Schon bei der Uraufführung der Komödie Revizor im Jahr 1836 (19. April, Aleksandrinskij Theater) blieb ein großes Teil des Publikums in St.-Petersburg ratlos. Die heftigen Streite um den Inhalt und Form dieses Werkes wurden ausgetragen. Auch die Kritik lieferte oft ziemlich vernichtende Meinung zu diesem Stück. Vorgeworfen wurden vor allem die fehlende Handlung, das übertriebene Karikaturhafte an den Personen sowie der ganze Aufbau der Komödie, dem es noch kaum gleichen gab. Die Meinungen teilten sich. Wie G. Elisavetina in ihren Anmerkungen zu diesem Drama schreibt: „Одна часть зрителей увидела в пьесе «клевету и фарс», другая приветствовала новаторство и смелость Гоголя-драматурга“ (Gogol’ 1984, B. 4, S. 416, bezogen auf P.V. Annenkov: Literaturnye vospominanija, 1983, S. 69).
Mit heutiger Vielfalt an Komödienformen bleibt der Grund für diese Aufregung für den Leser häufig unklar. Heute, wo alles, was komisch ist, als eine Komödie bezeichnet werden kann begreift man nur schwer, dass es Zeiten gab, wo eine Komödie ein bestimmtes vorgegebenes Muster hatte, der über Jahrzehnten beibehalten blieb. Und dass Gogol’ diesen Muster nun skandalös verändert hat.
Was die fehlende Handlung angeht: bei vielen Zappeln und Aufregung steht das Ganze still. Es gibt keine Lebensgeschichten, kaum Vergangenheit und Zukunft. Die Menschen sind wie ausgeschnitten aus dem Leben und auf ein weißes Blatt Papier aufgeklebt, mit dem weißen Vakuum um sich. Wohl nur der Stadthauptmann und Chlestakov selbst haben so etwas wie Vorgeschichte, aber auch nur weil sie einen bestimmten Durchschnitt darstellen. Die ganze „Handlung“ aber, wenn es hier solche überhaupt gibt, könnte man beschreiben mit dem Inhalt des Traumes von dem Stadthauptmann über die zwei ungewöhnlichen Ratten: „Право, эдаких я никогда не видывал: черные, неестественной величины! пришли, понюхали – и пошли прочь“ (Gogol’ 1994, B. 4, S. 207). Es gibt zwar in dem Drama viel Bewegung und noch mehr von ängstlichem Treiben (übergroße Angst vor der Gefahr der unnatürlichen Größe), doch die Geschichte kommt nicht auf die nächste Entwicklungsstufe. Und der Hauptprotagonist kommt und nach einer Weile geht wieder, ohne eine Änderung in seinem Umfeld bewirkt zu haben. Im Gegenteil, in der ersten Szene befürchten die handelnden Personen die Ankunft eines Revisors und in der letzten (bzw. vorletzten) Szene befürchten die gleichen Personen die Ankunft eines Revisors.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das eigenartige an Gogol's Werk und an Revizor
- Angst und Gerüchte
- Geld und Glückspiele
- Waffe und Degen
- Essen
- Frauen
- Liebeserklärungen
- Brief
- Diener
- Spiegel und das Lachen über sich selbst
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse von Nikolai Gogol's Komödie „Der Revisor“ und untersucht insbesondere die kleineren Elemente, die für die Gesamtdeutung des Werkes von großer Bedeutung sind. Der Fokus liegt darauf, die spezifischen Besonderheiten des Stückes zu beleuchten, die bei der ersten Lektüre oft übersehen werden. Ziel ist es, einen konzeptionellen Rahmen zu schaffen, um „Der Revisor“ einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
- Die spezifischen Merkmale von Gogol's Komik in „Der Revisor“
- Die Rolle der grotesken Elemente und ihre Bedeutung für die Charakterisierung der Figuren
- Die Frage nach der Zielgruppe des Humors in „Der Revisor“
- Die gesellschaftliche Kritik, die in der Komödie versteckt ist
- Die Relevanz von Gogol's Werk für die heutige Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der Einleitung und stellt die Ausgangssituation sowie die Rezeption von Gogol's „Der Revisor“ dar. Es werden die unterschiedlichen Interpretationen des Werkes sowie die Kritik, die es im Laufe der Zeit erfahren hat, beleuchtet. Im zweiten Kapitel wird die Eigenart von Gogol's Werk und „Der Revisor“ im Detail analysiert. Es werden die spezifischen Elemente seiner Komik, die Besonderheiten der Figurenzeichnung und die Themen, die in dem Stück behandelt werden, beleuchtet. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Frage nach der Zielgruppe des Humors in „Der Revisor“. Es werden die verschiedenen Ebenen der Komik untersucht und die Frage erörtert, über wen genau in dem Stück gelacht wird. Das vierte Kapitel widmet sich der gesellschaftlichen Kritik, die in „Der Revisor“ versteckt ist. Es werden die politischen und sozialen Missstände, die in dem Stück aufgezeigt werden, analysiert. Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Relevanz von Gogol's Werk für die heutige Zeit.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe und Konzepte, die in dieser Arbeit behandelt werden, sind Gogol's Komik, „Der Revisor“, groteske Elemente, Figurenzeichnung, gesellschaftliche Kritik, politische Satire, Rezeption, Interpretation, Relevanz, Humor, Zielgruppe, Russland, Zarenzeit.
- Quote paper
- Anneke Sittner (Author), 2010, Die durchgehenden Leitmotive in der Komödie „Revizor“ von N.V. Gogol , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164674