Tod in Venedig. Hollfeld 1996, S. 78

[10] Vgl. Becker, 1998, S. 244 ff.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Motiv des Todes in Thomas Manns "Der Tod in Venedig"
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Germanistisches Seminar)
Note
2,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V16219
ISBN (eBook)
9783638211291
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motiv, Todes, Thomas, Manns, Venedig
Arbeit zitieren
Franziska Sperner (Autor:in), 2002, Das Motiv des Todes in Thomas Manns "Der Tod in Venedig", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16219

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