Der Sudan ist seit seiner Unabhängigkeit von der englisch-ägyptischen Herrschaft im Januar 1956 nahezu durchgehend von innerstaatlichen Konflikten heimgesucht worden. Ursache dieser Antagonismen und Spannungen sind keineswegs – wie lange Zeit von westlichen Experten formuliert – nur auf Nord-Süd-Differenzen zwischen arabisch geprägten Eliten aus dem Niltal und diversen schwarzafrikanischen, meist christlichen Volksgruppen aus dem Südsudan zu reduzieren.
Nichtdestotrotz handelt es sich bei der heutigen Republik Sudan um einen Einzelfall in Afrika: Sie ist weder durch europäischen Kolonialismus, noch aus eigener Kraft heraus entstanden. Darüber hinaus verkörpert dieses Land eine Brücken- - oder besser - eine Pufferfunktion zwischen dem arabisch-islamischen Norden und dem afrikanisch-traditionell und christlich geprägten Süden des Kontinents.
Schon vor der Unabhängigkeit brach im August 1955 ein Bürgerkrieg zwischen Khartum und Juba aus, der erst durch das Friedensabkommen von Addis-Abeba 1972 (kurzzeitig) geschlichtet werden konnte. Zu dieser Zeit waren die Ursachen für die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Tat noch hauptsächlich auf die Unterdrückung des Südens durch den islamischen Norden zurückzuführen.
Bis zum Friedensabkommen von Addis Abeba 1972 kostete der Bürgerkrieg über eine Million Menschen das Leben. Der Schlichtungsvertrag gewährleistete dem Süden eine Autonomieregierung. 1983 wurde jedoch unter Oberst Muhammad an-Numairi, dem neuen Staatsoberhaupt seit 1969, die Autonomieregierung abgeschafft, die Scharia und Islamisierungs- sowie Arabisierungsbestrebungen wieder aufgenommen. Dies führte zur Gründung der Sudan People Liberation Movement/Army (SPLM/A) sowie zum zweiten Bürgerkrieg der offiziell bis 2005 anhielt.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, der Frage nachzugehen, ob und inwiefern von vorhandener, effektiver Staatlichkeit des Sudan gesprochen werden kann.
In der wissenschaftlichen Literatur besteht generell Konsens darüber, dass Staatszerfall seit dem Ende des Ost-West-Konflikts ein häufiges anzutreffendes Phänomen ist. Jedoch werden divergierende Definitionen und damit einhergehende differente Messbarkeitskriterien angewandt. Der Begriff Staat an sich wird unterschiedlich definiert , was eine Operationalisierung des Zerfalls von Staaten – oder genauer der Formen fragiler Staatlichkeit - und dessen Vergleich erheblich erschwert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Analyse nach Schneckener
- Sicherheit
- Gewaltmonopol und Gewaltakteure
- Äußere Konflikte
- Kriminalität
- Bürgerkrieg und Terrorismus
- Wohlfahrt
- Infrastruktur und Bildung
- Armut
- Volkswirtschaftliche Faktoren
- Legitimität
- Politische Partizipationsmöglichkeiten
- Rechtsstaatlichkeit
- Stabilität
- Sezessionsbestreben und der umfassende Friede
- Sicherheit
- Einordnung in die Kategorien von Staatszerfall
- Der Sudan: zwischen failing und weak state
- ...oder gescheitertem nation building?
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Fall des Sudan im Kontext von Staatszerfall und beleuchtet die Ursachen für die anhaltenden Konflikte und die Herausforderungen für die Staatsbildung. Sie analysiert, ob der Sudan als ein "weak state", ein "failing state" oder ein "failed state" einzuordnen ist.
- Die Bedeutung von innerstaatlichen Konflikten und ihrer Ursachen
- Die Rolle des Gewaltmonopols und der verschiedenen Akteure in den Konflikten
- Die Auswirkungen von Armut, mangelnder Infrastruktur und Bildung auf die Stabilität des Staates
- Die Herausforderungen für die politische Partizipation und die Rechtsstaatlichkeit
- Die Auswirkungen des Sezessionsstrebens und des umfassenden Friedensabkommens
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Staatszerfalls im Sudan ein und beleuchtet die historischen und politischen Hintergründe. Kapitel 2 analysiert den Sudan anhand von Schneckener's Kriterien für Staatszerfall, wobei die Bereiche Sicherheit, Wohlfahrt und Legitimität betrachtet werden. Dabei werden die verschiedenen Akteure in den Konflikten, die Ursachen für Armut und die Herausforderungen für die politische Partizipation im Sudan beleuchtet. Kapitel 3 ordnet den Sudan in die Kategorien des Staatszerfalls ein und diskutiert, ob er als "weak state", "failing state" oder "failed state" betrachtet werden kann.
Schlüsselwörter
Staatszerfall, Sudan, weak state, failing state, failed state, Bürgerkrieg, Sezession, Darfur-Krise, Gewaltmonopol, Wohlfahrt, Legitimität, politische Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, innerstaatliche Konflikte, Nord-Süd-Konflikt.
- Arbeit zitieren
- Jean A. Charar (Autor:in), 2010, Der Sudan: Zwischen Bürgerkrieg, umfassendem Frieden und Sezession des Südens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165284
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