Anton Webern ist ein bekannter Komponist, über den viel geschrieben wurde. Viele dieser Schriften
über ihn und sein Werk widersprechen einander. Wo einander zwei Auffassungen widersprechen, ist
eine zwangsläufig falsch. In der Tat, wurde Webern, wie kaum ein anderer Komponist des 20.
Jahrhunderts, auf vielerlei Arten in einem falschen Licht dargestellt: von den Darmstädter Serialisten
als Galionsfigur requiriert, von deren Gegnern als seelenloser Tonsetzer verrufen, von
Musikwissenschaftlern auf Weisen analysiert, die ihren Auffassungen entgegenkamen. Die Symphonie
Op. 21 nimmt hier eine besonders merkwürdige Stellung ein. Zwar ist sie (neben Weberns
Klaviervariationen) eines der am meisten zitierten und analysierten Werke (es existieren etwa ein
Dutzend Analysen), doch lassen sich, beim Studium der Literatur, zwei Seltsamkeiten beobachten:
1. Der Großteil der Analysen behandelt ausschließlich den zweiten Satz, was verwunderlich ist, da
dieser ja bereits von Webern selbst schriftlich analysiert wurde1;
2. Wo der erste Satz behandelt wird, geschieht dies meist nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt,
wobei viele Aspekte, darunter jener, der den Zusammenhang zwischen allen diesen Teilansichten
herstellen soll, von der Literatur umgangen wird.
Die Ursache für die Bevorzugung des zweiten Satzes könnte darin vermutet werden, dass dieser, zum
einen, pädagogisch wertvoller, weil anschaulicher als der erste Satz, ist; zum anderen darin, dass
seine strenge Struktur, die nicht so mit der Widersprüchlichkeit der Struktur des ersten Satzes
behaftet ist, der Propaganda der Serialisten sehr entgegen kam. Letztere Bemerkung ist allerdings nur
auf Analysen aus der Zeit von vor 19802 anwendbar (und selbstverständlich auch dort nicht überall).
Der ehrenrührige Vorwurf, dass der zweite Satz zudem auch viel klarer strukturiert, und einfacher zu
analysieren sei, soll hier ausdrücklich niemandem gemacht werden. [...]
1 Diese, ohnehin schon umfangreiche Analyse, wurde durch Hans Vogts hervorragender und
gründlichster Analyse (in seinem Werk Neue Musik nach 1945 enthalten) noch überboten.
2 1978 erschien Hans und Rosaleen Moldenhauers große Webernchronik, in der erstmals versucht
wurde, Webern der Vereinnahmung durch die Serialisten zu entreißen. Wissenschaftler wie Polnauer
und Essl schlossen sich dem bald an.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Problemstellung und Zweck dieser Arbeit
- 1.2 Anlass, Motivation und Danksagung
- 2. Innere Struktur
- 2.1 Reihe
- 2.1.1 Zwölftonreihen
- 2.1.2 Zahl der Reihen
- 2.1.3 Aufbau der Grundreihe
- 2.1.3.1 Vorhandene Intervalle
- 2.1.3.2 Struktur der Reihenhälften
- 2.1.4 Modi
- 2.2 Raster
- 2.2.1 Aufbau
- 2.2.1.1 Zum Verständnis
- 2.2.1.2 Verschiebungen
- 2.2.2 Bedeutung
- 2.3 Mögliche historische Vorbilder
- 2.4 Positionierung der Reihen
- 2.4.1 Verschränkungstechnik
- 2.4.2 Gruppierungen
- 2.4.3 Virtuelle Tonalität
- 2.4.4 Bruch der Symmetrie?
- 2.5 Zusammenfassende Überlegungen
- 3. Hörbare Struktur
- 3.1 Melodik
- 3.1.1 Kanon
- 3.1.2 Haupt- und Nebenstimmen
- 3.1.3 Motive
- 3.1.3.1 Umgekehrte Entwicklung
- 3.2 Instrumentation
- 3.2.1 Wahl der Instrumente
- 3.2.1.1 Besetzung der Streicher
- 3.2.2 Verwendung der Instrumente
- 3.2.3 Instrumentation und Form
- 3.3 Form
- 3.3.1 Das Problem der Sonatenhauptsatzform
- 3.3.2 Das Rad des Arepo
- 3.4 Satztechnik
- 3.4.1 Dichte
- 3.4.2 "Korrekte" Dissonanzbehandlung
- 3.5 Rhythmik
- 4. Epilog
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit einer umfassenden und ganzheitlichen Analyse des ersten Satzes von Anton Weberns Symphonie Op. 21. Ziel ist es, die komplexe Struktur des Werkes zu beleuchten und die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Aspekten, wie Zwölftonreihen, Kanon, Instrumentation, Form und Harmonik, zu untersuchen.
- Analyse der Zwölftonreihe und ihrer Modi
- Untersuchung der kanonischen Strukturen und ihrer Funktion
- Deutung der formalen Anlage des ersten Satzes
- Bewertung der Rolle der Instrumentation und ihrer Bedeutung für die Klanggestaltung
- Erforschung der Interaktion zwischen Harmonik und Melodik
Zusammenfassung der Kapitel
- 1. Einleitung: Die Einleitung stellt die Problemstellung der Arbeit dar und begründet die Notwendigkeit einer umfassenden Analyse des ersten Satzes von Weberns Symphonie Op. 21. Sie erläutert die besondere Bedeutung des Werkes und die Lücken in der bestehenden Literatur. Zudem wird der Forschungsansatz und die Methodik der Arbeit vorgestellt.
- 2. Innere Struktur: Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Analyse der Zwölftonreihe und ihrer Bedeutung für das Werk. Er untersucht die Entstehung der Reihe, ihre Modifikationen und die Rolle des Rasters. Darüber hinaus werden mögliche historische Vorbilder und die Positionierung der Reihen innerhalb der Komposition beleuchtet.
- 3. Hörbare Struktur: Hier werden die melodischen, instrumentalen und formalen Aspekte des ersten Satzes untersucht. Es werden die Kanonstrukturen, Haupt- und Nebenstimmen, die verwendete Instrumentation und ihre Funktion, sowie die Form und Satztechnik analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Zwölftontechnik, Kanon, Instrumentation, Form, Harmonik, Kontrapunkt, Melodik, Anton Webern, Symphonie Op. 21, Serialismus, Musikgeschichte, Analyse, Struktur, Klanggestaltung.
- Arbeit zitieren
- Ilias Kesisoglou (Autor:in), 2003, Anton Weberns Symphonie Op. 21 - Versuch einer gründlichen und ganzheitlichen Analyse des ersten Satzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17500