Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Wirtschaftswerbung in der Marktwirtschaft
2.1 Grundarten der Werbung nach dem Werbeobjekt
2.2 Modifikationen der Werbung anhand der Werbeziele
2.3 Aufgaben und Funktionen der Werbung
3. Fernsehwerbung
3.1 Rahmenbedingungen und Daten zur Fernsehwerbung
3.2 Fernsehwerbung als idealste Form der Werbung
3.3 Empirische Befunde zu den Methoden der Fernsehwerbung
4. Ethische und sozialkritische Reflexionen zur Werbung
4.1 Der Traum von der heilen Welt
4.2 Manipulation durch Suggestionswerbung
4.3 Aufklärung und Verbraucherschutz contra irreführende Werbung
5. Literaturangaben
1. Einführung
Werbung und Marktwirtschaft sind Schlagworte, die uns im täglichen Sprachgebrauch ständig begegnen. Diesen Begriffen gilt es zunächst auf die Spur zu kommen. Zwar ist auch der Begriff Marktwirtschaft einer gewissen Variationsbreite unterworfen, dennoch findet sich unter diesem Begriff im Allgemeinen ein recht breiter Konsens, so dass nicht näher auf diesen Begriff einzugehen ist. Viel notwendiger und im Hinblick auf eine ethische Beurteilung interessanter ist es, den Begriff Werbung intensiver zu betrachten.
„Keine Marktwirtschaft ohne Werbung“; “Werbung, das A & O des Verkaufs“; „Werbung schafft Arbeitsplätze“; „Wer nicht wirbt, der stirbt“; „Werbung, nein danke.“ So lauten einige Aussagen zur Werbung. Sie zeigen, welch große Interpretationsbreite dieser Begriff unterworfen ist. Häufig wird Werbung von den Menschen als negativ empfunden: „Sie fühlen sich in ihrer Freiheit bedroht durch eben die Wirtschaft, die ihnen so reiche Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet hat, und behaupten, die Wirtschaft manipuliere sie durch die Werbung zu deren eigenen Zwecken.“[1] Schaut man in das Lexikon der Ethik von Höffe, so findet man unter dem Stichwort Werbung zunächst überhaupt keinen Eintrag. Man wird stattdessen interessanterweise auf das Stichwort Manipulation und seine Erklärung verwiesen: „Manipulation meint im menschlichen Bereich die Steuerung fremden Bewußtseins und fremden Verhaltens ohne Wissen und Willen der betreffenden Personen, und zwar meist zu Zwecken, die im Interesse der Manipulieren-den liegen.“[2] Adolf Portmann meint: „Manipulation ist ein Grundphänomen unseres Menschseins.“[3] Und Walther G. Pincoke schreibt sogar: „Wenn immer ein Mensch den Mund aufmacht, um mit dem anderen zu reden, hat er im Grunde nur eines im Sinn: er will ihn manipulieren und den größten Nutzen daraus ziehen.“[4] Ob man die Wirklichkeit tatsächlich so düster und pessimistisch sehen muss, mag dahingestellt sein. Wesentlich humorvoller ausgedrückt wird Werbung nach folgender Definition: „Werbung die Kunst, auf Herz und Auge zu zielen und immer die Brieftasche zu treffen.“[5]
Über die Methoden der Werbung wird weiter unten die Rede sein. Trotz möglicher Manipulationstechniken sollen der Werbung folgende Aspekte zugute gehalten werden:[6]
- Offenheit von Werbung
Werbung läuft heute technisiert und institutionalisiert ab, so dass für jedermann erkennbar ist, dass irgendein Produkt abgesetzt werden soll. Diese Absicht ist in der Regel klar erkennbar.
- Die Freiheit des Käufers
Dadurch, dass die Absicht des Werbenden offen dargelegt ist und dadurch, dass der Werbende aus absatztechnischen und marktpolitischen Gründen viel mehr Leute erreichen kann, ist die Berührung viel extensiver. Dies ist der Freiheitsraum jedes Einzelnen von uns. Der Einzelne wird nicht so direkt angesprochen wie dies früher beim Einzelhändler der Fall war. Weil Werbung schematisch und global angelegt ist, wirkt sie dadurch zu einem gewissen Teil unpersönlicher. Ein ins Haus geschicktes Prospekt wirft man in der Regel ungelesen weg oder schenkt ihm zumindest keine besonders große Beobachtung; Radio und Fernsehen kann man bei Werbespots abstellen. Begegnet uns Werbung aber direkt und unmittelbar, wird die Situation wesentlich schwieriger. Hemmnisse verschiedenster Art und Ausprägung treten auf und zum Schluss kauft man doch noch etwas.
- Auswahl durch Werbung
Marktwirtschaft funktioniert nach dem Grundprinzip von Angebot und Nachfrage. Wo man Profit zu erwarten hat, wird man auch einsteigen. Konkurrenz belebt dabei nicht nur das Geschäft, sondern bringt zudem Produkte ähnlicher Natur mit sich. Aus egoistischen Gründen wird jeder Produzent für sein Produkt werben. Dies bietet dem Käufer die Möglichkeit nach seinem Geschmack und seinen Kriterien auszuwählen.
- Kognitiver Prozess des Menschen
Wo eine actio ist, findet sich im Allgemeinen auch eine reactio. Zum einen ist die heutige Werbung erkennbarer und unpersönlicher, zum anderen ist der heutige Mensch wesentlich besser über die manipulativen Winkelzüge von Werbung aufgeklärt und besitzt einen kritischeren Intellekt. Zugegeben, dies kann so sein, muss aber nicht so sein. Werbung ist dann durchschaubar und ungefährlich, wenn man über sie immer wieder kritisch reflektiert.
Vor diesem Hintergrund ist die folgende Definition von Werbung aussagefähiger, weil sie abwägender ist: „In ihrer schlimmsten Form ist Werbung Verschwendung, Banalität und Täuschung: eine Verschwendung von Geld und Arbeit, ein Affront gegen Sprache und Geschmack und eine direkte oder indirekte Form der Irreführung der Öffentlichkeit. … Werbung ist in ihrer besten Form ein stimulierender und attraktiver Wesenszug des modernen wirtschaftlichen und sozialen Lebens: Stimulierend für die Wirtschaft durch ihre Impulse für den Handel, attraktiv in ihrer Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit, soziale Interessen und Bedürfnisse widerzuspiegeln.“[7]
2. Wirtschaftswerbung in der Marktwirtschaft
Die Herstellungsweise von Gütern hat sich gegenüber früher durch die modernen Massenproduktionsmethoden erheblich verändert. Während früher die meisten Waren erst auf Bestellung produziert wurden, so ist dies heute vor allem bei Konsumgütern nicht mehr der Fall. Sie werden erst hergestellt und werden dann auf den Markt gebracht. Ein funktionsfähiger Markt ist aus einem zweiten Grund notwendig: weil in der modernen Industriegesellschaft zudem Hersteller und Verbraucher räumlich auseinander liegen und oft zunächst nicht voneinander wissen. Wirtschaftswerbung hat daher einen zentralen Stellenwert für die Nachfragelenkung. Deshalb wird der Wirtschaftswerbung eine Informationsfunktion üblicherweise zugestanden: „In einer Marktwirtschaft ist die Werbung zur Information notwendig; damit sind zwar Manipulationsgefahren verbunden, aber diese Gefahren lassen sich in einer Zentralverwaltungswirtschaft noch schwerer vermeiden.“[8]
Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht besteht Werbung darin, „durch zielorientiert eingesetzte Informationsmittel und Kommunikation gegenüber Marktpartnern Leistungsprogramme bekannt zu machen sowie deren Absatz oder Beschaffung zu fördern.“[9] Zumeist wird jedoch ganz klar auf die absatzpolitischen Aktivitäten abgestellt: „Werbung bedeutet, für Auge und/oder Ohr bestimmte Botschaften mit Hilfe bezahlter Werbemittel an Personen heranzutragen, um sie auf ein Erzeugnis, eine Marke, eine Dienstleistung, eine Einrichtung, eine Idee oder einen Standpunkt aufmerksam zu machen und eine positive Einstellung dazu hervorzurufen.“[10]
Festzuhalten bleibt, dass Werbung nicht nur auf das Feld der Wirtschaft beschränkt ist, sondern sie „bezieht sich auch auf andere Bereiche des menschlichen Lebens. Werbung ist ein Instrument, um Menschen zur freiwilligen Vornahme bestimmter Handlungen zu veranlassen, z. B. zum Kauf einer bestimmten Ware oder zur Unterstützung der Zielsetzungen einer politischen Partei oder einer Religions-gemeinschaft; sie erfolgt durch den Einsatz sog. Werbemittel.“[11] Der Aspekt der Freiwilligkeit bzw. Zwangsfreiheit von Werbung wird allerdings bei den Begriffsdefinitionen verschiedener Autoren durchaus kontrovers diskutiert. Während einige Wissenschaftler - wie in der Definition oben - von einer freiwilligen Kaufentscheidung ausgehen, beziehen andere Autoren auch unterschwellige Formen der Werbung mit ein, in denen der Beworbene gegen seinen freien Willen beeinflusst wird.[12]
[...]
[1] Kerber, Manipulierung des Menschen durch die Werbung?, in: Stimmen der Zeit 186 (1979), S. 313.
[2] Höffe, Lexikon der Ethik, S. 150.
[3] Zitiert nach Kirschner, Manipulieren – aber richtig, S. 19.
[4] Ebenda.
[5] So wurde Werbung einmal in einer Fernsehsendung definiert.
[6] Vgl. hierzu: Kerber, Manipulierung des Menschen durch die Werbung?, in: Stimmen der Zeit 186 (1979), S. 319ff.
[7] Heygster/Maseberg, Werbung im Fernsehen, S. 37.
[8] Kerber, Manipulierung des Menschen durch die Werbung?, in: Stimmen der Zeit 186 (1979), S. 318.
[9] Tietz, Die Grundlagen des Marketing, Bd. 2, S. 1037.
[10] Jacob, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 474.
[11] Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 456.
[12] Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 456.