Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Zur Person Herbert Mead
4. Hinwendung zur Thematik
4.1. Definition Kommunikation
4.2. Definition soziale Interaktion
4.3. Definition Gebärden und Gesten
5. Die Entstehung der Identität
5.1. Play & Game
5.1.1. Play
5.1.1.1. imaginäres Spiel
5.1.1.2. Rollenspiel
5.1.1.2.1. Das Signifikante Andere
5.2. Game
5.2.1. Das Generalisierte Andere
6. Das Ich in der Theorie von George Herbert Mead
6.1. I
6.2. Me
6.3. Self
6.4. Problematisierungspotenziale durch die Unterscheidung von I & ME
7. Konklusion
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wir müssen andere sein, um wir selbst sein zu können“ (Mead 1973: S.295 in Baumgart 2008: S.121)
Dieser Satz kann im Kontext der meadschen Handlungs- und Interaktionstheorie als zentral eingesehen werden. George Herbert Mead, gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Sozialbehaviourismus, was dazu führt, dass seine soziale Handlungstheorie zu einer vielfach rezipierten und oft diskutierten Grundlagen der modernen Soziologie wurde.
2. Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, die von George Herbert Mead, einem der wichtigsten Vertreter und Mitbegründer des amerikanischen Pragmatismus, gelieferten Ansichten zur Entstehung des Ich, welche in der gleichnamigen Publikation thematisiert wird, zu hinterfragen. Demnach sucht diese Arbeit die von Mead entwickelte Theorie zur Entwicklung des Ichs und die dafür nötigen (kindlichen) Entwicklungsschritte, die sich Mead durch unterschiedliche Formen des Spiels erklärt, durch welche das Kind in Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Umgebung Sozialisierungstendenzen entwickelt, die zur Entstehung einer Identität führen. Folglich soll nach der Beschreibung der Person und des Lebenslauf Meads, eine Hinwendung zur Thmematik durch Definition der für die Arbeit konstitutiven Begriffe getroffen werden.
Des Weiteren soll die Entstehung der Identität aus der Sicht Meads geklärt werden, worauf auf die unterschiedlichen, in Meads Sichtweise dafür notwendigen Schritte der Entwicklungen eigengegangen werden soll. Aus diesem Verständnis heraus soll das entstandene Ich, hinterfragt werden, was zu einer kritischen Hinterfragung der Theorie Meads vor allem im Hinblick auf die komplexen Unterscheidungen von I & ME führen soll, aus der eine (mögliche) Kritik an Meads Theorie entwickelt wird.
Aufgrund der einfacheren Lesbarkeit und des besseren Verständnisses, wird nachfolgend auf die weibliche und männliche Doppelform sowie auf den Einsatz von Wortverbindungen mit -Innen verzichtet. Die männliche Form erfasst somit jeweils auch die weibliche Form und umgekehrt.
3. Zur Person Herbert Mead: Leben & Werk
George Herbert Mead (1863 - 1931) war amerikanischer Soziologe, Philosoph und Psychologe und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des us-amerikanischen Pragmatismus. Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium und anschließenden Tätigkeiten als Lehrer bzw. in unterschiedlichen Berufsfeldern, begann Mead sein zweites Studium an der Universität Harvard (vgl. Nagl 1998: S.88f). Dort studierte er ab 1887 Philosophie, das er durch den Erhalt eines Stipendiums in Deutschland an den Unis in Leipzig und Berlin fortsetzte (vgl. ebd.). Bevor er sein Studium abschloss wurde ihm eine Dozentenstelle für Psychologie und Philosophie in Michigan angeboten, wo er in weiterer Folge Kontakte zu einflussreichen Soziologen (wie bspl. John Dewey [Pragmatismus]) knüpfte, die seine (künftige) wissenschaftliche Karriere enorm beeinflussen sollten, sodass er durch den Kontakt zu Dewey 1894 an die neugegründeten University of Chicago berufen wurde, aus der der Pragmatismus sowie die Chicagoer Schule hervorgegangen sind (vgl. ebd). Dort lehrte Mead bis an sein Lebensende im Jahre 1931 als Prof. für Philosophie und Sozialpsychologie (vgl. ebd.).
3.1. Pragmatismus
Unter dem „Pragmatismus“ versteht man eine us-amerikanische, philosophische Strömung, die von Charles Sanders Peirce und William James gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde (vgl. Ritter 1989: S.1245). Die Vertreter des Pragmatismus, zu denen in der Tradition von Peirce und James, George Herbert Mead, John Dewey und Andere zählten, gingen von der Ansicht aus, dass die Menschen durch ihre lebensweltlichen Erfahrungen lernen und anhand dieser Dingen und/oder anderen Menschen Bedeutungen zuschreiben (vgl. Nagl 1998: S.23ff). Dementsprechend ist im Pragmatismus die Aussage zentral, dass der Mensch und seine Identität durch den Umgang mit der Lebensumwelt gebildet wird.
Dies besagt die pragmatische Maxime von Peirce: „Überlege, welche Wirkungen, die denkbarerweise praktischen Bezüge haben können, die wir dem Gegenstand unserer Begriffs in Gedanken zukommen lassen. Dann ist unser Begriff dieser Wirkungen das Ganze unseres Begriffs des Gegenstandes“ (Kunzmann 2002: S.173). Diese Aussage Peirce` kann als Grundprämisse des Pragmatismus bezeichnet werden, insofern, dass eben die Bedeutungen von Begriffen für Sub- und Objekten erst auf der Basis ihrer (möglichen) Handlungsfolgen entstehen.
Durch Mead erhält der Pragmatismus eine neue Dimension und sozialphilosophische Ausrichtung, obwohl er selbst keines seiner Werke publiziert hat, sondern diese alle posthum von seinem Schüler Miller herausgegeben wurden, waren seine Vorlesungen bereits zu Lebzeiten sehr bekannt geworden.
4. Hinwendung zur Thematik
Im Folgenden sollen die für die Arbeit grundlegenden Begriffe aus ihrem soziologischen Verständnis heraus per Definition festgelegt werden um eine Hinwendung zur Thematik zu wagen bzw. die für die Arbeit fundamentalen Begrifflichkeiten vorab anzuführen.
4.1. Definition soziale Interaktion
Der Begriff soziale Interaktion ist multizentrisch und bezeichnet das Handeln zweier Individuen, dass sich am jeweils anderen orientiert (vgl. Vester 2008:S.48). Dementsprechend geht es um ein Wechselspiel der Inter-Akteure, wodurch unter sozialer Interaktion ein „gegenseitiges Aufeinanderabstimmen von Handlungen“ (ebd.) verstanden werden kann. „Der Sinn entsteht erst durch Interaktion, wird ‚ausgehandelt‘ in der Interaktionssituation. Dabei ist auch gerade die Situiertheit der Interaktion […] von Bedeutung, [weil] die Situation beeinflusst die Interaktion, und umgekehrt wird die Bedeutung der Situation in und durch Interaktion herausgearbeitet.“ (ebd.)
4.2. Definition Kommunikation
Zum Begriff der Kommunikation aus der Sichtweise der soziologischen Disziplin ist zu sagen, dass Kommunizieren und Kommunikation in ihrer Begriffsbedeutung das „Miteinander, das Gemeinsame, das Miteinanderteilen im Prozess wie im Gegenstand der Übermittlung von ‚Botschaften‘“ (Vester 2008: S.49) ist. Dabei können Kommunikationen (im Sinne von Übermittlungsprozessen und Inhalten) aus einem breiten Spektrum unterschiedlicher Paradigmen und Disziplinen betrachtet werden, was zu einem ungenau definierbaren Kommunikationsbegriff führt. Folglich soll aus der Sichtweise der soziologischen Theorie und philosophischen Sozialtheorie Kommunikation bzw. kommunikatives Handeln im Sinne der eben beschrieben sozialen Interaktion verstanden werden (vgl. ebd.).
Dementsprechend wird die Face-to-Face-Kommunikation (f2f) in der Literatur als interpersonale Kommunikation, als „direkte Interaktion, die wechselseitig und privat [verläuft, beschrieben] wobei eine Vielzahl von Kommunikationskanälen benutzt werden. Die Kommunikationspartner sind gleichzeitig anwesend und gegenseitig wahrnehmbar, wodurch ein hoher Grad an Reaktion gegeben ist und Rückfragen möglich sind. Kommunikation zwischen zwei Personen von Angesicht zu Angesicht hat eine dyadische oder dialogische Struktur.“ (ebd.)
Wichtigste Voraussetzung der f2f Kommunikation ist die Anwesenheit beider Partner, innerhalb welcher beide für den jeweils Anderen wahrnehmbar sind, was eine Voraussetzung für ‚Interaktionen‘ darstellt. (vgl. Merten 1977. S.79f) Weitere Kennzeichen einer f2f-Kommunikation sind für Merten die Kriterien der „Wechselseitigkeit“ (Merten: 1977: S. 75), „Intentionalität“ (ebd. S. 77), „Wirkung“ (ebd. S. 84) und „Reflexivität“ (ebd. S. 86) der eine zeitliche, sachliche und soziale Dimension (ebd. S. 86ff) unterliegen.
Des Weiteren ist Sprache ein leistungsfähiges Kommunikationsinstrument und somit nicht auf rein verbale Äußerungen beschränkt, sondern besteht aus dem Zusammenspiel einer Vielzahl verbaler ferner nonverbaler Äußerungen, unter welchen visuelle Merkmale wie Mimik, Gestik, raumbezogenes Verhalten, Blickkontakt, ferner auditive Merkmale wie Stimmvariation, Sprechgeschwindigkeit sowie extralinguistische Beifügungen (z.B. Lachen, Husten, Gähnen etc.) eine Rolle spielen. (vgl. Pürer 2003: S. 65).
Der Kommunikations- bzw. Interaktionbegriff wurde aufgrund seiner Relevanz zur gegenwärtigen Thematik in dieser Intensität ausgeführt, weil (wie im Späteren gezeigt werden soll) diese als grundlegende Konstitutiva für die Entstehung des Ichs im Sinne der sozialen Interaktionstheorie von Mead gesehen werden müssen.
4.3. Definition Gebärden und Gesten
Weitere wichtige Begriffe von Mead stellen Gesten und (Laut)gebärden dar. Unter einer Geste bzw. (Laut)Gebärde versteht man einen Teil der nonverbalen Kommunikation, wobei Mitteilungen durch Körpersprache wie Arm-, Hand- und Kopfbewegungen ausgedrückt oder unterstützt werden (vgl. Mayer 2007: S.53).
5. Die Entstehung der Identität
Nach der vorangestellten Klärung wesentlicher Begrifflichkeiten und ihrem Verständnis in der vorliegenden Arbeit sollen im Folgenden die Grundzüge der meadschen Interaktionstheorie dargelegt werden.
Die Entstehung der Identität stellt den ersten Teil der soziologischen Theorie von George Herbert Mead dar, indem er darin den Sozialisationsprozess des Menschen erklärt. Die „Entstehung des Selbst“ ist ein Teil des meadschen Hauptwerks, „Mind, Self and Society“, dass im deutschsprachigen Raum erst in den 70er Jahren unter dem Titel „Geist, Identität und Gesellschaft“ erschien (vgl. Baumgart 2008: S.120).
Grundlegend für Meads Sozialtheorie ist die Sprache. Folglich untersucht Mead die Funktionen und Folgen der menschlichen Sprache für die Sozialisation des Menschen.
Die Sprache
Kommunikation sieht Mead auf der Basis von Gesten, Lautgebärden und symbolischen Interaktionen.
Gesten in meadscher Sichtweise
In Meads Sichtweise stellen Gebärden und Gesten einen wichtigen Teil der Sprache dar insofern, dass diese auf Zeichen beruhen, die durch Verhalten zum Ausdruck gebracht werden. Diese Zeichen nennt Mead Gesten (vgl. Abels 2007a: S.17). Damit meint Mead eine „Haltung [..], die in einer gesellschaftlichen Handlung als spezifischer Reiz auf ein zweites Individuum wirkt“ (ebd.), wodurch eben ein bestimmter Sinn zum Ausdruck gebracht wird, sodass die Vermittlung von Bedeutungen in sozialen Interaktionen möglich wird. Sinnhaft werden diese jedoch erst erfahrbar, wenn eine bestimmte, eben gezielte Reaktion beim Gegenüber damit ausgelöst wird (vgl. ebd.). „Der Sinn der Geste eines Organismus liegt, […] in der Reaktion des anderen Organismus auf die voraussichtliche Vollendung der Handlung des ersten Organismus, der diese Geste auslöst und aufzeigt. Die Reaktion ist ihr Sinn oder gibt ihr ihren Sinn.“ (Mead 1991: S.188)
Symbolische Interaktion
Von diesen Gesten, die eben einen Teil der sprachlichen Interaktion darstellen unterscheidet Mead die „symbolische Interaktion“. Dieses Grundsystem oder um in Meads Worten zu sprechen „signifikante Symbol“ (Mead 1991: S.187) stellt die Sprache dar, was Selbige zur Grundlage menschlichen Umgangs macht insofern, dass „kooperatives, menschliches Handeln, die planvolle Interaktion zwischen Individuen“ (Baumgart 2008: S.120) erst möglich macht. Folglich stellt die Sprache für Mead einen „Prozeß [sic] [dar], durch den sich die Persönlichkeit entwickelt“ (Mead 1991: S.203). Die „Sprache beruht hauptsächlich auf vokalen Gesten, durch deren Hilfe kooperative Tätigkeiten in einer Gemeinschaft ausgeführt werden. Sinnvolle Sprache besteht aus jenen vokalen Gesten, die dazu neigen, im Einzelnen die auch beim anderen ausgelösten Haltungen hervorzurufen.“ (ebd).
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