Es soll dargestellt werden, in welchem historischen und politischen Kontext es zur Entstehung der Area Studies kam und welche Faktoren ihre Institutionalisierung begünstigten. Es erfolgt außerdem eine Abgrenzung zu anderen, ähnlich gearteten Disziplinen, indem die Area Studies diesen gegenüber gestellt werden. Schließlich folgt ein kurzes Fazit, in welchem versucht wird, sie in den Rahmen der Frage der Entwicklung von Räumlichkeit und Raumbegriff einzuordnen.
Area Studies – Entstehung und Entwicklung
1. Einleitung
Der Begriff der Area Studies ist übersetzbar als “Regionalwissenschaften”. Area Studies sind zumeist multidisziplinär ausgelegt. Sie bündeln Anthropologie, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und andere Disziplinen zum Zwecke der Erforschung einer bestimmten Weltregion, “d. h. eines sowohl geographisch als auch epistemologisch definierten Terrains” (Schäbler 2007: 12). Es geht also nicht nur um den geografisch definierten Raum, sondern auch um den Prozess einer für eine Region spezifischen Wissenskonstruktion und damit um die Erforschung der Herausbildung einer bestimmten Kultur oder Zivilisation. Zentrale Methode der Area Studies ist damit die Feldforschung, mit welcher versucht wird, Gesellschaften gewissermaßen “von innen heraus” zu verstehen und dadurch Einsichten zu gewinnen. Die multidisziplinäre Ausrichtung hat hierbei den Zweck, über das Einbringen möglichst vieler verschiedener wissenschaftlicher Perspektiven den Erkenntnisgewinn zu steigern.
Im Folgenden soll dargestellt werden, in welchem historischen und politischen Kontext es zur Entstehung der Area Studies kam und welche Faktoren ihre Institutionalisierung begünstigten. Es erfolgt außerdem eine Abgrenzung zu anderen, ähnlich gearteten Disziplinen, indem die Area Studies diesen gegenüber gestellt werden. Schließlich folgt ein kurzes Fazit, in welchem ich versuchen werde, sie in den Rahmen der Frage der Entwicklung von Räumlichkeit und Raumbegriff einzuordnen.
2. Historisch-politischer Entstehungskontext
Die Area Studies kann man ohne Zweifel als “Kind des Kalten Krieges” bezeichnen (vgl. Wallerstein 1997). Der aufkommende Wettstreit zwischen USA und Sowjetunion um eine globale Hegemonialposition verstärkte insbesondere in den fünfziger Jahren in beiden Staaten die Ansicht, dass man für eine notwendig gewordene interventionistische Außenpolitik eine weitaus stärkere Expertise hinsichtlich der Weltregionen und –kulturen brauchen würde, die es ermöglicht, jene Politik vor allem sozialwissenschaftlich zu fundieren und vorzubereiten. Die Area Studies stellen somit auch ein Phänomen politischer Professionalisierung dar, mit dem die Politik bewusst neue Formen der Wissensproduktion aus den Behörden und Verwaltungsorganisationen aus- und ins Wissenschaftssystem verlagerte.
Überlegungen, welche ein Ende der isolationistischen Außenpolitik der USA kommen sahen und daher kalkulierten, dass eine interventionistische Außenpolitik wissenschaftlich basiert sein müsse, gab es in den USA bereits 1943, also schon vor Beginn des des Kalten Krieges (vgl. ebd.: 195 ff.). Ab 1945 wurde es schließlich ernst: USA und UdSSR mussten sich fortan auf eine neue, bipolare Weltordnung einstellen und international darauf hinwirken, in den in ihren Einflussbereichen liegenden Regionen politische Stabilität zu gewährleisten. Für die USA bedeutete dies, dass Umstürze, die darauf abzielten, kommunistische Regimes zu errichten, am besten schon von vornherein verhindert werden mussten. Um jedoch adäquat nachzuvollziehen, wie diese „Kommunismus-Prävention“ jeweils aussehen könnte, bedurfte es der Expertise über jene Staaten, in denen es bereits zu spät war: „The United States believed it needed to know about current dynamics in non-Western areas (…) in order better to understand the functioning of those that already had communist regimes and to help prevent other areas from ‚falling into the hands of the communists’” (ebd.: 200 f.). Hierin sollte fortan eine der wichtigsten Aufgaben der Area Studies liegen.
Häufig gestellte Fragen
Was sind Area Studies?
Area Studies, übersetzbar als "Regionalwissenschaften", sind multidisziplinäre Forschungsansätze, die Anthropologie, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und andere Disziplinen vereinen, um eine bestimmte Weltregion zu erforschen. Dies umfasst sowohl den geografischen Raum als auch die spezifische Wissenskonstruktion und kulturelle Entwicklung dieser Region.
Welche Methode ist zentral für Area Studies?
Die zentrale Methode der Area Studies ist die Feldforschung. Ziel ist es, Gesellschaften "von innen heraus" zu verstehen und so Einsichten in deren Funktionsweise und Eigenheiten zu gewinnen. Die multidisziplinäre Ausrichtung soll durch die Einbeziehung verschiedener wissenschaftlicher Perspektiven den Erkenntnisgewinn erhöhen.
In welchem Kontext sind Area Studies entstanden?
Area Studies werden oft als "Kind des Kalten Krieges" bezeichnet. Der Wettstreit zwischen den USA und der Sowjetunion führte zu dem Bedarf, interventionistische Außenpolitik wissenschaftlich zu fundieren. Es ging darum, Expertise über Weltregionen und -kulturen zu erlangen.
Welche Rolle spielte der Kalte Krieg bei der Institutionalisierung der Area Studies?
Der Kalte Krieg verstärkte die Notwendigkeit, die Weltregionen und -kulturen besser zu verstehen. Dies ermöglichte es den USA und der UdSSR, ihre Außenpolitik sozialwissenschaftlich zu fundieren und vorzubereiten. Area Studies wurden so auch ein Phänomen politischer Professionalisierung, bei dem die Politik bewusst neue Formen der Wissensproduktion ins Wissenschaftssystem verlagerte.
Welchen Zweck hatten Area Studies in Bezug auf den Kommunismus?
Eine wichtige Aufgabe der Area Studies bestand darin, Dynamiken in nicht-westlichen Gebieten zu verstehen, um die Funktionsweise kommunistischer Regime besser nachvollziehen und verhindern zu können, dass weitere Gebiete in die Hände der Kommunisten fielen.
Was war der National Defense Education Act (NDEA)?
Der National Defense Education Act (NDEA) von 1958 wurde in den USA als Reaktion auf den Sputnik-Schock verabschiedet. Er förderte Bildungs- und Forschungsbemühungen, die als sicherheitspolitisch relevant für die USA eingestuft wurden, was auch den Institutionalisierungsprozess der Area Studies beschleunigte.
Waren Area Studies ausschließlich auf "Feinderkenntnis" ausgerichtet?
Nein, die Arbeit der Area Studies dieser Zeit war nicht ausschließlich auf "Feinderkenntnis" ausgerichtet. Die Akzeptanz der Area Studies in den Wissenschaften spiegelte auch den Wunsch nach einer Abkehr von wissenschaftlicher Provinzialität und einer Horizonterweiterung wider, die politische, kulturelle und postkoloniale Aspekte umfasste.
- Arbeit zitieren
- Florian Sander (Autor:in), 2011, Entstehung und Entwicklung der "Area Studies" und die Abgrenzung zu anderen Disziplinen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167610