Die Versuche, das Heute zu verstehen, gelingen nicht ohne einen Blick zurück. Die Versuche, Deutschland zu erklären, können nicht gelingen ohne ein ausgeprägtes Verständnis vom so genannten „Dritten Reich“. Doch dieses Verständnis ist zum großen Teil nicht vorhanden.
In großen Teilen der Bevölkerung herrscht das Gefühl vor, nicht mehr mit den „Sünden unserer Urgroßväter“ belastet werden zu wollen. Die Diskussion über Schuld und Sühne sind viele leid. Und – so meine Erfahrungen – geschieht das, obwohl nie eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattgefunden hat. Deshalb findet auf der Grundlage eines verklärten Blickes eine Beurteilung statt. Kaum jemand hat eigentlich eine genaue Vorstellung von der Wirklichkeit des NS-Systems. Deshalb wird die These des „Verführten Volkes“ oder der „Mythos der überredeten Massen“ vielfach weiter verbreitet.
„Die „Publizistik ist ein schlechthin bestimmender Faktor des öffentlichen Geschehens und des Handels geworden. Der Sieg Hitlers über den Staat von Weimar, die Gewinnung der Mehrheit des Volkes für das NS-Regime, die Führung des Zweiten Weltkrieges bis zu seinen äußersten Folgerungen sind überwiegend das Ergebnis der publizistischen Führungsmethoden des Nationalsozialismus.“
Die vorliegende Arbeit wird versuchen, dem Leser einen Einblick in die alltägliche Meinungsmanipulation durch die NS-Propaganda und die „Methoden, Wirkungen und Grenzen der Meinungsmanipulation“ zu gewähren. Um diese Manipulation anschaulich darzustellen, begrenzt sich die vorangegangene Textanalyse auf ein Medium und einen Sachverhalt. Die Berichterstattung des „Völkischen Beobachter“, des zentralen Parteiorgans der NSDAP, zu den Berlin-Bombardements der alliierten Streitkräfte, wird im Folgenden untersucht werden. Als Reichshauptstadt kommt Berlin ein wesentliches Gewicht zu, da hier das Zentrum des Regimes war und Berlin zudem eins der wichtigsten Industriezentren Deutschlands war.
Diese exemplarische Methode scheint sinnvoll, da dem Leser anhand einzelner Artikel stärker ein Eindruck der Meinungsmanipulation vermittelt werden kann, als dies bei einer rein theoretischen Auseinandersetzung mit der Materie möglich wäre.
Ziel ist es, dass der Leser die Mechanismen der „totalen geistigen Indoktrinierung der Massen“ erkennt und versteht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Untersuchungsgegenstände und Abgrenzung
1.2. Quellenlage und Forschungsstand
1.2.1. Luftkrieg
1.2.2. Propaganda
1.2.3. Moral und Haltung der Bevölkerung
2. Luftkrieg über Deutschland
2.1. Die Vorbereitungen und Anfänge
2.2. Ziel: Berlin
2.3. Luftkrieg über Deutschland 1941/42
2.4. Berlin in den Jahren 1941-1942
2.5. Luftkrieg über Deutschland 1943
2.6. Berlin im Jahr 1943
2.7. Luftkrieg über Deutschland 1944
2.8. Berlin im Jahr 1944
2.9. Luftkrieg über Deutschland 1945
2.10. Berlin im Jahr 1945
2.11. Verteidigungseinrichtungen
2.11.1. Jagdflieger
2.11.2. Flak
2.11.3. Bunker
2.11.4. Luftalarmierung
2.11.5. Verdunkelung und Scheinanlagen
2.12. Folgen des Luftkriegs
3. Die Wahrnehmung und die Folgen des Bombenkriegs 1939-1945
3.1. Wahrnehmung der Angriffe - Die Bevölkerung im Luftkrieg
3.1.1. Die Bevölkerung vor dem ersten Luftangriff
3.1.2. Nach den ersten Angriffen - September ´39 bis November ´41
3.1.3. Die Feuerpause - November ´41 - Januar ´43
3.1.4. Unfassbare Angriffe - Januar ´43 bis November ´43
3.1.5. „Wir haben einen Weltuntergang überlebt“ - Die Schlacht um Berlin
3.1.6. Tagesangriffe - die Bevölkerung ab 1944
3.1.7. Endzeit - Januar bis Mai ´45
3.1.8. Die Bevölkerung nach dem Krieg
3.2. Luftkriegs-Erfahrungen
3.2.1. Erfahrungen zu Beginn eines Bombardements
3.2.2. Erfahrungen während der Bombardements
3.2.3. Erfahrungen direkt nach einem Bombenangriff
3.2.4. Erfahrungen in den Tagen der Bombardements
3.2.5. Verlust des Wohnraums
3.3. Die Bevölkerung außerhalb des NS- Gleichschritts
3.3.1. Egoismus statt Gemeinschafts-Leben
3.3.2. Entpolitisierung
3.3.3. „Das Schicksal Hamburgs droht auch Berlin“
3.3.4. Kritik am Regime
3.3.5. Arbeits-Moral
3.3.6. Der Glaube an den Endsieg geht verloren
3.3.7. Resignation statt Rebellion
4. Propaganda im Nationalsozialistischen System
4.1. Das System der Presselenkung
4.2. Stellenwert von Propaganda im Nationalsozialistischen System
4.3. Funktionsweise der Propaganda
4.4. Nationalsozialistische Meinungs-Forschung
4.5. Grundlagen des nationalsozialistischen Propaganda-Apparats
4.5.1. Propagandatheorie Hitlers
4.5.2. Propagandatheorie Goebbels
4.5.3. Das System der Presselenkung
4.5.3.1. Die ersten Schritte
4.5.3.2. „Zum Schutz von Volk und Staat“
4.5.3.3. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
4.5.3.4. Propagandaveranstaltungen
4.5.3.5. Reichskulturkammergesetz
4.5.3.6. Schriftleitergesetz
4.5.3.7. „Reichsverband der Deutschen Zeitungsverleger“
4.5.3.8. Monopolisierung durch das Deutsche Nachrichtenbüro
5. Nationalsozialistische Propaganda-Methoden
5.1. Propaganda-Taktik zum Bombenkrieg
5.1.1. Luftkriegspropaganda bis 1940
5.1.2. Sprachregelungen und gesteuerte Informationen
5.1.3. Luftkrieg gegen England
5.1.4. 1941: Regionalisierung der Informationen
5.1.5. 1942: Totaler Luftkrieg erforderte totale Propaganda
5.1.6. 1943/44: Wehrlosigkeit in der Luft und an den Druckmaschinen
5.2. Methoden und Mittel der Meinungsführung
5.2.1.Verschweigen, Zurückstellen und Deuten
5.2.2. Konzentration auf Einzelgegner
5.2.3. Zwietracht
5.2.4. Beschimpfungen, Hasspropaganda, Lächerlichkeit
5.2.5. Glaubwürdigkeit
5.2.6. Nuancierung
5.2.7. Wiederholung
5.2.8. Rechtfertigung
5.2.9. Stützung durch ausländische Pressestimmen und Mundpropaganda
5.2.10. Begriffe und Schlagworte
5.2.11.Aktion
5.2.12. Heroisierung und Beschwörung der Volksgemeinschaft
5.2.12. Propaganda des Terrors
6. Der „Völkische Beobachter“
6.1. Stellung der Presse im Nationalsozialismus
6.2. Wer den Völkischen Beobachter liest, ist dem Führer näher als jeder andere“.
6.3. Der „Völkische Beobachter“ vor 1933
6.4. Der „Völkische Beobachter“ ab 1933
7. Analyse des „Völkischen Beobachters“
7.1. Analyse des „Völkischen Beobachters“ von Februar bis Mai 1943
7.2. Analyse des „Völkischen Beobachters“ vom 1.Juni 1943 bis Mitte September
7.3. Analyse des „Völkischen Beobachters“ vom 15.September bis zum 15. Dezember ´43
7.4. Analyse des „Völkischen Beobachters“ vom 16.Dezember ´43 bis zum 15. März ´44
7.5. Analyse des „Völkischen Beobachters“ vom 16.März bis zum 31.August ´44
7.6. Analyse des „Völkischen Beobachters“ von September bis Dezember ´44
7.7. Analyse des „Völkischen Beobachters“ von Januar bis April ´45
7.8. Weitere Stilmittel der Berichterstattung zum Luftkrieg
7.8.1. Aufrufe zum Lynchmord
7.8.2. „Kraft durch Furcht“
7.8.3. Zwietracht unter den Alliierten
8. Folgen der Propaganda
8.1. Fehler der Propaganda
8.2. Folgen
8.2.1. Spekulationen und Gerüchte
8.2.2. Alternative Nachrichtenquellen
8.2.3. Terror-Propaganda
8.2.4. Versagen der Bombenkriegs-Propaganda
8.2.5. Glaubensverlust an das System
9. Konklusion
9.1. Propaganda im „Völkischen Beobachter“
9.2. Scheitern des VB
9.3. Propaganda für die Führenden
10. Quellen- und Literaturverzeichnis
11. Anhang
11.1. Ausgaben des „Völkischen Beobachters“
11.1.1. „Völkischer Beobachter“ vom 27.November 1943, S.1
11.1.2. „Völkischer Beobachter“ vom 27.November 1943, S.3
11.1.3. „Völkischer Beobachter“ vom 29.November 1943, S.1
11.1.4. „Völkischer Beobachter“ vom 30.November 1943, S.3
11.1.5. „Völkischer Beobachter“ vom 14.Dezember 1943, S.1
11.1.6. „Völkischer Beobachter“ vom 27.Januar 1944, S.5
11.1.7. „Völkischer Beobachter“ vom 6.Februar 1944, S.1
11.1.8. „Völkischer Beobachter“ vom 17.Februar 1944, S.1
11.1.9. „Völkischer Beobachter“ vom 3.März 1944, S.1f.
11.1.10. „Völkischer Beobachter“ vom 15.April 1944, S.5
11.1.11. „Völkischer Beobachter“ vom 17.Juni 1944, S.1
11.1.12. „Völkischer Beobachter“ vom 24.Juni 1944, S.4
11.1.13. „Völkischer Beobachter“ vom 25.Juni 1944, S.3
11.1.14. „Völkischer Beobachter“ vom 13.September 1955, S.3
11.1.15. „Völkischer Beobachter“ vom 25.Oktober 1944, S.1f.
11.1.16. „Völkischer Beobachter“ vom 15.Dezember 1944, S.5
11.1.17. „Völkischer Beobachter“ vom 4.Februar 1945, S.1
11.1.18. „Völkischer Beobachter“ vom 7.Februar 1945, S.1
11.1.19. „Völkischer Beobachter“ vom 21.Februar 1945, S.1
11.2. Artikel mit Luftkriegsbezug im „Völkischen Beobachter“
vom 22.Februar 1943 bis zum 20.April 1945
Erklärung an Eides Statt
Lebenslauf
1. Einleitung
Die Versuche, das Heute zu verstehen, gelingen nicht ohne einen Blick zurück. Die Versuche, Deutschland zu erklären, können nicht gelingen ohne ein ausgeprägtes Verständnis vom so genannten „Dritten Reich“. Doch dieses Verständnis ist zum großen Teil nicht vorhanden.
In großen Teilen der Bevölkerung herrscht das Gefühl vor, nicht mehr mit den „Sünden unserer Urgroßväter“ belastet werden zu wollen. Die Diskussion über Schuld und Sühne sind viele leid. Und - so meine Erfahrungen - geschieht das, obwohl nie eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattgefunden hat. Deshalb findet auf der Grundlage eines verklärten Blickes eine Beurteilung statt. Kaum jemand hat eigentlich eine genaue Vorstellung von der Wirklichkeit des NS-Systems. Deshalb wird die These des „Verführten Volkes“ oder der „Mythos der überredeten Massen“ vielfach weiter verbreitet.
„ Die „ Publizistik ist ein schlechthin bestimmender Faktor des ö ffentlichen Geschehens und des Handels geworden. Der Sieg Hitlers ü ber den Staat von Weimar, die Gewinnung der Mehrheit des Volkes f ü r das NS-Regime, die F ü hrung des Zweiten Weltkrieges bis zu seinen ä u ß ersten Folgerungen sind ü berwiegend das Ergebnis der publizistischen F ü hrungsmethoden des Nationalsozialismus. “ 1
Die vorliegende Arbeit wird versuchen, dem Leser einen Einblick in die alltägliche Meinungsmanipulation durch die NS-Propaganda und die „Methoden, Wirkungen und Grenzen der Meinungsmanipulation“ zu gewähren. Um diese Manipulation anschaulich darzustellen, begrenzt sich die vorangegangene Textanalyse auf ein Medium und einen Sachverhalt. Die Berichterstattung des „Völkischen Beobachter“, des zentralen Parteiorgans der NSDAP, zu den Berlin-Bombardements der alliierten Streitkräfte, wird im Folgenden untersucht werden. Als Reichshauptstadt kommt Berlin ein wesentliches Gewicht zu, da hier das Zentrum des Regimes war und Berlin zudem eins der wichtigsten Industriezentren Deutschlands war.
Diese exemplarische Methode scheint sinnvoll, da dem Leser anhand einzelner Artikel stärker ein Eindruck der Meinungsmanipulation vermittelt werden kann, als dies bei einer rein theoretischen Auseinandersetzung mit der Materie möglich wäre. Ziel ist es, dass der Leser die Mechanismen der „totalen geistigen Indoktrinierung der Massen“2 erkennt und versteht.
Aufgrund des Umfangs dieser Examensarbeit werde ich mich auf Ausführungen zur Presse beschränken und andere Bereiche, auf die die nationalsozialistische Propaganda Einfluss hatte, wie etwa den Rundfunk und Film unerwähnt lassen.
1.1. Untersuchungsgegenstände, Abgrenzung und Aufbau
Um ein umfassendes und verständliches Bild der Meinungsmanipulation zu zeichnen, werden in den folgenden Kapiteln zuerst die Rahmenbedingungen geklärt.
Zuerst ist es wichtig zu verstehen, welche Bedeutung sowohl für die deutsche als auch für die alliierte Seite die Luftschlacht um Berlin hatte. Deshalb erklärt der erste Teil der Arbeit allgemein den militärischen Ablauf der „Luftschlacht über Deutschland“, der Schwerpunkt liegt dabei auf der Reichshauptstadt. Diese Darstellung des Luftkrieges soll darüber hinaus verdeutlichen, wie entartet und unmenschlich der Zweite Weltkrieg war und einen Einblick in die Psychologie der Kriegführenden bieten.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Wahrnehmung, den psychologischen Auswirkungen und den Folgen des Luftkrieges durch die Berliner Bevölkerung.
Aufgrund von Augenzeugenberichten soll dem Leser der Alltag der Zivilbevölkerung vermittelt werden. Diese Erfahrungen der unmittelbar Betroffenen werden leider in den meisten Studien zur Propaganda und ihrer Wirkung nur sehr wenig betont. Doch diese Erfahrungen bildeten die Basis, auf der Medien, speziell die Propaganda der Partei, konsumiert wurden. So wird es möglich, Propaganda und Selbsterfahrung - welches Bild zeichneten die Medien und wieweit entfernte sich dieses Bild von den eigenen Erlebnissen - zu vergleichen. Die Texte im „Völkischen Beobachter“ sollen nicht „unabhängig von ihrem situativen und adressatenspezifischen Kontext auf allgemeine Merkmale `faschistoider´ Sprache und auf ein typisch faschistisches Ideenagglomerat hin“3 untersucht werden, sondern in ihrem komplexen Kontext betrachtet werden. In diesem Zusammenhang fand auch die Entwicklung der Moral, Stimmung und Haltung der Berliner Beachtung.
Der dritte Teil der Arbeit, die Kapitel „Propaganda im Nationalsozialistischen System“ und „Nationalsozialistische Propaganda-Methoden“, erklärt den Aufbau und die Funktionsweise des nationalsozialistischen Propagandaapparats und begründet den Stellenwert von Propaganda im NS-System. Sie war eine der Säulen, auf denen das Gebäude der nationalsozialistischen Diktatur stand. Für diesen Teil der Arbeit ist das wesentlichste Werk die Studie „Inszenierte Kriegsbegeisterung und ohnmächtiger
Friedenswille“ von Jörg Bohse, die 1988 erschien. Im Folgenden werden die Propaganda-Methoden behandelt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Propaganda zum Luftkrieg, denn mit diesem wurden erstmals alle Pläne der NS-Propaganda durchkreuzt.4 Die Presse sah sich fortan in einer permanenten Erklärungsnot. Welche Methoden wurden langfristig und kurzfristig gewählt zur Aufrechterhaltung der Volksstimmung? Daneben werden die allgemeinen Methoden der Meinungslenkung erklärt.
Der vierte Teil analysiert die Berichterstattung des „Völkischen Beobachters“ und schließt die Analyse der Berichterstattung zu den Bombardements auf Berlin mit ein. Die Ergebnisse der Textanalyse werden mit den Methoden der Propaganda aus dem dritten Teil dieser Arbeit abgeglichen, um festzuhalten, mit welchen Mitteln der „Völkische Beobachter“ versuchte, seine Ziele zu erreichen.
Im letzten Kapitel soll die Frage geklärt werden, welche Folgen diese Propaganda hatte und ob sie gegen die niederschmetternden Erfahrungen der einzelnen Berliner ankam. Gerade in Berlin, wo die Vorraussetzungen für Missmut, Unzufriedenheit und Wut auf das NS-Regime eher bestanden als in Gebieten, die weniger stark vom Luftkrieg betroffen und getroffen waren.
So möchte diese Arbeit den Versuch wagen, ein wenig Licht in die Wirkung der Propaganda zu bringen. „Schwierig und umstritten ist aber bis heute die Einschätzung der tatsächlich eingetretenen Wirkungen der intendierten ideologischen Formierungseffekte auf die Massen (…)“5
1.2. Quellenlage und Forschungsstand
1.2.1. Luftkrieg
Bis in die 80er Jahre wurde in der angelsächsischen und westdeutschen Forschung die meiste Aufmerksamkeit der Strategie und Taktik der angloamerikanischen Bomberverbände geschenkt. Wenig Interesse bestand für die Schicksale der einzelnen Betroffenen.6 Die militärtechnische Frage war, ob die Flächenbombardements eine technische Notwendigkeit aufgrund der geringen Zielgenauigkeit oder eine politische motivierte Entscheidung gewesen war.7
Die DDR-Geschichtsschreibung begriff den Luftkrieg gegen Deutschland als direkte Folge der deutschen Angriffe. Diese wurden mit großer Brutalität z.B. gegen Warschau, Rotterdam und Coventry durchgeführt. Doch auch die DDR-Geschichtsschreibung konzentrierte sich mehr auf die politischen Verantwortlichen als auf die Opfern. Besonderer Aufmerksamkeit wurde der Frage gewidmet, wer die Schuld am Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung habe, wer zuerst systematisch die Bevölkerung bombardierte.8
Die Opfer-Perspektive wurde als erstes in den Werken von Martin Middlebrook und Hans Brunswig berücksichtigt. In den 80er Jahren beschäftigte sich Manfred Asendorf intensiv mit der Perspektive der Opfer der Bombenangriffe auf Hamburg 1943. Die Wirkungen und Auswirkungen des Bombenkriegs können daher nicht ohne „Oral History“ umfassend beschrieben werden. Seit den 70er Jahren erhält die Erforschung des Alltags ein größeres Gewicht in der Beurteilung von gesamthistorischen Zusammenhängen. Alltagsgeschichte hilft dabei, Schwarz-Weiß Bilder aufzulösen und ein differenziertes Bild zu geben. Eben jenes Bild, das helfen kann, die Wirklichkeit zu verstehen.
1.2.2. Propaganda
In einem Teil der wissenschaftlichen Werke, die sich nach 1945 der Rolle der Propaganda des Nationalsozialismus widmeten, wurden die Topoi von der „Allmacht der Propaganda“ als Erklärungsmodell benutzt. Bohse beschreibt dieses bis zur Mitte der 60er Jahre vorherrschende Erklärungsmodell folgendermaßen: „In der Weimarer Republik gab es einen Wahnsinnigen namens Hitler, der mit dämonischen Kräften und der Magie des Wortes eine derart unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Massen ausübte, dass sie gegen ihren Willen und ihr besseres Wissen in einen Rausch gerieten, aus dem sie erst im Abgrund der Katastrophe wieder erwacht sind.“9 „Das selbständige Denken ist so weitgehend ausgeschaltet, dass die auch dem Laien begreifbaren Tatbestände einfach nicht mehr zur Kenntnis genommen werden“10 schrieb Hagemann 1948 über die Verfassung des deutschen Volkes in den letzten Kriegsmonaten. In den 60er Jahren wurde diese Position großenteils aufgegeben, doch die Wirkung und die Verführungskraft der Propaganda wurden weiterhin betont. Bis in die 70er konzentrierte sich die Forschung auf Einzelaspekte der Presselenkung, und vernachlässigte so oft den Zusammenhang mit Politik, Wirtschaft und den Lebensumständen der Rezipienten.11 Zudem wurde bis in die Mitte der 60er Jahre fast ausschließlich die „Aktivseite“ der Meinungsmanipulation beleuchtet, d.h. deren Organisationsformen, Instrumente, Methoden, Inhalte und Sprache.12
1.2.3. Moral und Haltung der Bevölkerung
Wichtige Quellenedition für diese Arbeit waren die von Wolfram Wette herausgegebenen „Stimmungsberichte der Wehrmachtspropaganda 1944/45“13, die gesondert die Stimmung in Berlin erfassen. Des Weiteren wichtig waren die von Hans Boberach herausgegebenen „Meldungen aus dem Reich“. Marlies Steinert hat diese Quellen in ihrem Werk „Hitlers Krieg und die Deutschen“ analysiert, um ein Bild von der Haltung und Stimmung der Deutschen im Zweiten Weltkrieg zu geben.
2. Luftkrieg über Deutschland
Der Luftkrieg war vor allem gekennzeichnet von den militärischen Entwicklungen. Eine vor allem die Zivilbevölkerung zermalmende Kriegsmaschinerie wurde aufgebaut, ein Wettrüsten der alliierten und der deutschen Luftstreitkräfte. Doch so tödlich auch die Waffen an sich waren, so lenkten doch Menschen sie. Im Verlauf der Luftschlacht über Deutschland wurde klar, wie entartet und unmenschlich der Zweite Weltkrieg war.
Der Luftkrieg bedeutete einen Bruch in der Geschichte der Kriegsführung. Er war der gnadenlose, harte und brutale Bruch mit dem bisherigen Kriegsbild, welches zur Orientierung das Völkerrecht hatte und somit eine Unterteilung in Kämpfer und Nichtkämpfer. Doch wer bisher als Nichtkämpfer in der Heimat auf Berichte von der Front wartete, der war plötzlich im Mittelpunkt der Angriffe. „Was früher als Zone größter Sicherheit in Ansehen stand, gewann nun häufig den Ruf eines Gebietes höchster Lebensgefährdung.“14
2.1. Die Vorbereitungen und Anfänge
Die Deutschen waren vor Kriegsbeginn 1939 zuversichtlich, vor Luftangriffen keine Angst haben zu müssen. Im europäischen Ausland verfügte weder Polen, noch Frankreich oder England über so starke Bomberverbände, dass diese auf deutschem Territorium wirklich großen Schaden hätten anrichten können. In Polen gab es gerade einmal 36 Bomber, Frankreich hatte ungefähr 370 veraltete Maschinen und England besaß knapp 400 Bomber15. Diesen standen auf deutscher Seite im September 1939 mehr als 1000 moderne Abfangjäger und 200 Zerstörerflugzeuge gegenüber.16 Die deutsche Luftkriegstaktik war lange überdacht worden. Schon 1933 existierten die Pläne, nach denen die feindlichen Hauptstädte systematisch aus der Luft angegriffen werden sollten, um die Moral der Bevölkerung zu schwächen.17 Wer Deutschland aus der Luft angriff, sollte durch die deutsche Bomberflotte abgeschreckt werden: Über 1000 moderne Flugzeuge waren für Vergeltungsschläge bereit.18 Die polnische Bomberstaffel war erwartungsgemäß schnell ausgeschaltet worden, und auch die Luftkräfte der Niederlande und Belgiens stellten für die starken deutschen Verbände kein Problem dar.19
Am vierten Tag des Zweiten Weltkrieges, dem 4.September 1939, starteten erstmals britische Bomber der Royal Air Force R.A.F. gegen Deutschland. Es wurden deutsche Kriegsschiffe bombardiert.20 Der erste Bombenangriff gegen Ziele auf deutschem Boden erfolgte am 19.März 1940. Angriffspunkt war Sylt, und die angerichteten Schäden waren minimal.21
Der 15.Mai 1940 wurde ein wesentliches Datum für den Bombenkrieg. Die erste strategische Bomberoffensive begann. Winston Churchill, der neue britische Premierminister, hatte an diesem Tag die Sperre für Luftangriffe auf zivile Ziele aufgehoben. Während der ersten vier Monate flog das Bomber Command rund 8000 Einsätze, wobei es nur zwei Prozent der Maschinen verlor. Eine durchaus positive Bilanz für die Briten,22 eine negative für die deutsche Luftwaffe. Von August bis Oktober büßten die Deutschen drei Viertel der einsatzbereiten Jäger und Bomber ein, doppelt so viele Maschinen wie die Angreifer.23
Somit verlor Deutschland schon im Jahr 1940 mehr und mehr die Oberhand. Statt Tagesangriffe auf England flog die Luftwaffe zunehmend Nachtangriffe, um die Gefahr für die eigenen Flieger zu minimieren.24 Der Bevölkerung wurde über den Verlauf des Luftkrieges im Unklaren gelassen.
2.2. Ziel: Berlin
Berlin zu bombardieren hatte Signalwirkung: Es war die Hauptstadt und die Festung des Deutschen Reiches, und somit Winston Churchills vorrangiges Ziel. Berlin zu treffen war aus mehreren Gründen wichtig: Erstens sollten die Niederlagen an den Fronten kompensiert werden. Zweitens wussten die Alliierten, dass jede Bombe auf Berlin ihr Echo in den Ministerien, Botschaften und Nachrichtenagenturen hatte.
Drittens kam die Hoffnung hinzu, dass das moralische Klima im politischen Machtzentrum sich schneller und stärker gegen das NS-Regime wenden könnte, da Berlin geschichtlich eine Hochburg der KPD und SPD gewesen war.25
Viertens war Berlin ein kriegswirtschaftlich wichtiges Ziel: Allein 574.000 Beschäftigte gab es schon 1936,26 1939 waren es 800.000 Arbeiter.27 1940 betrug der Berliner Gesamtumsatz der Wirtschaft 14 Prozent des ganzen Reiches.28 Zudem expandierte die Berliner Rüstungswirtschaft während des Krieges weiter: 1943 wurde dort jeder zehnte Flugzeugmotor, jeder Elektromotor der U-Boote, jeder vierte Panzer und fast die Hälfte aller Geschütze produziert.29
Fünftens war Berlin Verkehrsmittelpunkt für Schiene, Strasse, Wasserverkehr und Luftverkehr.30 Sechstens war Berlin die Stadt „des faschistischen deutschen Imperialismus, die zum Symbol des Weltherrschaftsstrebens des deutschen Monopolkapitals“ geworden war. Berlin war die Schaltzentrale der Machtorgane, Sitz von Forschungsinstitutionen und Sitz des nationalsozialistischen Propagandaapparats.31
Den ersten Luftalarm erlebte Berlin schon am 1.September 1939, dem Tag des deutschen Einmarsches nach Polen. Zwei deutsche Flugzeuge waren in den geschützten Luftraum eingeflogen, doch die Propaganda verbreitete, dass es polnische gewesen seien.32
In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober 1939 flogen dann die ersten britischen Flugzeuge Berlin an. Sie warfen lediglich Flugblätter ab.33
Mitte 1940 fielen die ersten Bomben auf Berlin. In der Nacht vom 7. auf den 8.Juni 1940 warf ein französisches Flugzeug seine Bombenlast ab.34 Und britische Flugzeuge drangen am 28.Juni 1940 bis an den Stadtrand Berlins vor, um Sprengkörper abzuwerfen.35
Der erste wirkliche Angriff, den die britischen Luftstreitkräfte auf Berlin flogen, fand in der Nacht vom 25 auf den 26.August 1940 statt. „Following raids by German bombers on London and other English cities the previous night, the War Cabinet sanctioned the first raid on Berlin.“36 Der Angriff war als Vergeltungsmaßnahme für das nicht einmal 24 Stunden zurückliegende London-Bombardement gedacht.37 Ungefähr 50 Flugzeuge sandten die Engländer nach Berlin, doch die Reichshauptstadt lag unter dichtem Nebel: Die Bombenabwürfe waren ungenau und trafen nur Landwirtschaftsbetriebe am Stadtrand. Die Berliner scherzten, dass nun wohl versucht werden soll, sie auszuhungern.38
Doch dieser Angriff bildete lediglich den Auftakt. Es ahnte niemand, dass die deutsche Hauptstadt fünf Jahre lang Ziel der Bomber sein würde. Siebenmal wurde allein bis zum
5.September in Berlin Luftalarm gegeben. Die ersten Toten unter der Zivilbevölkerung waren am 29.August 1940 zu beklagen. Schon jetzt nahmen die Angriffe an Heftigkeit zu. Am 23. und 24.September griffen bereits 111 Bomber Berlin an.39 Insgesamt warfen die alliierten Bomber 1940 36-mal ihre todbringende Bombenlast ab.40 222 Tote hatten die Bombardements gefordert, 428 Verletzte und über 9000 Obdachlose. Die Gesamtdauer der Luftalarme betrug 120 Stunden.41
2.3. Luftkrieg über Deutschland 1941/42
1941 war für die Luftwaffen auf beiden Seiten ein Jahr voller Erfahrungen. Während auf deutscher Seite fieberhaft an Radargeräten gearbeitet wurde, um die einfliegenden Verbände besser abwehren zu können, versuchte man auf englischer Seite, die Navigation der Verbände zu verbessern. Die Orientierung über einem verdunkelten Deutschland war schwierig, teilweise unmöglich, so dass die Bomben meist ihr Ziel verfehlten.42 Die Position eines Flugzeuges über dem Reichsgebiet war nur schwer zu ermitteln, auch wenn die Forschungen diesbezüglich in England vorangetrieben wurden.43 Und da die britische Luftwaffe die einzige Offensivwaffe war, die die Engländer nutzen konnten, weil an eine Invasion des Festlandes nicht zu denken war, wurde dem Bau schwerer Bomber in England höchste Priorität eingeräumt.44 Der Plan der Briten sah demnach vor, vor allem durch mehrjährige Bombardements eine Invasion des Festlandes möglich zu machen.45 Mitte des Jahres entwickelte der britische Air Staff ein Konzept über den Einsatz der Bomberwaffe in den nächsten Jahren, in dem die Zerstörung der Moral und die Zerrüttung des industriellen und sozialen Lebens der Deutschen im Mittelpunkt stand. Laut Plan sollten rund 4000 Bomber monatlich 75.000 Tonnen Bomben auf deutsche Städte werfen.46 Die Hoffnung hinter dieser Taktik: Durch die Zerstörung der Innenstädte und Wohnviertel sollte ein erheblicher Teil der Arbeiterschaft getötet oder arbeitsunfähig gemacht werden, um dadurch die Industrie in Mitleidenschaft zu schwächen.47
In diese Richtung entwickelte sich auch die Technik der Angriffe: Laut Plan sollten verschiedene Bombenarten abgeworfen werden, die eine Vernichtung bewohnter Gebiete durch Brände herbeiführen sollten.48
Im Dezember 1941 traten die Vereinigten Staaten in den Krieg ein. Sie und die Briten entschlossen, eine gemeinsame strategische Bomberwaffe aufzubauen.49 Dadurch gerieten die alliierten Angriffsmittel und die deutschen Abwehrmittel in eine absolute Ungleichheit.50
Im Februar 1942 wurde Air Marshall Arthur Harris zum Chef des Bomber Command ernannt.51 Er wollte dieses Jahr zu einem Entscheidungsjahr machen, und die technischen und politischen Entwicklungen erleichterten ihm diese Aufgabe: ausgebildeten Personal der RAF. Auch die stärkere Abwehr in Deutschland, die die Bomber in eine größere Höhe zwang, trug zur Ungenauigkeit beim Bombenabwurf bei. Zum einen erzielten britische Techniker und Ingenieure wesentliche Fortschritte in Bezug auf die Navigation der Flugzeuge.52 Zum anderen entschieden die Amerikaner, am europäischen Luftkrieg teilzunehmen. Sie verlegten die 8. USAAF am 23.7.1942 nach England. Allein bis zum Jahresende flogen sie 1273 Einsätze, vor allem gegen U- Boot-Häfen an der französischen Küste.53 Die Briten flogen im gesamten Jahr dagegen nur 1000 Luftangriffe.54 Somit wurde der 23.Juli zum wichtigsten Datum für die Entwicklung des Luftkrieges 1942. Fortan war nicht mehr England allein gefordert, und der große Bruder von der anderen Seite des Atlantiks machte eine große alliierte Luftoffensive möglich. England allein hätte dies aufgrund seiner knappen Ressourcen nicht leisten können. Insgesamt warfen die Alliierten 41440 Tonnen Bomben auf Deutschland.55 Am Jahresende war die Machtverteilung in der Luft klar: Luftschlachten wurden mehr als je zuvor über Deutschland geführt und die deutsche Luftwaffe sah sich zunehmend in der Verteidigung.56
Die Ziele blieben dieselben wie 1941: Die Bevölkerung zu demoralisieren und ihre Wohnbezirke und Arbeitsstätten zu zerstören.57 Folglich richteten sich die Angriffe mehr auf die Bevölkerung als auf militärische Objekte.58 „Es muss mit Nachdruck gesagt werden, dass - von Essen abgesehen - wir niemals ein besonderes Industriewerk als Ziel ausgewählt haben. Die Zerstörung von Kriegsanlagen erschien uns stets als eine Art von Sonderprämie. Unser eigentliches Ziel war bei allen Angriffen stets die Innenstadt“, erklärte der britische Luftmarshall Harris.59
2.4. Berlin in den Jahren 1941-1942
Nachdem es in den ersten Monaten 1941 ruhig am Himmel über Berlin war, setzte im März eine kleine Welle britischer Angriffe auf Berlin ein, die im April ihren Höhepunkt hatte. Im Juni und Juli erfolgten auch wenige Angriffe. Erst im Spätsommer wurde Berlin wieder mehrfach angegriffen. Im August 1941 kam es zu überraschenden russischen Störangriffen60 und die R.A.F. führte im August und September 18 Bombardements durch. 226 Tote durch Bomben hatte Berlin nach diesen Angriffen zu beklagen. Die Schäden hielten sich in Grenzen und wurden schnell repariert. 20.000 Obdachlose konnten fast problemlos entschädigt und untergebracht werden.61 Das letzte Berlin-Bombardement 1941 fand in der Nacht vom 7. auf den 8.November statt. Da 12,5% der einfliegenden Bomber von den deutschen Nachtjägern abgeschossen wurden, verbot Churchill diese Angriffe.62 Stattdessen verfolgte er sein Ziel, mit 1000- Bomber-Angriffen deutsche Städte einzuäschern. Für Berlin allerdings begann eine vierzehn Monate dauernde Feuerpause, die nur von wenigen Kurzalarmen unterbrochen wurde. Zusammen wurden 1941/1942 38 Fliegeralarme in Berlin gegeben.63 Insgesamt kostete der Luftkrieg über Berlin bis Ende 1941 448 Berlinern das Leben.64 In der Winterdirektive für das britische Bomber Command war Berlin als Ziel mit Rang fünf festgehalten. Dabei sollten die Angriffe auf dicht besiedeltes Gebiet mit größtmöglicher Zerstörung durchgeführt werden, um den Deutschen die Möglichkeiten der Bombenflugzeuge vorzuführen.65
2.5. Luftkrieg über Deutschland 1943
Die Konferenz von Casablanca, vom 14.1.1943 bis zum 25.1.1943, war die Geburtsstunde der `kombinierten Bomben-Operation´, in der sich die britische Taktik mit der amerikanischen „Round the clock bombing“ verband.66
In England selbst wurden die Flächenbombardements zwar thematisiert und teilweise kritisiert, aber eine Änderung der Strategie erreichten Kritiker nicht. Der stellvertretende Premierminister Englands, Attlee, erklärte vor dem Unterhaus: „Nein, es findet kein unterschiedsloses Bomben statt. Wie in diesem Hause stets festgestellt wurde, werden nur solche Ziele angegriffen, welche vom militärischen Standpunkt aus höchst wichtig sind.“67 Dies war dahingehend kein Widerspruch, da „Demoralisierung“ ein militärisches Ziel der Alliierten war. An den gezielten Bombardements der Innenstädte wurde somit weiterhin festgehalten. Luftmarschall Harris war 1943 zuversichtlich, dass es ihm gelingen würde, Deutschland bis zum 1.4.1944 zur Kapitulation zu zwingen. Auch US-Präsident Roosevelt verkündete, dass „die Festung Europa“ einnehmbar sein, weil sie „kein Dach“ habe. Die amerikanischen Luftkräfte führten 1943 im Schwerpunkt Präzisionsbombardements auf kriegswichtige Einrichtungen durch.68
Doch die Erfolge blieben aus: Weder eine Demoralisierung der Zivilbevölkerung noch eine Schwächung des Rüstungspotentials wurden erreicht, obwohl die Alliierten fast alles Mögliche taten.69 Die Großangriffe auf das Ruhrgebiet und die Operation „Gomorrha“ waren zwei Versuche der Alliierten, schnellstmöglich ihre Ziele zu erreichen.70 Wuppertal wurde am 29.Mai 194371 mit 719 Bombern angegriffen und so stark zerstört, dass Goebbels den deutschen Zeitungen verbot, über das Ausmaß der Zerstörungen und die Anzahl Toten zu berichten.72 Und die Operation „Gomorrha“ richtete sich gegen Hamburg, das zwischen dem 24. und 30.Juli 1943 zerbombt wurde. Görings Stellvertreter, Generalfeldmarschall Erhard Milch, sagte am 3.August 1943 im Reichsluftfahrtministerium im Rückblick auf die Angriffe auf Hamburg: „Noch fünf oder sechs weitere Angriffe wie die auf Hamburg, und das deutsche Volk ist weich, egal, welche Willenskraft es auch besitzen mag. Die Leute werden sagen: `Wir haben genug, wir können einfach nicht mehr...´ Was die Heimatfront jetzt zu ertragen hat, ist erschreckend.“73 Der Bombenkrieg war für die Bevölkerung grausam. Die abgeworfenen Sprengsätze und Phosphorkanister trieben die Bevölkerung aus den Stadtteilen. „Einige blieben in dem fußtief aufgeweichtem Asphalt stecken und verbrannten“74. Insgesamt wurden 1943 206.000 Tonnen Bomben abgeworfen, das Fünffache des Vorjahres.75 Es war nun klar, das Deutschland die Luftherrschaft verloren hatte. Das für unmöglich Gehaltene wurde Wirklichkeit.76 Doch die Widerstandskraft der Bevölkerung gab so schnell nicht nach.
2.6. Berlin im Jahr 1943
Nach der 14-monatigen Feuerpause wurde Berlin erst wieder am 16.Januar 1943 unter Beschuss genommen. 200 britische Bombenflugzeuge warfen 370 Tonnen Bomben ab. Auch die 8.US-Luftflotte beteiligte sich an den Angriffen im Januar.77 Anfang März lag der Höhepunkt einer Frühjahrsoffensive auf Berlin. Vom 1. auf den 2.März 1943 wurden nachts 610 Tonnen Bomben von 251 Bombern abgeworfen. 711 Tote waren zu beklagen, 1570 Verwundete, 35.000 Berliner wurden obdachlos. 17 Flugzeuge konnten von den Deutschen abgeschossen werden,78 doch bei diesem Angriff flogen die britischen Bomber so tief ein, dass die Splitter der Berliner Flak an den Häusern abprallten.79
Ab März wurden die weiteren Angriffe auf Berlin abgebrochen und auf den Herbst verschoben, da die alliierten Luftstreitkräfte für die „Schlacht um die Ruhr“ gebraucht wurden. Doch die Briten verfolgten auch in dieser Zeit die Taktik einer ständigen Beunruhigung und Zermürbung der Bevölkerung durch Störangriffe. Im Schutz der Nacht und so gewöhnlich zur Schlafenszeit griffen kleine Verbände von Flugzeugen des Typ „Mosquito“ Berlin an. Dadurch wurde in der Reichshauptstadt Luftalarm ausgelöst, die Alliierten warfen ein paar Bomben ab und die Berliner verloren wertvolle Stunden ihres Schlafes.80
Ab August 1943 wurden dann verstärkt Angriffe auf Berlin geflogen. In der Nacht zum 24.8.1943 erreichten 625 Bomber und 17 Mosquito-„Pathfinder“ die Reichshauptstadt.
33 Bomber wurden von deutschen Bombern abgeschossen, 24 von der Flak um Berlin.81 Die Zahl der Toten in Berlin lag bei 300, was mit den Verlusten bei den Angriffen zum Beispiel auf Hamburg nur eine geringe Anzahl war. Dennoch hatte die Reichshauptstadt schwere Schäden in den südlichen Vororten.82 Am 31.8.1943 schickte Arthur Harris erneut seine Bomber Richtung Berlin. Auch diesmal trafen die britischen Flugzeugbesatzungen auf eine motivierte Abwehr und verloren zahlreiche Maschinen.
Der erste große Angriff des fünften Kriegsjahres erfolgte in der Nacht auf den 4.9.1943. 295 Bomber griffen die Reichshauptstadt an und warfen 906 Tonnen Bomben.83 Es gelang den deutschen Nachjägern der Abschuss von 16 Feindbombern über Berlin. Die Flak schoss ebenfalls sechs Maschinen ab.84
In der Zeit zwischen dem 23.August 1943 und dem 4.September flog die R.A.F. mit insgesamt 1647 Bombern Berlin an, die 2321 Tonnen Sprengbomben und 1912 Tonnen Brandbomben abwarfen. 1646 Menschen verloren ihr Leben, über 145.000 wurden obdachlos.85
Schaubild 1 Luftangriffe auf Berlin und Alarmierungen pro Monat 1943
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Hauptquartier des Bomber Command hatte inzwischen Luftmarschall Harris einen Plan ausgearbeitet, der darauf abzielte, Berlin gänzlich zu vernichten. „Wir können Berlin von einem bis zum anderen Ende in Trümmer legen...“86 berichtete Arthur Harris dem Premier Winston Churchill. Harris wollte zusammen mit den amerikanischen Bomberverbänden und bei einem kalkulierten Verlust von 400 bis 500 Flugzeugen Berlin zerstören. Doch die Amerikaner lehnten ab. Churchill genehmigte dennoch Großangriffe auf die Reichshauptstadt, die nun die R.A.F. alleine fliegen mussten.87
Innenpolitisch und innerhalb des Militärs führten diese Pläne zu Kontroversen über die Taktik der strategischen Bombardements.88
Die „Schlacht um Berlin“ begann am 18.November 1943. Den Auftakt zur Luftschlacht flogen 444 Lancester Bomber, die in den Stadtteilen Pankow, Reinikendorf und Lichtendorf nur geringe Schäden anrichteten. Der erste große Schlag gelang am 22.November. Kurz nach sieben Uhr abends belegte die erste Bomberwelle die Innenstadt mit 2000 Tonnen Sprengbomben und 150.000 Brandstäben. Die Brände konnten nicht gelöscht werden, bevor die zweite Welle von Bombern eintraf. Dennoch: Berlin hatte Glück, nicht dasselbe Schicksal wie Hamburg zu teilen, und in einem Feuersturm abzubrennen.89 An den folgenden vier Tagen wurde Berlin keine Pause gegönnt. Jeden Abend flogen die Bomberverbände an. Doch eine totale Zerstörung gelang ihnen nicht.90 Allein bis zum 3.12.1943 wurden in fünf Großangriffen 2212 britische Bomber eingesetzt, die 8656 Tonnen Bomben abwarfen. 123 Bomber gingen verloren, in Berlin gab es 250.000 Obdachlose und 2700 Tote.91 Auch am 3.12.1943 griffen 401 britische Bomber Berlin an, von denen jedoch 40 abgeschossen wurden.92 Weitere Großangriffe wurden am 29.12.1943 mit 656 Bombern93 und an Heiligabend geflogen. 338 Maschinen flogen die Reichshauptstadt an und warfen 1288 Tonnen Sprengladungen. Eigentlich sollte in dieser Nacht ein geplanter 1000-Bomber-Angriff auf Berlin stattfinden, doch der englische Bischof George Bell verhinderte dies.94 Am 30.12.1943 fand das letzte Berlin-Bombardement im Jahr 1943 statt. 63 Fliegeralarme hatte es im ganzen Jahr gegeben.95
2.7. Luftkrieg über Deutschland 1944
Zahlreiche Überlegungen, alternative Kampfstoffe wie Gas- und Milzbrandbomben oder Kernwaffen gegen das Dritte Reich einzusetzen, waren auf britischer und amerikanischer Seite gemacht und letztlich verworfen worden.96 Die Antwort auf die Angriffe mit der deutschen Fernwaffe `V.1.´ war die Eskalation des Luftkriegs gegen die deutschen Städte.97 Zudem begann am 6.6.1944 die Invasion in der Normandie, die Boden- und Luftkräfte band.
Nachdem in den Sommermonaten die Hauptmenge der Bomben auf Städte, die von Deutschland okkupiert waren, geworfen wurden,98 konzentrierten sich die Bomberverbände im Herbst wieder auf Deutschland: Das „Herbstinferno“ begann.99 Von September bis Dezember 1944 warfen die Bomber der R.A.F. und der USAAF rund 26 Prozent aller insgesamt abgeworfenen Bomben auf Deutschland. Die relative Ruhe und das Sicherheitsgefühl im Sommer 1944 war schnell vergessen, denn das deutsche Frühwarnsystem brach stellenweise zusammen. Zudem verschlimmerten die Entwicklungen der Störsysteme und bessere Möglichkeiten der Navigation die Situation für die Zivilbevölkerung.100
Der Luftkrieg hatte sich auf ein bisher noch nicht gekanntes Maß gesteigert: Im gesamten Kriegsjahr 1944 wurden 1.202.000 Tonnen Bomben auf Deutschland geworfen.101 Ungefähr 180.000 Zivilisten starben.102
2.8. Berlin im Jahr 1944
Schon der Januar 1944 war für die Berliner ein unruhiger Monat. In der Nacht zum 2.1.1944 flogen 386 Bomber Berlin an und warfen 1401 Tonnen Bomben.103 Fünf weitere Angriffe folgten im selben Monat.104 Das traurige Ergebnis: Anfang Februar 1944 registrierte Berlin den 10.000 Luftkriegstoten.105
Im Februar wurde die „Schlacht um Berlin“ fortgesetzt: Am 14.2. griffen 806 britische Bomber ihr Ziel an und „2643 Tonnen Bomben verwandelten Berlin in eine Hölle aus Feuer und Rauch“106. Doch die Flächenbombardierungen erreichten nicht mehr das Ausmaß der Verwüstungen im September des Vorjahres.107 Bei den 16 Großangriffen der „Schlacht um Berlin“, von der sich Arthur Harris die sofortige Kapitulation erhofft hatte, warfen 8.709 Flugzeuge 29804 Tonnen Bomben auf Berlin. 9963 Menschen verloren ihr Leben und rund ein Sechstel der Wohngebäude wurde in dieser Zeit vernichtet.108
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Und nun wandelte sich der Luftkrieg noch mal: Ab März flogen die Amerikaner Tagesangriffe auf die Reichshauptstadt: Am 6.3.1944 startete der erste US-Tagesangriff mit 627 Bomber.109 1600 Tonnen Bomben wurden abgeworfen, 68 Bomber und 11 Jäger wurden von den deutschen Jägern und der Berliner Flak abgeschossen. Trotz dieses großen Verlustes wurde am 8.3.1944 der nächste Tagesangriff geflogen. 540 Bomber und 200 Begleitjäger flogen die Reichshauptstadt an, wieder wurden 38 Bomber und 11 Jäger abgeschossen. Es war eine Demonstration der Stärke: Auch am 9.3.1944 flog die 8.USAAF Berlin an und hatten Glück, nur sechs Flugzeuge zu verlieren, da die deutschen Abfangjäger nicht rechtzeitig zur Stelle waren.110 Nachdem am Märzanfang noch die Berliner Rüstungsindustrie im Mittelpunkt der Bombardements stand, warfen die Amerikaner am 22.März Sprengsätze auf die Innenstadt und folgten nun der Taktik der Engländer, Geschäfts- und Wohnviertel zu bombardieren.111 In der Nacht vom 24.auf den 25.3.1944 wurde der stärkste Angriff auf Berlin im Monat März geflogen. Die R.A.F. setzte 810 Bomber ein, von denen 762 das Ziel erreichten. 2494 Tonnen Bomben wurden abgeworfen. 72 Bomber wurden abgeschossen, davon 50 durch die Flak. Dies lag besonders an der ungünstigen Wetterlage, denn starke Winde hatten die Bomberverbände weit auseinander getrieben. „This was the last major R.A.F. raid on Berlin during the war, although the city would be bombed many times by small forces of Mosquitoes.“112
Es hatte sich herausgestellt, dass die deutsche Reichshauptstadt nur sehr schwer zu verwüsten war. „Anfang März 1944 hatte sie einige böse Schläge erhalten, doch erzielte keiner so ausgedehnte Verwüstungen wie in Hamburg.“113
Nach diesen Kämpfen und hohen Verlusten wurde die `Schlacht um Berlin´ vorerst abgebrochen. In der Zeit vom 18.11.1943 bis zum 31.3.1944 waren 9111 Bomber über Berlin und hatten rund 16.000 Tonnen Brand- und Sprengbomben abgeworfen. Rund 9,5 Quadratkilometer Fläche waren zerbombt. Die Industrie wurde jedoch nicht nennenswert geschädigt. Luftmarshall Arthur Harris hatte sein Ziel, Deutschland bis zum 1.4.1944 durch Bombardierungen zur Kapitulation zu zwingen, trotz größten Aufwendungen an Mensch und Maschine nicht erreicht.114 Auf der anderen Seite war allerdings klar, dass den Deutschen die Kontrolle des eigenen Luftraums „unerbittlich aus der Hand gewunden“ worden war.115
Noch während der „Schlacht um Berlin“ zeichnete sich ein langsamer, aber stetiger Wandel ab, der Berlin die restlichen Kriegsmonate schwer leiden lassen ließ: eine zunehmende Anzahl der einfliegenden Bomber und eine hohe Frequenz der Angriffe, sowohl am Tag als auch in der Nacht.116
Die Amerikaner bombardierten weiter die Reichshauptstadt. Am 29.April 1944 legten sie mittags zwischen elf und zwölf Uhr einen Bombenteppich vom Hellerschen Tor bis zum Norden, und die Angriffe im Mai machten mehr als 100.000 Berliner obdachlos.117
Am 21.6.1944 griffen 2500 US-Flugzeuge Deutschland an. 600 der B-17 Bomber hatten als Ziel die Berliner Innenstadt, um Vergeltung für den Einsatz der `Wunderwaffe V.1´ zu üben. Weitere Ziele waren Bahnanlagen und Flugzeugwerke in Berlin. Ein Begleitschutz von 1269 Jagdflugzeugen sicherte die Bomber, so dass insgesamt nur 44 US-Bomber von den Deutschen abgeschossen wurden. 2000 Tonnen Bomben gingen auf Berlin nieder. 603 Menschen wurden getötet, 297 wurden vermisst.118 Im August 1944 entging das Berliner Zentrum nur knapp einer katastrophalen Vernichtungsaktion. Die Alliierten hatten die Operation „Thunderclap“, Donnerschlag, geplant. Das Zentrum Berlins sollte in einem vier Tage dauernden Bombardement zerstört werden, und das nationalsozialistische Regime sollte so zur Kapitulation gezwungen werden. „Mit ´Thunderclap´ sollte ungleich mehr erreicht und bewirkt werden, und zwar durch einen überwältigenden, in seinen Wirkungen an einen Kernwaffeneinsatz heranreichenden Schlag des gesamten Arsenals der USA und Großbritanniens, durch eine Art Generalschlacht zur Luft das faschistische Deutschland aus dem Krieg bomben.“119 Geplant war, in den vier Tagen 20.000 Tonnen Bomben auf die Reichshauptstadt zu werden. Die eingerechneten Verluste unter der Zivilbevölkerung lagen bei 220.000 Menschen. Somit sollte nicht mehr die Moral der Zivilbevölkerung gebrochen werden, sondern das faschistische Regime zersprengt werden. Am 27.August 1944 starteten 1203 B-17 Bomber Richtung Berlin, doch der Einsatz wurde wetterbedingt abgebrochen und nie wiederholt.120 Ab November 1944 wurden gezielt die Verkehrsziele angegriffen, was auch in Berlin Folgen hatte: Die für die Industrie lebensnotwendigen Anlieferungen von Material gerieten ins Stocken.121
Im Dezember 1944 waren die deutschen Luftkräfte schon nah ihrem Ende: Am 5.12.1944 griffen erneut die Bomber der 8.USAAF Berlin an. 300 deutsche Jäger standen zur Abwehr des Angriffs bereit. Die Amerikaner verloren nur fünf Bomber, die deutschen Kräfte hingegen 75 Maschinen.122 „In dem Wechsel von Tages- und Nachtangriffen sank die Stadt immer mehr in Trümmer, verschwanden immer mehr Stadtteile in Bergen von Schutt. Leben und Existenz wurden ausgelöscht, dass kaum noch jemand folgen konnte.“123
2.9. Luftkrieg über Deutschland 1945
Die Luftkriegsmaschinerie tobte sich in den letzten vier Monaten des Krieges über
Deutschland in einem nie geahnten Maße aus.124 Die alliierten Mächte verfügten über derart starke Bomberverbände, dass sie nahezu ungestört und ununterbrochen über Deutschland kreisen konnten. Die deutsche Tag- und Nachtluftverteidigung lag am Boden. In den letzten vier Kriegsmonaten wurden 471.000 Tonnen Bomben auf Deutschland geworfen.125 Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Mai 1945 ist auch der völligen Lahmlegung des gesamten Verkehrs zuzuschreiben, zu deren Zerstörung die Alliierten Luftstreitkräfte hauptsächlich beitrugen.126
2.10. Berlin im Jahr 1945
Im sechsten und letzten Kriegsjahr verging kaum ein Tag ohne einen Luftangriff auf Berlin (Schaubild 1.3.).127
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dabei bombardierten die Alliierten Berlin nicht nur mit kleinen Verbänden. Es wurden
weiterhin Großangriffe geflogen, wie am 3.Februar 1945:128 937 Bomber der 8.USSAF, begleitet von 613 Jägern, griffen die Reichshauptstadt an. Um 10.40 Uhr wurde in Berlin Luftalarm ausgelöst, um 11.02 Uhr startete der Angriff. „Im Bezirk Berlin-Mitte wurde jedes Haus vernichtet. Der Anhalter Bahnhof verwandelte sich in ein Flammenmeer. Die Berliner Altstadt wurde total zerstört...“129 In 50 Minuten fielen 2270 Tonnen Bomben. Dieser erste `offizielle Terrorangriff´ forderte rund 2500 Tote.130 Der 3.Februar 1945 war der verlustreichste Bombenangriff in der Stadtgeschichte: 61728 Wohnungen waren betroffen, davon 18.367 restlos zerstört.131 Dieser und die Angriffe auf Dresden im Februar 1945132 ließen die Kritik an der Vorgehensweise der Bombardements auch in England lauter werden. Winston Churchill distanzierte sich nun von den Terrorangriffen und forderte, sich auf die militärischen Einrichtungen zu konzentrieren.133 Doch dies war nur politische Taktik, denn die Angriffe gingen in ihrer bisherigen Form weiter. In der Nacht zum 21.2.1944 startete der erste von 36 Angriffen durch Mosquito-Bomber der R.A.F. die bis zum 28.3.1944 dauerten. Am 22.2. flogen sogar 1112 Bomber der 8.USSAF Berlin an.134 Am 18.März 1945 flog die größte Bomberstreitmacht Berlin an, die jemals auf eine einzige Stadt angesetzt war: 1221 Bomber, begleitet von 14 Jagdgruppen. Der Angriff dauerte 60 Minuten.135 Nur 25 amerikanische Flugzeuge der 8.USAAF schossen die deutschen Jagdflieger und die Flak in Berlin ab.136
Die USA flog bis zum 10.April weitere Tagesangriffe, die R.A.F. bombardierte Berlin einige Tage länger.137 Den letzten Angriff der R.A.F. auf Berlin flogen 76 Mosquito- Bomber in der Nacht vom 20 auf den 21.April 1945. Alle Flugzeuge kehrten unversehrt zu ihrem Stützpunkt zurück.138 Zeitgleich erschienen am 21.April die ersten russischen Kampfflugzeuge über der Reichshauptstadt.139 Die Reichshauptstadt sollte in einer zweiten `Schlacht um Berlin´ völlig zerstört werden.140
2.11. Verteidigungseinrichtungen
Die Luftverteidigung Berlins war aufgrund seiner politischen und wirtschaftlichen
Bedeutung im reichsweiten Vergleich stark: Flakartillerie und Nachtjäger bildeten eine Sicherheitszone um Berlin.141 Doch die Berliner Bevölkerung war den Luftangriffen völlig unzureichend ausgeliefert.142
2.11.1. Jagdflieger
Hauptabwehrwaffe gegen einfliegende Bomber waren die Tag- und Nachtjäger. Ihr Ausbau war jedoch vernachlässigt worden, so dass zwar im reichsweiten Vergleich die Verbände um Berlin zwar stark erschienen, jedoch noch 1939 einer Schulstaffel übertragen waren. Besonders die Nachtjagd war zu Kriegsbeginn nur ungenügend ausgebaut. 1940 wurde eine neu aufgestellte Jagdfliegergruppe für den Schutz Berlins abgestellt, die allerdings wenige Monate später wieder verlegt wurde.143 War die Anzahl der deutschen Jagdmaschinen zu Kriegsbeginn noch gering, so wurde ihr Ausbau forciert vorangetrieben und sie wurden in den Folgejahren zu einer starken Bedrohung der alliierten Angriffskräfte.
Dieses Kräfteverhältnis änderte sich erst 1945. Dann waren die Alliierten in der Lage, mehr Fernnachtjäger zur Begleitung der Bomber mit zu senden, als von deutscher Seite diesen entgegengestellt werden konnten.144 Auch die zusammenbrechende Treibstoffversorgung hatte zu dieser Unterlegenheit geführt.145
2.11.2. Flak
Die Flak-Artillerie war das zweite Element der Verteidigung des Heimatgebietes.146 Sie erzielte sowohl auf britischer als auch auf deutscher Seite beachtliche Abschusserfolge. Dies lag auch am massiven Ausbau der Flak: Gab es 1939 2628 schwere und 3360 leichte Flak-Geschütze, so waren es zum Kriegsende 14.489 schwere und 41.973 leichte Geschütze. Allerdings machte die Führung den Fehler, kaum Schwerpunkte zu bilden, so dass diese Verteidigungseinrichtungen nicht so wirkungsvoll platziert war, wie sie es hätte sein können.147
An der Flak-Verteidigung Berlins wurde seit Kriegsbeginn eifrig gearbeitet: Im August 1940 standen zur Verteidigung der Reichshauptstadt 29 schwere, 14 mittlere und leichte Flak und elf Scheinwerferbatterien zur Verfügung. Im Oktober 1940 waren es schon 45 schwere, 24 mittlere und leichte sowie 18 Scheinwerferbatterien.
Der Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 hatte als Folge eine Schwächung der Berliner Luftverteidigung, da mehrere Truppenteile abgezogen wurden.148 Diese versuchte man unter anderem durch den Bau der Flak-Türme am Zoologischen Garten, in Friedrichs- und Humboldthain im August 1942 zu kompensieren.149 1943 wurde die Anzahl der schweren Flak-Batterien in Berlin von 600 auf 1000 erhöht.150 Doch die Waffen waren nur so gut wie die Soldaten und Helfer, die sie bedienten. Oftmals blieben die Geschütze wirkungslos, da die Ausbildung der Flak- Kräfte mangelhaft war.151 Dadurch geriet die Flak schnell in eine Vertrauenskrise. Die Abschusserfolge waren zu gering und standen in keinem Verhältnis zu den Schäden in Berlin.152 Die passive Luftabwehr konnte die Bevölkerung nicht mehr bei Angriffen mit 800- oder 1000 Bombern schützen.153
2.11.3. Bunker
Die NS-Führung sah den Bau von Bunkern und Luftschutzräumen immer als notwendiges Übel, welches zur Steigerung der Rüstungskapazität im Hinterland hingenommen werden musste. Deshalb wurde hauptsächlich an rüstungswichtigen Standorten investiert.154 In Berlin übernahm ab dem 31.8.1939 Albert Speer die Funktion des „Generalbauinspekteurs für die Reichshauptstadt“. Er war somit zuständig für den Luftschutz der Bevölkerung.
2046 Luftschutzräume gab es Ende 1939 in der Reichshauptstadt. Eine beachtliche Zahl, doch sie konnten nur 1,8 Prozent der Bevölkerung Schutz bieten.155 Notdürftig wurden Luftschutzräume angelegt, Feuerlöschteiche gebaut und Durchbrüche durch die Keller der Häuser gelegt, die als Fluchtwege dienen sollten.156 Dabei schützten die meisten ausgebauten Keller gerade einmal vor Bombensplittern. Zuerst wurde der Ausbau von Luftschutzkellern forciert betrieben, doch schon im Winter 1939 wurden die Arbeitskräfte hierfür abgezogen und neuen Aufgaben zugeführt.157 Zwar wurde nach den ersten Angriffen der R.A.F. ein neues Bunkerbauprogramm, das am 26.September 1940 beschlossen worden war, verstärkt angeschoben. Doch generell blieb es in seiner Bedeutung für die Führung und in seinem baulichen Umfang zu gering, um ausreichend Schutz zu bieten.158
Ganz allerdings konnten Bunkerbauten jedoch nicht unterlassen werden, da „es den nazistischen Machthabern ohne die Schaffung einer lebensrettenden, Schutz verheißenden „Bunkergeborgenheit“ außerordentlich schwer geworden wäre, vornehmlich die moralischen Auswirkungen und Folgen von Luftangriffen in Grenzen zu halten.“159 So wurde lediglich das Notwendige getan: Die Arbeiterschaft musste geschützt werden, um in den Werken weiter zu produzieren. Eine entsprechende publizistische Begleitung sollte ein Sicherheitsgefühl in der Gesamtbevölkerung erzeugen und die Bunker zu einem „moralischer Prellbock“ gegen die Luftangriffe machen.160
1940/41 waren von den 1000 geplanten Bunkern in Berlin 234 in Auftrag gegeben, im Sommer 1943 waren es immerhin 413. Im August 1943 waren davon 367 fertig gestellt und boten etwa 20.000 Berlinern, fünf Prozent der Gesamtbevölkerung, Zuflucht.161 Wirkliche Sicherheit boten auch viele unterirdischen Bauten nicht, in die die Massen bei Luftalarm flüchteten. Lediglich drei U-Bahnschächte konnten als Luftschutzbunker dienen, da die Berliner U-Bahn größtenteils als Unterpflasterbahn direkt unter der Strassendecke verlief.162 1943 wurden in Parks und Grünanlagen zusätzlich Splitterschutzgräben ausgehoben, die allerdings gegen Bomben nur die Illusion eines Schutzes boten.163 Bei Kriegsende gab es für die vier Millionen Einwohner Berlins gerade einmal 65.000 sichere Bunkerplätze.164
2.11.4. Luftalarmierung
Auch Luftalarme waren Teil der Verteidigung. Die große Frage für die politische
Führung war, wann die Bevölkerung von einfliegenden Bomberverbänden informiert werden sollte. Drei Kriterien beeinflussten diese Entscheidung: Erstens sollte die Bevölkerung geschützt werden. Zweitens sollte sie nicht verängstigt werden. Drittens sollte der Arbeitsprozess bei Luftalarm nicht zu lange unterbrochen werden. 1940/41 flog die R.A.F. oft vereinzelte Angriffe mit wenigen Flugzeugen, und so konnte schon ein einzelner Flieger mit Flugblättern sämtliche Menschen einer Großstadt in Angst und Schrecken versetzen, weil Luftalarm ausgelöst wurde. Dies machte sich das britische Bomber Command zunutze und flog zusätzlich, zu den großen Angriffen, Störangriffe. Durch die Einführung neuer Warnstufen versuchte man auf deutscher Seite, die Schäden durch Produktionsausfall in der Rüstungsindustrie gering zu halten. Zu den bisher bekannten Alarmen kamen die „Öffentliche Luftwarnung“ und die „Vorentwarnung“.165 Ergänzt wurden die Luftwarnungen im Sommer 1943 durch ein neues Informationsnetz: Die Stadtbevölkerung konnte sich vor erwarteten Angriffen über den Rundfunk informieren, der im Minutentakt Hinweise sendete.
Noch einen weiteren Weg, über Luftangriffe informiert zu werden, fand die Bevölkerung. Auf so genannten „Jägergradnetzkarten“ war das Reich in verschiedene Planquadrate aufgeteilt. Hörte man nun die Lagemeldungen der Fliegerhorste über normale Rundfunksender ab, konnten die Hörer die Bewegungen der feindlichen Bomber selbst verfolgen.166
Gegen Ende des Jahres 1944 bestand dann in vielen Teilen Deutschlands de facto Daueralarm, da die Bevölkerung von einer dauerhaften Luftgefährdung ausgehen konnte. Die zunehmende Wucht der Luftangriffe auf Deutschland ließ allerdings das Warn- und Sirenennetz teilweise ganz ausfallen.167
2.11.5. Verdunkelung und Scheinanlagen
Durch die Verdunkelungsverordnung aus dem Jahr 1939 sollte verhindert werden, dass sich einfliegende Feindverbände orientieren konnten. Der Verdunkelung wurde somit sehr große Bedeutung beigemessen, auch wenn sie mit fortschreitender technischer Entwicklung der Ortungssysteme in den Flugzeugen zunehmend ihren Sinn verlor. Verdunkelungsdisziplin wurde immer wieder gefordert und Verstöße gegen sie mit harten Strafen geahndet.168
Auch der Bau von Scheinanlagen sollte die Hauptstadt sicherer machen. „Eine der größten und eindrucksvollsten dieser Art, mit der Tarnbezeichnung V500, lag rund 24 Kilometer nordwestlich von Berlin, direkt auf der bevorzugten Angriffsroute es war die Hauptstadt, fast in ihren Originalmaßen, aus Sperrholz und Reisig, einschließlich des Flughafens Tempelhof.“169
2.12. Folgen des Luftkriegs
Die Verwüstungen Berlins am Kriegsende waren kaum zu fassen. Die Reichshauptstadt, bis in die zwanziger Jahr des 20.Jahrhunderts eine Blütestadt in kultureller, architektonischer und menschlicher Hinsicht, und die Reichshauptstadt nach der Kapitulation am 8.Mai 1945, nachdem noch wochenlang die russische Artillerie das zerstört hatte, was die amerikanischen und britischen Bomber hatten stehen lassen, waren nicht mehr dieselbe. 45.517 Tonnen Bomben waren niedergegangen. Berlin hatte im Verlauf der Luftangriffe 49.600 gezählte und registrierte Tote zu beklagen. 310 Angriffe waren geflogen worden, davon 40 schwere und 29 Großangriffe, und insgesamt waren 29.397 Flugzeuge über Berlin im Einsatz gewesen.170 389 Luftalarmen und 143 öffentlichen Luftwarnungen und Kleinalarme wurden in den Kriegsjahren gegeben.171
Durch die Flächenbombardierungen war fast jede dritte Wohnung verloren. In den Stadtbezirken Mitte und Friedrichshain war sogar nur noch jede zweite Wohnung nutzbar.172 Die Innenstadt mit dem Stadtbezirk Mitte wies den höchsten
Zerstörungsgrad auf. „Die (…) Bauten auf der Spreeinsel und entlang der Strasse unter den Linden sowie der Wilhelmstrasse waren ausnahmslos ausgebrannt.“173
Die Energieversorgung war in den letzten Kriegsmonaten fast gänzlich zusammengebrochen. Elektrizität, Wasser und Gas gab es nur noch in begrenzten Umfang, zum Kriegsende hin gar nicht mehr.174 Von den Industrieanlagen waren allerdings noch knapp zwei Drittel betriebsfähig.175
Die Kapitulation am 8.Mai kam nach Experten gerade noch rechtzeitig: Wäre der Krieg bis zum Sommer 1945 fortgesetzt worden, hätten die Deutschen wahrscheinlich dasselbe Schicksal wie die Bewohner von Nagasaki oder Hiroshima erlitten: Den Abwurf einer Atombombe.176 Die gesamtdeutsche Bilanz der Bombardements ist erschreckend: Nach amtlichen Unterlagen kamen durch Luftangriffe 410.000 Menschen um, hunderttausend weitere wurden vermisst. Ungefähr zwei Millionen Tonnen Sprengund Brandbomben gingen im gesamten Kriegsverlauf auf Europa nieder, rund 50 Prozent auf Wohngebiete. Davon waren knapp 20 Prozent (200.000 Tonnen) Brandbomben, Phosphorkanister und später auch Napalm.177
Im zweiten Weltkrieg verloren erstmals nach Schätzungen genauso viele, wenn nicht sogar mehr Zivilisten ihr Leben als Soldaten - rund 1,5 Millionen Tote gab es weltweit durch Bombardements.178
In den deutschen Städten herrschte ein Bild der Verwüstung. 3,6 Millionen Häuser wurden zerstört, 7,5 Millionen Menschen waren obdachlos.179
Dennoch: „Deutschland wurde zwar niedergeworfen, aber nicht durch den Einsatz der alliierten Luftgeschwader, sondern durch den Zermürbungskrieg, den es an vielen Fronten führen musste.“180 Eine Barbarei wurde mit einer anderen ausgetrieben. Es gelang nicht, wie die Alliierten gehofft hatten, den Zusammenbruch der deutschen Kriegsmaschinerie allein durch Bombardements zu erreichen.181
3. Die Wahrnehmung und die Folgen des Bombenkriegs 1939-1945
3.1. Wahrnehmung der Angriffe - Die Bevölkerung im Luftkrieg
3.1.1. Die Bevölkerung vor dem ersten Luftangriff
„ Drau ß en, weit in der Ferne, ist der Krieg. “182 Lange Zeit wurden die Berliner, wie die Menschen in fast ganz Europa, durch Medienberichte und Übungen auf Luftangriffe vorbereitet. In Friedenszeiten waren Luftschutz- und Verdunkelungsübungen fester Bestandteil des Alltagslebens und stimmten schon vor September 1939 auf den Krieg ein.183 „Bomben und Giftgas waren Gesprächsthemen wie Kochrezepte.“184 „Die Mobilisierung für den Luftschutzgedanken täuschte darüber hinweg, dass es in Wirklichkeit keine umfassenden Schutzmaßnahmen gab.“185
Trotz der ersten Luftalarme, die von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurden, glaubten die Berliner bis Anfang 1940 noch, die Verdunkelung diene hauptsächlich dem Stromsparen186. Einen großen Angriff hielten sie für unmöglich. In den ausgeräumten und umgebauten Kellerräumen wurden Feiern veranstaltet. Zudem waren die meisten Luftschutzräume schlecht ausgebaut und verstärkt. Die Berliner gaben sich sorgenfrei,187 und die Vorsichtsmaßnahmen wurden meist außer acht gelassen: Im Winter 1939 wurde der Löschsand zum Streuen der Strassen verwendet.188 Das Stadtleben veränderte sich jedoch zunehmend durch die Mobilisierung für den Luftkrieg. Die absolute Dunkelheit, die mit den Verdunkelungsmaßnahmen Einzug in die Stadt erhielt, zog düstere Gestalten an. Auf den Strassen war es plötzlich nicht mehr so sicher wie früher. Die Kriminalität stieg, besonders die Delikte der sexuellen Belästigung nahmen stark zu. Nach einer ersten Depressionszeit - die Menschen verließen nach Untergang der Sonne ihre sicheren eigenen vier Wände nur, wenn es unbedingt notwendig war - entwickelte sich dann aber eine besondere Eigenart von
Nachtleben. „Die Leute wollen ihr Geld ausgeben, da alles Sparen keinen Sinn mehr habe, und wollen auch nicht zu Hause sitzen, weil sie Ablenkung brauchen.“189
3.1.2. Nach den ersten Angriffen - September ´39 bis November ´41
Die ersten Angriffe 1939 hatten die Stimmung schnell verschlechtert, und der Wunsch nach Frieden stieg rasant. Doch der schnelle Sieg über Polen, das Ausbleiben weiterer Kriegserklärungen und weiterer Luftangriffe trugen dazu bei, dass die Stimmung wieder stabil wurde. „Man hoffte unter den Einwohnern Berlins, dass der Krieg lokal begrenzt bleibe und bald wieder Frieden sei.“190 Auch Sorgen um die Ernährungslage ließen im Winter 1939/40 die Frage nach Krieg und Frieden in den Hintergrund treten.191
„ Die Menschen reden vom Frieden, als wollten sie sich selbst beschwichtigen. “192
In der Nacht auf den 26. August 1940 flog die Royal Air Force ihren ersten Angriff auf die Reichshauptstadt. Die Versäumnisse beim Bau von bombensicheren Anlagen und beim Aufbau einer ausreichenden Luftabwehr193 wurden schnell offensichtlich.194
Die führenden Nationalsozialisten sahen sich durch die beginnenden Luftangriffe vor eine Reihe von Problemen gestellt. Adolf Hitler fürchtete die fatale Wirkung, die Bombardements haben können, in mehrfacher Hinsicht: zum einen die psychologischen Auswirkungen auf die Bevölkerung. Deshalb befahl er schon nach den ersten Bombardements auf Berlin im September 1940 dem Generalbauinspekteur der Reichshauptstadt, Albert Speer, die durch Luftangriffe entstandenen Schäden schnellstmöglich und ohne Rücksicht auf die Kosten zu beseitigen.195 Zum anderen hatte Hitler eigene Pläne, was mit Berlin in naher Zukunft passieren sollte. Architekt Speer sollte den Ausbau der Reichshauptstadt zur „Welthauptstadt Germania“ vorantreiben. So begrüßte Hitler wohl zynisch die Bombardements, da sie den Bautrupps die Arbeit abnahmen. Denn für den Umbau der Reichshauptstadt, der bis 1950 fertig sein sollte, wollte der Führer 80.000 Häuser abreißen lassen. Zwar hätten die Engländer den Abbruch nicht nach den ausgearbeiteten Plänen durchgeführt, aber immerhin einen Anfang gemacht, erklärte er gegenüber Albert Speer Ende 1944.196
Zum anderen schien Hitler selbst eine unauslöschbare Angst vor Angriffen aus der Luft zu haben. Ihn schützte im Berliner Führerbunker `die dickste Decke Berlins´ mit viereinhalb Metern Beton. Auch Hitlers übrigen Quartiere wurden mit riesigem Arbeiter- und Materialaufwand bombensicher gemacht.197
3.1.3. Die Feuerpause - November ´41 - Januar ´43
Da Berlin von 8. November 1941 bis zum 16. Januar 1943 eine 16-monatige Feuerpause herrschte, wuchs auch die psychologische Stabilität der Berliner wieder. Die Reichshauptstadt wurde wieder für unangreifbar gehalten. Auf britischer Seite mussten die Verantwortlichen feststellen, dass Angriffe auf die Reichshauptstadt aufgrund der starken Abwehr ein hohes Risiko darstellten.198
3.1.4. Unfassbare Angriffe - Januar ´43 bis November ´43
Doch so schnell nach Ausbleiben der Feindbomber der Optimismus einsetzte, so schnell verschwand er auch wieder. Nach den Bombardements am 16. Januar und 1.März war für viele Berliner das Unmögliche passiert.
„ Einige Stunden nach dem Angriff standen noch viele Berliner ( … ) vor den brennenden H ä usern und diskutierten ü ber die f ü r unm ö glich gehaltenen Einfl ü ge. 199
Das Ausmaß der Schäden war für die Bevölkerung kaum zu fassen. 480 Tote forderten diese Bombardements.200 Und schon zeigte die Gesellschaft Auflösungserscheinungen:
„ Durch den Luftangriff in der Nacht vom 1. auf den 2.M ä rz ist Berlin ü bel zugerichtet worden. ( … ) Was der Brand ( … ) lie ß , wurde sp ä ter gepl ü ndert, obschon darauf die Todesstrafe steht. “201
Die Folgen der Angriffe waren weitreichend: Wer konnte, brachte sein Hab und Gut in Sicherheit und richtete sich so ein, dass der Verlust der Wohnung nicht zur Frage der weiteren Existenz wurde.202 Der Umlauf von Gerüchten begann und das Sicherheitsgefühl schmolz dahin. Man rechnete jederzeit mit dem gleichen Schicksal für Berlin, wie es Hamburg erlitten hatte.
„ Die Ger ü chte sagen den Angriff f ü r den 8.August voraus ( … ) Man geht fr ü h zu Bett, schl ä ft unruhig, blickt bei jedem Erwachen auf die Uhr und ist erleichtert, wenn mit der Morgend ä mmerung die Gefahr noch einmal abgewendet scheint. “203
Doch erst in der Nacht zum 24.August 1943 wurde den Berliner mit Bomben bewusst gemacht, wovor sie sich in der kommenden Zeit zu fürchten hatten.
„ Der Angriff war in den K ö rper Berlins wie ein Messer in eine Torte gefahren und hatte ein Dreieck herausgetrennt, dessen Spitze bis zum Bahnhof Zoo reichte. ( … ) Die amtlichen Ziffern sprechen von 245 Toten, 2000 Verletzten und 35.000, die ihre Wohnung verloren haben. “204
Der Alltag änderte sich für die Berliner: Mehr und mehr wurde er von der Luftkriegslage beherrscht.
„ Es wurde ü ber nichts anderes als den Luftkrieg gesprochen. “205
Der Luftkrieg bestimmte zunehmend den Tagesablauf. Die permanente Gefahr führte in der Bevölkerung zu einer generellen Unsicherheit. Ständige Furcht und Angst war in den betroffenen Regionen die Folge. Goebbels notierte die kurzfristigen Wirkungen mit „Auslösung von Erregungszuständen und Paniken, die das öffentliche Leben einer Stadt für Tage lähmen konnten.“206 Der SD notierte eine sich ständig und permanent ausweitende Unruhe. `Kommen wir heute Nacht dran?´ lautete die bange Frage (…) in den bedrohten Gebieten.“207
Die permanente Alarmbereitschaft hatte seine Gründe auch in der Alarmierungstechnik. Ein Problem für die NS-Führung waren Überlegungen, wann die Bevölkerung über einfliegenden Bomberverbänden informiert werden sollte. „In jenen (…) Bombennächten wurde den Bewohnern (…) ein fast Pawloscher Angstreflex anerzogen,
1 Hagemann, Walter, Publizistik im Dritten Reich, Hamburg 1948, S.9.
2 Bramstedt, Ernest K., Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda, Frankfurt a.M., S.101.
3 Bohse, S.24, Bohse kritisiert dies an älteren Forschungen.
4 Hagemann, Publizistik im Dritten Reich, Hamburg 1948, S.439.
5 Bohse, Jorg, Inszenierte Kriegsbegeisterung und ohnmächtiger Friedenswille - Meinungslenkung und Propaganda im Nationalsozialismus, Stuttgart 1988, S.2.
6 Beispiele sind hierfür die militärgeschichtlichen Abhandlungen von Franz Kurowski und George W.Feuchter. Vgl. Goehler, Olaf, Bombenkrieg gegen Deutschland, Berlin 1990, S.20.
7 Groehler, Bombenkrieg, S.20. Für Groehler waren die Flächenbombardements eine allein politisch motivierte Entscheidung, die auch durch einen technischen Mangel begründet wurde.
8 Ebenda, S.8f.. Groehler vertritt hier den Standpunkt, dass die politische Schuld ohne Zweifel bei den Deutschen lag.
9 Bohse, S. 3.
10 Hagemann, Publizistik, S.477.
11 Bohse, S.5.
12 Ebenda, S.22, Die „Passivseite“, nationalsozialistische Meinungs-Kontrolle und deren Befunde, wird erst später in die Forschung mit einbezogen.
13 Wette, Wolfram (Hrsg.), Das letzte halbe Jahr: Stimmungsberichte der Wehrmachtspropaganda 1944/45, Essen 2001.
14 Groehler, Olaf, Der strategische Luftkrieg und seine Auswirkungen auf die deutsche Zivilbevölkerung, in: Boog, Horst (Hrsg.), Luftkriegführung im Zweiten Weltkrieg: ein internationaler Vergleich, im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Bonn 1993, S.329-350, S.329f..
15 Feuchter, Georg W., Der Luftkrieg, Frankfurt a.M. 1964, S.79f.; Die britische Führung hatte die
Möglichkeiten der operativen und strategischen Luftkriegsführung noch vor der deutschen Führung vor dem zweiten Weltkrieg erkannt. Zur Entwicklung der R.A.F. siehe S.79-89; Die Zahl der gesamten Bomber der Briten beziffert Feuchter nach Angaben von Werner Baumbach auf 2500, von denen 500 Bomber „erster Klasse“ waren, S.285.
16 Price, Alfred, Luftschlacht über Deutschland, Stuttgart 1974, S.9. Vgl. Feuchter, S.287. Feuchter gibt die Gesamtzahl der Flugzeuge der deutschen Luftwaffe mit 4333 an. Zum Aufbau und der Entwicklung der deutschen Luftstreitkräfte vgl. Feuchter, S.89-112.
17 Groehler, Bombenkrieg, S.9; Die Bombardierung von Guernica 1937 war das erste Beispiel für die absolute, faschistische Art des Bombenkrieges.
18 Price, S.10.
19 Feuchter, S.65f..
20 Price, S.11.
21 Ebenda, S.14.
22 Ebenda, S.14.
23 Schäfer, Hans Dieter, Berlin im Zweiten Weltkrieg. Der Untergang der Reichshauptstadt in Augenzeugenberichten, München 1985, S.33. Zur Luftschlacht um England vgl. Feuchter, S.131-148.
24 Hagemann, Publizistik, S.447.
25 Demps, Laurenz, Die Luftangriffe auf Berlin. Ein dokumentarischer Bericht, in: Jahrbuch des
Märkischen Museums, Berlin 1978, S-27-69, S.32. Die KPD und SPD konnten bei den Wahlen 1931/32 mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen.
26 Zippel, Martin, Untersuchungen zur Militärgeschichte der Reichshauptstadt Berlin von 1871 bis 1945, Münster 1982, S.491.
27 Demps, S.32.
28 Groehler, Bombenkrieg, S.172f..Vgl. Demps, S.31f.. Am 1.Januar 1939 gab es in Berlin über 50.000 Firmen. In einzelnen Industriebereichen lag dieser Anteil weit höher. In Berlin waren allein 40% der deutschen Elektroindustrie positioniert.
29 Maaß, Winfried, Das ist Berlin!, Die deutsche Hauptstadt und ihre Geschichte, Hamburg 1992, S.110.
30 Zippel, S.491.
31 Demps, S.30.
32 Maaß, S.111; vgl. Zippel, S.491, Demps, S.35.
33 Zippel, S.491.
34 Demps, S.37. Das französische Flugzeug hat vermutlich seine Bombenlast auf Pankow geworfen, da in Berlin kein Luftalarm ausgelöst worden war.
35 Zippel, S.491.
36 Middlebrook, Martin, The bomber command war diaries, an operational reference book, 1939-1945, Suffolk 1985, S.76f..
37 Groehler, Bombenkrieg, S.172.
38 Middlebrook, S.77.
39 Demps, S.37. Der Angriff forderte 22 Tote, 83 Verletzte und 781 Obdachlose.
40 Schäfer, S.34. Die Gesamtzahl der 1940 getöteten Personen betrug 220.
41 Demps, S.38.
42 Groehler, Bombenkrieg, S.18f., Einem englischen Bericht über die Zielgenauigkeit zufolge waren bei optimalen Wetter- und Kampfbedingungen nur 50 Prozent der einfliegenden Bomber in der Lage, ihre Fracht in einem Umkreis von acht Kilometern um das Ziel abzuwerfen. Die Ursache hierfür sieht Groehler zum einen in der technischen Ausstattung der Flugzeuge, zum anderen im nur mittelmäßig
43 Price, S.20ff.. Die Entwicklung des sogenannten „Gee“-Geräts wurde 1941 in England vorangetrieben. Unregelmäßig ausgestrahlte Funksignale sollten es den Flugzeugbesatzungen mit entsprechenden Geräten möglich machen, ihren Standort zu bestimmen. Das Gerät hatte eine Wirkungsreichweite von ungefähr 650 Kilometern bei einer Abweichung von zehn Kilometern.
44 Price, S.24. Vgl. Groehler, Bombenkrieg, S.17.
45 Groehler, Bombenkrieg, S.17.
46 Ebenda, S.20-22.
47 Feuchter, S.254.
48 Groehler, Bombenkrieg, S.28. Dieser Brandplan „Unison“ wurde allerdings erst ab März 1942 umgesetzt. Anstatt Sprengbomben sollten die Bomber beim ersten Anflug Brandbomben über den besiedelten Gebieten abwerfen und so zahlreiche Feuer entfachen. Um die Feuerwehren an den Löscharbeiten zu hindern und diese zu überfordern, sollte der Abwurf von Sprengbomben kurz danach geschehen. So genannte Minenbomben sollten mit ihrer gewaltigen Sprengkraft Mauern und Fenster eindrücken, damit sich die Feuer schneller ausbreiten konnten. Vgl. zur Verbesserung der Bomben auch Wolf, Werner, Luftangriffe auf die deutsche Industrie 1942-1945, S.54f.; vgl. Zippel, S.495.
49 Price, S.28.
50 Zippel, S.494.
51 Price, S.29.
52 Schäfer, S.35. Pyrotechnische Markierungsbomben erleichterten den gezielten Bombenabwurf.
53 Groehler, Bombenkrieg, S.81.
54 Kurowski, Franz, Luftkrieg über Deutschland, Düsseldorf/Wien 1977, S.229.
55 Kershaw, Ian, Der Hitler-Mythos. Volksmeinung und Propaganda im Dritten Reich, Stuttgart 1980, S.177.
56 Kurowski, S.229; vgl. Price, S.28 und S.41. Price sieht im Jahr 1942, in das sowohl die Deutschen als auch die Engländer optimistisch hineingingen, eine Niederlage für beide Seiten. Price sieht Ende 1942 den Wendepunkt und beruft sich dabei auf Churchills Worte: „Dies ist nicht das Ende. Es ist noch nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber es ist vielleicht das Ende vom Anfang.“ Vgl. Zippel, S.493.
57 Kurowski, S.229. Moralische Bedenken bezüglich der Bombardements von Wohnbezirken waren nach den deutschen Angriffen auf London gefallen. Die moralischen Wirkungen seien aber ausgeblieben.
58 Ebenda, S.230.
59 Zit. nach Kurowski, S.234. Vgl. Schäfer, S. 35. Schäfer erklärt, dass Churchill mit der Bombardierung einer „Irrlehre“ folgte. Churchill nach würden die Bombardements die Bevölkerung zermürben. Dieser Plan war aber bereits zwei Jahre früher schon nicht aufgegangen, als Adolf Hitler dies mit den Bombardements auf London versucht hatte.
60 Groehler, Bombenkrieg, S.161f.. Die sowjetischen Marinebombenfliegerkräfte griffen im August 1941 sechsmal Berlin an. Bei diesen Nachtangriffen am 7.8., 8.8., 11.8., 15.8., 18.8. und 30.8. flogen insgesamt 72 Maschinen die Hauptstadt an und warfen 2380 Tonnen Bomben ab. Die Hauptaufgabe der sowjetischen Bomber lag allerdings nicht in der Zerstörung von Industrien, sondern es war eine Demonstration, dass entgegen der Behauptungen der NS-Propaganda die sowjetischen Luftstreitkräfte noch nicht zerstört seien. Vgl. Demps, S.39. Die russischen Streitkräfte warfen auch Flugblätter mit einer Stalin-Rede ab.
61 Schäfer, S.34.
62 Groehler, Bombenkrieg, S.30. Vgl. Demps, S.40.
63 Demps, S.51f..
64 Groehler, Bombenkrieg, S.175. Von diesen 448 Personen kamen 246 Menschen in ihren Wohnungen um.
65 Demps, S.34.
66 Kershaw, S.177.
67 Times, London 1943, 28.5.1943, zit. nach Kurowski, S.240.
68 Groehler, Bombenkrieg, S.122ff..
69 Kurowski, S.289.
70 Ebenda, S.243ff.. In Hamburg waren nach diesen Angriffen 30.482 Tote und 50.000 Verletzte zu beklagen.
71 Price, S.47-53, Bei dem Angriff auf Wuppertal wurden 3350 Menschen getötet und über 100.000 obdachlos.
72 Kurowski, S.241. „Um Wuppertal zog sich eine hohe Mauer des Schweigens.“
73 Price, S.72.
74 Kuroswski, S.241.
75 Kershaw, S.177.
76 Schäfer, S.33.
77 Kurowski, S.232.
78 Ebenda, S.233. Vgl. Schäfer, S. 36f.. Schäfer beziffert die Zahl der Toten auf 709 und die der Obdachlosen auf 64909.
79 Schäfer, S.36.
80 Demps, S.42. In der Zeit vom 20.April bis zum 21 Oktober 1943 wurden 31 solcher Angriffe geflogen. Insgesamt flogen die Mosquito-Bomber 3900 Angriffe gegen Berlin, wobei sie 4400 Tonnen Bomben fallen ließen.
81 Kurowski, S.251. Vgl. Price, S.82. Price gibt die Abschüsse der deutschen Flak mit nur sechs an, den Jägern wären dagegen 48 Abschüsse zu zurechnen. Price begründet dies damit, dass die deutsche Flak zur Gewährung der Sicherheit der eigenen Jäger nicht höher als 4800 Meter feuern durfte.
82 Price, S.81f..
83 Kurowski, S.290.
84 Ebenda, S 270.
85 Groehler, Bombenkrieg, S.178.
86 Price, S.113. Vgl. Demps, S.43.
87 Kurowski, S.290f..
88 Groehler, Bombenkrieg, S.180f.. Gegner der bisherigen Bomberpolitik sahen die Wirkungen der Flächenbombardements als zu gering und befürworteten ein stärkeres Engagement bei der Bombardierung der Industrieanlagen.
89 Schäfer, S.38. Dass Berlin nicht in einem Feuersturm unterging, war auch auf die Bauweise zurückzuführen. Es gab kaum Fachwerkhäuser, und die breiten Strassen waren wie Schneisen.
90 Schäfer, S.40f.. Vgl. Groehler, Bombenkrieg, S.182.
91 Kurowski, S.291. Vgl. Schäfer, S.40. Schäfer beziffert die Zahl der Getöteten auf 3758, die der Obdachlosen auf 454.056 Menschen. Vgl. Groehler, Bombenkrieg, S.183.
92 Kurowski, S.274.
93 Schäfer, S.41.
94 Kurowski, S.292. Bischof George Bell war Gegner der Bombenangriffe auf Deutschland und versuchte, gegen die Anstrengungen anderer Politiker, seinen Protest kund zu tun. Er hatte in Schweden von deutschen Flüchtlingen erfahren, dass nicht Industrieanlagen Ziel der Luftangriffe seien, sondern die deutsche Zivilbevölkerung. Deshalb verlangte Bell am 9.2.1944 im Oberhaus eine öffentliche Anhörung, bei der zu seinen Vorwürfen Stellung genommen werden sollte. Dies geschah, doch alle Einwände Bells wurden übergangen und die Regierung kündigte an, die Bombardierungen verstärkt fort zu setzen.
95 Demps, S.53ff..
96 Groehler, Bombenkrieg, S.322-334.
97 Wette, S.9.
98 Groehler, Bombenkrieg, S.342.
99 Ebenda, Bombenkrieg, S.342.
100 Groehler, Bombenkrieg, S.343f.. Das britische „Mandrell“-System machte die deutsche Radarkette aufgrund der Störimpulse auf einer Breite von 200 bis 300 Kilometern blind. Zudem wurden die Frequenzen der deutschen Nachtjäger mit Störgeräuschen überlagert und sogenannte „Window“-Folien massenweise abgeworfen, die auf den deutschen Radarschirmen wie große Bomberverbände wirkten. Zudem waren die eingesetzten Bomber wirkungsvoller geworden: Mit der nur viermal größeren Anzahl an Bombern, insgesamt verfügten die Alliierten über 6100 schwere Kampfflugzeuge, konnte das 13-fache der Bombenlast gegenüber 1942/43 abgeworfen werden. Zur Zielfindung trugen besonders die Fortentwicklungen der Radarsysteme bei, mit denen nun die Position bis auf wenige Meter genau bestimmt werden konnte.
101 Kershaw, S.177.
102 Groehler, Bombenkrieg, S.319.103 Kurowski, S.274.
104 Ebenda, S.293; Schäfer, S.41. 105 Groehler, Bombenkrieg, S.187.
106 Kurowski, S.293. In fünf Wellen mit jeweils 150 Flugzeugen wurde Berlin bombardiert. Siemensstadt (und die dortige Firma Siemens), Charlottenburg, Marienfelde und die dortigen Daimler-Benz-Werke sowie Wohngebiete von Kreuzberg wurden schwer getroffen.
107 Schäfer, S.41.
108 Demps, S.43.
109 Schon am 3.3.1944 wollte die 8.USAAF Berlin am Tag angreifen, musste jedoch den Einsatz wetterbedingt abbrechen.
110 Kurowski, S.295. Vgl. Price, S.131. Price gibt für den abgebrochenen Tagesangriff den 4.März 1944 an. Den Abbruchbefehl hörten allerdings zwei Bombergruppen mit ihren Begleitjägern nicht. Sie griffen Berlin an und verloren in Folge fünf Bomber und 23 Langstreckenjäger.
111 Schäfer, S.51.
112 Middlebrook, S.484. Vgl. Kurowski, S. 296. Kurowski gibt als Datum den 23.3. an.113 Price, S.119.
114 Kurowski, S.296. Vgl. Groehler, Bombenkrieg, S.186f..115 Price, S.134.
116 Demps, S.44. 117 Schäfer, S.53.
118 Groehler, Bombenkrieg, S.327. Vgl. Kurowski, S.284.
119 Ebenda, Bombenkrieg, S.334.
120 Ebenda, Bombenkrieg, S.334-339. Gründe für den Stopp der Operation „Thunderclap“ sieht Groehler in den sich ändernden militärpolitischen Voraussetzungen. Die Alliierten Truppen waren vorerst in Aachen und den Niederlanden ins Stocken geraten und die Hoffnung auf ein schnelles Kriegsende somit auch.
121 Zippel, S.500.
122 Kurowski, S.327.
123 Demps, S.45.
124 Groehler, Bombenkrieg, S.378. Groehler sieht in den nochmals verstärkten Bombardements (gegenüber der Situation im Herbst 1944) eine gewisse Art der Vergeltung für die Angriffe der Deutschen mit der Fernwaffe V1 und V2. Zum anderen könnte es aber auch eine besondere Art der Vergeltung gewesen sein, die dadurch motiviert gewesen sein könnte, dass man seit Sommer 1944 von den Konzentrationslagern wusste.
125 Kershaw, S.177. Vgl. Groehler, Bombenkrieg, S.381. Groehler beziffert die Tonnage der abgeworfenen Boben auf 357.000 Tonnen.
126 Feuchter, S.254.
127 Wette, S.9.
128 Es hatte wiederum auch auf amerikanischer Seite Bedenken gegen den Angriff von nicht-militärischen Zielen gegeben, aber der Oberbefehlshaber der 8.USSAF, General Doolittle, befahl entgegen den Widerständen den Einsatz.
129 Kurowski, S.348.
130 Ebenda, S.348. Vgl. Schäfer, S.53, sowie Groehler, Bombenkrieg, S.398.131 Groehler, Bombenkrieg, S.400.
132 Kurowski, S.349. Im Februar 1944 griffen Amerikaner und Engländer Dresden an und vernichteten es komplett: Die Zahl der Toten wird zwischen 80.000 und 240.000 angegeben.
133 Ebenda, S.349f..
134 Ebenda, S.350.
135 Ebenda, S.351.
136 Ebenda, S.333.
137 Schäfer, S.54.
138 Middlebrook, S.698.
139 Zippel, S.495.
140 Kurowski, S.353.
141 Groehler, Bombenkrieg, S.174.142 Demps, S.38.
143 Zippel, S.451; sowie Feuchter, S.259f.. 144 Groehler, Bombenkrieg, S.350. 145 Zippel, S.495.
146 Feuchter, S.259.
27
147 Ebenda, S.261. Bei der Verteidigung durch die Flak-Artillerie waren jedoch grundsätzlich mehr Umstände zu beachten, da sie nur lokal und zeitlich begrenzt zur Verfügung stand. Die Taktik war in diesem Bereich sehr wichtig. Der Vorteil Englands lag nun darin, dass sich die schützenswerten kriegswichtigen Einrichtungen mehr ballten, als dies in Deutschland der Fall war. 148 Demps, S.39.
149 Zippel, S.451. Diese neu erbauten Flak-Türme haben das wirkliche Vertrauen der Bevölkerung besessen, da ihre Decken selbst schweren Treffern standhielten, was wiederum einen enormen Zulauf bei Luftalarm bedeutete, S.497.
150 Price, S.107.
151 Zippel, S.496. Das Personal der Luftwaffe wurde ab Mitte 1944 zur andersweiteren Verwendung abgezogen und durch Flakhelfer und Luftwaffenhelferinnen ersetzt, die in einer nur kurzen Ausbildung geschult wurden.
152 Zippel, S.496f..
153 Wolf, S.124f.. Wolf ist der Auffassung, dass die Städte selbst durch größere Investitionen im Bereich des Luftschutzes nicht sehr viel besser hätte geschützt werden können.
154 Groehler, Bombenkrieg, S.240.
155 Ebenda, Bombenkrieg, S.175.
156 Demps, S.38.
157 Groehler, Bombenkrieg, S.241.
158 Ebenda, S.251.
159 Ebenda, S.238.
160 Ebenda, S.174.
161 Ebenda, S.175.
162 Wette, S.204.
163 Demps, S.38.
164 Schäfer, S.31.
165 Groehler, Bombenkrieg, S.231f.. Die „öffentliche Luftwarnung“ erfolgte beim Anflug von ein bis zehn Bombenflugzeugen. Trotz dieser Warnung sollte das öffentliche Leben und der Verkehr fortgesetzt werden.
166 Ebenda, S.236. Vgl. Studnitz, Hans-Georg von, Als Berlin brannte. Tagebuch der Jahre 1943-1945, Bergisch-Gladbach 1985, S.297. Studnitz schrieb, dass eine Positionsbestimmung der Flieger auch durch das Abhören des Polizeifunks möglich war. Tagebucheintrag, Berlin, 5.März 1944.
167 Ebenda, S.235.
168 Ebenda, S.240.
169 Price, S.110.
170 Kurowski, S.357, Demps, S.47, Zippel, S.494ff., sowie Schäfer, S.76. Schäfer gibt die Zahl der in Berlin durch Bomben getöteten mit 18.000 an.
171 Demps, S.30.
172 Schäfer, S.76.
173 Zippel, S.498.
174 Ebenda, S.501. 175 Schäfer, S.76.
176 Kurowski, S.341, ebenso Price, S.201.177 Ebenda, S.355.
178 Groehler, Luftkrieg, S.334f.. Von den insgesamt über 50 Millionen Kriegsopfern im Zweiten Weltkrieg waren 25 bis 30 Millionen Zivilisten. Im Ersten Weltkrieg verloren durch den Luftkrieg dagegen knapp 3000 Menschen ihr Leben.
179 Kurowski, S.356.
180 Ebenda, S.357. 181 Price, S.198.
182 Lange, Horst, Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg, Mainz 1979, S.12. Eintrag vom 21.11.1939 aus Berlin.
183 Zippel, S.443. 184 Schäfer, S.29f.. 185 Ebenda, S.31.
186 Rinner, Erich (Hrsg.), Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SoPaDe) im Auftrag des Exilvorstandes der Sozialdemokratischen Partei, Paris 1940, S.82. 187 Groehler, Bombenkrieg, S.175.
188 Schäfer, S.33.
189 Rinner, S.85.
190 Demps, S.36. 191 Ebenda, S.37. 192 Lange, S.23.
193 Am 7.August 1941 wurde die Luftabwehr von einem Angriff sowjetischer Luftstreitkräfte sogar vollends überrannt. Die völlig überraschte Berliner Luftverteidigung löste knapp dreißig Minuten nach dem Einflug der ersten sowjetischen Bomber Luftalarm aus, da sie einen Angriff aus dem Osten für völlig ausgeschlossen gehalten hatte. Allerdings flogen nur 15 Maschinen ein, die neben einer geringen Bombenlast Flugblätter abwarfen. Der letzte Angriff dieser ersten Bombenperiode war am 7.November 1941.
194 Schäfer, S.31.
195 Groehler, Bombenkrieg, S.174.
196 Speer, Albert, Spandauer Tagebücher, Frankfurt a.M. 1969, S.309. Vgl. Maaß, S.109.
197 Groehler, Bombenkrieg, S.252. Allein der Bunker bei Charlottenbrunn in Schlesien verschlang 275.000 Kubikmeter Stahlbeton, was mehr war, als 1944 in Gesamtdeutschland für Luftschutzbauten verbaut wurde.
198 Girbig, Werner, Im Anflug auf die Reichshauptstadt. Die Dokumentation der Bombenangriffe auf Berlin - stellvertretend für alle deutschen Städte, Stuttgart 1970, S.52.
199 Schäfer, S.36.
200 Studnitz, S.45.
201 Ebenda, S.44. Tagebucheintrag aus Berlin vom 3.März 1943.
202 Vgl. ebenda, S.45.
203 Ebenda, S.110. Tagebucheintrag aus Berlin vom 3.August 1943. 204 Ebenda, S.121. Tagebucheintrag aus Berlin vom 26.August 1943. 205 Ebenda, S.130. Tagebucheintrag aus Berlin vom 7.September 1943.
206 Dröge, Franz W., Der zerredete Widerstand: zur Soziologie und Publizistik des Gerüchts im Zweiten Weltkrieg, Düsseldorf 1970, S.132.
207 Bohse, S.38.
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