Im Zeitalter der Globalisierung ist das tägliche Erleben von Jugendlichen in einem globalen Kontext wahrzunehmen. Schlagwörter wie MTV, 9/11, Twitter, Facebook, Coca-Cola, weltumspannende Live 8-Konzerte oder die Weltwirtschaftskrise wirken sich auf die Beschaffenheit der lokalen Lebenswelt aus, die sich nicht mehr „länger als national begrenzte Einheit begreifen [lässt], sondern von globalen Dynamiken bestimmt [ist] (Beck/Beck-Gernsheim 2007, S. 55). Junge Menschen sehen sich heutzutage vielfältigen Globalisierungsprozessen ausgesetzt, die ihr Leben in einer sensiblen Phase beeinflussen. Die Jugendphase, soweit diese überhaupt nach westlichem Muster weltweit vorzufinden ist, kennzeichnet sich durch viele Umbrüche: Pubertät, Schulabschluss, Ausbildung, Lösung vom Elternhaus und auch eine diffuse Suche nach der eigenen Identität fallen in diese Zeit. Insbesondere Musik spielt die entscheidende Rolle. Der Satz: „Die Jugend kann nicht mehr auf die Erwachsenen hören, dazu ist ihre Musik zu laut“ (Oliver Hassencamp, dt. Schriftsteller 1921-1978) scheint die Situation in dieser Entwicklungsphase treffend zu charakterisieren. Junge Menschen lassen sich von der betörenden musikalischen Erlebniswelt einfangen, als eine Art „Heilsbringer“ schafft sie Identifikation, Orientierung, Entspannung, formuliert Wünsche und dient zur Flucht aus der Realität. Ebenso als „Klebstoff“ der heutigen globalen Vergemeinschaftungsformen Jugendlicher nimmt Musik eine zentrale Rolle ein. Im 21. Jahrhundert werden junge Menschen weltweit von einer musikalischen Globalisierungswelle überrollt: populäre Musik gelangt global vermittelt, bspw. über Musikvideos oder iTunes, an nahezu alle Lokalitäten der Welt und offenbart dem Rezipienten ein Angebot jugendkultureller Stile. Das Interesse dieser Arbeit besteht nun darin, die Rolle der Jugend und der Musik als Erlebnisrahmen in einem Globalisierungskontext darzustellen. Dabei soll speziell auf die Besonderheiten jugendlicher Vergemeinschaftung eingegangen werden, die in Abhängigkeit besonderer Globalisierungsprozesse einer hybriden Transformation unterliegen – Was sind hybride Jugendkulturen?
INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. THEORETISCHE BESTIMMUNGSELEMENTE
2.1. Hybridität - Die Materialität des Heterogenen
2.2. Globalisierung und Glokalisierung
2.3. Jugend + Kultur = Jugendkultur. Von der Begriffsgenese bis zur heutigen Beschaffenheit
2.3.1. Was ist Jugend?
2.3.1.1. Das Kriterium des Alters
2.3.1.2. Das Kriterium der Fortpflanzungsfähigkeit
2.3.1.3. Das juristische Kriterium
2.3.1.4. Das Kriterium der gesellschaftlichen Initiation
2.3.2. Jugendkultur - Eine Bestandaufnahme: Damals und Heute
3. GLOBALE JUGEND UND JUGENDKULTUREN
3.1. Jugendkultur I - Zentrale Elemente und Historie
3.1.1. Vergemeinschaftungsformen I: Von Subkulturen, Jugendkulturen, Szenen und jugendkulturellen Stilen
3.1.2. Vergemeinschaftungsformen II: Jugendliche Erlebniswelten im Zeitalter der Globalisierung
3.1.3. Vergemeinschaftungsformen III: Un(k)en(nt)dliche Differenzierungen der Jugendkulturen
3.1.4. Historischer Abriss musikzentrierter globaler Jugendkulturen
3.1.5. Stil & Bricolage
3.2. Jugendkultur II - Sozialisation & Identität
3.2.1. Die Bedeutung von Peer Groups und Jugendkulturen als Sozialisationsinstanz bis hin zur musikalischen Selbstsozialisation
3.2.2. Die Auswirkungen der Globalisierung auf die Identität von Jugendlichen
3.3. Jugendkultur III - Musik
3.3.1. Musik und Globalisierung - Musik als Sprache der Welt
3.3.2. Musik als Leitmedium für Jugendkulturen
3.3.3. Musikgeschmack als gemeinsames Bindemittel jugendkultureller Vergemeinschaftung
3.3.4. Doppelagent Musikfernsehen: Stilvermittler und Globalisierungsmotor
3.3.5. Hybride Jugendkulturen
4. ANSATZ EINER MUSIKVIDEOANALYSE
4.1. Zur Problematik der Videoclipanalyse. Einzelbilder in einer fokussierten Relationsanalyse
4.2. Analyse des Musikvideos. Die Fantastischen Vier:„Die Da!?!“
4.2.1. Zielfokussierung und Inhaltsbeschreibung
4.2.2. Nachweisversuch I: Hybridität am Beispiel des präsentierten jugendkulturellen Stils
4.2.3. Nachweisversuch II: Hybridität am Beispiel der Kulisse als Stellvertreter der möglichen Transformation des genuinen HipHop in die eigene Lebenswelt
5. CONCLUSIO
6. LITERATURVERZEICHNIS
7. ANHANG
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung I Stillimage aus dem Musikclip „Die Da!?!“, Position: 02‘21‘‘
Abbildung II ebd., 00‘56‘‘
Abbildung III ebd., 00‘08‘‘
Abbildung IV ebd., 02‘19‘‘
Abbildung V ebd., 00‘01‘‘
Abbildung VI ebd., 02‘37‘‘
Abbildung VII „Peace-Symbol“
Abbildung VIII ebd., 01‘43‘‘
Abbildung IX ebd., 00‘12‘‘
Abbildung X ebd., 02‘31‘‘
1. Einleitung
Im Zeitalter der Globalisierung ist das tägliche Erleben von Jugendlichen in einem globalen Kontext wahrzunehmen. Schlagwörter wie MTV, 9/11, Twitter, H1N1-Pandemie, Facebook, Coca- Cola, weltumspannende Live 8-Konzerte1 oder die Weltwirtschaftskrise weisen auf eine veränderte Beschaffenheit der lokalen Lebenswelt hin, die sich nicht mehr „länger als national begrenzte Einheit begreifen [lässt], sondern von globalen Dynamiken bestimmt [ist] (Beck/Beck-Gernsheim 2007, S. 55). Junge Menschen sehen sich heutzutage vielfältigen Globalisierungsprozessen ausgesetzt, die ihr Leben in einer sensiblen Phase beeinflussen. Die Jugendphase, soweit diese überhaupt nach westlichem Muster weltweit vorzufinden ist, kennzeichnet sich durch viele Umbrüche: Pubertät, Schulabschluss, Ausbildung, Lösung vom Elternhaus und auch eine diffuse Suche nach der eigenen Identität fallen in diese Zeit. Der Satz: „Die Jugend kann nicht mehr auf die Erwachsenen hören, dazu ist ihre Musik zu laut“ (Oliver Hassencamp, dt. Schriftsteller 1921-1978) scheint die Situation in dieser Entwicklungsphase treffend zu charakterisieren. Musik spielt die entscheidende Rolle. Besonders junge Menschen lassen sich von der betörenden musikalischen Erlebniswelt einfangen, als eine Art „Heilsbringer“, schafft sie Identifikation, Orientierung, Entspannung, formuliert Wünsche und dient zur Flucht aus der Realität. Ebenso als „Klebstoff“ der heutigen globalen Vergemeinschaftungsformen Jugendlicher nimmt Musik eine zentrale Rolle ein. Im 21. Jahrhundert werden junge Menschen weltweit von einer musikalischen Globalisierungswelle überrollt: populäre Musik gelangt global vermittelt, bspw. über Musikvideos, an nahezu alle Lokalitäten der Welt und offenbart dem Rezipienten ein Angebot jugendkultureller Stile. Das Interesse dieser Arbeit besteht nun darin, die Rolle der Jugend und der Musik als Erlebnisrahmen in einem Globalisierungskontext darzustellen. Dabei soll speziell auf die Besonderheiten jugendlicher Vergemeinschaftung eingegangen werden, die in Abhängigkeit besonderer Globalisierungsprozesse einer hybriden Transformation unterliegen - Was sind hybride Jugendkulturen? Im Verlauf dieser Arbeit soll zunächst eine theoretische Bestimmung der erforderlichen Begriffe erfolgen, um dann auf zentrale Aspekte der Vergemeinschaftung heutiger (musikzentrierter globaler) Jugendkulturen überzuleiten. Hier spielen Schwierigkeiten der Begriffsdefinition und -verwendung, ebenso eine Rolle wie Wirkungen der Globalisierung auf Jugendkulturen und deren unüberblickbare Ausdifferenzierung in der heutigen Zeit. Wichtig für das Verständnis von heutigen jugendlichen Erlebniswelten ist die Betrachtung von Sozialisationsinstanzen und Identitätsapekten, die sich bis in jugendkulturelle Gemeinschaften hinein manifestieren. Welche Rolle spielt die Musik und insbesondere das Medium Musikvideo im Gravitationsfeld von Jugendkulturen und Globalisierung? Dieser Frage soll ein nicht unerheblicher Anteil dieser Arbeit gewidmet werden, bevor abschließend ein praxis-orientierter analytischer Versuch unternommen wird, die besonderen Effekte des Zusammenwirkens zwischen dem Globalen und Lokalen an dem Musikvideo „Die Da!?!“ der deutschen Musikgruppe „Die Fantastischen Vier“ zu untersuchen.
Die Literaturauswahl zu den Themen Jugend, Jugendkultur und Globalisierung ist vielfältig, umfangreich und nahezu unüberblickbar. Eine kleine Auswahl der Bandbreite vorliegender Publikationen reicht bspw. von Begriffseinführungen und Überblicksverständnissen: Albert Scherr (2009), Bernhard Schäfers (2001), Matthias Völker (2008) oder Malte Mienert (2008) bis hin zu erschöpfenden Einblicken in die Welt von Jugend und Jugendkulturen: Wilfried Ferchhoff (2007), Dieter Baacke (2007) und insbesondere unter Berücksichtigung von Globalisierungsaspekten: Beck (1997; 2007) und Villányi et. al (2007). Spezifische Beleuchtungen von Jugendkulturen bieten z. B: Müller-Bachmann (2009; 2002) und Lauenburg (2008). Hilfreich bei der Durchführung der Musikvideosanalyse zeigten sich Veröffentlichungen von Pape/Thomsen (1998) und Richard (2003; 2004). Generell ist insbesondere im Spannungsfeld der Sujets Jugend, Jugendkulturen und Globalisierung abzusehen und zu erklären, dass sich die Literatur aufgrund von themenspezifischen Wandlungsprozessen in Zukunft immer wieder neu-orientieren wird und sollte. Sowohl jugendspezifische Aspekte, die zukünftig mehr aufgesplittert und verfeinert betrachtet werden müssen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen als auch der schnelle Wechsel des Fokus, sind Grundbedingungen für ein möglichst umfassendes Verständnis der Erlebniswelten junger Menschen und eine Optimierung des Forschungsstandes.
2. Theoretische Bestimmungselemente
2.1. Hybridität - Die Materialität des Heterogenen
„Das Hybride hat Konjunktur“ (Schneider 1997, S. 13) und „ist etwas Neues, das sich aber einer einheitlichen Definition entzieht“ (Zapf 2002, S. 53). Es hat in den letzen zehn Jahren verschiedene Bemühungen gegeben, das Phänomen der „Vermischung“ theoretisch zu erfassen (Terkessidis 2008, S. 313). Der Prozess der Hybridität (vgl. Hall 1994, S. 218), gleichsam auch umschrieben als „Mélange2 “ (Rushdie 1989, S. 458), „Kreolisierung“ (Hannerz 1998, S. 65ff.), „kultureller Synkretismus“ (Canevacci 1992, S. 95ff.), sowie „globale Crossover-Kultur“, (Nederveen Pieterse 1998, S. 103) beherbergt neue Formen kultureller Vielfalt und hat ein beachtliches Kreativitätspotenzial (Terkessidis 2008, S. 314). Im 21. Jahrhundert lässt sich der Begriff Hybridität interdisziplinär verorten und wird in unterschiedlichsten Kategorien verwendet und angeboten: Nicht nur in Bereichen wie Technik, Wirtschaft, Sport oder Kultur finden sich hybride Phänomene3, die selbst längst nicht mehr in einem „disparaten Diskurs (…) spezifische Sachverhalte beschreiben“ (Schneider 1997, S. 13), sondern die Welt insgesamt wird als „hybrid“ bewertet.
Bevor auf einen erweiterten Verwendungsbereich des Wortes eingegangen werden kann, sollte an dieser Stelle sowohl der Wortursprung geklärt werden, als auch auf die eigentliche Fachrichtung eingegangen werden, in der der Begriff als Fachtermini Verwendung findet. Das Wort Hybrid (dt. Bastard, Mischling oder Blendling) ist ein lateinisches Fremdwort mit griechischem Ursprung: Hybrida, -ae, m und hat drei Bedeutungen:
1. sich selbst überschätzend, eingebildet, vermessen
2. von zweierlei Herkunft, gemischt, zusammengesetzt
3. aus der Biologie entstammend und durch Kreuzung entstanden (vgl. Langenscheidt Fremdwörterbuch Online 2010).
Innerhalb der Tier- und Pflanzenzüchtung spricht man von Hybriden oder Bastarden, wenn es sich um Nachkommen handelt, die aus einer Hybridzüchtung (=Kreuzung von Pflanzen mit disparaten Merkmalen) hervorgegangen sind. Die Beschaffenheit des so entstandenen Nachfolgers der Elterngeneration charakterisiert sich durch eine Kombination von Merkmalen/Eigenschaften/Anlagen, die je als eigenständig eindeutig identifizierbar sind (vgl. Schneider 1997, S. 18). Hybridität oder Hybridisierung ist also durch eine Vermischung von mindestens zwei Phänomenen gekennzeichnet, die vorher getrennt waren und als unterschiedlich galten (vgl. Nederveen Pieterse 1998, S. 105), dabei aber ursprüngliche eigenständige Charakteristika beibehalten. Hybride sind also Bastarde unter Beibehaltung einer formalen und geltungslogischen Trennung (vgl. Puff 2004, S. 57).
Hybridität im Mittelpunkt einer kulturellen Betrachtung, im Kontext von kultureller Rekonfiguration, ist all das „hybrid“, „(…) was unterschiedliche Diskurse und Technologien verknüpft [und] was durch Techniken der Collage, des Samplings, des Bastelns zustande gekommen ist“ (Bronfen/Marius 1997, S. 14). Innerhalb der Chemie kommt dem entsprechenden Phänomen der Vermischung die Bedeutung eines Umwandlungsprozesses zu: Man spricht hier von Hybridorbitalen, „wenn sich in einem quantenmechanischen Vorgang die Orbitale4 der beteiligten Atome zu neuen, durch ihre besondere räumliche Ausrichtung für die Bindungen in den Molekülen energetisch günstigeren Orbitalen umordnen“ (Schneider 1997, S. 18). Auf die Sozialwissenschaften bezogen, ist dieser zunächst relativ irrelevant scheinende Fakt dennoch von Interesse: Wie in der Zoologie oder Biologie, geht es in diesem chemischen Prozess der Hybridisierung um Steigerung der Effizienz (vgl. ebd.; Riedel 1999, S. 56). Dieses Merkmal der Vermischung ist in der Praxis besonders in technischer Hinsicht spürbar. In natur- und besonders technikwissenschaftlichen Diskursen wird die Kategorie des Hybriden immer häufiger verwendet. Besonders wichtig sind hier Faktoren wie Effizienz, Komplexität und Synergie, die im technologischen Kontext zentrale Merkmale des Hybriden bilden (vgl. Schneider, S. 20). Die Steigerung der Komplexität und Effizienz, gleichsam bedeutend bspw. mit der Steigerung der Rechenleistung von Computern, ist kennzeichnend für eine Vermischung von vorher getrennten Systemen: Computer und Maschinen werden multifunktionaler und schneller: „Das Ergebnis der Hybridisierung wird aufgrund der gesteigerter Effizienz, der Erhöhung der Komplexität und einer möglichen Multifunktionalität als verbessert gesehen“ (Puff 2004, S. 57). So wirbt bspw. der Autohersteller TOYOTA in Bezug auf das Automodell mit hybriden Antrieb „Prius“ mit dem Slogan „Die Zukunft ist spürbar“5 (2009) und verspricht dem Käufer somit die Teilnahme an Mondänität und Innovation durch die Nutzung eines komplexen und effizienten Hybridantriebs.
Innerhalb der angelsächsischen Kultur- und Sozialwissenschaften nimmt der Begriff Hybridität eine bedeutende Stellung ein. Während er sich in der deutschen Forschung noch nicht durchgesetzt hat6, wurde mit dem Hybridbegriff bereits in englischen und US-amerikanischen Publikationen in den 1980er Jahren im Rahmen der Postcolonial Studies7 operiert. Ziel war es, kulturelle Mischformen des Menschen in Anlehnung an und Auseinandersetzung mit Bachtins Theorie8 des Romans oder des Dialogischen, analysieren zu können. Hybridizität im Roman wird mit dem „Geist einer Vielstimmigkeit, einer Gleichzeitigkeit verschiedener sozialer Sprachen im Gegensatz zu und als Brechung des zentralistischen Diskurses mit Absolutheitsanspruch [gesehen]“ (Puff 2004, S. 57). Diese hybriden Formen unterlaufen so einen hegemonialen Diskurs, „indem sie durch die Vielstimmigkeit sowohl einen einheitlichen Sinn unmöglich machen als auch eine Verwirrung im Hinblick auf die Referenz der verschiedenen Stimmen erreichen“ (ebd., 57f.).
Im Zeitalter der Globalisierung steht die kulturelle Hybridisierung im Vordergrund. In einem Verweisungszusammenhang zum Verhältnis zwischen Verwestlichung und lokalen Kulturen impliziert die kulturelle Hybridisierung, dass durch eine kulturelle Homogenisierung traditionelle, einheimische Kulturen zerstört oder zwangsweise assimiliert werden. Diese Verwendung des Begriffs als Überformungsprozess bezieht aber eine Behauptung ein, in dem die westliche Kultur in einer aktiven Rolle auf passive lokale Phänomene einwirkt. Diese anthropologische Interpretation ist zwar in einem historischen Kontext gerechtfertigt (beachtete man den Imperialismus/Kolonialismus), dennoch distanzieren sich Protagonisten des postmodernden Denkens, wie (Gianni Vattimo 1990 zitiert nach Yassar 2006, S. 5), von dieser strikt konservativen
Kulturkritik. Im wissenschaftlichen Diskurs der Globalisierung oder auch der Cultural Studies und des Postkolonialismus erfolgt eine analytische Verwendung und Aufweichung des Begriffs. Es wird untersucht, in welcher Art und Weise global vermittelte und verbreitete Phänomene auf lokale und regionale Gebräuche und Traditionen treffen (vgl. Yassar 2003, S. 6). Welche Auswirkungen haben global vermittelte Phänomene wie Popmusik, Film und Literatur auf Jugendliche und Jugendkulturen? Viele Kunstsparten -und Formen verändern sich unter dem Einfluss kultureller Aktivitäten und bilden neue Stile, Richtungen oder ganze (Jugend)Kulturen heraus (vgl. Wagner 2002, S. 18).
2.2. Globalisierung und Glokalisierung
Der Begriff der Globalisierung ist das „catchword“ (Roth 2002, S. 21) der letzten Jahre, denn „wohl kaum ein anderer Begriff hat das akademische- wie das Alltagsdenken in den letzten Jahren (…) so beschäftigt (…) (Dürrschmidt 2004, S. 12). Der Begriff Globalisierung ist ein zunächst sozialwissenschaftlich geprägter Begriff, der zuerst 1944 in diesem Kontext verwendet wurde und somit nicht - nach allgemeinem Verständnis - eine primär ökonomisch-orientierte Prägung hat. Eine wirtschaftspolitische Qualität des Begriffes, gleichsam einen Zugang zu einer breiten Öffentlichkeit, fand der Prozess der Globalisierung 1983 durch Theodore Levitt9 und dessen Artikel „The Globalization of Markets“ (vgl. Feder 2006).
In einem soziologischen Kontext bezeichnet Globalisierung grundsätzlich „die Transformation oder Vergrößerung der das menschliche Zusammenleben regelnden Organisationen, in deren Folge Beziehungen zwischen weit voneinander entfernten Gemeinschaften entstehen und alle Regionen der Welt in Machthierarchien eingegliedert werden“ (Held, S. 12). Dieser Transformationsprozess lässt sich eindeutig diagnostizieren, wenn man mit Kriterien der Ausweitung, Intensität und Beschleunigung die „immer weiterreichenden Konsequenzen transkontinentaler Ströme und gesellschaftlicher Interaktionen untersucht“ (ebd.). Neben der Schaffung von vorteilhaften, grenzüberschreitenden (u.a. kulturellen oder politischen) Netzwerken ist Globalisierung kein Garant für eine harmonische Weltgesellschaft oder eine vollständige Integration von Nationen und Kulturen. Das Bewusstsein eines engen Verbundes begründet durchaus auch Feindseligkeiten und Konflikte, denn einem erheblichen Teil der Weltbevölkerung bleiben Vorteile des Transformationsprozesses vorenthalten (ebd.).
Globalisierung lässt sich nur in einer multiperspektivischen Betrachtung fassen und muss also aus einer universellen Position - als „Metakategorie“ (Wagner 2001, S. 10), ergründet und erläutert werden. Bei der Globalisierung handelt es sich „nicht etwa um einen Prozess, sondern um eine komplexe Reihe von Prozessen“ (Beck 1997, S. 24), die „eine zunehmende politische, wirtschaftliche und kulturelle Vernetzung, den freien Austausch und Fluss von Waren, Kapital und Dienstleistungen, von Menschen und Ideen“ (Tempel 2005, S. 12) bezeichnen. Ausgehend von der spezifischen Position einer „zunehmende[n] globale[n] Verflechtung der Ökonomien und insbesondere der Finanzmärkte, [berücksichtigt Globalisierung] etliche weitere Bereiche fortschreitender Modernisierung wie Kommunikation, (…) Transport, (…) aber auch Problemfelder internationaler Sicherheit wie Organisierte Kriminalität, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, Krieg und Migration“ (Nohlen 2002, S. 181).
Das Phänomen des Zusammenwachsens der - jeweils bekannten - Welt ist schon in der europäischen Antike diskutiert worden (Rehbein/Schwengel 2008, S. 11). Innerhalb der Globalisierungsdebatte ist es in der Praxis, durch die Verwebung von verschiedenen Aspekten der modernen Welt, dennoch schwierig eine einheitliche Definition zu finden (vgl. Sucharewicz 2005). Vor der konkreten Benennung als ein Prozess der weltweiten interdisziplinären Verflechtung, wurde Globalisierung bereits vielfach diskutiert: Karl JASPERS10 benutzte in seinem Werk „Die geistige Situation der Zeit (1932)“ den Begriff „planetarisch“, da „technische und wirtschaftliche Probleme (…) alle planetarisch zu werden scheinen“. Im Zuge der Vereinheitlichung des Planeten habe ein „Prozess der Nivellierung“ begonnen, „den man mit Grauen erblickt“. JASPERS erkennt neben der globalen Verflechtung von Wirtschaftbeziehungen auch ein deutliches globales soziokulturelles Engagement der Menschen. Auf die kulturelle Zersplitterung in Folge des Ersten Weltkriegs, dem „erste[n] Rausch der Raumerweiterung“, folgte ein „Gefühl der Weltenge“. ROE und DE MEYER verstehen unter Globalisierung die Welt als einen einzigen großen Ort, der sich von einer bis dahin bestehenden heterogenen Vielzahl von unabhängigen und weit voneinander entfernten Orte unterscheidet (2001, S. 40).
Ulrich BECK (1997) differenziert im Kontext der Globalisierungsdebatte die Begriffe Globalisierung, Globalität und Globalismus und versteht das weltumspannende Phänomen in einer ökonomischen, ökologischen, kulturellen, politischen und zivilgesellschaftlichen Kategorie (vgl., S. 26). Der Begriff Globalisierung bezeichnet nach Beck „Prozesse, in deren Folge die Nationalstaaten und ihre Souveränität durch transnationale Akteure, ihre Machtchancen, Orientierungen, Identitäten und Netzwerke unterlaufen und querverbunden werden” (ebd., S. 28f.). Infolgedessen führen weltumspannende Beziehungsverflechtungen zwischen Nationalstaaten dazu, dass „die nationale Ebene von der internationalen vollständig durchdrungen und transformiert wird“ (Habermas 1998, S. 90). Unter Globalität versteht sich der momentane Zustand der vernetzten Weltgesellschaft - subtrahiert ist eine Prozesshaftigkeit. Nationalstaaten oder Gruppen können sich nicht voneinander abschließen, sondern müssen sich notwendigerweise aufeinander beziehen (vgl. Beck 1997, 27f.). Globalismus ist letztendlich „die Auffassung, dass der Weltmarkt politisches Handeln verdrängt oder ersetzt, d.h. die Ideologie der Weltmarktherrschaft, die Ideologie des Neoliberalismus11 “ (ebd., S. 26).
Zur „Globalisierungs-Mythologie“ (Robertson 1998, S. 192) gehört es, dass im wissenschaftlichen Diskurs globale Prozesse zumeist eher als makrosoziologisches Forschungsfeld in einem großformatigen Kontext wahrgenommen werden, „die ein Interesse an mikrosoziologischen oder lokalen Fragen ausschließt“ (ebd., S. 193) obwohl „scheinbar das Ganz-Große, das Äußere, das, was am Ende noch dazukommt und alles andere erdrückt - (…) fassbar im Kleinen, Konkreten, im Ort, im eigenen Leben, in kulturellen Symbolen [wird]“ (Beck 1997, S. 91). Das Lokale, das Örtliche, das „Partikulare“, das sich exakt geographisch verorten lässt und einen bestimmten Platz auf der Erde hat, wird konfrontiert mit dem Globalen, dem Ortslosen, „dem Universellen“ (vgl. Robertson 1998, S. 197f.). Im Lokalen ist eine bestimmte Nation oder Ethnie beheimatet, die auf die Entwicklung des Globalen Einfluss nimmt und umkehrt: Das Lokale wird auch vom Globalen mit gestaltet (ebd., S. 194ff.).
Robert ROBERTSONs (1998) Überlegungen zur kulturellen Globalisierung führen zu dem, aus dem Japanischen abgeleiteten, Begriff der Glokalisierung. Das Kofferwort aus Globalisierung und Lokalisierung erfasst die Widersprüchlichkeit der Globalisierung in Bezug auf den Ort (ebd., S. 193). Es entstehen zwei Prozesse, die als globale Lokalisierung und lokale Globalisierung bezeichnet werden können. Im Rahmen einer globalen Lokalisierung werden „lokal eingefärbte Kulturelemente global anwendbar [ge]macht, indem diese von den Eigentümlichkeiten der regionalen Kultur befreit werden“ (Villányi/Witte 2007, S. 150). So werden also regional verortete Musikstile oder lokal vorhandene Jugendkulturen in die Welt getragen. Das Phänomen der lokalen Globalisierung impliziert entsprechend, dass „universalierte Kulturimporte vor Ort mit Lokalkolorit versehen [werden]“ (ebd.). In logischer Konsequenz entstehen kulturelle Hybridformen, die als „globale Melange“ (Nederveen Pieterse 1998, S. 87) gelesen werden können. Zu bezweifeln ist Neoliberalismus ist eine Denkrichtung des Liberalismus, „die eine freiheitliche marktwirtschaftliche Wirtschaftungsordnung mit den entsprechenden Gestaltungsmerkmalen wie privates Eigentum an den Produktionsmitteln, freie Preisbildung, Wettbewerbs- und Gewerbefreiheit anstrebt, staatliche Eingriffe in die Wirtschaft jedoch nicht ganz ablehnt, sondern auf ein Minimum beschränken will. […] Die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland basiert auf dem Prinzip des Neoliberalismus (Bpb 2010). aber, ob es sich bei der beschriebenen kulturellen Vermischung tatsächlich um eine „substanzielle Vermengung oder vielmehr um einen marginalen, akzidentiellen Prozess [handelt], der das Wesen des Imports beibehält.“ (Villányi/Witte 2007, S. 150).
Nach BECK (1997) führen Prozesse der kulturellen Hybridisierung nicht zu einer Homogenisierung der Welt(kultur). Im Widerspruch zur Theorie der McDonaldisierung12 lässt sich anknüpfend zum Befund in feststellen, dass es eine Rückbesinnung auf eine lokal verwurzelte Kultur gibt (ebd., S. 80ff). Der Glokalisierungsprozess enthält demnach auch die Forderung nach einer Rückbesinnung auf die Identität und Besonderheiten des Individuums, da die Globalisierung - in Reflexion des Erlebten - für jeden Einzelnen lokal verständlich und spürbar wird. Der Partikularismus des Lokalen und Regionalen erstarkt und „vielerorts [gewinnen] vergessen geglaubte Kulturelemente an neuer Bedeutung. Regionale Kulturen entdecken im Zuge der Globalisierung ihre ethnische Identität wieder“ (Villányi/Witte 2007, S. 150). Zudem werden einige Kulturen „erst bei der Suche nach den eigenen kulturellen Wurzeln angesichts der vielen attraktiven Möglichkeiten der globalen Kulturindustrie13 (…) neu geschaffen“ (Wagner 2001, S. 16). Das Lokale und das Globale müssen also in einem wechselseitigen Aspekt gesehen werden: Zum einen ist Lokalität ein zwingender konstitutiver Aspekt des Globalen, zum anderen entstehen lokale Phänomene teilweise erst unter dem Einfluss von Globalisierungsprozessen. Dementsprechend verändert sich auch das globale kulturelle Angebot: „Im Prozess der De-Lokalisierung durch die globale Kultur und Re- Lokalisierung als erneute Rückbindung lösen die lokalen Kulturen ihre Fixierung auf den konkreten Ort auf, ohne die Verbindung ganz zu brechen, und werden zu Bestandteilen der globalen Kulturangebote“ (Wagner 2002, S. 17).
Im 21. Jahrhundert werden regionale Kulturen leichter zugänglich und haben innerhalb des Globalisierungskontextes die Möglichkeit, sich zu vermischen, da räumliche Barrieren und politische Grenzen durch die kontinuierlich fortschreitende Informationstechnologie immer leichter überwunden werden können. In einem „komplexe[n] Wechselspiel zwischen ökonomischen und kulturellen Aspekten [wird die] kulturell ‚gelebte Erfahrung’ der Globalisierung (…) als eine Transformation der Art und Weise, in der wir unsere lokalen Alltagsleben erfahren, verstanden werden“ (Tomlinson 2002, S. 141).
Diese Entwicklung zeigt eine ambivalente Möglichkeit des Fortschritts auf: Zum einem bietet sich die Chance der kulturellen Vielfalt, zum anderen besteht augenscheinlich die Gefahr eines kulturellen Imperialismus. In der Praxis lässt sich nachvollziehen, dass vor allem so genannte „Global Player“14 ihre Kulturgüter15 weltweit verbreiten. Begründen lässt sich diese offensichtliche Implikation kulturellen Imperialismus damit, dass besonders globale (US-amerikanische) Großkonzerne über die besten und neuesten Informationstechnologien verfügen. Somit sind das Know How und die Fähigkeit gegeben, eigene Kulturgüter global zu platzieren und möglicherweise einen homogenen „Lifestyle“ zu generieren (vgl. Sucharewicz 2005). Da mit der „Amerikanisierung“ ein „Prozess von kulturellen Zwängen sowie von kultureller Dominanz und Regulierung“ (Tomlinson 2002, S. 142) einhergeht, könnte das eine „unerbittliche Ausbreitung einer «eindimensionalen» kapitalistischen Kultur über nationale Grenzen hinweg“ (ebd.) zur Folge haben. Beispielsweise, so DITTRICH VAN WERINGH, könnten selbst in der entlegenen sibirischen Lebenswelt McDonalds-Filialen anzutreffen sein oder in chinesischen Gebirgsdörfern gehören Kaugummis, Softeis und Jeans zum Alltag (vgl. 2003, S. 63). Obwohl Länder der Dritten Welt, die auch aufgrund politischer Abhängigkeit von den USA, von dieser Kulturwelle scheinbar überrollt werden, findet man vor allem in westlichen europäischen Ländern und auch in Entwicklungsländern Indizien dafür, dass lokal verortete Kulturen einer globalen Kultur vorgezogen werden: „Ein Australier und ein Däne in Jeans denken noch lange nicht gleich“ (ebd., S. 65).
Es ist belegt, dass Menschen weltweit nicht passiv und unflexibel vor allem US-amerikanische Kulturgüter konsumieren und somit ohne eigene Interpretation den Inhalten gegenüberstehen, stattdessen werden globale Kulturgüter kritisch hinterfragt. Eine Überschwemmung von Kulturgütern bestimmter nationaler Herkunft gibt es also nicht (vgl. Tomlinson 2002, S. 147f.). Die Oberfläche der scheinbaren Vereinheitlichung durch globale Kulturgüter wird durch unterschiedliche lokale „Erfahrungen, Denkwelten [und] Lebensstile“ (Dittrich van Weringh 2003, S. 65) durchdrungen und aufgerissen. Zwar ist die Stärke des US-amerikanischen Kultureinfluss deutlich spürbar, dennoch erfolgt im lokalen eine Rückbesinnung auf traditionelle und vertraute Kulturformen. Im Zuge der kulturellen Globalisierung kommt es zu einer Erstarkung von regionalen oder lokalen Besonderheiten und Traditionen. Man möchte seine Identität in regional eingefärbten Werten suchen, aber ebenso von global-verbreiteten Kulturgütern profitieren (ebd., S. 64f.; vgl. Sucharewicz 2005). Die Theorie des Kulturimperialismus verblasst zu Gunsten einer kulturellen Hybridität. Durch die gegenseitige Durchmischung und Durchdringung verschiedener Kulturen, bzw. von Globalem und Lokalem, können generell durch Pluralisierung neue, verfeinerte Kulturformen entstehen (vgl. Barker 2002, S. 393).
Global vermittelte Güter wie Popmusik und Musikvideos werden durch eine lokale Rezeption auch im Lokalen angepasst und umgeformt. Das global präsentierte Angebot, das durch transnationale Unternehmen, wie bspw. den Musiksender MTV präsentiert wird, ist eine Art „Fundus an Symbolen, Ideen, Stilelementen, Konzepten und Erzählungen, aus dem sich die Bewohner des «globalen Dorfes» bedienen können, um sich ihre eigenen, lokalen Identitäten zu konstruieren“ (Eickelpasch/Rademacher 2004, S. 63).
2.3. Jugend + Kultur = Jugendkultur. Von der Begriffsgenese bis zur heutigen Beschaffenheit
„Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen“
(Aristoteles, 384 - 322 v. Chr.)
In allen historischen Epochen und Kulturen gibt und gab es junge Menschen und „mindestens seit der Antike auch Lebensalterseinteilungen oder Lebensaltersstufen (…), [zudem] wurden verschiedene begriffliche und nicht immer eindeutige Klassifikationen [für «jugendlich»] verwendet“ (Ferchhoff 2007a, S. 85). Eine neuzeitliche und moderne Begriffsbildung von Jugend wurde „erst am Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt, erfunden bzw. konstruiert“ (Ferchhoff 2007a, S. 86), damit verbunden „(…) ist die Entwicklung eines eigenständigen kulturellen Jugendlebens, das wir heute Jugendkultur nennen“ (Villányi et al., S .11). Mit der Institutionalisierung der Jugendforschung an der Wende zum 20. Jahrhundert und im Zuge von gesellschaftlichen Veränderungen16, beginnend ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sucht man differenziertere Definitionsmuster für die Jugend -nicht nur einen schlichten altersspezifischen Definitionsansatz (ebd.). Eine besondere forschungsspezifische Aufmerksamkeit verlangen Jugendliche, die sich jugendkulturellen Gemeinschaften anschließen, um sich in ihnen lebensweltlich zu orientieren. Schon im 18. Jahrhundert bildeten Schriftsteller des „Sturm und Drangs“ den Begriff „Jugendkultur“ in einem literarischen Kontext (vgl. Müller-Bachmann 2002, S. 37) heraus. Im heutigen Verständnis sind Jugendkulturen „diejenigen Teile einer nationalen oder übernationalen jugendlichen Population (...), die Leitbilder setzen und auch von den Erwachsenen (…) als diejenigen wahrgenommen werden, die aufgrund ihrer scharf konturierten Eigenarten (…) in besondere Weise Irritationen darstellen“ (Baacke 2007, S. 227). Es sind die Jugendkulturen, „von denen der neuzeitliche Begriff von Jugend seinen Ausgang genommen hat“ (ebd.).
2.3.1. Was ist Jugend?
Der Begriff Jugend ist in heutiger wissenschaftlicher Hinsicht kein eindeutig erfassbarer oder klar umrissener Begriff, sondern zunächst lediglich ein Wort aus der Alltagssprache. In mehrdeutiger Weise benennt der alltägliche Sprachgebrauch Jugend als „(…) eine von Kindheit und Erwachsenenleben unscharf unterschiedene Lebensphase und (…) legt Annahmen über besondere Verhaltensmuster und Eigenschaften nahe, die als jugendtypisch17 gelten.“ (Scherr 2009, S. 17).
Selbst Entwicklungspsychologen haben Schwierigkeiten, die Lebensphase der Jugend eindeutig zu bestimmen. Wann beginnt und wann endet „Jugend“? Insbesondere das Ende lässt sich nicht unproblematisch fassen (vgl. Mienert 2008, S. 22). In einem globalen Kontext erschließen sich noch weitere Probleme der Jugendphasenbestimmung: Zum einen ist „Jugend als anerkannte Altersphase kein globales Phänomen“, zum anderen hängt „[die] Ausdehnung und Ausbreitung der Jugendphase (…) global zudem stark von ökonomischen Voraussetzungen ab“ (Niekrenz 2007, S. 263). So ist es bspw. in muslimischen oder afrikanischen Ländern, aber auch auf dem indischen Subkontinent, nicht möglich mit westlichen Mustern von Jugendlichkeit zu argumentieren (ebd.): „Traditionelle Gesellschaften, heute vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern anzutreffen, formen keine Jugendphase aus und unterstützen deren Ausbildung häufig auch nicht. (…) Wenn Kinder über genügend Erfahrungen und Wissen verfügen, wechseln sie direkt in den Erwachsenenstatus.“ (Villányi et al., S. 11). In den meisten Ländern der westlichen Industriestaaten dagegen, spricht man im familiären Kreis, in der Schule und am Ausbildungsplatz über den Sohn/Tochter, SchülerIn und Auszubildenden als „die Jugendlichen“, „wenn sie sich in einer Weise verhalten, die als typisch für diese Lebensphase gilt“ (Scherr 2009, S. 17). Für eine notwendige, nicht alltagswissenschaftliche Betrachtung, des Jugendbegriffs in einem soziologischen Kontext ist das natürlich unzureichend. Trotzdessen ist ein allgemeiner wissenschaftlicher Versuch der Beschreibung der gegenwärtigen Jugend nicht ohne weiteres durchführbar, da dies auch immer abhängig vom Blickwinkel ist, von dem man sich dem Terminus „Jugend“ annähern möchte. (vgl. Völker 2008, S. 13). Es ist hierfür beispielweise keineswegs ausreichend, Jugend pauschal in eine biologische Kategorie anzupassen und durch eine Absteckung von Altersgrenzen die Jugendlichen in einem Durchgangs-Moratorium hin zum Erwachsenen-Sein zu sehen. Vielmehr soll es Aufgabe des soziologisches Blicks sein, „darauf [abzuzielen] Jugend als Lebenslage bzw. Lebensphase in Hinblick auf gesellschaftliche Bedingungen des Heranwachsens in den Blick zu nehmen“ (Scherr 2009, S. 17f.). Trotz aller definitorischen Schwierigkeiten ist man innerhalb der Jugendforschung darauf angewiesen, den Gegenstand ihrer Untersuchung möglichst klar einzugrenzen und zu beschreiben. In der Jugendsoziologie wird „Jugend“ zusammengefasst unter einem „doppelten Doppelaspekt [begriffen]“ (Griese 2007, S. 9), nämlich aus dem Aspekt einer Makro- und Mikrotheoretischen Ebene18 (ebd., S. 9f), die jeweils nochmals zwei Erklärungsansätze bieten, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen.
Aus der Perspektive eines makrotheoretischen Ansatzes wird „Jugend“ als ein historischgesellschaftliches Phänomen gesehen. Entstanden ist es mit der Industrialisierung, dem Komplexerwerden und der Ausdifferenzierung der Gesellschaft.
a. Die klassisch soziologische Version: „Jugend als gesellschaftliches Produkt“, als eigenständiger Handlungszusammenhang (Jugendkulturen) bzw. soziale Gruppen (Peer Groups), die in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Entwicklungen gesellschaftliche Funktionen erfüllen.
b. Die sozialkonstruktivistische Version: „Jugend als gesellschaftliches bzw. pädagogisches Konstrukt“, als „Jugendbilder“, Deutungen und Interpretationen von „Jugend“, als die „gesellschaftliche Konstruktion der Jugend“, die in der Dialektik von Wissenschaft, den Medien und der Öffentlichkeit hervorgebracht wird.
Blick man von einem mikrotheoretisches Ansatz auf die „Jugend“, lässt sich eine eigenständige Sozialisationsphase erkennen, die sich durch die gesellschaftlich-ökonomisch notwendig gewordene verlängerte Ausbildung quasi zwischen „Kindheit“ und „Erwachsenenalter“ schiebt und sich permanent auszudehnen scheint (Stichwort: Postadoleszenz19 )
c. Der sozialpsychologische Ansatz: „Jugend“ als Abschnitt in der individuellen Biographie, in der zu vermehrten psycho-sozialen Konflikten kommt („Ablösung vom Elternhaus“, „Sexualität“) und zur Identitätsbildung.
d. Der pädagogischer Ansatz: „Jugend“ in einem pädagogischen Schonraum. In der Schule oder in der Ausbildungsphase ist das Individuum gewissermaßen befreit von einer gesellschaftlichen Verantwortung und ökonomischen Zwängen. Für das Erwachsenenalter wird in diesem Abschnitt gelernt und Entwicklungsaufgaben werden bewältigt.
Der Jugendbegriff wird in abstrakten Theorieansätzen hochdifferenziert verwendet und umfasst zahlreiche Assoziationen. Um sich dem Begriff in anderen Kategorien multiperspektivisch zu nähern, ist es möglich, exemplarisch einen Kriterienkatalog der Erklärung einzuführen:
2.3.1.1. Das Kriterium des Alters
Jugend kann sich durch eine Altersphase konstituieren, „welche im Lebenszyklus eines jeden Individuums mit dem Einsetzen der Pubertät um das 13. Lebensjahr beginnt; der Jugend als Altersphase geht die Kindheit voraus, es folgen das Erwachsensein und das Alter (so war bereits die Einteilung in der Antike)“ (Schäfers 2001, S. 17). Die Annäherung an eine Begriffsbestimmung der Jugend über die Altersphase ist die gängigste Variante, obwohl sich daraus Abgrenzungsprobleme ergeben, da der Jugendbegriff zeit- und kulturgebunden ist (vgl. Ferchhoff 2007a, S. 91f.; Lenzen 2007, S. 803). Um 1950 reichte eine altersspezifische Jugendphase etwa vom 13. bis zum 21. Lebensjahr. Heutzutage, im „Zuge der postadoleszenten Verlängerung der Jugendphase“ (Hurrelmann 2004, S. 87), in der Regel sogar vom 13. bis zum 27. bzw. 35. Lebensjahr. Postadoleszente sind in ihren Handlungen zwar weitgehend autonom, jedoch ökonomisch von ihrem Elternhaus abhängig (ebd., S. 88). Die so altersspezifische konstituierte Jugend lässt sich durch eine interne Untergliederung in die frühe, mittlere und späte Jugendphase einteilen (ebd., S. 40f.)
2.3.1.2. Das Kriterium der Fortpflanzungsfähigkeit
Aus biologischer Perspektive sind erste Anzeichen für die beginnende Jugendphase eines Menschen die ersten Samenergüssen oder die erste Regelblutung. Dieser natürlich bedingte Fakt der Geschlechtsreife wurde auch historisch schon immer benutzt, um je nach Kulturkreis Initiationsriten durchzuführen. In der westlichen Welt bspw. feiern viele Mütter die erste Menstruation ihrer Tochter oder führen kleine Rituale aus, um sie in einer neuen Phase ihres Lebens „zu begrüßen“. Jungen werden mit der einsetzenden Fortpflanzungsfähigkeit eher unaufgeklärt „alleingelassen“. An der geschlechtsspezifischen Unterscheidung lässt sich erkennen, dass das biologische Kriterium von „Jugend“ für Mädchen und Jungen nicht die gleiche Erkenntnis, das gleiche Erleben bzw. auch Reife mit sich bringt und somit nicht ausreichend den Lebensabschnitt definiert. Zudem verläuft die allgemeine biologische Reifung individuell verschieden und entkoppelt sich immer mehr von einer psychosozialen Reifung. Denn heutzutage sind schon Kinder fortpflanzungsfähig (vgl. Mienert 2008, S. 22f.).
2.3.1.3. Das juristische Kriterium
Die deutsche Gesetzgebung unterscheidet nach dem Jugendgerichtsgesetz (§1) zwischen Jugendlichen und Heranwachsenden Personen in einem strafrechtlichen Kontext: „Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (vgl. BMJ 2010). Ungeachtet einer strikter altersabhängigen Einteilung von jugendlich und heranwachsend, kann auch abhängig der Reife und aufgrund der Schwere der Straftat geprüft werden, ob ein Jugendlicher nicht schon Heranwachsender zu beurteilen ist. Nach Definition der Vereinten Nationen sind Personen die zwischen 15 und 24 Jahre alt sind als jugendlich anzusehen. Diese Altersspezifizierung von Jugendlichkeit ordnet sich jedoch der juristischen Festlegung der Mitgliedsländer unter (vgl. YantNU 2009).
2.3.1.4. Das Kriterium der gesellschaftlichen Initiation
In vielen gesellschaftlichen Kulturen ist die Statuspassage von „jugendlich“ zu „erwachsen“ durch Initiationsriten gekennzeichnet. Typisch für unsere abendländische Gesellschaft sind bspw. Riten wie Jugendweihe oder Konfirmation und Kommunion, die in eine zwischen Kindheit und Erwachsenenalter liegende Jugendphase führen. In globaler Hinsicht führen mache Initiationsriten von der Kindheit direkt in das Erwachsenenalter. Betrachtet man so genannte Naturvölker20 dürfen (oder müssen) Heranwachsende nach dem Überstandenen Ritus neue gesellschaftliche Aufgaben erfüllen und werden dabei aber auch mit neuen Privilegien ausgestattet. Oftmals sind solche rituellen Übergangsformen durch schmerzhafte und äußerlich sichtbare Kennzeichen verbunden, die zudem für westliche Kulturen als grotesk und unmenschlich wahrgenommen werden. Um eine eindeutige Abgrenzung zur Phase der Kindheit zu schaffen, ist es in mancher Kultur gängig, dies durch die Beschneidung oder die Entfernung der Klitoris, eine Tätowierung oder das Implantieren von Schmuckstücken unter die Haut deutlich zu machen. In westlichen Kulturen werden Initiationsriten nahezu keinerlei Bedeutung mehr zugemessen und fehlen in manchen Ländern vollständig. Zudem markieren die Riten einer Jugendweihe, Konfirmation oder Kommunion lediglich einen Übergang von der Kindheit in die Jugendzeit und sind nicht mit neuen Berechtigungen verbunden, so dass sich der Status des Heranwachsenden gesellschaftlich kaum ändert (vgl. Mienert 2008, S. 27).
2.3.2. Jugendkultur - Eine Bestandaufnahme: Damals und Heute
Im Zusammenhang mit „Jugend“ wird der Kulturbegriff in der gegenwärtigen Forschung nicht normativ, sondern deskriptiv verwendet: Mit „Kultur“21 ist nicht allein der Zusammenhang mit den Werken der Hochkultur (die Künste, Wissenschaft und Philosophie) gemeint, sondern als Formen der „Kultur“ gelten insbesondere auch Sprachen, Symbole, Werte und Normen, Rituale und Alltagsästhetiken, „bzw. die Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsmuster sozialer Gruppen, sozialer Klassen und Milieus“ (Scherr 2009, S. 183). Der Bedeutungskreis des Begriffes erstreckt sich definitorisch „von der Bildung und Verfeinerung der individuellen menschlichen Lebensweise der Menschen (…) bis zur Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen, welche zumeist als die Kultur eines sich zusammengehörig empfindenden Volkes verstanden werden.“ (Müller-Bachmann 2002, S. 22). Kultur wird demzufolge grundsätzlich als Kontraireposition zur Natur verstanden. Durch den deskriptiven Charakter des Kulturbegriffs ist es möglich typische Muster der alltäglichen Lebensführung und Kommunikation zu analysieren, es kann also die Rede sein von der Arbeiterkultur, der Kultur der Mittelklassen oder auch von einer Kultur der Jugend sein (ebd.):
„Der Begriff «Jugendkultur» verweist auf die kulturellen Aspekte von Jugend. (…) Kultur ist die Art, die Form, in der Gruppen das Rohmaterial ihrer sozialen und materiellen Existenz bearbeiten. (…) Die Kultur einer Gruppe oder Klasse umfasst die besondere und distinkte Lebensweise dieser Gruppe oder Klasse, die Bedeutungen, Werte und Ideen, wie sie in Institutionen, in den gesellschaftlichen Beziehungen, in den Glaubenssystemen, in Sitten und Bräuchen, im Gebrauch der Objekte und im materiellen Leben verkörpert sind. (…) Kultur enthält die ‚Landkarte der Bedeutungen‘, welche die Dinge für ihre Mitglieder verstehbar macht.“ (Clarke et al. 1981, S. 40)
Noch vor der ersten sozialwissenschaftlichen Jugenddebatte in Deutschland wurde der Begriff 1913 in seiner heutigen Beschaffenheit als „Jugendkultur“ durch den deutschen Sozialpädagogen Gustav Wyneken22 eingeführt und erhielt im Rahmen von (reform-)pädagogischen Autonomiekonzepten eine wichtige Bedeutung (vgl. Baacke/Ferchhoff 1993, S. 418; Völker 2008, S. 27). Jugendkultur wurde von WYNEKEN als normativ akzentuierte „Kameradschaft“ im Sinne eines Gegengewichts zur autoritären familiären sowie schulischen und betrieblichen Ordnung gesehen, denn „«Jugend» kann sich nicht in der bürgerlichen Familie entfalten, da bleibt sie immer ein unselbständiges Anhängsel der Erwachsenen, nach den Interessen der Erwachsenen behandelt und geformt. Jugend müsste (…) eine Pflanz- und Freistätte haben, um wirklich Jugend werden zu können. Wo? In der Schule.“ (Wyneken 1913, zitiert nach Baacke 2007, S. 142). WYNEKENs reform-pädagogischer Wirkungsrahmen umfasste neben einer schriftstellerischen Tätigkeit auch die Mitarbeit an einem der ersten Projekte juveniler Vergemeinschaftung. Als Mitbegründer der Landschulheimbewegung23 beschäftigte er sich ausführlich mit Jugendbildungsfragen und stand im engen Kontakt mit der bürgerlichen deutschen Jugendbewegung. Gewissermaßen schaffte die Landschulheimbewegung eine Art „Gegenkultur“ gegen die, aus der bürgerlich-wilhelminischen Lebensweise gespeisten, „Alterskultur“. Die so geschaffene „Jugendkultur“ sah er als Möglichkeit der größten Offenheit für alle hohen ethischen Werte und Haltungen (Baacke 2007, S. 141). Zu dieser Zeit manifestierte sich eine allgemeine Wertschätzung der Jugend und des Jugendalters. Der Jugendbegriff wurde mit Freiräumen und Eigensinn konnotiert und als eigenständiger Lebensabschnitt verstanden. Als „Inbegriff und Hoffnungsträger von Zukunft“ (vgl. bspw.
Roth/Rucht 2000, S. 9ff.) verstand man Jugend und Geist in einem „gegenseitigen Befreiungsverhältnis“ (Wyneken 1919, zitiert nach ebd., S. 9.). Nur durch geistige Beschäftigung und Fundierung ihrer Lebensgemeinschaften, unter der Führung eines Lehrers als geistiger Führer, finden Jugendliche zu sich selbst und vermögen es so „[die Welt] aus den Fesseln engstirniger Bürokraten und geisttötender Pädagogen [zu befreien]“ (ebd.). WYNEKEN stellt sich also rigoros gegen die Familie als möglichen Ort für eine Vergemeinschaftung der Jugendlichen und sieht hingegen in der Schule eine überaus wichtige Rolle juveniler Gemeinschaftsbildung.
Anknüpfend an die Überlegungen WYNEKENS, gingen in den 1920er und 1930er Jahren, sowie noch einmal in den 1950er Jahren, verschieden Studien der Frage nach, was Jugend überhaupt sei. Unterschieden wurde im Ergebnis zwischen „Jugend als Lebensphase“ und der „Jugend als Lebenseinstellung“. Also folglich eine Wahl zwischen der Festlegung auf einen bestimmten Altersabschnitt, der trennscharf den Zeitraum zwischen Kindheit und den Eintritt in das Erwachsenenleben markierte und eine Konstitution von Jugend aufgrund von Verhaltensweisen. Generell verhärtete sich in der Nachkriegszeit eine allgemeine Vorstellung von einem „Phänomen Jugend“. An diese Überlegungen schloss sich der Gedanke der Generation an. Eine bestimmte Altersgruppe unterliege ähnlichen Erfahrungen und muss folglich auch ähnliche Verhaltensweisen an den Tag legen, was zwangsläufig in Generationenkonflikten zwischen Vor und Nachgeborenen gipfeln muss. Darauf aufbauend war die Idee einer jugendspezifischen Kultur, die aufgrund der Entwicklung eigener Werte und Normen existierten sollte. Die Idee der Jugendkultur im heutigen Sinne etablierte sich (vgl. Lauenburg 2008, S. 12f).
Im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der Globalisierung, ist das Bildungssystem nicht mehr die entscheidende Vermittlungsinstanz von Bildung und Kultur für die heranwachsende Generation, „entschieden schulferner und auch den außerschulischen, pädagogikaffinen Angeboten und Kontrollen immer weiter entrückt“ (Ferchhoff 2007a, S. 54) spielen heutzutage Medien wie das Musikfernsehen oder das Internet die entscheidende Vermittlungsrolle. Der „Klebstoff“, das heißt die Motivation eines organisierten Zusammenhalts in nationalen und transnationalen Jugendkulturen im Jahre 2010, ist Musik-, Mode- und Konsumzentriert. Popmusik à la Lady Gaga oder Madonna, bestimmte Kleidung, eventuell ein Apple iPhone in der Tasche, sind dennoch mit WYNEKENs Auffassung der Kultur als „geistigen Welt“ vereinbar: Denn wichtig ist die Art und Weise, wie ein Jugendlicher sich selbst sieht und von anderen wahrgenommen wird und damit seine Individualität und die Entfaltung seiner Persönlichkeit zum Ausdruck bringt (vgl. Baacke 2007, S.145ff; Ferchhoff 2007a, S.50ff).
3. Globale Jugend und Jugendkulturen
3.1. Jugendkultur I - Zentrale Elemente und Historie
3.1.1. Vergemeinschaftungsformen I: Von Subkulturen, Jugendkulturen, Szenen und jugendkulturellen Stilen
Auch wenn der Begriff Jugendkultur bereits in vorangegangen Abschnitt selbstverständlich gebraucht, ist er dennoch nicht unproblematisch. Über die Jahre hinweg unterlag er innerhalb des jugendsoziologischen Diskurses vielen Überprüfungen und Versuchen, ihn durch andere Begrifflichkeiten zu ersetzen. Im Folgenden soll diese Debatte kurz skizziert werden, um am Ende doch wieder auf die Verwendung des Begriffs Jugendkultur(en) zurückzukommen. Spricht man im wissenschaftlichen Diskurs über Jugend, kommen unweigerlich Begriffe wie Subkultur, Jugendkultur, Jugendszene oder jugendkulturelle Lebensstile ins Spiel. Betrachtet man nun die Literatur zum Thema Jugendkultur(en), Subkultur(en), Szenen oder auch jugendkulturelle Lebensstile, so bekommt man schnell einen Überblick über das Unüberblickbare24, denn die Begriffe sind nicht frei von inhaltlichen Unschärfen (Pape 1998, S. 105f.). So ist das Wort „Jugendkultur“ im Singular ideengeschichtlich vorbelastet, da es nur eine - in sich geschlossene Generation - zu deuten versucht. Komplexe Ansätze sozialer und ethnischer Ungleichheiten bleiben unberücksichtigt (vgl. Müller-Bachmann 2002, S. 55). Anknüpfend an die Genese des Jugendkulturbegriffs25, der sich in den 1950er Jahren durchsetzte, stand diesem ab den 1960er Jahren „der durch Klassenvorstellungen geprägte Begriff der Subkultur“ gegenüber (vgl. Lauenburg 2008, S. 13). Aus einem marxistisch-soziologischen Blickwinkel heraus wurden am „Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS)“ in Birmingham die jugendlichen Alltags- und Freizeitkulturen untersucht. Der primäre Forschungsgegenstand waren proletarische britische Jugendliche26, deren Kultur lediglich als gelebte Praxis einer Klasse verstanden wurde.
[...]
1 Am 02. Juli 2005 fand unter dem Motto Make Poverty History (ein von Bob Geldof eigentlich 1985 initiiertes und 2005 weitergeführtes Hilfsprojekt für Afrika) ein weltumspannendes Rock-Konzert an zehn Orten gleichzeitig statt (Barrie/Toronto, Philadelphia, Edinburgh, London, Paris, Rom, Berlin, Johannesburg, Moskau und Tokio). Neben verschiedenen internationalen Stars wie bspw. die Pet Shop Boys, Coldplay, R.E.M., Elton John, Madonna performten auch regional- oder lokal bekannte Künstler auf den Bühnen. Insgesamt hatten zwei bis drei Milliarden Menschen Zugang zur weltweiten Fernsehübertragung. Der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan konstatierte: „Here are really united nations“.
2 „Die Satanischen Verse feiern Vermischung, Unreinheit und das Ergebnis aus neuen und ungewohnten Verbindungen zwischen Menschen, Kulturen, Ideen, Politik, Filmen und Liedern. Das Buch freut sich an der Kreuzung und verabscheut die Verabsolutierung des Reinen. Mélange, Mischmasch, ein bisschen von diesem, ein bisschen von jenem, auf diese Weise entsteht Neues in der Welt“ (Hannerz 1998, S. 65).
3 In der Technik findet sich bspw. Hybridantriebstechnik (Benzin + Elektrizität), in der Wirtschaft meint Hybridkapital Fremdkapital, das aber eigenkapitalähnliche Eigenschaft besitzt (vgl. ARD-Anlegerlexikon 2009), im Golfsport besteht ein Hybridschläger gleichermaßen aus Eisen und Holz, wobei die Vorteile beider Materialien genutzt werden sollen (vgl. Golfsclubeurope 2010).
4 Orbitale sind Aufenthaltswahrscheinlichkeitsräume der Elektronen. Im Jahre 1927 erkannte Werner Heisenberg das Elektronen sowohl Teilchen- als auch Wellenform annehmen können, sowie dass deren Ort und Geschwindigkeit nicht gleichzeitig zu bestimmbar sind (=Heisenberg‘sche Unschärferelation). In diesem Zusammenhang sind Orbitale dem Ort zuzuweisen.
5 Eine Bestätigung der Konjunkturvermutung des Begriffs Hybridität. Der Slogan suggeriert, dass die Zukunft mit Hilfe des Hybridantriebes spürbar ist und hat mit ihrem Modell „Prius“ das so genannte „Hybrid-Synergy-Drive“-Konzept weltweit etabliert, welches „[…] auf intelligente Weise die jeweiligen Stärken der beiden Motoren [nutzt]. Dabei sorgt das hocheffiziente Steuerungssystem dafür, dass immer die in der jeweiligen Fahrsituation effizienteste Antriebsquelle zum Einsatz kommt“ (Toyota 2009).
6 Er ist in allgemeinen Lexika der Sozial- und anderen Kulturwissenschaften oder der Philosophie nicht enthalten (vgl. Yassar 2003, S. 6)
7 Die Postcolonial Studies beschäftigen sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts im weitesten Sinne mit der Geschichte des Kolonialismus und dessen Wirkung in der Gegenwart. Die Ansätze des Postkolonialimus gehen davon aus, dass die westliche Kolonisierung beginnend im 16. Jahrhundert nicht nur kulturelle Spuren bei den Kolonisierten hinterließen, sondern auch bei den Kolonisierenden. Die Fragestellungen sind bspw.: Welche Veränderungen gibt es in Kultur und Identität? Welches Konfliktpotenzial ergibt sich daraus? Vorauszusetzen ist aber die Unabhängigkeit der Kolonie vom ehemaligen Kolonisator. Postcolonial Studies sind interdisziplinär und existieren u.a. in der Literatur-, Geschichts-, Politik und Sozialwissenschaft (vgl. Grimm 2010).
8 Mit der Theorie des Romans trägt der russische Literaturwissenschaftlicher Michael BACHTIN den Begriff des Hybriden in die Geistes- und Sozialwissenschaften. Bei BACHTIN steht die Kategorie des Hybriden im engen Zusammenhang mit der Idee der Dialogizität. Während die Dialogizität und das Monologische in einer Kontraireposition verharren, fordert der eigenständige Hybridbegriff als Gegenteil das Absolute, das Puristische und das Reine. Zur plastischen Vorstellung der Begriffe, sollte man sich den Unterschied zwischen einer Vorlesung und einem Seminar vor Augen führen: Während eine Vorlesung einen monologischen Charakter hat - es werden im Sinne der Lehrform keine Rückfragen gestattet - ist in einer Semianrsituation ein Dialog zwischen „Experte“ und Schüler möglich und erwünscht. Es findet ein Wissensabgleich statt. Entscheidend für die Überlegungen Bachtins ist die strikte Temporalisierung, die er bei der Gestaltung des Hybriden vornimmt: Es gibt nicht „das Hybride“, sondern vielmehr historische Rahmenbedingungen, die zur Entwicklung innerhalb von Sprachen führen. (Schneider 1997, S. 20f.) Um ein Beispiel zu nennen, ist für ihn das antike Unteritalien „die Brutstätte einer spezifischen, gemischten hybriden Kultur und gemischter, hybrider literarischer Formen“ (Bachtin 2005, S. 320). Im Kontext der Dreisprachigkeit überschnitten sich „die Grenzen von drei Sprachen und Kulturen - der griechischen, oskischen und römischen“ (ebd.). Diese Sprachmischung ist nur dann hybrid, wenn sich die verschiedenen Sprachen noch unterscheiden lassen. Die Rekonstrierbarkeit der Vermischung in seine ursprünglichen Bestandteile ist ein wesentliches Merkmal hybrider Kulturen: „Wenn sich in Kulturen hybride Formen habitualisieren, dann bleiben diese Formen im kulturellen Bewusstsein nicht hybrid im Sinne von vermischt, sondern werden als eigenständige Formen wahrgenommen“ (Schneider 1997, S. 21). Die Hybridisierung lässt sich also lediglich nur noch dann erkennen, wenn man nach der Genese fragt. Jedem „Teilnehmer“ einer Kultur, deren Hybridizität sich durch einen historischen Prozess entwickelt hat, nimmt diese als eher homogen wahr und nicht als das Ergebnis einer Mischform. Mit der Dichotomie von hybrid versus rein lässt sich nur operieren, wenn man sie strikt temporalisiert (ebd.).
9 Der deutsche Emigrant Theodore Levitt (1925-2006) und spätere Harvard-Professor prägte den wirtschaftspolitischen Begriff der Globalisierung 1983 mit dem Artikel „The Globalization of Markets“ (vgl. Feder 2006).
10 Karl Jaspers war ein deutscher (ab 1967 eidgenössischer Staatsbürger) Psychiater und ein Vertreter der Existenzphilosophie (vgl. DHM Berlin 2009).
12 McDonaldisierung ist eine der wichtigsten und meist geäußerten Befürchtungen bezüglich der Globalisierung. Der von dem US-amerikanischen Soziologen George RITZER geprägte Begriff (1997) beinhaltet die starke Tendenz und die Umsetzung einer Homogenisierung der Gesellschaft, insbesondere ihrer kulturellen Eigenschaften. In diesem Prozess soll eine Gesellschaft zunehmend die Eigenschaften eines Fastfood-Restaurants übernehmen. Symbolhaft steht der Begriff, der auf den weltweiten Erfolg der Nahrungsmittelkette McDonalds anspielt, für die Verbreitung von USamerikanischen Kulturprodukte und Waren. Neben Hotel- und Supermarktketten, Banken, Coca-Cola und MTV (Der weltweit operierende und erfolgreiche US-amerikanische Musiksender MTV hat über 166 Mio. Zuschauer auf allen Kontinenten; vgl. IfK 2009, S. 6). Die Vorgehensweise und Strukturen von McDonalds, als Paradebeispiel für größtmögliche Rationalisierung/Standardisierung bei gleichzeitiger Subtraktion von traditionellen Modellen, lassen sich auf viele gesellschaftliche und kulturelle Bereiche beziehen. Im Fundament der Entwicklung seiner Idee bezieht sich RITZER auf Max Webers Überlegungen zur Bürokratie (vgl. Ritzer 1997, S. 553).
13 Der Begriff Kulturindustrie ist bekannt aus der Gemeinschaftsarbeit „Dialektik der Aufklärung“ von Max Horkheimer und Theodor Adorno. Während Kultur nach Marx im 19. Jahrhundert noch als Überbau von Industrie und Ökonomie wahrnimmt, konstatieren Horkheimer und Adorno Mitte des 20. Jahrhunderts, dass „die Kultur von der ökonomischen Infrastruktur aufgesogen und ihrerseits zu einer Industrie [geworden sei], […] erstens wurde der kulturelle «Inhalt», also Geschichten, Bilder und Töne, zunehmend produziert, um auf dem Markt verkauft zu werden, zweitens erschien Kultur durch ihre mechanische Massenreproduktion und -verteilung zunehmend technologisch“ (Lash 1998). Im Zeitalter der Globalisierung, so Lash, ist zwischen der klassischen Kulturindustrie und den globalen Kulturindustrien postindustrieller Gesellschaften zu differenzieren. Unklar sei, „worin das Verhältnis zwischen Kultur und Industrie“ im 21. Jahrhundert liege (ebd.).
14 Ein Global Player ist ein „Unternehmen, das nicht nur am internationalen Wettbewerb durch Export und Import teilnimmt, sondern durch internationale Investitionen und auf Grund seiner Marktstellung diese Märkte beeinflusst.“ (Wissen.de 2010).
15 Ein Kulturgüter können bspw. global präsentente Produkte (Künstler und Medien) der Musikindustrie sein: CDs, DVDs etc.
16 Gemeint sind weitgehend Individualisierungsthesen und Pluralisierung von Lebensformen: Ulrich BECK beschreibt in seinem Werk „Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne“ (1986), dass sich mit zunehmenden industriellen Fortschritt eine Gesellschaft formte, deren klassische Merkmale Wachstum, Wohlstand, Demokratisierung, Rationalisierung, Säkularisierung, Emanzipation und Vervielfältigung der Lebensstile (=Pluralisierung) unter dem soziologischen Terminus „modernere Gesellschaft“ zusammengefasst werden können. Im Zeitalter der Globalisierung haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen gravierend verändert, so dass sich entsprechend Normen, Wertordnungssystem und die individuelle Bedürfnisse sich verändert haben: Die modernen Gesellschaft wurde abgelöst durch die Risikogesellschaft (vgl. Beck 1986, S. 26). Mit der Risikogesellschaft haben sich die Lebenslagen individualisiert und somit auch die Chancen einer individuellen Lebensgestaltung (kürzere Wochenarbeitszeiten, höheres Einkommen, bessere Bildungschancen sind möglich). Damit entsteht auch ein Risiko des Scheiterns, denn die Modernisierungsprozesse wirken sich heterogen auf soziale Unterschiede aus. Die Struktur der sozialen Ungleichheit weist dennoch eine anhaltende Stabilität auf, während die veränderten Lebensbedingungen für eine Niveauverschiebung in der Gesellschaft sorgen würden. Den gesellschaftlichen Wandel erklärt Beck mittels eines dreidimensionalen Individualisierungsmodell: 1. Dimension: Prozess der Freisetzung (Herauslösung des Individuums aus den historisch vorgegebenen Sozialformen -und Bindungen. Bspw. Klassen und Schichten, Familien -und Nachbarschaftsstrukturen lösen sich auf. Das Individuum ist gezwungen somit gewissermaßen gezwungen eine eigenständige Lebensplanung vorzunehmen. 2. D: Entzauberungsdimension, bedeutet den Verlust von traditionellen Sicherheiten bezüglich des Handlungswissens, der leitenden Normen und Werte. 3. D: Reintegrationsdimension, in dem das Individuum aus den herausgelösten sozialen Bindungen, schließlich wieder neu eingegliedert wird, um eine neue Stabilität zu finden (ebd.,
S. 211ff.). Insbesondere wirken sich die dynamischen gesellschaftlichen Prozesse auf die jugendliche Erlebniswelt aus. Sie werden herausgelöst aus traditionellen Sozialisationsinstanzen (Familie, Schule, Peer Groups), welche zunehmend durch neue Komponenten ergänzt werden und somit dem jungen Menschen eine autonome, selbstständige Handlungs- und Identitätsoption ermöglicht wird. Jedoch ohne Absicherung durch traditionelle Sicherheit. Leistung-, Mobilitäts- und Flexibilitätserwartungen der Gesellschaft könnten das Individuum verunsichern. Die Gelegenheit sein Leben selbst zu planen und zu gestalten wird aber drastisch erhöht: Für einen Menschen innerhalb unserer individualisierten Gemeinschaft öffnen sich neue Perspektiven hinsichtlich seines Lebensstils, Berufs, der Beziehungsform oder der moralischen Orientierung: „Wo ein immer komplexeres Systemnetzwerk samt Formalismen und Standardisierungen entsteht, wird das Subjekt zunehmend für seine Position selbst verantwortlich“ (Hitzler et al. 2001, S.19).
17 Zu vermuten ist, dass der Autor bspw. rebellisches und aufsässiges Verhalten meint.
18 Die Makroebene, ist die Ebene gesamtgesellschaftliche Phänomene, d.h. es werden Daten aus verschiedenen Beobachtungsebenen im Rahmen einer größeren gesellschaftlichen Einheit zusammengefasst (z.B.: Analysedaten der westlichen oder deutschen Gesellschaft oder Wandlungsprozesse in modernen Industriegesellschaften). Die Mikroebene behandelt kleinformatige Prozesse sozialen Handelns, d.h. interessant sind hier soziale Interdependenzen zwischen Individuen, die Entstehung von sozialen Normen, das Verhältnis zwischen sozialen Rollen.
19 Die Postadoleszenten ist eine wachsende Gruppe von Menschen, „die kulturell, politisch sowie freiheitsbezogen in der Gestaltung ihrer Lebensformen und in der Wahl ihrer Lebensstile, sieht man einmal von der kultur- und konsumindustriellen Herstellung ab, weitgehend autonom sind, als auch keiner «pädagogischen Betreuung und Kontrolle» mehr bedürfen. Beruflich und ökonomisch sind sie weiterhin vom Elternhaus (…) abhängig.“ (Ferchhoff 2007b, S. 88).
20 Naturvölker (auch Urvölker, Ureinwohner, Stammesvölker, indigene Völker) sind ein Gegenstand ethnologischer Forschung. Die meisten Naturvölker leben fernab einer industrialisierten-technischen Welt, von der sie zudem wenig wissen. Ihr Alltag ist vergleichbar mit dem Leben in der Bronzezeit. Man schätzt, dass es zwischen 70 und 5000 solcher Völker weltweit gibt. Ihr Lebensraum ist einer ständigen Bedrohung durch industrialisierte Welt ausgesetzt (vgl. Planet- Wissen.de 2010).
21 „Kultur“, in seiner ursprünglichen Bedeutung, kommt aus dem Lateinischen und ist umfassend die Bezeichnung für „Ackerbau, Pflege, Veredlung, Vervollkommnung (des Geistes, der Seele und der Sitten). Im Verlauf des Kultur- und Zivilisationsprozesses der Völker und Menschheit verbreitet sich das Spektrum dessen, was als Kultur bezeichnet wird. Die ‚materielle Kultur‘ bezeichnet bspw. Werkzeuge, Geräte, Wohn- und Fabrikgebäude. Die ‚geistige Kultur‘ bezeichnet Kunst, Literatur, Politik, Recht, Sitten und Bräuche, Normen und Werte. Kultur bildet den Rahmen für die gesamten zwischenmenschlichen Verhaltensformen, um so ein soziales und ‚kultiviertes‘ Leben überhaupt zu ermöglichen“ (Schäfers 2001, S. 143).
22 Gustav Wyneken (1875-1964) war ein deutscher Pädagoge, der 1913 den Begriff der Jugendkultur erstmalig in Deutschland prägte. Ein Treffen der Wandervereine sorgte für das Aufkommen eines gemeinsamen spezifischen jugendlichen Lebensgefühls, welches sich deutlich von dem der Erwachsenenwelt unterschied. Die so genannten „Wandervögel“, denen das Wandern am Anfang des 20. Jahrhunderts zur Absonderung von der Familie diente, entwickelten eine eigene Interessens- und Ideengemeinschaft mit eigenen Normen (Anstandsregeln), sprachlichen Ausrücken sowie eigenem Musik- und Kleidungsstil (vgl. Hartwig 1980, S. 66f).
23 Die Landschulheimbewegung kann als neue Schulform bezeichnet werden, das unterschiedliche erlebnis- und reformpädagogische Elemente in den normalen Schulalltag integriert. Die erste Schule gab es England 1889. (vgl. Wastl 2009).
24 Vgl. Scherr 2009; Völker 2008; Ferchhoff 2007a; Müller-Bachmann 2002; Clarke 1979.
25 Siehe Kapitel 2.3.: Jugend + Kultur = Jugendkultur. Von der Begriffsgenese bis zur heutigen Beschaffenheit, S. 12.
26 Vorwiegend wurden die proletarischen Jugendkulturen der Mods, Teds, Skinheads und Rocker betrachtet.
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