Bereits Anfang der 80er Jahre kritisierte die argentinische Trainer-legende Cesar Luis Menotti die bestehenden ökonomischen, poli-tischen und gesellschaftlichen Dimensionen des Profifußballs. Heute – rund 30 Jahre später – hat sich der Fußball im ökonomischen Bereich weiter professionalisiert und in gigantischem Ausmaß weiterentwickelt. Das Gesamtvolumen des europäischen Fußballmarktes beziffert sich derzeit laut einer Studie von Deloitte & Touche auf 15,7 Milliarden Euro . Dieser Umfang dokumentiert den ökonomischen, aber auch den gesellschaftlichen Stellenwert, den Fußball gegenwärtig einnimmt. Darüber hinaus bescheinigen Fußballexperten dem Fußball ein weiteres Wachstumspotential. Einhergehend mit der Veränderung der Rahmenbedingungen in den letzten 30 Jahren, hat sich auch die Gesetzgebung dahingehend anpassen müssen. Im gegenwärtigen „Post-Bosman-Zeitalter“ hat sich deshalb nicht nur die Rechtslage, sondern auch die Rechtsform der Vereine verändert: Aus Bundesligavereinen wurden meist Kapitalgesellschaften, im Fall Borussia Dortmund sogar börsennotiert. Ein Vergleich zeigt, dass die Rechtsformen der professionellen Fußballklubs in Deutschland mit denen des europäischen Auslands divergieren und differenziert zu betrachten sind. Demnach dürfen milliardenschwere Investoren à la Roman Abramowitsch bspw. in der Premiere League oder der Primera División eine Mehrheitsbeteiligung an einem Profifußballklub erwerben, die es ihnen ermöglicht, den Spielerkader nach Belieben durch Spielerzukäufe aufzuwerten oder die Infrastruktur des Vereins mit Hilfe ihres erheblichen Kapitalaufkommens zu professionalisieren. In Deutschland hingegen ist es Kapitalanlegern nicht gestattet, die Stimmenmehrheit in den von Fußballvereinen gegründeten Kapitalgesellschaften zu übernehmen; dies untersagt die so genannte „50+1-Regel“. Dieser Umstand begründet wesentliche branchenspezifische Probleme bei der Beteiligung an Kapitalgesellschaften im Profifußball.
Befürworter der 50+1-Regel argumentieren im Kern, dass die Übernahmeeinschränkung auf dem deutschen Fußballmarkt dazu beiträgt, die Schere zwischen armen und reichen Klubs nicht noch weiter auseinander gehen zu lassen, als sie ohnehin schon ist. Kritiker der 50+1-Regel verweisen hingegen auf den Wettbewerbscharakter bzw. die Wettbewerbsgleichheit („competitive balance“) der deutschen Klubs im Vergleich zu anderen europäi-schen Spitzenklubs, welche unter der bestehenden, deutschen Regel leidet und eingeschränkt würde.
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1
- Einführung
- A. Einleitung
- I. Die Gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs
- II. Profifußball als Wirtschaftsgut
- B. Fiktives Fallbeispiel - Ausgangspunkt
- Kapitel 2
- Rechtliche Grundlagen
- C. Europäisches Recht
- I. Die europäische Sportpolitik vor und nach dem Vertrag von Lissabon
- II. Relevante Urteilssprüche des EuGH in Bezug auf den Sport
- III. Kapitalverkehrsfreiheit
- D. Nationales Recht
- I. Entwicklung von Profifußballvereinen
- II. Rechtformwahl - Überblick
- 1. GmbH
- 2. GmbH & Co KGaA
- 3. AG
- E. Verbandsrecht
- I. Verbandsstruktur
- II. Verbandsautonomie
- III. Beschränkungen von Mehrheitsbeteiligungen (50+1-Regel)
- IV. Vergleich der deutschen Regelung mit den europäischen Fußballligen
- Kapitel 3
- Analyse des Fallbeispiels
- F. Vereinbarkeit der 50+1-Regel mit der Kapitalverkehrsfreiheit
- I. Problemstellung
- II. Anwendungsbereich
- 1. Persönlicher Anwendungsbereich
- 2. Sachlich-räumlicher Anwendungsbereich
- III. Gewährleistung
- IV. Schranken
- V. Ergebnis
- G. Fazit
- Kapitel 4
- Lösungsvorschläge
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit untersucht die Vereinbarkeit der 50+1-Regel im deutschen Profifußball mit der Kapitalverkehrsfreiheit des europäischen Rechts. Sie analysiert die rechtlichen Grundlagen und Argumente, die für und gegen die Regel sprechen, sowie die Auswirkungen auf die Entwicklung des deutschen Profifußballs.
- Europäische Sportpolitik und die Rolle des EuGH
- Kapitalverkehrsfreiheit im europäischen Recht
- Rechtliche Grundlagen der 50+1-Regel
- Verbandsrecht und Verbandsautonomie im Profifußball
- Auswirkungen der 50+1-Regel auf die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Profifußballs
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in die Thematik ein und beleuchtet die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs sowie den Profifußball als Wirtschaftsgut. Es wird ein fiktives Fallbeispiel vorgestellt, das den Ausgangspunkt der Analyse bildet. Kapitel 2 beleuchtet die rechtlichen Grundlagen der 50+1-Regel. Es werden die europäische Sportpolitik, relevante Urteilssprüche des EuGH, die Kapitalverkehrsfreiheit, das nationale Recht und das Verbandsrecht behandelt. Kapitel 3 analysiert das Fallbeispiel im Hinblick auf die Vereinbarkeit der 50+1-Regel mit der Kapitalverkehrsfreiheit. Es werden die Problemstellung, der Anwendungsbereich, die Gewährleistung, die Schranken und die Ergebnisse der Analyse dargestellt.
Schlüsselwörter
50+1-Regel, Kapitalverkehrsfreiheit, Profifußball, Europäisches Recht, Verbandsrecht, Verbandsautonomie, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb, Deutschland, EU, EuGH.
- Quote paper
- Udo Wichmann (Author), 2010, Kapitalverkehrsfreiheit versus Verbandsautonomie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163879