Der Übergang vom Kaiserreich in die Republik, vom Krieg über die Revolution in die
Friedenszeit, war wie jede andere Epoche von Kriminalität, d.h. von abweichendem, vom
gesellschaftlichen Konsens nicht akzeptierten Verhalten begleitet. Interessant ist dabei vor dem
Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in erster Linie diejenige
Kriminalität und Gewaltanwendung, die politisch motiviert ist; die sich also gegen die
bestehenden, angestrebten oder vergangenen Strukturen des gesellschaftlichen Miteinanders
richtet. Dabei soll die staatliche Reaktion im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen: Sowohl der
Umgang mit dem Phänomen der politisch motivierten Gewalt durch die Justiz (Judikative und
Strafverfolgungsbehörden), als auch der gewählten Repräsentanten (Rat der Volksbeauftragten,
später Reichstag, Reichsrat, Reichs- und Landesregierungen) sollen im Hinblick auf mögliche
Kontinuitäten untersucht werden. Es stellt sich die Frage, ob der Kampf zwischen „links“ und
„rechts“, also zwischen Republikanern und Monarchisten, zwischen Demokraten und
obrigkeitstreuen Traditionalisten, eine über die zu betrachtende Zeitspanne hinausweisende
Kontinuität aufweist. Das Besondere der unmittelbaren Nachkriegs- bzw. Revolutionszeit ist der
Waffenwechsel. Gemeint ist der Wechsel der Demokraten in die Schaltstellen der Macht, und
der Wechsel der Monarchisten vom Regieren zum Straßenkampf, wobei hinsichtlich der Justiz
ein solcher Wechsel nicht stattgefunden zu haben scheint. Dabei sollen die Mittel des
fortgesetzten Kampfes beleuchtet werden, deren sich beide Seiten bedienten.
Die zahlreich vorhandene Literatur beschäftigt sich hauptsächlich mit der Richterschaft und der
auffallenden Diskrepanz in der Behandlung rechts- bzw. linksorientierter Täter, wobei die
Rechtslastigkeit und Republikfeindlichkeit der Justiz eindeutig und unwidersprochen
herausgestellt wird. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und allgemeine Kriminalitätsentwicklung in der Nachkriegszeit
- Politisch motivierte Kriminalität ab 1917/18 und die Reaktion der Justiz
- Allgemeiner Überblick
- Haltung der Justiz
- Die Richterschaft und ihre Herkunft
- Krise der Nachkriegszeit
- Grundeinstellung zur Republik
- Kriminalitätsformen und deren Ahndung
- Beleidigung von Republik und Republikanern
- Strassenterror, Unruhen, Bürgerkrieg
- Fememorde
- Straftaten gegen den politischen Gegner
- Putschversuche
- Reaktionen der demokratisch gewählten Institutionen
- Politik und Richterschaft
- Gegenseitiges Mißtrauen
- Versuche der Instrumentalisierung der Justiz bzw. der Einwirkung auf die Justiz
- Amnestie als Eingriff in die Justiz
- Aktivitäten der Politik bis 1921
- Gesetz zum Schutz der Republik 1922
- Das Gesetzgebungsverfahren
- Intention und Entwurf der Reichsregierung
- Haltung und Diskussion der Parteien
- Inhalt der Gesetze
- Anwendung der Gesetze
- Politik und Richterschaft
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Umgang mit politisch motivierter Kriminalität in der Weimarer Republik, insbesondere zwischen 1918 und 1922. Sie konzentriert sich auf die Reaktion der Justiz und der demokratisch gewählten Institutionen auf die verschiedenen Formen der Gewalt und den Kampf zwischen „links“ und „rechts“ in dieser turbulenten Zeit.
- Die Rolle der Justiz in der Nachkriegszeit
- Die Reaktion der Justiz auf unterschiedliche Kriminalitätsformen
- Das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Justiz
- Die Einführung des Republikschutzgesetzes
- Die Kontinuität des Kampfes zwischen Republikanern und Monarchisten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die allgemeine Kriminalitätsentwicklung in der Nachkriegszeit und die Herausforderungen, vor denen die junge Republik stand. Sie stellt die politische und wirtschaftliche Lage sowie die Herausforderungen der sozialen Ordnung in den Vordergrund. Kapitel 2 untersucht die verschiedenen Formen der politisch motivierten Kriminalität, insbesondere die Rolle der Freikorps und die Reaktion der Justiz darauf. Der Fokus liegt auf der Haltung der Richterschaft und den verschiedenen Formen der Kriminalität, die während dieser Zeit auftraten. Kapitel 3 analysiert die Reaktionen der demokratisch gewählten Institutionen auf die politisch motivierte Kriminalität. Hierbei werden die Spannungen zwischen Politik und Justiz, die Versuche der Einflussnahme auf die Justiz sowie die Einführung des Republikschutzgesetzes im Jahr 1922 behandelt.
Schlüsselwörter
Politisch motivierte Kriminalität, Weimarer Republik, Justiz, Freikorps, Republikschutzgesetz, Rechts- und Linksradikalismus, Gewalt, politische Spannungen, Amnestie, Republikanismus, Monarchismus, Nachkriegszeit.
- Arbeit zitieren
- Christian Vogel (Autor:in), 2001, Der Umgang mit politisch motivierter Kriminalität zu Beginn der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17255