Leseprobe
Gliederung
Einleitung
Flexion und Derivation
Flexion
Derivation
UNG-Nominalisierung im diachronen Überblick vom Frühneuhochdeutschen zum Gegenwartsdeutschen
UNG-Derivate im Frühneuhochdeutschen
UNG-Derivate im Gegenwartsdeutschen
Was spielt eine Rolle bei der Realisierung von ung-Derivaten?
Unterschiede zwischen frühneuhochdeutscher und gegenwartsdeutscher Nutzung von ung-Derivaten
Das Lexikon
Zusammenschau
Literatur
Einleitung
In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich mich näher mit der Flexionsmorphologie, genauer gesagt mit der Derivation mit -ung beschäftigen.
Die Wortbildung mithilfe des Suffixes –ung ist eine sehr produktive und bringt eine Vielzahl von Substantiven auf der Basis eines Verbs hervor.
Man kann sagen, dass sie neben –heit und –keit und allen anderen Suffixen, die zur Nominalisierung von Verben eingesetzt werden, das produktivste ist. Spannend ist hier allerdings zu sehen, dass die Realisierung von (mit dem Suffix –ung) nominalisierten Substantive im Frühneuhochdeutschen weitaus einfacher war, das heißt, dass viel mehr Nominalisierungen mit –ung möglich waren, beziehungsweise nicht durch derartige Restriktionen in Bezug auf die Realisationsdomänen beschränkt war, wie es nun im Gegenwartsdeutschen der Fall ist.
Heutzutage werden Substantive, die mit Hilfe der Derivation mit –ung gebildet werden, nur noch in bestimmten semantischen Rahmen erzeugt und benutzt. Zwar gibt es auch hier Ausnahmen, doch sind diese aus früheren Sprachformen des Deutschen übernommen. Abgesehen von diesen Fällen, ist es nicht mehr so einfach wie im Frühneuhochdeutschen, Substantive mit –ung zu bilden. In der Literatur wird zwar rege über die Nominalisierung von Verben mit Hilfe des Suffixes –ung diskutiert, doch kann bis heute nicht klar festgelegt werden, weshalb und wie das Wortbildungspotential der ung-Nominalisierung eingeschränkt ist.
Obwohl das Interesse an Fragen morphologischer Produktivität seit Ende der siebziger Jahre deutlich zugenommen hat, und die Rolle der Kompetenz- und Performanzfaktoren bei der Einschränkung von Wortbildungsregeln ausführlich diskutiert worden ist, bestehen bis heute Schwierigkeiten, das Potenzial einer Wortbildungsregel vorherzusagen.[1]
Ulrike Demske ist in ihrem Aufsatz ‚Zur Geschichte der ung-Nominalisierung im Deutschen. Ein Wandel morphologischer Produktivität’[2] diesem Phänomen auf der Spur.
Flexion und Derivation
Um zu verstehen, was bei einer Derivation beziehungsweise bei der Flexion passiert, muss geklärt werden, in welcher Linguistischen Teildisziplin wir uns eigentlich befinden. Wir befinden im Bereich der Morphologie.
Im Gegensatz zur Flexion, die mit Hilfe von Affixen Verben, Substantive und Adjektive an Zeit, Person, etc. anpasst, also die Wortform angleicht, wird bei der Derivation durch das Anhängen eines Affixes ein neues Wort geschaffen, man spricht auch von der Transformation in eine andere Wortart. Hier liegt also ein Wortartenwechsel vor.
unter Morphemen versteht man die kleinsten bedeutungstragenden Baueinheiten von Wörtern. Ausdrücke wie rot, Haus, auf kann man nicht mehr in kleinere bedeutungstragende Einheiten zerlegen. Es handelt sich um mono-morphematische Wörter, um Simplizia.[3]
Wird ein Wort morphologisch verändert, gibt man ihm durch Affixe, hier sind in der Hauptsache Präfixe und Suffixe möglich, eine weitere Information mit, die das Basiswort verändern, es in eine andere Wortklasse heben oder auch nur an Objekt und Subjekt anpassen. Bei der Nominalisierung mit dem Suffix -ung handelt es sich um Derivation, das bedeutet, dass aus einem Verb mit Hilfe eines Suffixes ein Nomen gemacht wird. Derivation kann auch mit einem Nullmorphem funktionieren:
(V.) glauben à (N.) der Glaube
Klären lässt sich allerdings nicht, ob das oben gegeben Beispiel tatsächlich ein Derivat mit Nullmorphemanschluss ist, oder aber durch Konversion entstanden ist. Bei der Konversion werden Wörter ohne Stammvokalveränderung oder Affigierung in eine andere Wortart transformiert.
Dies scheint eine saubere Lösung zu sein, doch streitet man sich in der Fachliteratur darüber, ob dieser (relativ simple) Ansatz wirklich Berechtigung hat.
Von der Wortbildung ist die Flexion (Formenbildung) abzuheben, und zwar in Bezug auf Derivation. Sowohl Derivation als auch Flexion sind morphologische Prozesse, bei denen bestimmte Bausteine miteinander zu größeren Einheiten kombiniert werden. Man unterscheidet sie terminologisch als Wortbildungs- und Flexionsmorphologie und betont damit die Verschiedenheit ihrer Funktion. Während durch Derivation neue Wörter bzw. Stämme mit jeweils spezifischen lexikalischen Bedeutungen entstehen (a), sind es bei der Formenbildung grammatische Formen eines Wortes (b). An der gleich bleibenden lexikalischen Bedeutung sind die unterschiedlichen Wortformen als zu ein und demselben Lexem gehörig erkennbar.[4]
Flexion
Bei der Flexion handelt es sich um die Wortformbildung. Hier werden innerhalb eines gegebenen Flexionsparadigmas die Worte nach den verschiedenen Merkmalsklassen, also nach Numerus, Genus, Person, Kasus, Tempus, Modus, Genus Verbi und Komparation flektiert. Flektiert werden neben Substantiven auch Pronomen, Artikel, Verben und Adjektive. Hierbei entstehen keine neuen Wörter als Teile einer neuen Wortart mit neuer semantischer Bedeutung, sondern nur neue Formen des Wortes. Deshalb spricht man auch von Beugung, wenn es um die Flexion geht. Die Flexionsaffixe sind mit grammatischen Kategorien aufgeladen, nicht aber bedeutungstragend im Sinne des Lexikons. Flexionsmorpheme modifizieren Worte, wohingegen Derivationsmorpheme Wortarten klassifizieren.
Derivation
Bei der Derivation handelt es sich um eine Möglichkeit der Wortbildung. Ein Derivat besteht aus mindestens einem Grundmorphem - dem Stamm eines Verbs zum Beispiel – und mindestens einem Formationsmorphem. Hier ist sowohl das Anhängen eines Suffixes, als auch das Anhängen eines Präfixes zur Bildung eines Wortes möglich. Durch das Anhängen eines Affixes wird demnach ein neues Wort erzeugt. Die Affixe an sich tragen bestimmte Bedeutungen beziehungsweise Bedeutungstendenzen, die durch das Verbinden des Affixes mit dem Grundmorphem ein neues Wort erzeugen. Man kann so aus einem Verb durch Suffigierung mit –ung, -e, -heit, -keit etc. neue Wortarten kreiern. Auch das Anhängen eines Nullmorphems erzeugt ein Wort in einer neuen Wortart. Dies ist aber umstritten, da auch argumentiert werden kann, dass bei Wortartenwechseln, in denen die Form des Wortes gleich bleibt, also kein Affix zugefügt wird, ausschließlich eine Umkategorisierung (also eine Konversion) vorliegt und keine Derivation.
Eine weitere Möglichkeit der Wortbildung ist die Komposition, hierbei tragen die Teile die zu einem Wort zusammengesetzt werden jeweils eigene lexikalische Bedeutung. Zum Beispiel bei der Komposition ‚Tischbein’ haben beide Grundmorpheme ‚Tisch’ und ‚Bein’ einen eigenen Eintrag im mentalen Lexikon.
Bei der Derivation hingegen wird an ein Grundmorphem ein Affix angehängt, welches selbst keinen Eintrag im mentalen Lexikon aufzuweisen hat. Nimmt man das Substantiv ‚Grabung’, erkennt man, dass durch das Grundmorphem grab-, also dem Stamm des Verbs ‚graben’ und den Anhang des Suffixes –ung ein neues Substantiv entsteht.
Die beiden unmittelbaren Konstituenten eines Derivats sind zum einen eine wortfähige Konstituente und zum anderen ein Affix, im Fall des oben genannten Beispiels ‚Grabung’ ein Suffix. Bei der Suffixderivation stellen die angehängten Suffixe den Kopf des Derivats dar. Das Suffix -ung bildet die Wortart (Substantiv) und kann somit als Wortbildungssuffix bezeichnet werden.
[...]
[1] Demske, Ulrike. Zur Geschichte der UNG-Nominalisierung im Deutschen. Ein Wandel morphologischer Produktivität. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. 122 (2000). S.366.
[2] Demske, Ulrike. Zur Geschichte der UNG-Nominalisierung im Deutschen. Ein Wandel morphologischer Produktivität. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. 122 (2000)
[3] Meibauer, Jörg. Lexikon und Morphologie. In: (Hg) Meibauer, Jörg. Einführung in die germanistische Linguistik. Metzler. 2002. S.17.
[4] Duden Band 4. Die Grammatik. 7.Auflage. Dudenverlag Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich. 2005. S.645