Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Heinrich Heine und Romanzero
Stilistische und sprachliche Interpretation des „König David“
Auseinandersetzung mit dem biblischen Text
Schluss und Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Es gibt in der Geschichte der Menschheit kaum ein schwierigeres Thema als die Verteilung des Erbes an die Nachkommen. Allein im deutschen BGB befassen sich hunderte von Paragraphen nur mit diesem Thema und es gibt natürlich auch zahlreiche Nebengesetzte, die die Problematik der Verteilung des Erbes behandeln. Auch in der Antike musste sich nicht selten die Nachkommenschaft um die Hinterlassenschaften Ihrer Erblasser streiten und es kam zu vielen Problemen. Besonders schwierig ist es dann, wenn der Erblasser auch über Menschenleben bestimmen kann. Dann ist es hilfreich, wenn der Erblasser eine genaue Bestimmung noch vor seinem Tod herausgegeben hat und der Erbe genau weiß, was der Wunsch des Verstorbenen ist.
Interessant wird die Verteilung des Erbes dann, wenn der Erblasser ein mächtiger Mensch ist wie in diesem Beispiel König David. Es gab kaum eine Person in der hebräischen Bibel, die von der Nachwelt so beachtet wurde, wie König David.
Besonders in der jüdischen Tradition ist König David von großer Bedeutung. Zwar wird der König in den Büchern Samuels auch kritisch dargestellt, in der späteren Literatur jedoch und in der Aggadah wird sein Bild immer positiver gezeichnet.[1] Nicht nur in der Bibel, sondern auch in der rabbinischen Literatur wird David glorifiziert und verherrlicht. Die vermeintlichen Fehltritte, die in den Samuel Büchern geschildert werden, werden hier zu erklären und zu entschuldigen versucht.[2] Auch die Herrschaft Davids ist in der jüdischen Literatur sehr wichtig gewesen. Es wird gesagt, dass nur dann eine Dynastie gelten kann, wenn der Herrscher von David abstammt.[3] In der Liturgie gibt es sogar die Hoffnung, Davids Dynastie möge zurückkehren. David wird somit als ein großer und wichtiger König rezipiert.
Nicht nur die rabbinische Literatur befasst sich ausführlich mit Thema des Königs, sondern auch Autoren in der Neuzeit griffen den Topos des König Davids immer wieder auf. Besonders im Zuge der Aufklärung wurde König David besprochen. Er bietet großen Gesprächsstoff, da er den christlichen Theologen dazu diente die „Herrschaft von Gottes Gnaden“ mit ihm zu begründen[4]. Da ist es nicht verwunderlich, dass Heinrich Heine, ein Zeitgenosse der 1848 Revolutionen und der Restauration in seinem Spätwerk auch den König David verwendet, um seine Kritik am Königtum deutlich zu machen. In dieser Arbeit soll herausgestellt werden, wie sich Heine mit dem Bibeltext auseinandersetzt und welche Schlüsse er dabei zieht.
Heinrich Heine und Romanzero
Um ein besseres Verständnis für das Gedicht „König David“ und dessen soziokulturellen Hintergrund zu bekommen, soll hier zunächst einmal auf das Gesamtwerk des Romanzero eingegangen werden. Die Datierung des Romanzeros gab uns Heine selbst. Die Sammlung wurde demnach zwischen den Jahren 1849 und 1851 bearbeitet[5]. Aus verschiedenen Quellen und Zeitungsberichten lässt sich jedoch nachweisen, dass ein beträchtlicher Teil der 64 Gedichte bereits vor 1849 entstanden ist.[6]
Heinrich Heine hatte in den Jahren 1844 und 1848 mehrere schwere Schicksalsschläge überstehen müssen. Da war zuerst der Tod seines Onkels Salomon Heine am 23. Dezember 1844. Dieser hatte dem Dichter seit dem Jahr 1839 eine Pension gezahlt. Nach dem Tod des Onkels erhielt Heinrich Heine einen Brief, in dem „ihm mit den dürresten Worten ankündigt, sein Oheim habe ihm nur 8000 Mbo in seinem Testament hinterlassen, von einer Pension sey keine Rede“.[7] Diese Erbschaftstreitigkeiten führen zu einem Bruch mit Heinrich Heines Cousin und engen Freund Carl Heine und die Freundschaft hat sich im Laufe seines Lebens nicht mehr wiederhergestellt.
Das Jahr 1848 bedeutete für Heine einen großen Einschnitt in seinem Leben. Heine brach nämlich 1848 gesundheitlich völlig zusammen und war körperlich gelähmt.[8] Von nun an konnte er sein Krankenlager nicht mehr verlassen und musste weitere acht Jahre bis zu seinem Tod in der „Matratzengruft“[9] verbringen. Zur gleichen Zeit brachen in Frankreich und Deutschland die großen Revolutionen aus, die Heine sehr beunruhigten.[10] Er fürchtete eine blutige Niederschlagung der Aufstände und zweifelte an der Fähigkeit der Akteure.[11] Der Dichter bedauerte auch, nicht selbst mit auf die Straße gehen und mit an der Revolution teilnehmen zu können.
Die Revolution und die voranschreitende Krankheit führten zu einer erneuten Religiosität und zu einer „Rückkehr zu Gott“ Heines.[12]
Nach dieser Erkenntnis entstand eine neue Schaffensperiode Heines. Die Lähmung seiner Arme war ab 1849 wieder zurückgegangen und er begann nun zu schreiben. Den Eindruck den die gescheiterten Revolutionen auf ihn gemacht hatten und die pessimistische Lage, die die Geldsorgen hervorgerufen hatten, spiegeln sich in vielen seiner Gedichte wieder. Zusätzlich sind im Romanzero viele religiöse Themen wieder verwendet worden, wie der König David oder die Disputationen.
Im Oktober 1851 wurde der Romanzero gedruckt und war sofort ein großer Erfolg. Da er jedoch auch durchaus systemkritische Passagen beinhaltete wurde der Romanzero in einigen deutschen Staaten verboten[13]. Die Rezensenten aber nahmen das Buch durchaus positiv auf.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der Romanzero in drei wesentlichen Punkten auffällt. Zum einen ist er von der pessimistischen Stimmung geprägt, in der sich Heine befand, als er die Gedichte schrieb. Zum Zweiten bedeutet er auch eine erneute Auseinandersetzung mit der Religion und bewusste Wiederaufnahme religiöser Themen und zum dritten ist der Romanzero ein bewusst politisch gefärbtes Werk, das im Hinblick auf die verlorenen Revolutionen zu betrachten ist. Alle diese drei Merkmale müssen beachtet werden, wenn man sich dem Gedicht des König David nähert.
Stilistische und sprachliche Interpretation des „König David“
In dem Gedicht „König David“ beschreibt Heine den letzten Wunsch des sterbenden König an seinen Sohn Salomon mit der Bitte den Feldherren Joab zu töten.
Das Gedicht befindet sich in dem Buch die Historien, welches das erste und umfangreichste Buch im Romanzero ist. Die Historien werden als eine Sammlung von politischen Balladen aufgefasst.[14] Heine hat im Romanzero ein großes Gewicht auf die Anordnung gelegt. Es gibt verschiedene Ansätze die Gedichte zu sortieren. „König David“ und das vorangehende Gedicht „das goldene Kalb“ bilden zusammen ein Paar, das die biblische Welt darstellt.[15]
Er beschreibt in seinen ersten beiden Versen den König, der fröhlich stirbt, mit der Gewissheit, dass die Willkürherrschaft weiter regieren darf. Der Dichter führt die Person Davids gleich zu Beginn seines Gedichtes nicht als einen gerechten Herrscher, sondern als einen Despoten ein:
Lächelnd scheidet der Despot,
denn er weiß nach seinem Tod,
wechselt Willkür nur die Hände.
Und die Knechtschaft hat kein Ende.
Armes Volk! Wie Pferd und Farrn
wird es angeschirrt am Karrn,
und der Nacken wird gebrochen,
der sich nicht bequemt dem Jochen.
[...]
[1] David in the Bible in: Encyclopeadia Judaica Bd. 5, Farmington Hills 2007, S.452.
[2] Z.B. der Sündenfall mit Basteba hierzu: • Oberhänsli-Widmer, G.: Ein talmudischer Midrasch zu König David. Schabbat 56a, oder: wie Batscheva zu ihrem Scheidebrief kam, in: Kirche und Israel, 2004, S.3-16.
[3] Encyclopedia, S.452.
[4] Vgl. dazu Voigts, M.: Das Ende der David-Tradition. Jakob Frank und die Französische Revolution. Dietrich, W. / Herkommer, H (Hrsg.), König David — biblische Schlüsselfigur und europäische Leitgestalt, Freiburg/Stuttgart 2003, S. 249-274.
[5] In seinem Nachwort zu dem Gedichtband schrieb er am 30. September 1851, dass mit wenigen Ausnahmen die Gedichte in „den letzten drei Jahren entstanden seien.“ Aus: Kortländer, B. (Hrsg.): Heine, Heinrich. Romanzero, Stuttgart 1997, 197-205, hier S.197.
[6] Francke, R. (Hrsg.): Heine, Heinrich Säkularausgabe Gedichte 1845-1856,Bd.3,Berlin 2008, S.105. Ab hier wird die Säkularausgabe mit HSA abgekürzt.
[7] HSA Bd. 22, S.162, 24-26.
[8] Windfur, M (Hrsg.): Heinrich Heine. Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, Hamburg 1973-97, S.109. Die historisch-kritische wird mit HDA abgekürzt.
[9] HDA, S.153
[10] „Das staatsgefährlichste Gedankengesindel, das ich dort seit Jahren eingekerkert hielt, brach wieder hervor.(…) Ich fürchte die dämonischen Freveltöne werden in Bälde auch Euch zu Ohren kommen und Ihr werdet ebenfalls ihre verlockende Macht erfahren.“ Artikel in der Allgemeinen Zeitung am 3. März 1848. Aus: HSA Bd.10, S.271,5-7 und 12f..
[11] HDA Bd.3, S.110
[12] In seinem Nachwort zum Romanzero schreibt er: „Ja, ich bin zurückgekehrt zu Gott, wie der verlorene Sohn, nachdem ich lange Zeit bei den hegelianern Schweine gehütet habe. (Kortländer, B. (Hrsg.): Heine, Heinrich. Romanzero, Stuttgart 1997,S.200).
Und an Laube schreibt Heine: „..besteht darin, dass auch in meinen religiösen Ansichten und Gedanken eine FebruarRevoluzion eingetreten ist, wo ich an Stelle eines früheren Prinzips, das mich doch früherhin ziemlich indidiferent ließ, ein neues Prinzip aufstellte, dem ich ebenfalls nicht allzu fanatisch anhänge und wodurch ich mein Gemühtszustand nicht plötzlich umgewandelt werden konnte: ich nämlich, um Dir die Sache mit einem Wort zu verdeutlichen, den Hegelschen Gott oder vielmehr die hegelsche Gottlosigkeit aufgegeben und an dessen Stelle das Dogma von einem wirklichen, persönlichen Gotte, der außerhalb der Natur und des Menschen Gemühte ist, wieder vorgezogen.“HSA Bd. 3, S.110.
[13] Kortländer, B. (Hrsg.): Heine, Heinrich. Romanzero, Stuttgart 1997,S.225.
[14] Beyerhöfer, H.-P.: Politische Ballade. Zu den Historien in Heines Romanzero, in Deutsches Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 1972.
[15] Die eine Ansicht nach Lefebure besagt, dass die Gedichte in den Historien Paarweise geordnet werden können. In dieser Anordnung würde „König David“ und „das goldene Kalb“ ein Paar bilden, da sich beide Gedichte die biblische Welt darstellen. HDA Bd.3, S.545