Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Budgetierung und Bewirtschaftung im Landkreis Teltow-Fläming
2.1 Eine Soll-Konzeption im Sinne des Neuen Steuerungsmodells
2.1.1 Budgetorganisation
2.1.2 Budgetplanung
2.1.3 Budgetbewirtschaftung
2.2 Umsetzung der Budgetierung im Landkreis Teltow-Fläming
2.2.1 Budgetorganisation
2.2.2 Budgetplanung
2.2.3 Budgetbewirtschaftung
3. Beurteilung und Handlungsempfehlungen
4. Zusammenfassung
Anhang
I. Gesprächsverzeichnis
II. Auszug Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung (KomHKV)
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Budgetierung im Gegenstromverfahren
Abbildung 2: Budgetorganisation in Teltow-Fläming
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Reformprozess, dessen theoretische Grundlagen vor rund 20 Jahren gelegt wurden.1 Dabei handelt es sich um ein Leitbild, welches bis heute konkurrenzlos die Verwaltungsmodernisierung in Deutschland bestimmt: das Neue Steuerungsmodell (NSM).2 „Wenn es überhaupt einen gemeinsamen Begriff gibt, der die Verwaltungsreformbestrebungen der 90er Jahre beschreibt und idealtypisch zuspitzt, dann ist es das Schlagwort vom „Neuen Steuerungsmodell“ (NSM)“3 Ausgangspunkt für die Entwicklung dieses Konzepts war einerseits die steigende Finanznot der Kommunen.4 Ebenso dazu beigetragen hat die zunehmende Unzufriedenheit von Bürgern und Politikern, aber auch von Verwaltungsmitarbeitern mit den Funktionsweisen und Ergebnissen der Kommunalverwaltung.5 Bedingt durch den steigenden Druck der Haushaltskonsolidierung und wahrgenommener Steuerungsmängel wurde das Konzept des NSM von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) entwickelt und in der Öffentlichkeit geprägt.6 Der Fokus des NSM liegt auf einer verbesserten Wirtschaftlichkeit und einer effizienteren Ressourcenverteilung und -nutzung.7 Das NSM umfasst drei Kernelemente:
1. Aufbau dezentraler Führungs- und Organisationsstrukturen
2. Outputsteuerung (Steuern nach Leistungen/Produkten)
3. Wettbewerb und Kundenorientierung
Ein Teilaspekt des Aufbaus dezentraler Führungs- und Organisationsstrukturen ist dabei die dezentrale Gesamtverantwortung. Dieser Grundsatz zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit der Leistungserbringer (bspw. der Fachbereiche) auf das Leistungsergebnis zu richten. Dazu ist es absolut notwendig, dass den Leistungserstellern ein ausreichend großer Handlungsspielraum zugestanden wird. Deswegen müssen sie neben der Fachverantwortung, also der Verantwortung für die Erstellung des jeweiligen Produkts, auch die Ressourcenverantwortung, also die Verantwortung für die zur Erstellung benötigten Ressourcen, tragen.8 Bei den Ressourcen handelt es sich dabei nicht nur um finanzielle Mittel, sondern auch um Personal, EDV usw.9 Dieses Zusammenführen beider Verantwortlichkeiten auf einer möglichst niedrigen Hierarchieebene wird als dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen der wichtigsten Aspekte des NSM.10
Auch heute ist der Begriff des NSM eng mit den aktuellen Reformbewegungen verknüpft. Seit den 90er Jahren betreiben zahlreiche Kommunen eine Reform der Kommunalverwaltung, deren Hauptaugenmerk auf der Outputsteuerung und der Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenverantwortung liegt.11 Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei auf eine Reform des Haushalts- und Rechnungswesen gelegt. Dies ist nur verständlich; schließlich weist das NSM diesem eine zentrale Rolle zu.12 Auch im Land Brandenburg wurde eine Reform des kommunalen Haushalts- und Rechungswesens eingeleitet. Den gesetzlichen Rahmen bildet die zum 01.01.2008 in Kraft getretene Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung (KomHKV).13 „Die entscheidende Neuerung gegenüber der bisherigen Kameralistik ist der Schritt von einem Geldverbrauchskonzept hin zu einem Ressourcenverbrauchskonzept.“14 Grundlage bildet dabei der Wechsel von der Kameralistik zur doppelten kaufmännischen Buchführung (Doppik). Dabei widmen sich die Reform und somit auch die KomHKV vordergründig dem kommunalen Haushaltsplan als dem zentralen Rechenschafts- und Steuerungsinstrument der Verwaltung.15 Die Einführung der Budgetierung ist dabei ein wesentlicher Teil der reformbedingten Neuerungen.
Die Budgetierung spielt in diesem Zusammenhang eine besonders herausragende Rolle, da auf ihrer Basis der Haushalt geplant und bewirtschaftet wird. Gleichzeitig ist sie ein wesentliches Element des NSM. Sie soll den dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortlichen mehr Flexibilität in der Mittelbewirtschaftung ermöglichen, um Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns zu erhöhen. Gleichzeitig soll sie als outputorientierte Budgetierung die Mittelverwendung an Ziele und Leistungen knüpfen.16
Die hier vorgelegte Arbeit konzentriert sich auf die Budgetierung im Rahmen der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung. Der Aspekt der Outputorientierung wird dabei nicht explizit behandelt. Der brandenburgische Rechtsrahmen ist verhältnismäßig offen gestaltet und bietet den Kommunen genügend Handlungsspielraum bei der Ausgestaltung ihres Budgetierungssystems. Basierend auf den gesetzlichen Vorgaben der KomHKV soll ermittelt werden, wie ein Budgetierungssystem im Sinne des NSM und dem Ziel der Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenverantwortung ausgestaltet sein sollte. Dabei soll das Budgetierungssystem des Landkreises Teltow-Fläming beispielhaft untersucht und analysiert werden. Vor allem soll deutlich werden, inwieweit Anpassungsbedarf bei der Budgetierung im Rahmen des NSM im Landkreis Teltow-Fläming besteht.
Der Landkreis Teltow-Fläming wurde als Untersuchungsobjekt gewählt, da sich aufgrund seiner Größe und dem Umfang der zu bewirtschaftenden Finanzmasse der aktuelle Stand der Budgetierung deutlich aufzeigen lässt. Ein Großteil der vorliegenden Arbeit fußt auf einem Gespräch mit zwei Mitarbeitern des Landkreises selbst. Als Befragungsform wurde das persönliche Interview gewählt, um einen möglichst umfassenden Einblick in die Ausgestaltung der Budgetierung zu gewinnen.
Sämtliche Personenbezeichnungen in dieser Arbeit wurden aus stilistischen Gründen in männlicher Form angegeben, gelten aber für beide Geschlechter.
2. Budgetierung und Bewirtschaftung im Landkreis Teltow- Fläming
Die Doppik-Reform in Brandenburg bedeutet für die Kommunen einen gravierenden Umstellungsprozess. Die zum 01.01.2008 in Kraft getretene KomHKV verlangt eine völlige Neuausrichtung des Haushalts- und Rechungswesens von einem Geldverbrauchskonzept hin zu einem Ressourcenverbrauchskonzept.17 Dabei bildet der Haushaltsplan weiterhin das „zentrale Steuerungs- und Rechenschaftsinstrument in der kommunalen Verwaltung“.18 Aus diesem Grund sollte gerade auf die Ausgestaltung der im Brandenburg gesetzlich geforderten Budgets besonderes Augenmerk gelegt werden, da diese die wesentliche Grundlage darstellen, auf der der Haushalt geplant und bewirtschaftet wird. Was genau ist aber ein Budget?
Wie viele andere Instrumente des NSM basiert die Budgetierung auf Methoden und Verfahren, die aus der Privatwirtschaft entlehnt wurden.19 Allerdings lässt sich der Begriff aufgrund des bestehenden Rechtsrahmens nicht eins zu eins auf die Kommunen übertragen. Laut KomHKV handelt es sich bei Budgets um einen „vorgegebener Finanzrahmen, der einer Organisationseinheit zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Bewirtschaftung im Rahmen vorgegebener Sachziele und intern festzulegender Budgetregelungen zugewiesen wird“.20 Es werden somit bestimmte Ertrags- und Aufwandspositionen miteinander verbunden und zur freien Bewirtschaftung auf Basis vorher festgelegter Budgetregeln freigegeben. Dabei handelt es sich um eine Ertrags- und Aufwandsbudgetierung, die als Form der Globalsummenbudgetierung ein zentrales Instrument des NSM darstellt.21 Die KGSt widmete sich schon 1993 bzw. 1997 in ihren Berichten dem Thema der Budgetierung im Sinne des NSM. Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch um Budgetierung in der Kameralistik ging, lassen sich die von der KGSt formulierten drei Ziele, die mit der Budgetierung kommunaler Haushalte erreicht werden sollten, ebenfalls in der Doppik weiterführen.
1. Durch Dezentralisierung von Ergebnis- und Ressourcenverantwortung wirtschaftliches Handeln fördern.
2. Budgetrecht des Rates/Kreistages in]haltlich qualifizieren.
3. Zur Haushaltskonsolidierung beitragen.22
Die mit der Budgetierung verfolgten Ziele müssen bei der Konzeption und Bewertung eines Budgetierungssystems stets beachtet werden. Nur durch eine zielorientierte Budgetierung als ein gefordertes Instrument der KomHKV kann eine gelungene Umsetzung der Doppik-Reform im Sinne des NSM gewährleistet werden.
2.1 Eine Soll-Konzeption im Sinne des Neuen Steuerungsmodells
Die KomHKV lässt den Brandenburger Kommunen bei der genauen Ausgestaltung ihres Budgetierungssystems einigen Freiraum. So gibt es Regelungen bezüglich der organisatorischen Ausgestaltung der Budgets und der Budgetbewirtschaftung.23 Gleichzeitig sind die gesetzlichen Vorschriften aber so gestaltet, dass sie den Kommunen nur einen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sie sich bewegen können. Dadurch nimmt der Gesetzgeber Rücksicht darauf, dass sich Kommunen in ihren Rahmenbedingungen, bspw. ihrer Größe, ihrer Organisationstruktur, ihren Aufgaben und ihren Zielen, zum Teil sehr voneinander unterscheiden, sodass es nicht das eine passende Budgetierungssystem für alle Kommunen geben kann.24 Da es sich bei der Budgetierung um ein zentrales Element des NSM handelt, lässt sich auf Grundlage der laut KGSt mit der Budgetierung verfolgten Ziele ein Konzept für die Ausgestaltung von Organisation, Planung und Bewirtschaftung entwickeln.
2.1.1 Budgetorganisation
Die KomHKV gibt den Kommunen bezüglich der organisatorischen Ausgestaltung ihrer Budgets nur folgendes vor: „Teilhaushalte bilden ein Budget. Für funktional begrenzte Aufgabenbereiche können mehrere Teilhaushalte durch Vermerk zu einem Budget verbunden werden. Die Budgets sind jeweils einem bestimmten Verantwortungsbereich zuzuordnen.“25 Insofern gilt zunächst: ein Teilhaushalt bildet ein Budget. Die Teilhaushalte werden wiederum nach dem vorgegebenen Produktrahmenplan26 gegliedert und sind dementsprechend durch eine starke Produktorientierung geprägt.27 Teilhaushalte müssen mindestens auf der Produktbereichsebene (2er-Bereich) gebildet werden; eine tiefere Untergliederung auf Produktgruppen- oder Produktebene ist möglich.28 Dementsprechend sind zunächst einmal folgende Budgets denkbar: auf Produktbereichs-, Produktgruppen- oder Produktebene. Die KomHKV bietet den Kommunen allerdings weiterhin die Möglichkeit, mehrere Teilhaushalte zu einem Budget zusammenzufassen. Laut Gesetz muss es sich dabei allerdings um funktional abgegrenzte Aufgabenbereiche handeln.
Die Vorgaben der KomHKV lassen den Kommunen an dieser Stelle einen breiten Gestaltungsspielraum. Es wird weder die Größe des zu bewirtschaftenden Budgets noch der Aufbau strikt vorgegeben. Prinzipiell sollte der Aufbau der Budgets so gestaltet sein, dass eine dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung ermöglicht wird. Schließlich handelt es sich bei der Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenverantwortung um einen zentralen Aspekt des NSM und um ein mit der Budgetierung verfolgtes Ziel. Gleichzeitig verlangt der Gesetzgeber eine starke Produktorientierung als Grundlage für eine outputorientierte Steuerung.29 Daraus ergibt sich ein gewisser Widerspruch: es kann davon ausgegangen werden, dass die örtliche Organisation der Kommune nicht mit der Struktur des Produktrahmenplans übereinstimmt und deswegen das Zusammenführen von Fach- und Ressourcenverantwortung erschwert wird.30 Insofern wird häufig vorgeschlagen, die Budgetierung komplett entlang der vorhandenen Organisationsstruktur der Kommune vorzunehmen und verschiedenste Produkte, die von der gleichen Verwaltungseinheit bewirtschaftet werden, zu einem Budget zusammenzufassen.31 In diesem Zusammenhang wird häufig von einer organischen Haushaltsgliederung gesprochen; um das Zusammenkommen von dezentraler Fach- und Ressourcenverantwortung wirklich gewährleisten zu können, müsse Verwaltungs-, Haushalts- und Produktgliederung deckungsgleich sein. Deswegen müsse sich die Budgetbildung vordergründig an den vorhandenen Strukturen orientieren (z.B. die Bildung von Dezernatsbudgets).32 Gegen eine solche organisatorische Gliederungsform sprechen mehrere Faktoren. Zum einen wird damit die vorhandene, historisch gewachsene Organisationsstruktur der Kommune übernommen, was prinzipiell einer stärkeren Produktorientierung als Kerngedanke des NSM entgegensteht.33 Des Weiteren sprechen die gesetzlichen Vorgaben gegen eine solche Gliederungsform. Während bspw. in Nordrhein-Westfalen eine Gliederung des Haushalts nach Verantwortungsbereichen möglich ist34 und somit eine Zusammenfassung von Produkten verschiedener Produktbereiche zu einem Budget sogar gewollt ist, sieht die KomHKV eine solche Regelung nicht vor. Es wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Gliederung des Haushalts nach der örtlichen Organisationsstruktur unzulässig ist und nur für funktional abgegrenzte Aufgabenbereiche mehrere Teilhaushalte zu einem Budget verbunden werden können.35 Insofern ist eine strenge Orientierung der Budgetorganisation am vorgegebenen Produktrahmenplan geboten. Um aber ein wirkliches Zusammenführen von Fach- und Ressourcenverantwortung zu gewährleisten, müssen die Budgetbereiche klar voneinander abgegrenzt werden. Des Weiteren muss die Verantwortung für ein Budget eindeutig festgelegt und bestimmt werden, dass der Produktverantwortliche gleichzeitig Budgetverantwortlicher ist.36 Dazu dürfte eine Delegation der Verantwortung auf eine niedrigere Hierarchieebene nötig sein, um keine Verantwortlichkeitslücken entstehen zu lassen.37 Um allerdings eine völlig klare Abgrenzung von Budgets und Verantwortlichkeiten zu schaffen, die zeitgleich mit der Verwaltungsstruktur korrespondiert, müssen die brandenburgischen Kommunen ihre Aufbau- und Ablauforganisation langfristig dem Produktrahmenplan anpassen.38
Hinsichtlich des Budgetzuschnitts muss jede Kommune selbst entscheiden, auf welcher Ebene sie ihre Teilhaushalte bildet.39 Dabei sind in erster Linie ihre individuellen externen und internen Anforderungen sowie der gewünschte Detaillierungsgrad des Haushaltes ausschlaggebend.40 Für große Budgets spricht, dass diese zu größeren Entscheidungsspielräumen und höherer Flexibilität in der Bewirtschaftung führen und somit die Motivation des Verantwortlichen hinsichtlich wirtschaftlichen Handelns erhöhen.41 Dem entgegen steht zum einen die politische Programmfunktion des Haushalts: zu große Budgets würden definitiv die Möglichkeit der politischen Steuerung aufgrund fehlender Überschaubarkeit erschweren.42 Außerdem kann bei zu großen Budgets nicht mehr von dezentraler Fach- und Ressourcenverantwortung gesprochen werden.43 Insofern wäre es empfehlenswert, Teilhaushalte auf Produktebene zu bilden, um diese gegebenenfalls zu Budgets zusammenzufassen, bis die von der Kommune gewünschte Tiefe des Budgetsystems erreicht wird. Somit kann an dieser Stelle kein allgemeingültiger Vorschlag gemacht werden, auf welcher Ebene die Budgets gebildet werden sollten; ausschlaggebend sind die individuellen Besonderheiten der jeweiligen Kommune.
2.1.2 Budgetplanung
Die KomHKV macht den Kommunen hinsichtlich der Haushalts- und Budgetplanung keinerlei Vorschriften. Man kann insofern nicht von einem allgemeingültigen Verfahren sprechen, an welchem sich die Kommunen zu orientieren haben.44 Die starke Produktorientierung im NSM hat aber unter anderem zu der Forderung geführt, die Haushalts- und Budgetplanung auf Grundlage der vorhandenen Produktplanung vorzunehmen.45 Während das herkömmliche Verfahren der Haushaltsplanung auf Basis der Mittelanmeldungen einzelner Ämter aus verschiedenen Gründen kritisiert wird, wird mit der Budgetierung auch eine Änderung der Haushaltsaufstellung verbunden.46 So empfiehlt die KGSt das Gegenstromverfahren, um zum einen die Produktorientierung und Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenverantwortung sicherzustellen, gleichzeitig aber auch das Budgetrecht der Gemeindevertretung inhaltlich zu qualifizieren.47 Das Gegenstromverfahren, auch als Down-Up-Prinzip bezeichnet,48 kombiniert zwei verschiedene Ansätze: die Top-Down-Budgetierung, die sich durch strikte Vorgaben der Verwaltungsführung hinsichtlich zu erreichender Ziele und zu veranschlagender Positionen auszeichnet, und die Bottom-Up-Budgetierung, die durch eine Planung der Budgets auf den operativen Ebenen und eine anschließende Verdichtung auf die höheren Ebenen gekennzeichnet ist.49 Das Gegenstromverfahren kann durch eine einfach Aussage charakterisiert werden: „Die Weichenstellungen erfolgen von oben nach unten; die Detailplanungen erfolgen von unten nach oben.“50 Die Verwaltungsführung gibt zur Sicherstellung eines effizienten Prozesse den Rahmen vor, während die Detailplanung durch die Budgetverantwortlichen selbst erfolgt.51
Die neue Haushaltsplanung im Gegenstromverfahren kann in sechs idealtypischen Phasen vonstattengehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Budgetierung im Gegenstromverfahren (vgl. Gleich (2010), S. 106)
Phase 1: Schätzung des Gesamtbudgets. Auf Basis von Vorplanungen wird eine Vorausschätzung des gesamten Budgets und der insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmasse durchgeführt; diese bestimmt den finanziellen Spielraum für das Haushaltsjahr.52
Phase 2: Rahmenplanung. Die Verwaltungsführung entwickelt einen Rahmen für die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Finanzmasse auf die Budgets. Dabei fließen auch strategische Überlegungen mit ein. Es dürfen allerdings keine detaillierten operativen Produktziele oder Haushaltsansätze vorgegeben werden; es erfolgt lediglich eine strategische Ausrichtung und Priorisierung.53
Phase 3: Eckwertbeschluss. Der Rahmen der Budgets wird von der Gemeindevertretung durch einen Eckwertbeschluss zur verbindlichen Vorgabe für die Aufstellung der Teilhaushalte bzw. Budgets.54 An dieser Stelle hat die Gemeindevertretung schon vor endgültiger Haushaltsverabschiedung die Möglichkeit, auf den Haushalt bewusst Einfluss zu nehmen. So können die Vertreter Einfluss auf einzelne Produkte, die für diese zur Verfügung stehenden Ressourcen und die mit ihnen zu erreichenden Ziele nehmen. Dabei sollten sie sich auf strategische Zielsetzungen konzentrieren und der Verwaltung keine detaillierten, operativen Vorschriften machen.55
Phase 4: Erstellen der Budgets/Teilhaushalte. Die Budgetverantwortlichen erstellen ihr Budget auf Basis des vorgegebenen Rahmens. Dabei werden im Teilhaushalt sämtliche Erträge/Aufwendungen bzw. Einzahlungen/Auszahlungen produktbezogen geplant.56 Auf Basis der strategischen Vorgaben der Politik werden operative Ziele und Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung in den Budgets verankert.57 Phase 5: Aggregation. Die einzelnen Budgets/Teilhaushalte werden zu einem Gesamtbudget/Gesamthaushalt aggregiert.58
Phase 6: Budgetverabschiedung. Das Gesamtbudget bzw. der Haushaltsplan wird in die Gemeindevertretung eingebracht und dort verabschiedet.59
Die Vorteile dieses Verfahrens sind vielfältig. Zum einen wird die Rolle der Gemeindevertretung durch diese Verfahren qualitativ gestärkt; im Rahmen des Eckwertbeschlusses kann sie direkt strategische Zielsetzungen festlegen.60 Ein so hoher Grad der wirklichen Einflussnahme ist bei der Verabschiedung des Gesamthaushalts gar nicht mehr möglich. Außerdem dürfte der Aufwand der Haushaltsaufstellung langfristig sinken, da die Rollenverteilung zwischen Gemeindevertretung und Verwaltung eindeutiger und effizienter organisiert ist. Weiterhin unterstützt dieses Verfahren die Haushaltskonsolidierung, da diese durch den Eckwertbeschluss explizit verankert werden kann.61
2.1.3 Budgetbewirtschaftung
Schon in Zeiten der Kameralistik war der Gesetzgeber bemüht, Regelungen zu schaffen, die innerhalb eines rechtlich bindenden Rahmens eine flexiblere Haushaltsbewirtschaftung ermöglichen.62 Die Budgetierung in der Doppik hat neben Veränderungen in der Haushaltsplanung auch zu Veränderungen im Haushaltsvollzug geführt. Zielsetzung ist unter anderem die Stärkung der Eigenverantwortung der Budgetverantwortlichen hin zu einer tatsächlichen Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenverantwortung.63 Gäbe es keine Instrumente zur flexiblen Haushaltswirtschaft, dürfte jeder Ansatz jeder Aufwandszeile eines jeden Teilhaushalts weder getauscht noch überschritten werden, was einer Förderung des wirtschaftlichen Handelns entgegenlaufen würde.64 Die neuen Bewirtschaftungsregeln sollen es dem Budgetverantwortlichen ermöglichen, seine Aufwendungen flexibler zu gestalten und innerhalb des Budgetrahmens wirtschaftlich effiziente Lösungen zu erreichen, eine bestmögliche Zielerreichung zu realisieren und auf ungeplante Veränderungen rasch zu reagieren.65 Ein einfaches Beispiel: ohne Bewirtschaftungsregeln wäre die Summe in der Zeile Sach- und Dienstleistungen verbindlich und nicht auf andere Positionen übertragbar. Der Budgetverantwortliche hätte keinerlei Anreiz, wirtschaftlich zu handeln und möglicherweise Einsparungen vorzunehmen, da er eingesparte Aufwendungen nicht für andere Ansätze verwenden könnte. Nach den neuen Bewirtschaftungsregeln könnte er dort eingesparte Ansätze bspw. für investive Maßnahmen einsetzen.
§ 23 sowie § 24 KomHKV beinhalten alle für die Budgetbewirtschaftung relevanten Regelungen. Wie schon bei der Budgetorganisation stellt der Gesetzgeber hier einen Rahmen auf, innerhalb dessen die Kommunen sich zu bewegen haben, lässt ihnen aber genügend Spielraum zur individuellen Gestaltung von Budgetregeln.
Zunächst einmal sind sämtliche Aufwendungen (sowie Auszahlungen und Verpflichtungsermächtigungen) innerhalb eines Budgets gegenseitig deckungsfähig, solange im Haushaltsplan nichts anderes bestimmt ist.66 Dementsprechend ist innerhalb eines Budgets nur die Summe der gesamten Aufwendungen verbindlich. Insofern können Verschiebungen der einzelnen Aufwendungs- und Auszahlungspositionen innerhalb eines Budgets jederzeit vorgenommen werden, solange keine einschränkenden Regelungen getroffen wurden. So können bspw. eingesparte Personalaufwendungen für Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen verwendet werden. Durch diese Regelung kann sich der Budgetverantwortliche frei in seinem Budget bewegen und eine dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung wird sichergestellt.67 Allerdings ist folgendes zu beachten: „Die Bewirtschaftung der Budgets darf nicht zu einer negativen Veränderung des ordentlichen Jahresergebnisses nach § 4 Abs. 1 Nr. 22 sowie des Finanzmittelüberschusses nach § 5 Nr. 34 führen.“68 Somit muss bei der Budgetbewirtschaftung darauf geachtet werden,dass sich insgesamt (also im Gesamthaushalt) weder das ordentliche Ergebnis noch das Finanzergebnis negativ ändert.
[...]
1 Vgl. Bals / Reichard (2000), S. 205.
2 Vgl. Jann (2005), S. 75.
3 Jann (2005), S. 74.
4 Vgl. Vierheilig (2001), S. 14.
5 Vgl. Jann (2005), S. 75.
6 Vgl. Bogumil et al. (2007), S. 23.
7 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 79.
8 Vgl. Jann (2005), S. 77.
9 Vgl. Schedler / Proeller (2006), S. 116.
10 Vgl. Buchholz / Lasar (2010), S. 293.
11 Vgl. Erdmann et al. (2008), S. 29.
12 Vgl. Bals / Reichard (2000), S. 206.
13 Vgl. Erdmann et al. (2008), S. 30.
14 Erdmann et al. (2008), S. 31.
15 Vgl. Erdmann et al. (2008), S. 31.
16 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 79.
17 Vgl. Erdmann (2004), S. 184c.
18 Erdmann et al. (2008), S. 31.
19 Vgl. Jann (2005), S. 76; Gleich / Schentler (2010), S. 79.
20 § 2 Abs. 12 KomHKV.
21 Vgl. Schedler / Proeller (2006), S. 165; Bals (2008), S. 14.
22 Vgl. KGSt (9/1997), S. 22-25.
23 Vgl. § 6, § 23, § 24 KomHKV.
24 Vgl. Häfner (2009), S. 69.
25 § 6 Abs. 3 KomHKV.
26 Vgl. 2 VV Produkt- und Kontenrahmen.
27 Vgl. § 6 Abs. 1 KomHKV.
28 Vgl. Oelgeklaus et al. (2007), S.109 f.
29 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S.90 f.
30 Vgl. Erdmann et al. (2008), S. 38.
31 Vgl. Henkes (2008), S. 428.
32 Vgl. Bals (2005), S. 330.
33 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 95.
34 Vgl. § 4 Abs. 1 GemHVO NRW.
35 Vgl. 1.1 VV Produkt- und Kontenrahmen.
36 Vgl. KGSt (9/1997), S. 31.
37 Vgl. Schwarting (2005), S. 36.
38 Vgl. Grommas / Grommas (2007), S. 9.
39 Vgl. Erdmann et al. (2008), S. 39.
40 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 97.
41 Vgl. Grommas / Grommas (2007), S. 15.
42 Vgl. Schwarting (2010), S. 68.
43 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 98.
44 Vgl. Schwarting (2005), S. 150.
45 Vgl. Bals (2005), S. 333.
46 Vgl. Erdmann et al. (2008), S. 35.
47 Vgl. KGSt (6/1993), S. 11; KGSt (9/1997), S. 22-25.
48 Vgl. Bals (2007), S. 6.
49 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 105.
50 Bals (2003), S. 9.
51 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 105.
52 Vgl. Rode (2007), S. 6.
53 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 107.
54 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 107.
55 Vgl. Bals (2007), S. 11 f.
56 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 108.
57 § 6 Abs. 4 KomHKV. Die Verankerung von Zielen ist gesetzlich vorgeschrieben.
58 Vgl. Gleich / Schentler (2010), S. 108.
59 Vgl. Schwarting (2005), S. 153.
60 Vgl. Bals (2007), S. 13.
61 Vgl. Mäding (2005), S. 347.
62 Vgl. Adam et al. (2010), S. 101.
63 Vgl. Erdmann et al. (2008), S. 36.
64 Vgl. Kußmaul / Henkes (2009), S. 120.
65 Vgl. Schwarting (2005), S. 214.
66 Vgl. § 23 Abs. 1 KomHKV.
67 Vgl. Oelgeklaus et al. (2007), S. 418.
68 § 23 Abs. 5 Satz 1 KomHKV.